Rede:
ID1100520200

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    Plenarprotokoll 11/5 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 5. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 19. März 1987 Inhalt: Wahl der Schriftführer — Drucksache 11/58 (neu) — 137 A Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. Apel SPD 137 B Carstens (Emstek) CDU/CSU 144 D Frau Vennegerts GRÜNE 148 C Dr. Solms FDP 150D Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . . 155A Dr. Spöri SPD 164A Krollmann, Staatsminister des Landes Hessen 166C Dr. Wallmann, Bundesminister BMU . . . 171 C Kleinert (Marburg) GRÜNE 177 B Mischnick FDP 178 C Dr. Hauff SPD 180D Dr. Laufs CDU/CSU 184 B Frau Garbe GRÜNE 186D Baum FDP 188D Frau Rust GRÜNE 191 A Weiermann SPD 193A Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 195A, 221 B Frau Unruh GRÜNE 206 B Cronenberg (Arnsberg) FDP 207 A Frau Fuchs (Köln) SPD 210B Dr. Faltlhauser CDU/CSU 216B Floss GRÜNE 219C Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 222 B Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister BMJFFG . 225 C Frau Wilms-Kegel GRÜNE 231B Dr. Hirsch FDP 232 C, 246 D Frau Verhülsdonk CDU/CSU 233 D Dr. Penner SPD 236 A Dr. Miltner CDU/CSU 241 A Wüppesahl GRÜNE 244 C Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI . 249B Namentliche Abstimmungen 192D Ergebnisse 203 A, 204 C Präsident Dr. Jenninger 149 B Vizepräsident Cronenberg 244 B Vizepräsident Frau Renger 219B, 246C Nächste Sitzung 251 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 252 * A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 5. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. März 1987 137 5. Sitzung Bonn, den 19. März 1987 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Amling 20. 3. Egert 19. 3. Frau Eid 20. 3. Dr. Götz 20. 3. Grünbeck 20. 3. Grüner 19. 3. Grunenberg 20. 3. Haack (Extertal) 19. 3. Klein (München) 20. 3. Kolb 20. 3. Lenzer * 20. 3. Frau Dr. Martiny-Glotz 20. 3. Dr. Mertens (Bottrop) 19. 3. Reuschenbach 20. 3. Dr. Rumpf ' 20. 3. Seehofer 20. 3. Frau Simonis 19. 3. Strauß 20. 3. Frau Trenz 20. 3. Dr. Wieczorek 20. 3. Frau Dr. Wilms 19. 3. Frau Zutt 20. 3. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Burkhard Hirsch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Penner, Sie haben eine diskreditierende Äußerung über den Grafen Lambsdorff, ein geschätztes Mitglied dieses Hauses, gemacht. Ich weise das zurück. Vor allen Dingen können Sie nicht in dieser Weise einen abwesenden Kollegen angehen. Ich hätte von Ihnen als Jurist eine etwas sensiblere Behandlung dieser Materie erwartet.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Penner [SPD]: Jetzt ist aber wirklich Schluß!)

    Im übrigen, Herr Kollege Penner, Herr Tietjen, Herr
    Nöbel, Herr de With, Herr Wernitz, Sie haben eine
    wirklich überzeugende Vorstellung Ihres Wunsch-



    Dr. Hirsch
    partners in Hessen bekommen. Ich wünsche Ihnen eine glückliche Reise auf diesem Weg.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Das war schon toll. Ich hätte gerne die Rede, die wir eben genießen durften, möglichst bald im Wortlaut.
    Es wird, meine verehrten Damen und Herren, in diesen Tagen sehr viel über Gewalt, über die Aufforderung zum Rechtsbruch, über Boykott eines Gesetzes und über die Notwendigkeit gesprochen, Gesetze auch mit hohen Strafen durchzusetzen. Dabei geht es nicht um ein Gesetz aus dem Kernbereich unserer politischen Existenz, sondern um die Volkszählung, um Ordnungswidrigkeiten, um eine gezielte Provokation des Parlaments durch eine Gruppe gewählter Abgeordneter. Die Debatte über die Volkszählung ist geradezu ein Lehrstück über die Methoden politischer Agitation. Der berechtigte Wunsch des Bürgers nach Privatheit, seine Abneigung gegen Bürokratie, der verbreitete und teilweise auch berechtigte Spott über den Sinn von Statistiken, das Unbehagen über die Möglichkeiten der elektronischen Datenverarbeitung werden systematisch genutzt und umgemünzt zu einer Loyalitätsprobe zum Staat. Der Bürger soll gegen seine eigenen Interessen mobilisiert werden; er wird zum Werkzeug in einer politischen Auseinandersetzung.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zurufe von den GRÜNEN)

    Die Betreiber in dieser Kampagne wissen ganz genau, daß das Gesetz in penibelster Weise die Privatsphäre respektiert, mit der Verfassung nach Wortlaut und Sinn übereinstimmt, daß die dem Bürger gestellten Fragen harmlos sind und seine Anonymität gewahrt ist. Sie wissen, daß das Gesetz notwendig ist für die Chance zu rationalen politischen Entscheidungen.
    Die Agitatoren scheuen natürlich den Weg zum Bundesverfassungsgericht, und sie verschweigen sorgfältig, daß sie die Volkszählung zunächst deswegen angegriffen haben, weil ihnen die Fragen nicht weit genug gingen. Das ist doch der politische Sachverhalt.
    Wir haben im übrigen heute vormittag gehört, welche tollen Fragen von der hessischen Landesregierung, solange sie an ihr beteiligt waren, auf die Landwirte losgelassen worden sind — Fragen, was sie zu Mittag essen, ob die Kinder am Mittagstisch teilnehmen, ob sie Topf- und Schnittblumen kaufen und wieviel, was sie für Unterwäsche und Socken ausgeben und was für Zeitungen sie abonnieren. Unter Ihrer Verantwortung geht so etwas in das Land.
    Sie wollten entschieden mehr zwangsweise erfragen. Ich sage ihnen, daß ihnen in Wirklichkeit die Volkszählung selbst völlig gleichgültig ist. Sie wollen eine Loyalitätsprobe zum Staat, und das ist kein Kinderspiel.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Kleinert [Marburg] [GRÜNE])

    Darum ist es für uns weit über den Anlaß hinaus von Bedeutung, daß die demokratische Opposition dieses Hauses, nämlich die Sozialdemokraten, an ihrer Haltung für die Volkszählung keinen Zweifel lassen. Natürlich ist es richtig, wenn der Generalbundesanwalt sagt, daß die Agitatoren in erheblicher Höhe bestraft werden können. Das mag geschehen, ändert aber überhaupt nichts daran, daß der Erfolg oder Mißerfolg der Volkszählung nicht von der Strafe, sondern von der Bereitschaft der Bürger zur Mitwirkung abhängt. Zu dieser politischen Auseinandersetzung sind strafrechtliche Mittel nur von begrenztem Wert, weil wir in einer Gesellschaft leben, in der mit Befehl und Gehorsam alleine wenig auszurichten ist, sondern in der es vielmehr darauf ankommt, das Vertrauen, die Mitarbeit, die Zustimmung der überwiegenden Mehrheit der Bürger zu gewinnen.
    Wir befinden uns — mit anderen Worten — mehr, als das vielen bewußt ist, in einer liberalen Gesellschaft. Viel wichtiger als die strafrechtliche Wertung ist die politische Bestätigung, daß die GRÜNEN zu rationaler Politik offenbar unfähig sind — das ist hier wieder dokumentiert worden —

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    und daß ein Teil von ihnen die minimale demokratische Grundhaltung aufkündigt, daß nämlich nicht jeder einzelne nach Belieben darüber entscheiden kann, ob ein Gesetz verbindlich ist oder nicht. Wer die Achtung des einzelnen vor dem Gesetz zerstört, verweist die Mehrheit und den Staat immer mehr auf die Benutzung von Zwangsmitteln. Er polarisiert die Gesellschaft und verwandelt sie in eine Mehrzahl von Gruppen, die um die Macht kämpfen. Die GRÜNEN beschwören bürgerliche Freiheiten und wollen uns auf einen Weg locken, der genau zur Vernichtung dieser Freiheiten führen würde.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Für Demokraten ist es unstreitig, daß das Ansehen und die Autorität des demokratischen Staates geschützt werden müssen. Auch Liberale wollen keinen schwachen Staat, weil dort immer der Ruf nach dem starken Mann ertönt. Die melden sich immer sehr frühzeitig und mit einfachen Lösungen. Der Staat muß die Rechte des Bürgers wirksam schützen können und zu diesem Zweck von seinem Gewaltmonopol Gebrauch machen. Das alles ist in der Regierungserklärung im einzelnen ausgeführt worden und kaum ernsthaft streitig.
    Es muß aber die Frage behandelt werden, mit welchen Mitteln das geschehen soll und ob das alles ist. Wir leben in einer Gesellschaft, in der Bürger in zunehmendem Maße Anteil am politischen Leben nehmen können und das auch tun, in der sie mehr Individualität, mehr Freizeit, mehr Privatheit und mehr Selbstverantwortung in Anspruch nehmen. Die Forderung nach kultureller Freiheit, nach Toleranz gegenüber anderen, insbesondere gegenüber Minderheiten, eine Politik der aktiven Humanität bestimmen immer mehr das geistige Klima der Gesellschaft, in der wir leben und die nicht restaurativ, sondern liberal ist.
    Wir haben im Vergleich zur Vergangenheit und zu anderen Ländern ein solches Maß an innerer Sicherheit erreicht, daß sich die Erkenntnis durchsetzt, daß innere Sicherheit überhaupt nichts nutzt, wenn sie



    Dr. Hirsch
    nicht dem inneren Frieden einer demokratischen Gesellschaft dient.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD)

    Dazu gehört nicht nur die Entfaltung staatlicher Macht, sondern die Übereinstimmung einer Gesellschaft mit den Grundwerten, den Grundrechten, die ihren Bestand ausmachen. Dazu gehört die Privatheit gerade unter den Bedingungen der elektronischen Datenverarbeitung. Moderne Informationstechnik, die notwendig ist, wird im öffentlichen wie im privaten Bereich wachsenden Widerständen ausgesetzt sein, wenn der Schutz der persönlichen Daten nicht überzeugender als bisher gesichert wird.
    Wer den Datenschutz, also den Schutz der Privatheit, nur als Täterschutz begreift, als eine veredelte Form des Widerstandes gegen die Staatsgewalt betrachtet, braucht sich über die Heftigkeit der Volkszählungsdiskussion nicht zu wundern. Darum brauchen wir mehr Offenheit, mehr Selbstbeschränkung, übrigens auch mehr festgeschriebene politische Verantwortung in der staatlichen Datenverarbeitung, insbesondere im Verfassungsschutz, und zwar mehr als bisher.

    (Bernrath [SPD]: Dann dürfen Sie nicht so viele Kompromisse schließen!)

    — Wir werden in eine Gesetzgebung eintreten, Herr Kollege, an der das ganze Haus mitwirken wird und mitwirken kann.
    Der Bürger akzeptiert das entschlossene Vorgehen gegen Straftäter und diejenigen, die unsere verfassungsmäßige Ordnung untergraben wollen, aber nicht das vorsorgliche Registrieren aller möglichen sonstigen Personen in noch so vorsorglicher Absicht. Er hat recht damit. Der Übergangsbonus nach dem Volkszählungsurteil geht zu Ende. Es ist unsere dringendste rechtsstaatliche Aufgabe, die Informationsgewinnung und -verarbeitung der Polizeien des Bundes und der Länder bei der Strafverfolgung und bei der Gefahrenabwehr im Verhältnis zum Verfassungsschutz und zu anderen Diensten zu regeln, die vom Verfassungsgericht geforderte Transparenz und die informationelle Gewaltenteilung zu ordnen, so schwer das im einzelnen auch ist.

    (Beifall bei der FDP)

    Zur Privatheit gehört auch eine massive Anstrengung zur Entbürokratisierung und zur Regelungsdichte, in die wir hineingeraten sind. Nicht immer neue Gesetze fordern, solange nicht erwiesen ist, daß die geltenden Gesetze auch ausgeschöpft werden.

    (Zuruf von der SPD: Sehr gut!)

    Wir wollen einen Beitrag zu mehr Humanität und Toleranz leisten. Darum kann das angekündigte Ausländerrecht nicht nur die Fortschreibung des traditionellen Ausländerrechtes als Fremdenrecht sein. Die lange bei uns lebenden Ausländer, besonders diejenigen, die hier geboren und aufgewachsen sind, müssen eine breite Aufnahme und einen gesicherten Rechtsstatus finden.

    (Zuruf von der SPD: Dann sind wir gespannt!)

    Ihr Weg in unsere Gesellschaft muß erleichtert werden, wie das übrigens alle unsere westlichen Nachbarn seit Jahrzehnten in ihrem eigenen Interesse verwirklichen.
    Ein Beitrag zur Humanität ist auch das Asylrecht für politische Flüchtlinge, das wir erhalten wollen und müssen. Es ist richtig, daß wir die wirtschaftlichen Ursachen von Flüchtlingsbewegungen dadurch nicht lösen können. Das ist in ihrer Dimension eine europäische Aufgabe von größter Bedeutung.
    Zur Humanität gehört übrigens auch, daß wir uns erneut den noch offenen Fragen bei der Entschädigung nationalsozialistischer Opfer zuwenden. Wir haben dazu am Ende der 10. Legislaturperiode im Anschluß an den Bericht der Bundesregierung eine alsbaldige Anhörung mit dem Ziel einer Härteregelung zugesagt, und wir werden uns natürlich an diese Zusage halten.
    Wir wollen eine gewaltfreie Gesellschaft. Das bedeutet nicht nur den Kampf gegen politisch motivierte Gewalt, sondern ebenso gegen schlichte Kriminalität, die zwar weniger spektakulär ist, den einzelnen aber nicht minder hart trifft. Wir wollen uns den Blick nicht auf bestimmte Erscheinungsformen der Gewalt verengen lassen, sondern neue Ansätze für politische Entscheidungen durch eine breitangelegte Untersuchung über die politischen und materiellen Ursachen der Gewalt in unserer Gesellschaft finden, wie das vor Jahren schon einmal gemacht worden ist.
    Wir schlagen erneut vor, das gemeinsame Sicherheitsprogramm des Bundes und der Länder fortzuschreiben, die Zusammenarbeit der Polizeien von Bund und Ländern auf ein erneuerte gemeinsame Basis zu stellen und Klarheit über ihre gewachsenen personellen und materiellen Anforderungen zu gewinnen.
    Wir verfolgen wie auch Sie mit großer Sorge das Auseinanderfallen, das Auseinanderreißen des Polizeirechtes, der Ausstattung der Polizei, ihrer taktischen Einstellungen. Wir wollen bei unseren zukünftigen politischen Entscheidungen unverändert insbesondere Polizeipraktiker hören, also diejenigen, die unmittelbar mit den Folgen unserer Entscheidungen konfrontiert werden. Wir wollen sie nicht in die Rolle des Gesetzgebers drängen. Aber sie haben einen Anspruch auf unmittelbares Gehör und ernsthafte Würdigung.
    Es ist außerordentlich ermutigend, in welchem Maße besonnene Polizeipraktiker zur Zurückhaltung mahnen, weil sie mehr als mancher Politiker wissen, wie leicht man Eskalationen erzeugen kann, und weil sie wissen, in welchem Maße sie vom Vertrauen und von der Mitarbeit der Bevölkerung abhängen.

    (Beifall bei des Abg. Stratmann [GRÜNE])

    Wer eine gewaltfreie Gesellschaft will, kann sie nicht mit polizeilichen Mitteln allein erreichen, sondern er muß sorgfältig prüfen, wo die Grenzen auch von Mehrheitsentscheidungen sind und ob er das Äußerste unternommen hat, bei seinen Entscheidungen auch andere Meinungen zu berücksichtigen und die Zustimmung möglichst vieler Menschen zu gewinnen.



    Dr. Hirsch
    Ich möchte meine letzte Bemerkung unseren Mitarbeitern im öffentlichen Dienst widmen. Wir haben eine Verwaltung, um die uns viele Länder dieser Erde beneiden und die uns manchmal als zu perfekt vorkommt. Um das richtige Maß zu gewinnen, brauchen wir gute Mitarbeiter, die auch zu selbständigem Handeln bereit sind, die wissen, daß ein moderner Rechtsstaat zum Scheitern verurteilt ist, wenn er mit obrigkeitsstaatlichen Mitteln und mit Schaltermentalität verwaltet wird.
    Wer gute Mitarbeiter haben will, muß dafür sorgen, daß ihre materiellen Voraussetzungen stimmen und daß sie die Gewißheit haben, auch in ihren materiellen Interessen gerecht behandelt zu werden. Wir werden uns auch in dieser Legislaturperiode ernsthaft darum bemühen, diesen Ansprüchen gerecht zu werden.
    Der Weg in eine liberale Gesellschaft ist vorgezeichnet, und wir werden nicht zögern, ihn zu beschreiten.

    (Beifall bei der FDP — Dr. Nöbel [SPD]: Ihr Wort in Gottes Ohr!)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern, Herr Dr. Zimmermann.

(Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Jetzt kommt der Höhepunkt des Abends!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Frau Präsident! Meine Damen und Herren! In der jetzt beginnenden 11. Legislaturperiode wird die Bewahrung des inneren Friedens eine zentrale politische Aufgabe bleiben. Inneren Frieden gibt es nicht ohne Sicherheit für den einzelnen. Und der freiheitliche Staat, der sich nicht gegen seine Feinde verteidigt, verspielt die Freiheit seiner Menschen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Gefährdungen, denen unser Gemeinschaftsleben auch im vergangenen Jahr ausgesetzt war — ich erinnere an die terroristischen Verbrechen, an die zahllosen Gewalttätigkeiten —, zeigen, daß der freiheitliche Rechtsstaat selber zum Angriffsobjekt geworden ist. Um so mehr sind wir verpflichtet, die Freiheit des Staates von äußeren Einflüssen und damit die Freiheit der Bürger zu sichern.
    Die Bedrohung durch den Terrorismus, besonders durch die RAF und ihr Umfeld, aber auch international, bereitet uns nach wie vor große Sorge.
    Wir haben große Fortschritte in der internationalen Zusammenarbeit gemacht, die sich vor allem mit Frankreich darin niederschlagen wird, daß ich in den ersten Tagen des April ein intensives und ins Detail gehendes Abkommen, das sorgfältig vorbereitet worden ist, mit meinen französischen Amtskollegen gemeinsam unterzeichnen werde.
    Im übrigen haben uns bei der Aufdeckung des Lagers der Action Directe in der Nähe von Orléans die französischen Sicherheitsbehörden, so früh und so umfassend es nur irgend ging, informiert; ein Maßstab für unsere zukünftige Zusammenarbeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Entwicklung des Terrorismus, meine Damen und Herren, ist vor dem Hintergrund einer wachsenden Gewaltbereitschaft — die Zahl der verletzten Polizeibeamten ist gesagt worden — extremistischer und militanter Gruppen zu sehen, wo Gewalt nicht nur offen befürwortet, sondern auch angewandt wird. In gefährliche Nähe dazu begeben sich die, die Gewalttaten verharmlosen und das staatliche Gewaltmonopol in Frage stellen. Das staatliche Gewaltmonopol existiert ja nicht aus einer Laune des Staates heraus, meine Damen und Herren,

    (Frau Trenz [GRÜNE]: Das ist der Punkt! Ganz genau!)

    oder aus einer Randbemerkung oder Fußnote der Verfassung. Das staatliche Gewaltmonopol, richtig verstanden, garantiert allein, daß nicht Gruppen im Staat versuchen, die Gewalt für sich in Anspruch zu nehmen — weil das staatliche Gewaltmonopol nicht mehr funktioniert — , um damit den Bürgerkrieg in dieser oder jener Form zu eröffnen. Es gibt welche, die noch selbst erlebt haben, was das heißt, und es gibt andere, die genügend Anschauungsmaterial aus der Diskussion mit Eltern, Älteren, Lehrern und aus anderem haben, um zu wissen, was ich damit meine. Dieser Entwicklung muß jeder entgegentreten, der es mit dem Rechtsstaat und damit auch mit dem Gewaltmonopol ernst meint.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Staat kann und darf, wie ich meine, keine Art von Gewalt, von wem auch immer, dulden. Ein Staat, der Gewalt duldet, hat sich selber aufgegeben. Deswegen sage ich für diese Regierung, daß wir es nicht zulassen werden, daß Gewalt und Rechtsbruch verbrämt werden, eingehüllt werden mit Begriffen wie „ziviler Widerstand", „ziviler Ungehorsam" oder dem ganz verharmlosenden Wort „Regelverstoß", das ich dieser Tage wieder gehört habe.
    Der Versuch, Gesetzesverletzungen durch Berufung auf das Widerstandsrecht des Art. 20 Abs. 4 des Grundgesetzes zu rechtfertigen, ist eine absolute Pervertierung einer der grundlegenden Normen unserer Verfassung.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der arrogante Anspruch, sich selbst von der Bindung und Ordnung freizustellen und nach eigenem Gutdünken darüber zu entscheiden, welche Rechtsvorschriften zu befolgen sind und welche nicht, ist ein wirklicher Ausdruck eines gestörten Rechtsbewußtseins. Er darf nicht geduldet werden, meine Damen und Herren, darf nicht geduldet werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Weiss [München] [GRÜNE]: Flick! Parteispenden!)

    Wir werden den verfassungs- und datenschutzrechtlichen Erfordernissen Rechnung tragen, die sich aus dem bekannten Urteil des Verfassungsgerichts ergeben.

    (Weiss [München] [GRÜNE]: Wann denn endlich?)

    Das ist ein so komplexes Regelungswerk, das mindestens 13 Gesetze auf dem Gebiet der inneren Sicherheit umfaßt, daß uns das Verfassungsgericht — jeder, der Gelegenheit haben sollte, mit einem Mitglied des



    Bundesminister Dr. Zimmermann
    Gerichts zu sprechen, wird es bestätigt finden — , dazu durchaus eine ausreichende Zeit eingeräumt hat. Das wird diese Legislaturperiode sein. Die wird fast ausgeschöpft werden müssen, um all das zu regeln, was hier geregelt werden muß.

    (Frau Olms [GRÜNE]: Dann habt ihr alle Daten zusammen!)

    Noch ein Wort zur Volkszählung. Auf sie ist mehrfach hingewiesen worden. Auch der Bundeskanzler hat gestern darüber gesprochen. Ein Abgeordneter, in dessen Lebenslauf ich lese, daß er Kriminalbeamter a. D. ist, hat sie gerade hier in einer besonders unmöglichen Weise verhöhnt und lächerlich gemacht.
    Wer die Volkszählung 1970 und ihren Fragebogen noch kennt, wer ihn ausgefüllt hat, der weiß, wie diese und ihr Regelungswerk am Ende einer Großen Koalition zustande kamen. Innenminister war wohl der unverdächtige nachmalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Ernst Benda. Wer diesen Bogen liest und ihn mit dem heutigen vergleicht, der weiß eigentlich, wovon wir sprechen. Hier wird nicht nach Intimitäten gefragt. Hier wird dem Bürger überhaupt nichts zugemutet. Hier wird nur nach 17 Jahren — damit sind wir von allen großen Industriestaaten dieser Welt der, der sich die größte Pause zwischen der vorigen und dieser Zählung geleistet hat — etwas gefragt, um festzustellen, ob die automatischen Abrechnungen — Mikrozensus, und wie sie heißen — noch wirklich funktioniert haben.

    (Wetzel [GRÜNE]: In den USA wird überhaupt nicht gezählt!)

    Wir werden — diese Voraussage wage ich — feststellen, daß diese automatischen Weiterberechnungen nicht funktioniert haben, weil sie bereits auf einer falschen Basis erfolgt sind.
    Das ist der Sinn, der letzte Sinn und Zweck dieser Volkszählung: festzustellen, ob wir nicht vielleicht eine Million Einwohner weniger haben, als heute in unseren Melderegistern stehen.

    (Zurufe von den GRÜNEN)

    Daß diese Wahrscheinlichkeit — das sagen alle Statistiker — sehr groß ist, braucht man nicht als Neuigkeit zu verkaufen.