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ID1100517500

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    Vokabeln: 7
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    Plenarprotokoll 11/5 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 5. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 19. März 1987 Inhalt: Wahl der Schriftführer — Drucksache 11/58 (neu) — 137 A Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. Apel SPD 137 B Carstens (Emstek) CDU/CSU 144 D Frau Vennegerts GRÜNE 148 C Dr. Solms FDP 150D Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . . 155A Dr. Spöri SPD 164A Krollmann, Staatsminister des Landes Hessen 166C Dr. Wallmann, Bundesminister BMU . . . 171 C Kleinert (Marburg) GRÜNE 177 B Mischnick FDP 178 C Dr. Hauff SPD 180D Dr. Laufs CDU/CSU 184 B Frau Garbe GRÜNE 186D Baum FDP 188D Frau Rust GRÜNE 191 A Weiermann SPD 193A Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 195A, 221 B Frau Unruh GRÜNE 206 B Cronenberg (Arnsberg) FDP 207 A Frau Fuchs (Köln) SPD 210B Dr. Faltlhauser CDU/CSU 216B Floss GRÜNE 219C Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 222 B Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister BMJFFG . 225 C Frau Wilms-Kegel GRÜNE 231B Dr. Hirsch FDP 232 C, 246 D Frau Verhülsdonk CDU/CSU 233 D Dr. Penner SPD 236 A Dr. Miltner CDU/CSU 241 A Wüppesahl GRÜNE 244 C Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI . 249B Namentliche Abstimmungen 192D Ergebnisse 203 A, 204 C Präsident Dr. Jenninger 149 B Vizepräsident Cronenberg 244 B Vizepräsident Frau Renger 219B, 246C Nächste Sitzung 251 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 252 * A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 5. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. März 1987 137 5. Sitzung Bonn, den 19. März 1987 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Amling 20. 3. Egert 19. 3. Frau Eid 20. 3. Dr. Götz 20. 3. Grünbeck 20. 3. Grüner 19. 3. Grunenberg 20. 3. Haack (Extertal) 19. 3. Klein (München) 20. 3. Kolb 20. 3. Lenzer * 20. 3. Frau Dr. Martiny-Glotz 20. 3. Dr. Mertens (Bottrop) 19. 3. Reuschenbach 20. 3. Dr. Rumpf ' 20. 3. Seehofer 20. 3. Frau Simonis 19. 3. Strauß 20. 3. Frau Trenz 20. 3. Dr. Wieczorek 20. 3. Frau Dr. Wilms 19. 3. Frau Zutt 20. 3. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rita Süssmuth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Ich denke, in einer so wichtigen Angelegenheit — und hier passiert nichts anderes, aber Wichtiges, was Verfassungsgerichtsurteil und Gesetz festlegen — , wenn es um die Entscheidung über Leben und Tod geht, dann kann ich nicht sagen: Ich entscheide freiwillig über Leben und Tod;

    (Gerstein [CDU/CSU]: Richtig!)

    sondern dann geht es darum, daß diese Entscheidung sehr sorgfältig abgewogen wird und daß daran mehrere beteiligt sind. So sehen es Gesetz und Verfassungsgerichtsurteil vor.

    (Frau Schoppe [GRÜNE]: Sie unterstellen den Beratungsstellen eine grundgesetzdefizitäre Beratungsmentalität!)

    — Also, ich unterstelle gar nichts, und ich unterstelle keiner Beratungseinrichtung, die auf der Grundlage von Gesetz und Verfassungsgerichtsurteil berät, irgendein Defizit gegenüber den bestehenden rechtlichen Tatbeständen. Das möchte ich noch einmal ausdrücklich festhalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Sagen Sie das mal Herrn Kroll-Schlüter!)

    Sie haben eben davon gesprochen: Es gibt eine Meinungsvielfalt in Ihrer Partei, und es gibt eine Meinungsvielfalt in unserer Partei. Es gehört aber auch zugleich dazu zu sagen, daß es in der Frage des Umgangs mit dem § 218 auch Mißbrauchstatbestände gibt.

    (Frau Schoppe [GRÜNE]: Woher wissen Sie das, Frau Süssmuth?)

    Wenn alles dies nicht mehr zur Sprache kommen darf, dann leben wir mit unterschiedlichen Auffassungen. Diese müssen dann zur Sprache gebracht werden.
    Ich denke, daß es hier weniger um die Frage geht, daß die Beratung verbessert wird.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Die Zwangsberatung!)

    — Ja, eben, Sie möchten, daß die Beratung beim Schwangerschaftskonflikt ganz entfällt, und das ist außergesetzlich.

    (Widerspruch bei den GRÜNEN — Gegenrufe von der CDU/CSU — Frau Unruh [GRÜNE]: Ihr Männer, seid doch ruhig!)

    — Erstens ist keine Frau gezwungen, es steht den Frauen völlig frei, ob sie zur Diakonie, Caritas oder zu Pro Familia gehen.

    (Frau Schmidt [Nürnberg] [SPD]: Noch!)

    Zweitens steht ihnen sogar in den meisten Fällen ein Angebot an unterschiedlichen Beraterinnen, Ärzten und Ärztinnen frei.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Vielleicht täte es die Freundin ja auch!)

    — Hier sind wir unterschiedlicher Auffassung. Auf Grund der gesetzlichen Grundlagen ist es eine Beratung in einer anerkannten Beratungsstelle. So sieht es das Gesetz vor.
    Ich möchte jedenfalls hoffen, daß an Stelle von Unterstellungen, es handele sich hier um Zwangsmaßnahmen gegen Frauen, der Gedanke Platz greift, daß es um die Verbesserung von Beratung, um mehr Chancen für das geborene und ungeborene Leben geht und daß Frauen und ungeborene Kinder unteilbare Einheiten sind.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — Frau Schmidt [Nürnberg] [SPD]: Dann hätten wir nichts dagegen, wenn es so wäre; aber es ist nicht so!)

    — Woher Sie diese Behauptung nehmen, möchte ich zunächst erst einmal wissen. Jedenfalls ist das die Beratungsintention und die Intention zur Verbesserung der Beratung.
    Ich möchte abschließend noch auf einen Punkt kommen, der mir sehr wichtig zu sein scheint und wo offenbar die Übereinkunft größer ist als in anderen Punkten. Ich meine die bedrohliche Krankheit AIDS. Wir haben in den Koalitionsvereinbarungen festgelegt, daß alle Möglichkeiten der Aufklärung, der Beratung, der stationären medizinischen Hilfen und der Verbesserung der ambulanten Hilfen durch ein Sofortprogramm des Bundes, wodurch Länder und Kommunen entlastet werden, umfänglich vorgesehen und umgesetzt werden.
    Ich möchte an alle Frauen und Männer hier im Parlament appellieren, daß wir bei der weiteren Bekämpfung der Krankheit — es geht darum: AIDS muß niemand bekommen, wenn ich von den Fällen absehe, die sich durch Blutpräparate in den Jahren zuvor infiziert haben — sehen, es geht entscheidend darum, daß wir diese Krankheit vermeiden und die Infektionskette durchbrechen. Hier kommt kein Staat ohne Eigenverantwortlichkeit der Bürger aus. Es kommt aber auch kein Staat ohne das bewußte Zusammenleben von Kranken und Nichtkranken, Gesunden und Infizierten aus. Deswegen ist ganz entscheidend, daß
    — neben den Maßnahmen der Hilfe für die Kranken und des Schutzes der Gesunden — unsere Gesellschaft hier die Nagelprobe besteht, daß wir nicht ausgrenzen, sondern lernen, als Kranke und als Gesunde zusammen zu leben.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Ich fürchte, daß wir hier eine Menge an Bewährungsproben zu bestehen haben, und hoffe, daß wir den gemeinschaftlich festgelegten Weg — auch mit Maßnahmen zur besseren Erfassung und zur Anwendung des Seuchengesetzes dort, wo es notwendig ist
    — beschreiten können. Ich unterstreiche dabei noch einmal: Es kann nicht angehen, daß wir in Fällen, in denen rücksichtslos und verantwortungslos gehandelt wird, die Augen zumachen und die Weiterverbreitung



    Bundesminister Frau Dr. Süssmuth
    der tödlichen Krankheit in Kauf nehmen. Dies kann nicht angehen, aber entscheidend ist, daß wir es schaffen, auf dem Wege der Aufklärung Eigenverantwortlichkeit zu praktizieren und denen, die betoffen sind, zu helfen.

    (Zuruf von der SPD: Sagen Sie das einmal Herrn Waigel und Herrn Gauweiler!)

    — Ich brauche Herrn Waigel hier überhaupt nicht anzuschauen; er weiß, was vernünftig und notwendig ist.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU — Weitere Zurufe von der SPD)

    Ich möchte meine Ausführungen mit der Aussage beschließen: Politik braucht Zukunftsvisionen aber ich glaube, daß wir in der Familien- und Frauenpolitik keine neuen Visionen brauchen. Was wir brauchen, sind konsequente Schritte zur Umsetzung der von uns als notwendig erkannten Maßnahmen.

    (Zustimmung bei Abgeordneten der SPD)

    Ich glaube, daß wir in den Koalitionsvereinbarungen dazu bereits einen entscheidenden Beitrag geleistet haben,

    (Frau Schmidt [Nürnberg] [SPD]: Wir werden es sehen!)

    und wir werden dies auch in die Tat umsetzen. Ich danke Ihnen.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Wilms-Kegel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heike Wilms-Kegel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin Süssmuth hat der staunenden Öffentlichkeit das sogenannte Beratungsgesetz zum § 218 als echte Hilfe für Frauen, die ungewollt schwanger sind, verkauft. In Wirklichkeit handelt es sich hier um ein neues Kontrollmittel gegenüber Frauen, Ärzten und Beratungsstellen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Da soll neuerdings das soziale Umfeld in die Beratung einbezogen werden. Soziales Umfeld, damit meint die Bundesregierung nicht nur Ehemann und Eltern, sondern auch den Arbeitgeber. Eine angenehme Vorstellung für ungewollt schwangere Frauen, daß die Beratungsstelle, zu der sie unfreiwilligerweise gehen müssen, mal eben bei ihrem Arbeitgeber anruft, ganz freiwillig natürlich!

    (Frau Dr. Hamm-Brücher [FDP]: Das ist wirklich nicht wahr!)

    Das läuft praktisch darauf hinaus, daß Frauen unter Druck gesetzt werden können, Leute mitreden zu lassen, die sie eigentlich lieber heraushalten wollen.

    (Zuruf von der FDP: Das stimmt doch überhaupt nicht! — Zuruf von der CDU/CSU: Das sagen Sie wider besseres Wissen!)

    Die Anerkennung und Förderung einer Beratungsstelle soll künftig davon abhängig gemacht werden, daß sie auch bereit ist, Mittel dieser ominösen Stiftung
    „Mutter und Kind" zu vergeben, die ja aber bekanntermaßen nur Almosen anbietet.

    (Gattermann [FDP]: Was ist daran ominös?)

    Es ist ja klar, wogegen sich dieses Gesetz richtet. Die Beratungsstellen sollen diszipliniert werden, und selbst die Ärzte sollen nun von oben zu Zwangsindoktrinationskursen verdonnert werden. Sie werden, so fürchte ich, den Druck erst recht an die Frauen weitergeben, und ganz genau das ist offensichtlich auch bezweckt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Quatsch!)

    Nun stellt sich die Frage, warum die Koalition so viel Energie in das genaue Ausrechnen der Zahl der Schwangerschaftsabbrüche stecken will. Es gibt darauf nur eine Antwort: Genaue Abtreibungszahlen braucht nur derjenige, der damit die eigene Position untermauern will, daß es sowieso und auf jeden Fall zu viele Abtreibungen sind.

    (Frau Limbach [CDU/CSU]: Sind es auch!)

    Wären die Abtreibungszahlen um die Hälfte niedriger, würden die Herren Geißler & Co. ganz genauso lamentieren.
    Die Idee, die Ärzte zur Erfüllung ihrer Meldepflicht zu zwingen, indem die Bezahlung durch die Krankenkasse davon abhängig gemacht wird, ist nun wirklich ein Hammer. Die Maßnahme wird lediglich bewirken, daß immer mehr schwarz abgetrieben wird, um so die Meldepflicht zu umgehen.

    (Frau Schoppe [GRÜNE]: So ist es! — Zuruf von der CDU/CSU: Wieso?)

    Die Frauen müssen dann die Zeche zahlen. Zwar verhindert das keine einzige Abtreibung, aber vielleicht können Frau Süssmuth und Herr Geißler dann ja in dem Wissen ruhiger schlafen, daß die Frauen, die abtreiben, dafür wenigstens ordentlich löhnen müssen.
    Allein der Name dieses Beratungsgesetzes ist der reinste Hohn. All denen, die meinen, der bestehende § 218 sei so erhaltens- und verteidigenswert, muß deutlich gesagt werden: Im Grunde sind diese ganzen Verschärfungen nichts anderes als die konsequente Fortführung dessen, was in diesem Paragraphen immer schon stand und was auch immer schon praktiziert wurde:

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    straffreier Schwangerschaftsabbruch nur dann, wenn die Frauen dafür Gängelung, Schikane, Angst, Moralpredigten

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ach du liebe Zeit!)

    und oft genug auch finanzielle Nachteile dafür in Kauf nehmen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Was ist mit dem Leben?)

    Was hier als Fortschritt verkauft wird, ist in unseren Augen ein massiver Rückschritt.

    (Beifall bei den GRÜNEN)




    Frau Wilms-Kegel
    Wie wir den elf Zeilen der Regierungserklärung und den Koalitionsvereinbarungen entnehmen können, wird die Regierung jetzt auch schnellstens beginnen, die Struktur des Gesundheitswesens für die Benutzer und Benutzerinnen zu verschlechtern. Unter dem Deckmantel der Wirtschaftlichkeit und des Anreizes zum Sparen werden Sie, meine Damen und Herren der Regierungsparteien, auch im Gesundheitswesen eine Zwei-Klassen-Gesellschaft schaffen.

    (Beifall bei der Abg. Frau Schoppe [GRÜNE])

    Die einen sind wohlhabend und können sich Gesundheit, optimale Behandlung von Krankheiten und teurere Medikamente leisten. Die anderen sind auf Billigmedizin angewiesen und müssen selbst bei lebenswichtigen Medikamenten überlegen, ob sie sich diese Medikamente überhaupt leisten können. Sie fordern Selbstverantwortung und meinen höhere finanzielle Selbstbeteiligung und Privatisierung des Krankheitsrisikos.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Es ist schon auffällig, daß Ihre Konzepte zur Einsparung im Gesundheitswesen immer den Menschen treffen, der krank ist oder es nicht werden möchte. Die Anbieter im Gesundheitswesen, insbesondere die Pharmaindustrie, lassen Sie gänzlich unangetastet. Hinweise auf krankmachende Arbeits- und Umweltbedingungen in unserer Gesellschaft fehlen völlig.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Was das Problem der zunehmenden HIV-Infektionen angeht, so haben Sie in den Regierungsparteien eine zunehmende Hysterie geschürt. Sie haben da, wo Sie früher Sündenpfuhle vermutet haben, jetzt Virusreservate indentifiziert. Sie versuchen, unter dem Vorwand der Seuchenbekämpfung wieder Kontrolle über liberalisiertes Sexualverhalten und unliebsame Minderheiten zu bekommen.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Zuruf von der CDU/CSU: Unglaublich verantwortungslose Rede für eine Ärztin!)

    Dabei ist AIDS schon lange kein Problem von Minderheiten mehr, AIDS betrifft uns alle. — Ich habe mich schon mit Patienten beschäftigt, die HIV-infiziert waren. Sie auch?

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ich meine die gesamte Rede!)

    Der Hintergrund Ihrer Prävention und die Drohung, mit rechtlichen Mitteln gegen alle vorzugehen, die AIDS verbreiten, legt den Schluß nahe, daß Sie hier Kranken die Schuld an ihrer Krankheit geben, anstatt ihnen Zuwendung und Betreuung zu gewähren. Sie machen da doch Opfer zu Tätern. Wenn Sie schon drohen, gegen diejenigen vorzugehen, die AIDS verbreiten, wie werden Sie sich gegenüber den Pharmaherstellern verhalten, die HIV-verseuchte Präparate zur Behandlung von Bluterkranken in den Handel gebracht und hier zahllose HIV-Infektionen verursacht haben?

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Im größten Behandlungszentrum für Bluter in der
    Welt, in Bonn, liegt die Infektionsrate bei 60 % . Hier
    werden Sie aber sicherlich wieder eine Lücke im Gesetz finden, weil Sie für diese spezielle Problematik der Pharmaindustrie Verständnis haben, ein Verständnis, das Sie für eine suchtkranke Prostituierte aber nicht aufbringen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Die Prävention von HIV-Infektionen hat nichts mit Polizeilogik, mit Sexualfeindlichkeit und mit Diskriminierung und Ausgrenzung zu tun, schon gar nichts mit Moral. Hier hilft nur staatlich unterstützte Selbsthilfe, Aufklärung und Eigenverantwortung. Die Regierung kann jetzt zeigen, ob sie bereit ist, das AIDS-Problem zu einem positiven Testfall problemorientierter Gesundheitspolitik zu machen. Viren machen weder Geschichte noch Politik, aber der Umgang mit Viren ist Politik.

    (Beifall bei den GRÜNEN)