Rede:
ID1100515900

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 76
    1. das: 5
    2. und: 3
    3. der: 3
    4. Herrn: 2
    5. dem: 2
    6. Wort: 2
    7. Beleidigungen: 2
    8. an: 2
    9. Meine: 1
    10. Damen: 1
    11. Herren,: 1
    12. während: 1
    13. Rede: 1
    14. des: 1
    15. Bundesministers: 1
    16. Dr.: 1
    17. Blüm: 1
    18. ist: 1
    19. von: 1
    20. Abgeordneten: 1
    21. Schreiner: 1
    22. anderen: 1
    23. Mitgliedern: 1
    24. SPD-Fraktion: 1
    25. „heucheln": 1
    26. gefallen.\n: 1
    27. Ich: 1
    28. rüge: 1
    29. diesen: 1
    30. Ausdruck: 1
    31. bitte,: 1
    32. da: 1
    33. öfter: 1
    34. vorkommt,: 1
    35. ganze: 1
    36. Haus,: 1
    37. derartige: 1
    38. zu: 1
    39. unterlassen.\n: 1
    40. —: 1
    41. Es: 1
    42. kommt: 1
    43. wirklich: 1
    44. nicht: 1
    45. darauf: 1
    46. an,: 1
    47. ob: 1
    48. Ihnenabprallt,: 1
    49. sondern: 1
    50. wir: 1
    51. wollten: 1
    52. ja: 1
    53. in: 1
    54. diesem: 1
    55. Hause: 1
    56. einenTon: 1
    57. pflegen,: 1
    58. bei: 1
    59. solche: 1
    60. überflüssig: 1
    61. werden.\n: 1
    62. Da: 1
    63. keine: 1
    64. Rüge: 1
    65. den: 1
    66. Präsidenten: 1
    67. war,: 1
    68. darf: 1
    69. ich: 1
    70. jetzt: 1
    71. fortfahren.\n: 1
    72. Das: 1
    73. hat: 1
    74. Herr: 1
    75. Abgeordnete: 1
    76. Hoss.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/5 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 5. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 19. März 1987 Inhalt: Wahl der Schriftführer — Drucksache 11/58 (neu) — 137 A Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. Apel SPD 137 B Carstens (Emstek) CDU/CSU 144 D Frau Vennegerts GRÜNE 148 C Dr. Solms FDP 150D Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . . 155A Dr. Spöri SPD 164A Krollmann, Staatsminister des Landes Hessen 166C Dr. Wallmann, Bundesminister BMU . . . 171 C Kleinert (Marburg) GRÜNE 177 B Mischnick FDP 178 C Dr. Hauff SPD 180D Dr. Laufs CDU/CSU 184 B Frau Garbe GRÜNE 186D Baum FDP 188D Frau Rust GRÜNE 191 A Weiermann SPD 193A Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 195A, 221 B Frau Unruh GRÜNE 206 B Cronenberg (Arnsberg) FDP 207 A Frau Fuchs (Köln) SPD 210B Dr. Faltlhauser CDU/CSU 216B Floss GRÜNE 219C Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 222 B Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister BMJFFG . 225 C Frau Wilms-Kegel GRÜNE 231B Dr. Hirsch FDP 232 C, 246 D Frau Verhülsdonk CDU/CSU 233 D Dr. Penner SPD 236 A Dr. Miltner CDU/CSU 241 A Wüppesahl GRÜNE 244 C Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI . 249B Namentliche Abstimmungen 192D Ergebnisse 203 A, 204 C Präsident Dr. Jenninger 149 B Vizepräsident Cronenberg 244 B Vizepräsident Frau Renger 219B, 246C Nächste Sitzung 251 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 252 * A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 5. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. März 1987 137 5. Sitzung Bonn, den 19. März 1987 Beginn: 9.01 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Amling 20. 3. Egert 19. 3. Frau Eid 20. 3. Dr. Götz 20. 3. Grünbeck 20. 3. Grüner 19. 3. Grunenberg 20. 3. Haack (Extertal) 19. 3. Klein (München) 20. 3. Kolb 20. 3. Lenzer * 20. 3. Frau Dr. Martiny-Glotz 20. 3. Dr. Mertens (Bottrop) 19. 3. Reuschenbach 20. 3. Dr. Rumpf ' 20. 3. Seehofer 20. 3. Frau Simonis 19. 3. Strauß 20. 3. Frau Trenz 20. 3. Dr. Wieczorek 20. 3. Frau Dr. Wilms 19. 3. Frau Zutt 20. 3. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Kurt Faltlhauser


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir lesen heute in den Zeitungen, daß ein SPD-Landesvorsitzender, Herr Bruns, und einige der Kollegen, die hier auf der Seite der SPD sitzen,

    (Günther [CDU/CSU]: Frau Simonis!)

    sagen: Die SPD-Führung ist führungsschwach! Ich glaube, Frau Kollegin Fuchs, Sie haben durch Ihre Rede hier zur Sozialpolitik

    (Zuruf von der SPD: Führungsstärke gezeigt!)

    wiederum den Beleg dafür gebracht, daß diese SPD auch konzeptionsschwach ist, gerade in der Sozialpolitik.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Lachen und Zurufe von der SPD)

    Zur Führungsschwäche kommen noch die Konzeptionsschwäche und die Inkonsequenz hinzu.

    (Heyenn [SPD]: Da müssen Sie ja selbst lachen! Das glauben Sie doch selber nicht! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Sie reden draußen: Den Minderheiten muß geholfen werden. Aber den Minderheiten in den Betrieben, in den deutschen Betrieben wollen Sie nicht helfen, da widersprechen Sie diesem Bundesarbeitsminister.

    (Feilcke [CDU/CSU]: So ist es!)

    Ich will nun etwas zu Herrn Weiermann sagen, der hier seine Jungfernrede gehalten hat. Er hat von den Problemen bei den montan-mitbestimmten Betrieben gesprochen. Ich hätte eigentlich erwartet, Herr Weiermann, daß Sie diesem Bundesarbeitsminister hier auch einen Dank abstatten. Gehen Sie raus zu Ihren Kollegen und veranstalten Sie mit ihnen gemeinsam einen Fackelzug für Norbert Blüm,

    (Lachen bei der SPD und den GRÜNEN)

    zum Dank dafür, daß er die Montan-Mitbestimmung gerettet hat, die Sie im Jahre 1981 durch Ihre Entscheidungen verschlampt haben.

    (Günther [CDU/CSU]: Sehr richtig, Auslaufgesetz! — Zuruf von der SPD: Quatschkopf!)

    Die großen Reformvorhaben dieser Legislaturperiode, die Rentenstrukturreform, die Krankenversicherungsstrukturreform und die Reform der finanziellen Absicherung des Pflegerisikos, brauchen nicht nur den festen Willen des Regierungschefs — der ist vorhanden, das haben wir gehört — , brauchen nicht nur den festen Willen und die Durchsetzungsfähigkeit der Regierung — auch die sind vorhanden — , sondern brauchen auch eine besondere Qualität der politischen Auseinandersetzung zwischen Regierungsfraktionen und Opposition. Im Vordergrund dieses Ringens muß ein ganz bestimmter Ernst bei der Analyse der Probleme stehen. Wir müssen alle miteinander eine große Unvoreingenommenheit, die Bereitschaft zum Zuhören und zur Kreativität haben.
    Es nützt dem 17jährigen Lehrling, der im Jahre 2030 seine Rente beziehen will, einfach nichts, wenn wir uns in diesem Hause mit Rechthaberei, Polemik, wie soeben geschehen, und ideologischer Bunkermentalität bekriegen. Nur ein breiter Konsens der demokratischen Parteien hilft der Rente dieses jungen Mannes im nächsten Jahrhundert.
    Diesen Anforderungen an den Stil und an die Qualität der politischen Auseinandersetzung hinsichtlich der großen Reformen dieser Legislaturperiode haben Sie, Frau Kollegin Fuchs, in Ihrer Rede leider nicht genügt. Sie haben die Klamotten des Wahlkampfes noch nicht abgelegt, Frau Fuchs.

    (Günther [CDU/CSU]: Sie war falsch sortiert! — Feilcke [CDU/CSU]: Aber ein schönes Kostüm war es!)

    Man könnte bestenfalls mutmaßen, daß Sie sich dem
    Hauruck-, Zackzack-, Schmeiß-raus-Stil des Saar-



    Dr. Faltlhauser
    Napoleon annähern wollen, um auf diese Weise vielleicht Bundesgeschäftsführerin zu werden.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Haben Sie etwas dagegen? — Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    Da kann ich nur sagen: Mädel, bleib' sauber, bleib' bei der Sache! Dann werden wir auch für die Reformen Besseres hinbringen.

    (Frau Schmidt [Nürnberg] [SPD]: Solche Reden kannst du dir sparen! — Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    Der Beifall für ein flottes polemisches Wort hier im Hause sollte Ihnen nicht mehr wert sein als die Inhalte von Reformen, die mehr als 20 Jahre Grundlage unseres sozialen Systems sein müssen.

    (Heyenn [SPD]: Der Faltlhauser paßt sich dem Niveau von Blüm an!)

    In der Sozialpolitik der 11. Legislaturperiode können wir auf gesichertem Boden der letzten Legislaturperiode aufbauen, und diese Konsolidierungsarbeit hat an vorderster Stelle Bundesarbeitsminister Blüm verantwortet und durchgesetzt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Kleinste hat die größten Brocken vom Schuttplatz des eingestürzten Gebäudes sozialdemokratischer Sozialpolitik weggetragen.
    Frau Unruh, der Blüm hat den Rentnern, ob sie nun grau oder nicht grau sind, die Rente in der letzten Legislaturperiode sicher gemacht, und er wird die Rente auch für das nächste Jahrhundert sicher machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Grauen Panther sollten den grauen Schleier von den Augen nehmen und sehen, was etwa auch in der Sozialhilfe mit einer Steigerung um 8 % geschaffen wurde. Das haben auch dieser Arbeitsminister und diese Bundesregierung gemacht.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Das glauben Sie doch alle selbst nicht, was Sie da verbraten! Es muß eine existenzfähige Grundrente geben!)

    Im Mittelpunkt der sozialpolitischen Herausforderungen dieser Legislaturperiode steht die Entwicklung des Altersaufbaus in unserer Bevölkerung. Es werden zuwenig Kinder geboren, die Kinderwagenhersteller satteln um. In den 60er Jahren kamen die 65jährigen in unsere Altersheime, in den 70er Jahren war das Durchschnittsalter etwa 75 Jahre. Heute liegt das Eintrittsalter in den Altenheimen meines Münchener Wahlkreises zwischen 80 und 82 Jahren. Die Folge: Wir werden eine langfristig wirksame Rentenversicherungsstrukturreform durchführen müssen, zu der ich hier einige Anmerkungen auf der Basis der Koalitionsvereinbarungen machen will.
    Zum einen: Zum bestehenden Rentensystem gibt es aus ordnungspolitischen, sozialpolitischen und volkswirtschaftlichen Gründen keine akzeptable Alternative. Wir lehnen deshalb, Frau Fuchs, jede Art staatlicher Grundsicherung, etwa die Grundrente oder Mindestrente, ab.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Dann werden die Rentner euch nicht mehr wählen!)

    Würden wir das bestehende Rentensystem durch ein völlig neues ersetzen, die Lösung der Probleme der demographischen Entwicklung, mit denen wir es zu tun haben, würden wir damit nicht erleichtern, sondern im Gegenteil erschweren. Immer wieder neue Vorschläge dieser Art schaffen lediglich ein Beunruhigungspotential für die Rentner.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Genau!)

    Wir können weder von den Beitragszahlern noch von den Rentnern ein Sonderopfer zur Finanzierung der Belastungen aus der Bevölkerungsentwicklung verlangen. Deshalb muß und wird der Bund, wird diese Bundesregierung einen erheblichen Beitrag zur langfristigen Konsolidierung der Renten leisten. Der Bundeszuschuß betrug im Jahre 1957 32 %, und heute macht er 18 % aus. Diesen Zuschußverfall hat Ihre Regierung zu verantworten, Frau Fuchs. Sie war es, die diesen Bundeszuschuß permanent abgebaut hat. Es würde aber die Leistungskraft des Bundeshaushalts übersteigen, wollte man von einem Moment zum anderen von 18 % auf, sagen wir, 23 oder 25 hinauf. Aber wir sollten versuchen — hier stimme ich dem Kollegen Cronenberg sehr zu — , den Bundesanteil etwa auf 20 % anzuheben, um ihn dann Schritt für Schritt, entsprechend dem Anstieg der Rentenausgaben, fortzuschreiben.
    Ich glaube ebenso wie Kollege Cronenberg, daß wir diese Strukturreform in der Rentenversicherung nicht ohne eine Flexibilisierung des Renteneintrittsalters bewältigen. Hier liegt auch das größte finanzielle Potential: Das Hinausschieben des durchschnittlichen Renteneintrittsalters von heute etwa 59 Jahren um ein Jahr würde der Rentenversicherung 6 Milliarden DM Ersparnis bringen. Wir sollten dabei aber — damit keine Mißverständnisse aufkommen — beim Grundsatz der Flexibilität bleiben. Aber wer vor einer Renteneintrittsaltersgrenze freiwillig in Rente geht, der muß eine Minderung seiner Rente hinnehmen.
    Die Rezepte der Opposition zur langfristigen Rentensicherung sind von Frau Fuchs hier auch wiederum leider nur angedeutet worden: Wertschöpfungsabgabe oder — populärer — Maschinensteuer. Natürlich liegt in diesen Vorschlägen einige Verlockung, weil man dadurch z. B. den Haushalt entlasten könnte, aber bei genauerer Prüfung lehnen wir diesen Ansatz vor allem aus drei Gründen ab.
    Zum einen, Frau Fuchs: Der hochangesehene Professor Krelle hat in einem Gutachten gezeigt, daß die wertschöpfungsbezogene Bemessungsgrundlage wegen der durch sie ausgelösten negativen gesamtwirtschaftlichen Rückwirkungen finanziell weniger ergiebig ist als die Bruttolohn- und Gehaltssumme. Ihre Maschinensteuer-Wundertüte ist also letztlich leer!

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Nicht bei sinkender Lohnquote!)

    Zweitens. Die Maschinensteuer bestraft diejenigen Unternehmen, die sich dem Strukturwandel stellen,



    Dr. Faltlhauser
    die investieren, die den technischen Fortschritt realisieren.

    (Erneuter Zuruf der Abg. Frau Fuchs [Köln] [SPD])

    Die Wertschöpfungsabgabe ist eine Investitionsstrafsteuer und damit auch eine Arbeitsplatzvernichtungssteuer. Gerade unter beschäftigungspolitischen Aspekten sind die technischen Neuerungen besonders bedeutsam.
    Drittens. Nicht zuletzt warnen wir vor dieser Scheinlösung der Wertschöpfungsabgabe, weil dadurch der Zusammenhang zwischen persönlicher Lebensleistung und Rentengewährung aufgeweicht wird. Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sind die individuellen Rentenansprüche eigentumsrechtlich um so weniger geschützt, je weniger sie auf individuellen Beitragsleistungen beruhen. Wer also die Wertschöpfungsabgabe will, nimmt dem Bürger ein Stück Rentensicherheit.

    (Gattermann [FDP]: Das ist richtig!)

    Ich hoffe, daß wir mit der Rentenversicherungsstrukturreform schnell vorankommen und im nächsten Jahr entsprechende Beschlüsse fassen können.
    Der schwierigere Teil der großen Reform ist ohne Zweifel die Krankenversicherungstrukturreform. Schwierig nicht nur deshalb, weil die Zusammenhänge zwischen Leistungserbringung, Kreislauf der Scheine und Kreislauf der Geldzahlungen so kompliziert sind, sondern weil es im Gesundheitsbereich offenbar nur Opfer gibt und keine Täter. Was wir im Vorfeld der anstehenden Auseinandersetzungen an Meldungen von Standesvertretern, Drohungen gegenüber Politikern und Beleidigungen gegenüber Gutachtern hören mußten, überschreitet bereits heute die Grenze des Erträglichen und läßt ahnen, welche Kanonaden wir als Begleitmusik zu diesem Reformvorhaben zu erwarten haben.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Ich möchte deshalb von dieser Stelle alle Beteiligten, die Kassen und die Verbände der Leistungserbringer, bitten, sich konstruktiv und sachlich und nicht mit polemischen Rundumschlägen an der Diskussion über die Reform des Gesundheitswesens zu beteiligen.

    (Gattermann [FDP]: Sehr gut!)

    Eines ist dabei von besonderer Bedeutung: Wir müssen diese Reform schnell über die Bühne bringen. Wir werden sie schnell über die Bühne bringen. Die Grundlagen der Koalitionsvereinbarung sind hierzu völlig ausreichend.
    Natürlich wollen wir das freiheitliche Gesundheitswesen erhalten. Das Gesundheitswesen ist aber keine heilige Kuh, die im Himmel gefüttert und auf Erden lediglich gemolken werden muß. Was nützt uns die beste ärztliche Einzelleistungsvergütung, was nützt das beste pharmazeutische Präparat, der goldene Zahn oder das modernste Krankenhaus, wenn alles unter dem Strich nicht zu bezahlen ist?

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Legen Sie sich doch mal mit der Pharmaindustrie an!)

    Es ist insbesondere dann nicht zu bezahlen, wenn wir neue Aufgaben wie z. B. die Pflegeabsicherung oder die Finanzierung der AIDS-Kranken bewältigen müssen, die nach Kassenschätzungen am Ende dieser Legislaturperiode etwa 2 Milliarden DM pro Jahr zusätzlich kosten werden. Die Vorstellung, daß man auch mit 15, 16 oder 18 % Beitragssatz leben könnte, kann mit Sicherheit nicht unsere Politik sein.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Diese Koalition wird eines nicht tun: auf der einen Seite die Bürger massiv steuerlich entlasten und ihnen auf der anderen Seite über steigende Sozialabgaben das Geld wieder aus den Taschen nehmen.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Das tut sie doch!)

    Das wird diese Bundesregierung und diese Koalition nicht tun!
    Im übrigen muß man allen, die es angeht, auch sagen: Es entspricht einfach nicht den Tatsachen, daß bei stabilem Beitragssatz kein Spielraum mehr für medizinischen Fortschritt bestehe. Allein im Jahre 1986 sind durch den Anstieg der Löhne und Gehälter fast 4 Milliarden DM mehr als 1985 in das Gesundheitssystem geflossen.
    Wir wollen keine Strukturrevolution, wir wollen eine Anpassung. Warum Anpassung? Weil wir wesentliche Elemente erhalten wollen: freie Arztwahl, Freiberuflichkeit der Gesundheitsberufe, Vielfalt der Träger von Krankenhäusern, Wettbewerb der Kassen, kostenlose Mitversicherung der Familienangehörigen oder die Bemessung der Beiträge nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit der Versicherten und nicht nach Äquivalenzprinzip.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Patientenschutz!)

    Frau Fuchs, wenn ich mir Ihre Vorschläge so anhöre, die Sie punktuell eingestreut haben,

    (Günther [CDU/CSU]: Waren da welche?)

    muß ich sagen: Bei uns heißt Strukturanpassung nicht Gängelung und immer mehr Staat. Sie wollen gewissermaßen nur oben auf dem dampfenden Topf den Deckel festschrauben. Wir wollen mit unserer Strukturanpassung das Feuer unter diesem Topf „Gesundheitswesen" etwas zurücknehmen, und dazu bedarf es struktureller Veränderungen.
    Eugen Roth hat einmal gereimt: „Was bringt den Doktor um sein Brot? a) die Gesundheit und b) der Tod. Drum hält der Arzt, auf daß er lebe, uns zwischen beiden in der Schwebe."
    Meine Damen und Herren, das ist sicherlich das — nicht leicht zu erreichende — Ziel unserer Reform; Anreize dafür zu schaffen, daß der Patient nicht aus ökonomischen Gründen in diesem Schwebezustand gehalten werden muß.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Er soll gesund werden!)

    Im fünften Punkt der Koalitionsvereinbarung zum Gesundheitswesen steht etwas ganz Wichtiges. Da heißt es nämlich, daß der Gestaltungsspielraum für die Selbstverwaltung unter Achtung der Schutzfunktion der gesetzlichen Krankenversicherung zu erweitern ist, auch im Leistungs- und Beitragsrecht. Das ist



    Dr. Faltlhauser
    mir besonders wichtig; denn ich kann mir nicht vorstellen, daß dieser Bundestag ein umfängliches Gesetz mit vielen Paragraphen macht, in dem Listen stehen, in dem einzelne Deckelungen stehen und in dem irgendwelche Vergütungssysteme vorgeschrieben werden. Damit würden wir die Flexibilität der entsprechenden Steuerung beeinträchtigen, und wir würden sicherlich nicht regional und zeitlich angemessen reagieren. Wir müssen der Selbstverwaltung den Spielraum und die Steuerungsinstrumente in die Hand geben, die für ein sinnvolles Handeln notwendig sind.
    Eines der zusätzlichen Themen wird die Pflege sein. Mit Blick auf das Licht am Rednerpult muß ich meine Ausführungen dazu kürzen. Herr Kollege Cronenberg: wir werden auch dieses Problem im Zusammenhang mit der Krankenversicherung lösen müssen, und zwar in einem Zwischenweg zwischen dem, was Bundesarbeitsminister Blüm in der letzten Legislaturperiode vorgelegt hat, und dem, was der Bundesrat auf bayerische Initiative vorgelegt hat. Ich glaube, da ist ein Zwischenweg mit der Leistung „Pflegehilfe" möglich.
    Wir sollten jedoch in der Krankenversicherung nicht nur auf die Kosten sehen. Wir dürfen nicht eine gesundheitspolitische Reform machen, die nur Kostendämpfungsreform ist. Die Reform des Gesundheitswesens muß die ethischen, die menschlichen und die medizinisch-fachlichen Gesichtspunkte stärker mitberücksichtigen. Wir sehen nicht nur die Kosten, sondern den Menschen, der hinter dem Begriff „Patient" steht.
    Im Hinblick auf die großen Reformen dieser Legislaturperiode würden wir Sie, Frau Fuchs, und Ihre Fraktion gern auffordern, konstruktiv, offen und auch kontrovers mitzudiskutieren und mitzumachen. Die bisherige Debatte heute war kein gutes Omen für ein derartiges fachliches und sachliches Vorgehen.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Sie haben nicht zugehört!)

    Diejenigen, die es angeht, die Patienten ebenso wie die Rentner und diejenigen, die pflegebedürftig sind, haben eine solide Arbeit verdient und nicht Polemik. Wir werden mit dieser Arbeit anfangen, und wir werden die entsprechenden Reformmaßnahmen durchführen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, während der Rede des Herrn Bundesministers Dr. Blüm ist von dem Herrn Abgeordneten Schreiner und anderen Mitgliedern der SPD-Fraktion das Wort „heucheln" gefallen.

(Feilcke [CDU/CSU]: Unglaublich!)

Ich rüge diesen Ausdruck und bitte, da das öfter vorkommt, das ganze Haus, derartige Beleidigungen zu unterlassen.

(Dr. Blüm [CDU/CSU]: Das prallt an mir ab wie der Regen von meinem Wettermantel!)

— Es kommt wirklich nicht darauf an, ob das an Ihnen
abprallt, sondern wir wollten ja in diesem Hause einen
Ton pflegen, bei dem solche Beleidigungen überflüssig werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) — Danke schön.

Da das keine Rüge an den Präsidenten war, darf ich jetzt fortfahren.

(Dr. Apel [SPD]: Das war eine Rüge! Er will weiter beleidigt werden!)

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hoss.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Willi Hoss


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90)

    Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Ich habe noch die Worte aus der Regierungserklärung 1983 im Ohr, die der Bundeskanzler und auch Minister Blüm gebraucht haben und die für mich folgenden Kern hatten — in etwa — : Die Opfer, die wir den Bürgern heute auferlegen, rechtfertigen sich durch mittelfristige Beseitigung der Arbeitslosigkeit und durch den allen zugute kommenden Aufschwung.

    (Demonstrative Zustimmung bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Das war 1983. Zur selben Zeit hat Ihr Oberguru Heiner Geißler die Prophezeiung hinzugefügt: In einem Jahr haben wir 1 Million Arbeitslose weniger.
    Es zeigt sich, daß sich die abverlangten sozialen Opfer in einen schamlosen — das kann man so sagen — Raubzug zur Umverteilung von unten nach oben ausgeweitet haben,

    (Zustimmung bei den GRÜNEN)

    und um das nicht nur zu sagen, sondern auch zu begründen, nenne ich drei Beispiele, die ich hier wegen der Redezeit nicht im einzelnen analysieren kann:
    Erstens. Die Einkommen der Mehrheit der Bürger aus Nettolöhnen, Renten und Unterstützungen haben sich von 1980 bis 1985 um 60 Milliarden DM verringert.

    (Günther [CDU/CSU]: 1980 haben wir noch nicht regiert! Machen Sie mal von 1983 an!)

    Von '80 an; da sind die anderen auch mit drin, das wissen Sie; Sie können ja auch rechnen.

    (Günther [CDU/CSU]: Sie greifen aber gerade die Regierung an!)

    Die Unternehmereinkünfte in derselben Zeit und Einkünfte aus Vermögen und Kapitalerträgen haben sich in dieser Zeit um 70 Milliarden DM erhöht.
    Zweitens Beispiel: Der größte Teil der gemachten Gewinne ist nicht in der Bundesrepublik reinvestiert worden, sondern ist als Kapitalanlage ins Ausland abgewandert. Von 84 Milliarden DM sind nur 35 Milliarden DM — das sind etwa 40 To — in der Bundesrepublik verblieben; das andere ging nach draußen.

    (Gattermann [FDP]: Warum wohl?)

    Drittens. Die Subventionen, die Sie einschränken wollten, Subventionen, die nicht für die armen Leute gedacht waren, haben Sie von 1982 — Herr Günther, das ist genau Ihre Zeit — bis 1986 von 29 Milliarden DM auf 44 Milliarden DM erhöht, und das sind auch



    Hoss
    nicht solche, die an die armen Leute kommen, an die
    Normalverdiener, sondern die an die Oberen gehen.
    Es erweist sich, daß das, was Sie, Herr Blüm, damals und auch heute gesagt haben, nur starke Worte sind und daß es nicht darauf ankommt, jeden dritten Tag neue Ideen zu produzieren oder ganz detaillierte Pläne, wie Sie das vorhin in der Rede hier gesagt haben, auszuarbeiten. Denn man kann auch detailliert eine falsche Politik machen, nicht nur wenn man einen großen Entwurf macht.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Ich sage Ihnen: Unter dem Strich wird zusammengezählt, und unter dem Strich hat sich in Ihrer Zeit, ob nun mit großem Entwurf damals, wie es Herr Kohl gemacht hat mit seiner großen moralischen und geistigen Anstrengung, oder wie Sie mit Ihren detaillierten Plänen,

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Wir haben schon um 80 Milliarden erhöht!)

    die Zahl der registrierten Arbeitslosen um eine halbe Million erhöht. Die Armut sieht so aus, daß von zehn Witwen neun eine Rente unter 700 DM haben.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Trostlos!)

    Das ist das, was Sie hervorgebracht haben. Ich habe sehr aufmerksam zugehört; für mich ist es wichtig, das, was Sie heute an Plänen in Ihrer Regierungserklärung gesagt und vorgestellt haben, unter dem Gesichtspunkt 1983 zu werten.
    Sie reden heute davon, daß das Allheilmittel eine Qualifizierungsoffensive sei.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Allheilmittel nicht!)

    Ich frage mich nur, wie Sie bei derzeit 140 000 freien Stellen, selbst wenn wir alle 2,4 Millionen Arbeitslose qualifizieren würden, diese auf diesen Stellen unterbringen können. Das heißt, dieser detaillierte Plan ist vielleicht nur zur Hälfte richtig. Ich bin auch für Qualifizierung, aber ich bin dagegen, daß man hier den Eindruck erweckt, daß Sie das Rezept in der Tasche haben, mit dem die Arbeitslosigkeit beseitigt werden kann.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Nichts haben sie!)

    Es geht um folgendes: Es gilt zunächst einmal festzustellen, wer überhaupt ernsthaft den Willen hat, die Arbeitslosigkeit zu beseitigen. Wir sind dafür, daß man sofort hilft. Derjenige, der nicht nur Krokodilstränen verweint, sondern der sofort helfen will, der muß z. B. statt der zweifelhaften Steuerreform, die da angegangen wird und die auch nur eine neue Umverteilung von unten nach oben darstellt, die zu mobilisierenden 44 Milliarden DM zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit, zur Beseitigung von Armut einsetzen. Sie bringen Zahlengegenüberstellungen zu der neuen Steuerreform.

    (Dr. Faltlhauser [CDU/CSU]: Zahlen sind immer das Klarste!)

    Sie sagen: Unsere Steuerreform bringt so viel, und die Steuerreform von Rau bringt nur so viel. Das ist gar nicht die Frage. Sie lenken vom Problem ab. Es geht darum, ob Sie wieder neue Gelder locker machen, um
    denjenigen, die in Lohn und Arbeit stehen und die Großverdiener sind, neue Vergünstigungen zu geben und die, die außerhalb stehen, außen vorzulassen. Das machen Sie erneut.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Nun ist es ja so, daß bei dieser Steuerreform ein Normalverdiener, also eine Familie mit Kind, auf monatlich 10 bis 20 DM Ermäßigung kommt, während ein Spitzenverdiener, ein Manager, oder ein gutverdienender Selbständiger, meinetwegen jetzt ein gutverdienender Arzt, bis zu 1 900 DM monatlich durch die Steuerreform haben kann; das zeigt alles. Es kommt also darauf an — und das ist das, was wir verlangen und womit wir Sie ständig konfrontieren werden —, daß Sie die Gelder, die freizumachen sind, nicht wieder an die Gutverdienenden, an die Großverdiener und an die Kapitalseite weitergeben, sondern a) daß damit sinnvolle Arbeitsplätze in Gebieten mit Strukturkrisen geschaffen werden wie wir sie jetzt beim Stahl und bei den Werften haben, auch im Hanauer Gebiet, b) daß wir Gelder in ökologischen Bereichen einsetzen, z. B. zur Entgiftung, die dringend notwendig ist, und auch zur Stützung und Förderung biologischer Landwirtschaft, um dort Arbeitsplätze zu schaffen, die dauerhaft sind. Das kann man von mir aus in einer Kombination von ABM-Maßnahmen machen, aber es sollten sinnvolle ABM-Maßnahmen sein, hinter denen dauerhafte Arbeitsplätze stehen müssen, natürlich auch Arbeitsplätze im sozialen Bereich.
    Wenn Sie ernsthaft helfen wollen und wenn Sie wirklich der Mann der katholischen Arbeiterbewegung sind, dann müssen Sie Solidarität mit denen zeigen, die Ihre Hilfe brauchen. Sie aber haben bei den Koalitionsverhandlungen Solidarität mit Stoltenberg und mit dem Teil der Regierung gezeigt, der die Arbeiterbewegung und die Interessen der Armen und Schwachen nicht vertritt.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Die zweite Frage, wie man sofort helfen kann, führt zum Problem der Überstunden. Auch im vergangenen Jahr sind 1,5 Milliarden Überstunden gefahren worden. Wir haben schon in der vorigen Legislaturperiode einen Entwurf vorgelegt mit dem Ziel, die Zahl der Überstunden einzuschränken. Rein rechnerisch sind das 800 000 Arbeitsplätze.

    (Dr. Faltlhauser [CDU/CSU]: Milchmädchenrechnung!)

    Wir wollen es einmal nicht so streng nehmen, aber 300 000 Arbeitsplätze kann man schaffen, wenn man unserem Gesetzentwurf, der ein Verbot von Überstunden vorsieht, zustimmt.

    (Dr. Faltlhauser [CDU/CSU]: Hokuspokus!)

    Wir werden Sie damit konfrontieren, und wir werden dann sehen, was Sie davon halten, ob Sie dem zustimmen oder nicht.
    Genauso ist es mit der 35-Stunden-Woche. — Die Lampe leuchtet schon, und ich bin auch gehalten,



    Hoss
    meinen Kollegen, die noch nach mir kommen, nicht die Zeit wegzunehmen.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: So viel Disziplin bei den GRÜNEN!?)

    Ich will nur noch eines sagen: Sie haben die Frage der Mitbestimmung im Betriebsverfassungsgesetz, die Sie angesprochen haben, nicht so behandelt, daß dabei wirklich erweiterte Rechte der Arbeitnehmer herauskommen. Ich will Ihnen sagen, wo wir in der nächsten Legislaturperiode hinzielen werden: Es zeigt sich, daß die alleinige Verfügungsgewalt der Kapitalseite und der Unternehmer über die Produkte, über die Produktpalette, über die Art und Weise, wie die Produkte hergestellt werden, über die Stoffströme nicht garantiert hat, daß unser Boden, unsere Luft, unser Wasser erhalten geblieben ist. Wir als Arbeiter, als Arbeiterbewegung, die Gewerkschaften, alle Bürger sind aufgefordert, die Mitbestimmungsrechte in diesen Bereich hineinzutragen, weil die Zeit, in der die Unternehmer über diesen Bereich alleine bestimmen können, vorbei ist.
    Danke schön.

    (Beifall bei den GRÜNEN)