Rede von
Wolfgang
Weiermann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Aus meiner Tätigkeit als Betriebsratsvorsitzender eines Stahlunternehmens weiß ich um die Sorgen der Arbeitnehmer in den Montanrevieren. Die Aussagen des Regierungsprogramms zu Kohle und zu Stahl — das darf ich an dieser Stelle sagen — sind ungenügend.
Vom Bundesarbeitsminister, der im Ruhrgebiet kandidierte, sind wohl offenbar auch keine entscheidenden Impulse dazu ausgegangen.
Unter dem Motto „Wir wollen leben" hielten Stahlarbeiter vom 11. bis zum 18. März Mahnwachen rund um die Uhr hier in Bonn auf dem Münsterplatz. Sie dokumentierten ihr deutliches Nein zu der weiteren Arbeitsplatzvernichtung.
Ich darf an dieser Stelle festhalten: Je eigensinniger die Bundesregierung auf ihrer liberalen Ideologie einer marktwirtschaftlichen Krisenlösung beharrt, um so mehr geht die Entwicklung darauf hinaus, das Kapazitätsproblem durch die Vernichtung ganzer Stahlstandorte zu lösen. Das ist eine Schweinerei, meine Damen und Herren.
Wir sagen: Die Stahlmarktordnung ist fortzusetzen, solange die Kapazität in Europa die künftigen Absatzmöglichkeiten übersteigt. In jedem Falle ist es besser und vernünftiger, Arbeitsplätze statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren.
Bundeskanzler Kohl hat es abgelehnt, eine Bestandsgarantie für die Stahlstandorte zu geben.
*) Ergebnis Seite 203 A, 204 C
Die Bundesregierung läßt es zu, daß ganze Regionen zu Armenhäusern werden. Auch das ist ein Skandal.
1974 gab es noch 344 000 Stahlarbeitsplätze; 1986 waren dies nur noch 202 000. Das ist ein Abbau von 142 000, ein Abbau um ein Drittel. Der Kahlschlag geht weiter. Zum ersten Mal wird die Vernichtung von Stahlstandorten wie in Hattingen und Oberhausen einkalkuliert.