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ID1100506600

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    Plenarprotokoll 11/5 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 5. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 19. März 1987 Inhalt: Wahl der Schriftführer — Drucksache 11/58 (neu) — 137 A Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. Apel SPD 137 B Carstens (Emstek) CDU/CSU 144 D Frau Vennegerts GRÜNE 148 C Dr. Solms FDP 150D Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . . 155A Dr. Spöri SPD 164A Krollmann, Staatsminister des Landes Hessen 166C Dr. Wallmann, Bundesminister BMU . . . 171 C Kleinert (Marburg) GRÜNE 177 B Mischnick FDP 178 C Dr. Hauff SPD 180D Dr. Laufs CDU/CSU 184 B Frau Garbe GRÜNE 186D Baum FDP 188D Frau Rust GRÜNE 191 A Weiermann SPD 193A Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 195A, 221 B Frau Unruh GRÜNE 206 B Cronenberg (Arnsberg) FDP 207 A Frau Fuchs (Köln) SPD 210B Dr. Faltlhauser CDU/CSU 216B Floss GRÜNE 219C Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 222 B Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister BMJFFG . 225 C Frau Wilms-Kegel GRÜNE 231B Dr. Hirsch FDP 232 C, 246 D Frau Verhülsdonk CDU/CSU 233 D Dr. Penner SPD 236 A Dr. Miltner CDU/CSU 241 A Wüppesahl GRÜNE 244 C Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI . 249B Namentliche Abstimmungen 192D Ergebnisse 203 A, 204 C Präsident Dr. Jenninger 149 B Vizepräsident Cronenberg 244 B Vizepräsident Frau Renger 219B, 246C Nächste Sitzung 251 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 252 * A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 5. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. März 1987 137 5. Sitzung Bonn, den 19. März 1987 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Amling 20. 3. Egert 19. 3. Frau Eid 20. 3. Dr. Götz 20. 3. Grünbeck 20. 3. Grüner 19. 3. Grunenberg 20. 3. Haack (Extertal) 19. 3. Klein (München) 20. 3. Kolb 20. 3. Lenzer * 20. 3. Frau Dr. Martiny-Glotz 20. 3. Dr. Mertens (Bottrop) 19. 3. Reuschenbach 20. 3. Dr. Rumpf ' 20. 3. Seehofer 20. 3. Frau Simonis 19. 3. Strauß 20. 3. Frau Trenz 20. 3. Dr. Wieczorek 20. 3. Frau Dr. Wilms 19. 3. Frau Zutt 20. 3. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Gerhard Stoltenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Ja. Ich muß auch an Herrn Krollmann denken, der mittlerweile da ist, an Herrn Kollegen Wallmann und die vielen Kollegen, die die wichtige Umweltschutzdebatte noch bestreiten wollen. Ich hoffe, daß auch Herr Spöri dem Rechnung trägt; denn sonst kann es doch länger dauern.
    Meine Damen und Herren, der entscheidende Punkt ist — den haben Sie, Herr Kollege Apel, in Ihrer Zwischenfrage in der Tat angesprochen — : Es bleibt die Aufgabe, die vereinbarte Umschichtung in der Größenordnung von 19 Milliarden DM konkret zu vereinbaren, konkret festzulegen, und das Ziel ist hier in der Tat — Sie haben Herrn Littmann zitiert —, eine gleichmäßigere Besteuerung zu erreichen, d. h. ein Steuersystem mit wesentlich niedrigeren Tarifen, aber auch wesentlich weniger Ausnahmen oder, um es konkret zu sagen, Schlupflöchern. Das ist das Kernproblem unseres Steuersystems. Ich sehe das nach viereinhalbjähriger Erfahrung im Bundesfinanzministerium auch klarer als zuvor. Natürlich haben auch viele kundige Kollegen aus Ihren Reihen der SPD dies im Grunde seit 20 Jahren thematisiert. Nur ist diese Aufgabe bisher niemandem gelungen. Das gilt im Rückblick auf unsere Regierungszeit der 60er Jahre und auf Ihre Regierungszeit von 1969 bis 1982. Wir müssen dies angehen; denn viel wichtiger als eine doch irgendwo oberflächliche Diskussion über momentane Wirkungen für den einen oder anderen ist die Frage, ob wir diese qualitative Reform erreichen. Nur so können wir ein in sich schlüssigeres und überschaubares Steuersystem erreichen.
    Nur, Herr Apel, kann man die Aufgabe auch so formulieren: Wir müssen weit über hundert Steuersubventionen, Sonderregelungen und Ausnahmetatbestände nicht nur analysieren, sondern diskutieren und einen Konsens erzielen. Man mag kritisieren, daß wir



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    das nicht in wenigen Wochen getan haben, aber ich stelle Ihnen einmal eine Gegenfrage. Ich kenne die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in diesem Bereich der finanz- und steuerpolitischen Entscheidungen sehr gut: Wann konnte jemals eine Mehrheit im Deutschen Bundestag sieben Wochen nach der Bundestagswahl feststellen, daß sie in den grundsätzlichen steuerpolitischen Entscheidungen so weit war, wie wir es jetzt in der zweiten Märzhälfte 1987 sind?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich will Ihnen das sagen: Niemals zu Ihrer Regierungszeit und auch nicht in den Jahren vor 1969. Wir haben den Rahmen definiert, wir haben die Hauptelemente festgelegt,

    (Zuruf von der SPD: Auf der Ausgabenseite!)

    wir haben die Größenordnungen beschrieben, in denen jetzt noch Umschichtungen, und zwar primär aus Gründen der Verbesserung der Steuerstruktur und Steuergerechtigkeit, vor uns liegen. Wir werden diese konkrete Aufgabe meistern. Wir werden den noch ausstehenden Teil Punkt für Punkt komplettieren, fertigstellen,

    (Dr. Ehrenberg [SPD]: Mit oder ohne Steuererhöhungen?)

    bis es einen Entwurf gibt, den der Bundesminister der Finanzen dann für die Steuerreform fristgerecht zur Anhörung und später als Kabinettsvorlage zuleiten wird. Das ist die Absprache.

    (Zuruf von der SPD: Was ist mit der Mehrwertsteuer?)

    Nun stellen Sie die Frage: Wie steht es mit den indirekten Steuern? Ich kann mich hier wie in vielen anderen Punkten der Steuerreformdiskussion auf das beziehen, was ich im Deutschen Bundestag im letzten Jahr gesagt habe, manchmal allerdings auch vor einem kleinen Kreis von Kolleginnen und Kollegen. Ich habe im letzten Jahr mehrfach, zuletzt auch hier im Parlament, erklärt: Die vorrangige Aufgabe ist es, Steuersubventionen, Sonderregelungen abzubauen oder einzuschränken. Man kann aber nicht ausschließen — und ich zitiere mich hier selbst — , daß wir in diesem Zusammenhang auch an die eine oder andere indirekte Steuer herangehen müssen. Ich habe dann immer, weil es aus steuersystematischen Gründen naheliegt, die Tabaksteuer als Beispiel genannt. Das gilt auch heute.
    Was die Mehrwertsteuer angeht: Wir suchen einen Weg ohne Erhöhung der Mehrwertsteuer. Ich kann mich aber über Ihre Ausführungen hier nur wundern, meine Damen und Herren. Wenn die Mehrwertsteuer zum Maßstab für Steuergerechtigkeit gemacht wird, dann will ich Ihnen einmal Ihre eigenen Entscheidungen zum Thema Umschichtung, zum Thema indirekte Steuern, zum Thema Mehrwertsteuer in Erinnerung rufen. Sie, Herr Kollege Apel, haben doch das Steueränderungsgesetz 1977 vorgelegt: Entlastungen — leider ohne eine grundlegende Tarifreform —13,535 Milliarden DM. Gegenfinanzierung: Umschichtung, Erhöhung der Mehrwertsteuer um einen Punkt: plus 6,2 Milliarden DM; Nettoentlastung 7,3 Milliarden DM.
    Sie waren doch im Kabinett Schmidt, Herr Kollege Apel, als das Steueränderungsgesetz 1979 zugeleitet und beschlossen wurde: Entlastung 12,9 Milliarden DM. Gegenfinanzierung: Erhöhung der Mehrwertsteuer um einen weiteren Punkt, damals 6,45 Milliarden DM; Nettoentlastung 6,47 Milliarden DM.
    Sie waren doch im Kabinett, Herr Kollege Apel, wenn auch nicht mehr als Finanzminister, als das Steuerentlastungsgesetz 1981 von Ihnen und Ihren Freunden in der sogenannten sozialliberalen Koalition, mit Ihren Partnern beschlossen wurde: Entlastung 13,8 Milliarden DM, aber auch keine durchgehende Reform, die eine dauerhafte Verbesserung der Steuerstruktur brachte. Gegenfinanzierung: Erhöhung der Mineralölsteuer, Erhöhung der Branntweinsteuer, steuerliche Einschränkungen — das war sicher noch ein vernünftiger Teil, da haben Sie am Rande ein paar Steuersubventionen berührt — , Erhöhung der Tabaksteuer am 22. 12. 1981, der Schaumweinsteuer und — ich sage das einmal zu Ihren familienpolitischen Reden, meine Damen und Herren — Änderung des Bundeskindergeldgesetzes in diesem Kontext,

    (Bohl [CDU/CSU]: Aha!)

    Kürzung des Kindergeldes um 1,7 Milliarden DM.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

    Das bedeutet Ausgleichsmaßnahmen von 9,4 Milliarden und eine Nettoentlastung von ganzen 4,4 Milliarden DM.
    Herr Kollege Apel, es geht nicht darum, ständig in alte Zeiten zu gehen. Nur, wer einmal zur Entlastung bei der Einkommensteuer auch für Bezieher hoher Einkommen im Kontext der Maßnahmen das Kindergeld auch für die Ärmsten um 1,7 Milliarden DM gekürzt hat — und das waren Sie, meine Damen und Herren von der SPD — , ist unglaubwürdig, wenn er heute sagt: Wir müssen die Kinderfreibeträge abschaffen und dafür das Kindergeld anheben. Das, was Sie uns hier als Alternative anbieten, ist vollkommen unglaubwürdig!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Im übrigen möchte ich Sie nur daran erinnern, daß Sie auf diesem Wege ja weiter vorangegangen wären. Sie haben noch im Frühjahr 1982 mit Ihren letzten steuerpolitischen Initiativen unter der Überschrift „Gesetz zur Förderung der Wirtschaft und zur Verbesserung der Steuerstruktur" eine weitere Erhöhung der Mehrwertsteuer vorgeschlagen, die dann im Bundesrat abgelehnt wurde. Deswegen sage ich Ihnen: Wir suchen einen Weg ohne Erhöhung der Mehrwertsteuer, um eine wirkliche Steuerreform von 44 Milliarden DM durchsetzen zu können. Sie haben doch überhaupt keine Legitimation, hier irgendeine Debatte über indirekte Steuern unter sozialen oder angeblich sozialen Vorzeichen zu brandmarken. Niemand hat die indirekten Steuern einschließlich der Mehrwertsteuer so massiv erhöht wie sozialdemokratische Bundeskanzler und sozialdemokratische Finanzminister!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, zum Schluß — oder, richtiger gesagt, gegen Schluß — möchte ich noch einige Anmerkungen zum Verhältnis von Steuerpoli-



    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    tik, Steuerreform und Haushaltspolitik machen. In der Tat, wir entscheiden uns mit dieser Steuerreform finanzpolitisch für eine offensive Strategie, und Sie können davon ausgehen, daß ich selbst die Gründe und auch bestimmte Risiken, die ich sehe, sehr wohl überlegt habe. Ich halte diese Entscheidung für richtig. Sie bedeutet — auch dies habe ich im Deutschen Bundestag im letzten Herbst gesagt — selbst bei strenger Ausgabendisziplin, daß wir bei den 25 Milliarden DM Nettoentlastung, die wir noch einmal beschließen, mit einer zeitlich begrenzten Erhöhung der Neuverschuldung zu rechnen haben. Das ist wahr, aber das ist — der Bundeskanzler hat es gestern ausgeführt — nicht ein Freibrief, in eine unkontrollierte Schuldenwirtschaft wie die der 70er Jahre zurückzufallen. Es kann sich nur um eine zeitlich begrenzte Erhöhung handeln. Dies genau auszumessen und abzuwägen überschreitet den Rahmen meiner heutigen Rede; nur, Herr Kollege Apel, deswegen ist ja die vom Bundeskanzler hervorgehobene und von Ihnen kritisch angesprochene Vereinbarung der Koalition so wichtig, in den nächsten zwei Jahren keine neuen Leistungsgesetze zu verabschieden. Ich habe das, was Sie dazu gesagt haben, überhaupt nicht verstanden. Sie haben hier ein Horrorgemälde aufgezeichnet, wonach der Bundeshaushalt angeblich 60 Milliarden DM an neuen Risiken enthalte. Sie haben gesagt: Die Finanzen geraten aus den Fugen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Wir sprechen uns wieder!)

    Anschließend haben Sie diese Entscheidung kritisiert, daß wir — nach großzügigen Entscheidungen der letzten zwei Jahre auch im sozialen Bereich — einmal sozusagen innehalten.

    (Dr. Apel [SPD]: Das habe ich doch angesprochen!)

    Ich sehe die innere Logik dieser Argumentation überhaupt nicht.

    (Dr. Apel [SPD]: Dann lassen Sie mich bitte eine Frage stellen!)

    — Nein, das möchte ich nun nicht mehr. Sie haben schon eine gestellt, und ich muß jetzt langsam vorankommen.
    Nein, meine Damen und Herren, diese Kritik auch des Herrn Kollegen Vogel ist im Hinblick auf Ihre eigene Praxis sehr erstaunlich. Wir bestätigen mit dieser Koalitionsvereinbarung das, was wir an sozialen Verbesserungen geschaffen haben. Wir haben uns, was bisher nicht sehr beachtet wurde, auch über den Abbau von 2 bis 3 Milliarden DM Subventionen in Verbindung mit Haushaltsproblemen konkret geeinigt. Das haben wir vorweg getan, aber das berührt nicht soziale Leistungen. Wir bestätigen das, was wir an sozialen Verbesserungen geschaffen haben.
    Meine Damen und Herren, schauen Sie sich einmal Europa an, von Griechenland mit Herrn Papandreou und der PASOK, der sozialistischen Mehrheit und Regierung, bis nach Irland. Sie können dann eine große Zahl von Regierungen und Parlamenten finden, in denen nicht über eine Bestätigung der sozialen Leistungen und über Steuerentlastungen geredet wird, sondern über drastische Eingriffe in soziale Leistungen. Das ist sozialistische Politik in Griechenland! Da müssen Sie sich einmal mit der Frage auseinandersetzen, warum das so ist. Nicht weil es den Beteiligten Freude macht, sondern weil man durch eine falsche Wirtschafts- und Finanzpolitik das Land in eine Krise geführt hat. Das müssen wir vermeiden, nachdem wir unser Land aus einer Krise herausgebracht haben!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ihre Kritik, Herr Kollege Vogel, steht doch im Gegensatz zu Ihrer eigenen Praxis. Das große moralische Pathos steht Ihnen da gar nicht gut an. Sie haben 1976 blitzartig — im Gegensatz zu Ihren Wahlversprechen — drastisch die Renten gekürzt, und Sie haben 1980 nach der Bundestagswahl, nachdem Sie unsere Kritik an der Schuldenwirtschaft als Panikmache abgetan hatten, massiv das Messer bei den sozialen Leistungen angesetzt, auch beim Kindergeld.

    (Dr. Vogel [SPD]: Wir reden doch jetzt über den Spitzensteuersatz!)

    — Nein, Herr Kollege Vogel, wir reden zur Zeit über das Kindergeld! Ich bestimme die Themen, über die ich rede. Wir reden über Ihre Kürzungen beim Kindergeld,

    (Dr. Vogel [SPD]: Und wir reden über Ihre!)

    und wir reden darüber, daß es unglaubwürdig ist, wenn Sie Freibeträge abschaffen wollen und eine Erhöhung des Kindergeldes als Kompensation versprechen.
    Lassen Sie mich noch ein paar Sätze zum Zusammenhang von Finanzpolitik, Wirtschaftspolitik und Arbeitsmarktpolitik sagen. Herr Kollege Vogel, die Analyse muß stimmen, wenn man zu richtigen Folgerungen kommen will. Ich habe hier mit großem Erstaunen gelesen — ich habe es gehört und es dann, weil ich sah, daß es falsch war, noch einmal nachgelesen — , was Sie in Ihrer Rede gesagt haben. Sie haben es als eine Provokation bezeichnet, daß der Anteil des Einkommens aus Unternehmertätigkeit und Vermögen am Volkseinkommen seit 1982 von fast 34 To auf etwa 42 % gestiegen ist. Ich habe mir gestern abend die letzte Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes dazu kommen lassen. Sie ist ganz neu, vom 9. März 1987. Das Statistische Bundesamt stellt in dieser Veröffentlichung „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung" fest, der Anteil des Einkommens aus Unternehmertätigkeit und Vermögen am Volkseinkommen beträgt nicht, wie Sie behaupten, 42 %, sondern 31,4 %. 1970 lag er bei 32 %. Er ist dann in Ihrer Regierungszeit zurückgegangen auf 26,2 % im Tiefstand und ist jetzt wieder bei 31,4 % und damit immer noch unter dem Niveau von 1970. Natürlich gibt es einen Zusammenhang zwischen Erträgen der Unternehmen — —

    (Roth [SPD]: Sie nehmen die Bruttozahlen, er hat die Nettozahlen genannt!)

    — Entschuldigung, er hat andere Zahlen vertreten, als das Statistische Bundesamt veröffentlicht hat.

    (Roth [SPD]: Darüber werden wir uns noch schriftlich austauschen!)




    Bundesminister Dr. Stoltenberg
    — Ja, darüber können wir uns gerne austauschen. Ich habe mir die amtliche Unterlage des Statistischen Bundesamtes besorgt

    (Dr. Vogel [SPD]: Ich auch!)

    und möchte das richtigstellen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Sie brutto und ich netto!)

    Ich sage das ja auch ganz zurückhaltend. Ich rede ja nicht gleich von einer Provokation wie Sie, Herr Kollege Vogel, wenn ich selbst anfechtbare Zahlen hier zitiere.

    (Dr. Vogel [SPD]: Was bleibt, entscheidet! Was hinten rauskommt, entscheidet! Ach, Kohl!)

    — Nein, die Analyse muß stimmen, Herr Vogel, wenn man zu richtigen Folgerungen kommen will; das ist der Punkt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die drei Todsünden, die in den siebziger Jahren und dann dramatisch zu Beginn der achtziger Jahre Arbeitslosigkeit produziert haben, waren die Investitionslücke vor allem bei den privaten Investitionen, der zu starke Anstieg der Steuern und Abgaben. Wir reden doch nicht über zu hohe Nettoeinkommen der Arbeitnehmer; wir reden über zu hohe Lohnkosten für die Betriebe. Das sind zwei verschiedene Dinge, und wir müssen den Abstand zwischen Lohnkosten der Betriebe und Nettoeinkommen der Arbeitnehmer verringern. Deswegen müssen wir eine Steuerreform machen, wie wir es uns vorgenommen haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Roth [SPD]: Sie zahlen doch alles aus der Nürnberger Anstalt! Sie streichen doch die Beiträge!)

    Deswegen müssen wir das Thema der Kostendämpfung im Gesundheitswesen lösen, weil wir sonst, wenn die Kosten im Gesundheitswesen weitersteigen wie bisher, die Beschäftigungsprobleme nicht mehr meistern können.

    (Dr. Ehrenberg [SPD]: Die haben Sie nicht gemeistert!)

    Die dritte Todsünde war die zu hohe Belastung der Löhne. Sie haben das bis heute, wie mir scheint, nicht begriffen. Noch wichtiger ist die Frage, ob die Tarifparteien, DGB und Arbeitgeberverbände, dies verstanden haben und daraus die richtigen Folgerungen ziehen.
    Herr Kollege Vogel, wir bejahen die Verantwortung des Staates und der Finanzpolitik für Wirtschaft und Beschäftigung. Aber wir können nicht das Fehlverhalten anderer ausgleichen. Wir können in der Marktwirtschaft kein Fehlverhalten einzelner Unternehmen ausgleichen, und wir können auch kein kollektives Fehlverhalten bei Tarifvertragsverhandlungen und -ergebnissen ausgleichen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Ist die Stahlkrise das Ergebnis kollektiven Fehlverhaltens? Erklären Sie das mal den Menschen!)

    Ich sage das zu den Problemen von Schiffbau, Stahl und Kohle.

    (Dr. Vogel [SPD]: Auch Fehlverhalten?)

    Herr Kollege Vogel, zur Politik der letzten vier Jahre gehört auch, daß wir für Kohle, Stahl und Schiffbau erheblich mehr Mittel bereitgestellt haben als Sie in Ihrer Regierungszeit,

    (Dr. Vogel [SPD]: Beschimpft er die Leute auch noch!)

    aber es gibt Grenzen.
    Ich nehme für mich in Anspruch, daß ich mich mit den Problemen des Schiffbaus persönlich so intensiv beschäftigt habe wie wenige in diesem Hause.

    (Dr. Vogel [SPD]: Nicht bestritten!)

    Ich nehme das für mich in Anspruch. Ich habe Anfang dieser Woche von einer deutschen Werft eine Unterlage bekommen — natürlich immer mit der Frage, ob wir noch etwas mehr tun können — über einen interessanten Auftrag, über den in Kürze entschieden wird. Das Konkurrenzangebot aus einem asiatischen Land liegt fast 40 % preisgünstiger. Und das ist der Alltag unserer Werften. Wir können ja 20 % , wir können 25 % durch Subventionen ausgleichen. Wir haben schon eine Debatte mit anderen, Herr Westphal, die uns fragen: warum nicht bei uns? Wir können das begründen. Dann gibt es auch Grenzen. Wir haben noch einen gewissen technologischen Vorsprung. Aber wir können die Wegstrecke von 40 % im Grunde nicht mehr kompensieren. Das ist die bittere Lage.
    Ich sage Ihnen wirklich aus der unmittelbaren Betroffenheit und Verantwortung für Schiffbauunternehmen und ihre Mitarbeiter, die mir auch vor Augen stehen, wenn ich hier rede: Wir brauchen Tarifabschlüsse, die Kosten und Wettbewerbsnachteile für Arbeitsplätze in diesen Bereichen nicht weiter existenzbedrohend verschärfen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es ist die Frage, ob die IG Metall und andere endlich bereit sind, bei Forderungen, wie sie jetzt im Raum stehen — 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich — , zu differenzieren und auf jene existenzbedrohten Betriebe und Branchen und ihre Mitarbeiter Rücksicht zu nehmen, die heute trotz aller Subventionen kaum noch konkurrenzfähig sind und die, wie ich fürchte, endgültig ins Aus gelangen, wenn diese Maximalforderung mit Brachialgewalt durchgesetzt werden soll. Das muß ich hier in diesen Tagen einmal in aller Deutlichkeit sagen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir haben, wie ich glaube, gute Fundamente gelegt. Wir haben große Herausforderungen und Probleme vor uns. Es gibt keinen Grund, sie zu bagatellisieren. Der Bundeskanzler hat sie gestern in seiner Regierungserklärung klar angesprochen, und ich tue es heute hier für den Bereich der Finanzpolitik. Aber wenn wir die Grundlagen unserer Volkswirtschaft betrachten, wenn wir die Bereitschaft der überwiegenden Mehrzahl der Menschen betrachten, positive Signale der Politik auch aufzunehmen und schöpferisch, produktiv in ihrem Lebensbereich zu verwirklichen, dann können wir auch mit Zuversicht an die Arbeit gehen. Wir sind dazu bereit.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)






Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Spöri.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Dieter Spöri


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben hier heute morgen einen ganz anderen Gerhard Stoltenberg erlebt. Das war nicht mehr der sachlich-kühle Klare aus dem Norden,

    (Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Das war der noch nie!)

    das war ein durch Koalitionsverhandlungen Angeschlagener,

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

    der wild und unsachlich polemisiert und geflunkert hat. Herr Stoltenberg, was soll das eigentlich: Auf der einen Seite greifen Sie uns wegen des sogenannten Rau-Tarifs an, der 80 % der Ledigen und 90 % der Verheirateten besser stellt als Ihr Tarif, auf der anderen Seite aber sagen Sie: Wir wollen gar keine Steuerentlastung. Das ist doch der Gipfel der Unredlichkeit!

    (Beifall bei der SPD)

    Aber, meine Damen und Herren, ich komme noch einmal auf die Zahlentrickserei des Herrn Bundesfinanzministers zurück. Das ändert nichts an den Realitäten.
    Verlauf und Ergebnisse dieser Koalitionsverhandlungen auf dem Gebiet der Steuer- und der Finanzpolitik haben einfach eine Legende zerstört, nämlich die Legende vom soliden Hausvater Stoltenberg, der die Entscheidungen im Bereich seines Ressorts souverän dominiert und seinen Haushalt unter Kontrolle hat. Wir alle haben ja in den letzten Wochen miterlebt, daß der Herr Bundesfinanzminister auf dem steuerpolitischen Spielfeld der Koalition nicht mehr der Spielmacher war, sondern als Statist von den übrigen Akteuren, nämlich von Strauß, Bangemann, Geißler und Lambsdorff, hin- und hergeschubst worden ist. So waren doch die Fakten, meine Damen und Herren.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Waren Sie dabei?) — Das konnte man ja lesen.

    Es stimmt doch, Herr Bundesfinanzminister: Sie haben Ihren immer wieder beschworenen eisernen Grundsatz aufgegeben, das Volumen einer Steuersenkung könne erst dann festgelegt werden, wenn ihre Finanzierung konkret gesichert sei. Ihr steuerpolitisch hohes Credo hier in diesem Hohen Haus war immer, daß das Volumen der Entlastung durch den Subventionsabbau bestimmt wird. 40 Milliarden DM plus X: Das war doch immer Ihre Formel; „X" war der Subventionsabbau. Da helfen doch jetzt auch nicht persönliche Ausfälligkeiten gegen Herrn Apel. Sie haben sich mit den Koalitionsergebnissen auf ein haushaltspolitisches Himmelfahrtskommando eingelassen;

    (Beifall bei der SPD)

    denn Sie sind — das sind die Fakten — auf einen Steuersenkungsbeschluß von über 44 Milliarden DM festgeschweißt, von denen nicht eine Mark durch einen
    konkreten Beschluß, z. B. zum Subventionsabbau, wirklich finanziert ist.

    (Zuruf von der SPD: So ist es!)

    Das ist geradezu abenteuerlich, wenn man bedenkt, daß die Steuereinnahmen — das wird sich schon im Mai zeigen — ganz deutlich hinter den bisherigen Schätzungen auf Grund der konjunkturellen Entwicklung zurückbleiben werden.
    Aber eines ist sicherlich einmalig, Herr Bundesfinanzminister, in der Geschichte der Bundesrepublik: Es gab keine Steuerreform oder Tarifkorrektur, bei der eine Regierung die Finanzierungsfrage völlig offengelassen hätte. Die Regierung Kohl/Bangemann hat damit nicht nur eine haushaltspolitische Zeitbombe an Bord,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Na, na, na!)

    nein, die Vertagung der Finanzierungsfrage auf den Herbst ist auch ein unlauteres politisches Manöver, mit dem die Bürger über die wahren finanziellen Auswirkungen auf ihren Geldbeutel getäuscht werden sollen.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Stoltenberg, Sie zeigen jetzt die Speckseite Ihrer Steuerpläne. Die Kehrseite verstecken Sie bis in den Herbst hinein. Sie wissen ganz genau, daß mit den von Ihnen angepriesenen Berechnungsbeispielen gegenwärtig kein Bürger wirklich ausrechnen kann, wie er sich nach Ihren Finanzierungsbeschlüssen im Herbst stellt: ob er entlastet oder belastet wird. Das sind die Fakten.

    (Richtig! bei der SPD — Dr. Bötsch [CDU/ CSU]: Wenn Sie das nicht nachrechnen können!)

    Es gibt ja auch gewisse historische Parallelen. Graf Lambsdorff sprach kürzlich davon, daß sich die Koalition mit der Finanzierung dieses Steuerpakets freiwillig in eine Mausefalle begeben habe. Mausefalle hat er gesagt. Das erinnert mich irgendwie an 1966. Am 26. Oktober 1966 beschloß die Bundestagsfraktion der FDP, daß der Bundeshaushalt 1967 ohne die von der CDU/CSU beschlossenen Steuererhöhungen finanziert werden müsse. Die FDP schielte damals auf wichtige Landtagswahlen wie z. B. in Hessen; auch das wiederholt sich. Dieser Beschluß war der Anfang vom Ende der Regierung Erhard. Herr Erhard hat ähnlich schwach angefangen wie Herr Kohl in dieser Legislaturperiode und dafür dann stark nachgelassen.

    (Glos [CDU/CSU]: Der Historiker Spöri!)

    Ich bin gespannt, wie die FDP diesmal aus dieser Mausefalle herauskommt; denn Sie haben ja in der Frage der Mehrwertsteuererhöhung und der Erhöhung indirekter Steuern ganz rigide finanzpolitische Prestigepositionen aufgebaut. Irgendeiner muß ja im Herbst in Ihrer Koalition umfallen, wenn sich die Finanzierungsvorschläge so diametral gegenüberstehen.

    (Glos [CDU/CSU]: Herr Spöri, das ist nicht historisch, das ist hysterisch!)

    Nun, lieber Herr Glos, zu den Inhalten Ihrer Tarifkorrektur. Unterschätzen Sie das nicht: Die Tatsache,



    Dr. Spöri
    daß die Bundesregierung den Spitzensteuersatz für 140 000 Spitzenverdiener gesenkt hat, wird nicht in ein paar Wochen oder in ein paar Monaten vergessen sein. Das geht von der Bedeutung her weit über die Beträge hinaus. Das war ein steuerpolitisch symbolischer Akt dieser Bundesregierung, der die wahre Grundrichtung Ihrer Politik demaskiert hat.

    (Beifall bei der SPD)

    Deshalb hat der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung dazu auch keinen Pieps gesagt.
    Aber kolonnenweise, Herr Glos, haben ja UnionsHeroen ihre Hand dafür ins Feuer gelegt, daß der Spitzensteuersatz nicht gesenkt wird: angefangen von Heiner Geißler über Bernhard Vogel bis zum steuerpolitischen Papiertiger des Jahres, nämlich Norbert Blüm.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    Ich sage Ihnen, was den Spitzensteuersatz anlangt: Wenn man sich die Belastung der Spitzenverdiener ansieht, ist festzustellen, daß es für eine Entlastung in diesem Bereich gar keinen Handlungsbedarf gibt. Die Zahlen sprechen so: Die wahre Gesamtsteuerbelastung der Spitzenverdiener in der Bundesrepublik liegt heute im Durchschnitt bei 43 % ihres Einkommens — die sind zumutbar — , also weit unter dem bisherigen formellen Spitzensteuersatz von 56 %, der ja nur für die Einkommensspitze über 260 000 DM bezahlt wird, wenn überhaupt, weil die meisten in diesen Einkommensklassen Steuersparmodelle nutzen.
    Die Koalition verschweigt zudem bewußt, daß jeder Spitzenverdiener alle anderen Steuersenkungsmaßnahmen, wie die Erhöhung des Grundfreibetrags, die Absenkung des Eingangssteuersatzes und die Linearisierung der Progression, voll mit nutzt und voll mit abkassiert. Das heißt, der Spitzenverdiener kassiert auch ohne Senkung des Spitzensteuersatzes mehr als alle anderen Steuerzahler bei dieser Tarifkorrektur. Wo besteht da eigentlich ein Entlastungsbedarf bei Spitzenverdienern, frage ich Sie.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Der Bundesfinanzminister hat hier mit viel Zahlenakrobatik versucht, unsere Kritik, die Kritik von Hans Apel, an diesem Steuerpaket zu entkräften. Aber aus seinem eigenen Zahlenwerk, aus seinen eigenen Finanznachrichten ergeben sich nur drei zentrale Schlußfolgerungen, die er hier nicht widerlegt hat.
    Erstens. Die 5,7 Millionen Bezieher niedriger Einkommen bis 48 000 DM erhalten zusammen eine geringere Entlastungsmasse als 140 000 Spitzenverdiener. Zweitens. Die Bezieher niedriger Einkommen zahlen durch die Tarifkorrektur im Schnitt 430 DM weniger, während Spitzenverdiener eine durchschnittliche Steuersenkung von 21 400 DM kassieren. Drittens. Damit ist die Behauptung der Koalition, jeder Steuerzahler behält mindestens 1 000 DM in der Tasche, schon im Steuersenkungsteil dieses Pakets falsch.

    (Dr. Vogel [SPD]: Hört! Hört! — Zuruf von der CDU/CSU: Hat keiner gesagt!)

    Ihre eigenen Zahlen sprechen gegen Sie, Herr Bundesfinanzminister, und widerlegen Sie.

    (Beifall bei der SPD)

    Nicht mehr statistische Kosmetik oder statistische Trickserei, sondern eine offene Fälschung, Herr Bundesfinanzminister, sind aber die steuerpolitischen Wahlanzeigen und die Flugblätter der CDU in den Tageszeitungen, die wir gegenwärtig sehen; denn in diesen Anzeigen wird das, was in dieser Debatte immerhin noch als Umschichtungsbedarf von 19 Milliarden DM bezeichnet worden ist — was in Wahrheit Steuererhöhungen sind — überhaupt nicht mehr genannt, da wird das einfach unterschlagen. Es stimmt nicht, meine Damen und Herren, daß die CDU sagen würde, daß die Steuerzahler im Schnitt 1 000 DM weniger Steuern bezahlen müßten. Die Propagandaanzeigen der CDU zeigen ganz deutlich, daß Sie bei Ihrer Wahlpropaganda schwindeln, denn dort steht drin: Jeder Steuerzahler behält mindestens 1 000 DM jährlich mehr in der eigenen Tasche. Das sind die Fakten.

    (Dr. Hauff [SPD]: Fälscher! — Weitere Zurufe von der SPD: Hört! Hört! — Lüge!)

    Dies widerspricht dem, was Sie vorher gesagt haben.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Meine Damen und Herren, ich bleibe auch nach den heutigen windigen Ausführungen zu dem Betrag von 19 Milliarden DM Umschichtung, d. h. Steuererhöhung, dabei: Konkret droht eine Erhöhung der Mehrwert- und der Verbrauchsteuern, die Streichung der Arbeitnehmer- und der Weihnachtsfreibeträge sowie die Besteuerung der Zuschläge für die Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit oder aber die steuerliche Erfassung der Personalrabatte für die Arbeitnehmer. Wenn Sie bei den Finanzierungsvorschlägen auf irgendwelche Dementis Bezug nehmen, dann kann ich nur sagen: Zur Zeit wird an Finanzierungsvorschlägen alles dementiert, von Lambsdorff und von Blüm. Wenn alles zutreffen würde, was es da an Dementis gibt, dann hätten Sie keine einzige Mark an Finanzierung für Ihre 19-Milliarden-DM-Umschichtung, die Sie genannt haben.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Herr Stoltenberg, ich will Ihnen einmal eine seriöse Rechnung aufmachen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie machen uns dauernd etwas vor!)

    Die ganze Wahrheit zum Steuerpaket, die jetzt krampfhaft bis zum Herbst vernebelt werden soll, ist sehr einfach. Hören Sie einmal zu! Wenn der Belastungsteil des gesamten Steuerpakets von 19 Milliarden DM auf 19 Millionen Steuerzahler gleichmäßig verteilt wird, kommt man zu einer Zusatzbelastung von 1 000 DM. Das heißt im Klartext: Diejenigen, deren Entlastung bei der Tarifkorrektur unter 1 000 DM liegt, werden unter dem Strich im Herbst drauflegen.

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: Jetzt macht er was vor!)




    Dr. Spöri
    Damit wird sich die im Herbst geplante Gesamtoperation als gigantische Umverteilung von unten nach oben entpuppen, und zwar vor allen Dingen zu Lasten der Rentner.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Nun sagt der Graf Lambsdorff im „Handelsblatt" vom 11. März ganz offen, daß man jetzt diese 19 Milliarden DM Steuerbelastungen im zweiten Teil dieses Pakets, daß man diese Liste der Grausamkeiten, wie es immer flapsig genannt wird, noch einmal bis nach den Landtagswahlen dieses Jahres in der Schublade versteckt halten wolle, weil ansonsten die Gefahr bestehe — nach Lambsdorff — , daß die Koalition die Mehrheit im Bundesrat verliert. Das heißt: Wenn man die Wahrheit sagt, verliert man also die Mehrheit. Welch zynische Reduzierung unserer Bürger zum Stimmvieh, denen man vor den Landtagswahlen die steuerpolitischen Leckereien unter die Nase hält und nicht einmal den politischen Preis, den sie dafür zahlen müssen, sagt, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD und der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    Das ist, ohne zu stark in die Tasten zu greifen, politischer Betrug, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der SPD)

    Wenn ich jetzt ganz kurz noch eingehen darf auf die Senkung der Unternehmensteuern. Wir sind gegen die Körperschaftsteuersenkung, die einseitig die gewinnstärksten Kapitalgesellschaften bevorzugt. Dies wird mit der unhaltbaren Behauptung begründet, unsere Unternehmen wären international benachteiligt, was die Steuerbelastung anlangt. Mein Kollege Apel hat bereits darauf verwiesen, daß die deutschen Unternehmen faktisch nicht mit 71 % belastet sind — dies ist ein Horrorwert der Wirtschaftslobby — , sondern daß das eigene Beiratsmitglied Ihres Ministeriums ausgerechnet hat, daß die tatsächliche, effektive Belastung bei 34 % des Gewinns liegt.
    Meine Damen und Herren, wer jetzt in einer solchen konjunkturellen Situation eine solch ungezielte Steuerentlastungspolitik betreibt, der sollte sich einmal näher die Entwicklung des Volkseinkommens nach Steuern und nach Abgaben angucken.

    (Roth [SPD]: Das ist es!)

    Von 1982 bis 1986 stieg das Bruttoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen um 164 Milliarden DM; davon blieben 154 Milliarden DM netto übrig. Im gleichen Zeitraum stiegen die Bruttoeinkommen der Arbeitnehmer um 139 Milliarden DM; davon blieben nur 53 Milliarden DM übrig. Den Arbeitnehmern wurden also 62 % ihres Zusatzverdienstes abgenommen, den Unternehmern und Kapitaleignern dagegen nur 6 % abgezogen. Wo ist da der steuerpolitische Handlungsbedarf? Wo ist da überhaupt Entlastungsbedarf? Den sehe ich überhaupt nicht.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Meine Damen und Herren, ich darf zum Schluß kommen. Gerade jetzt bewahrheitet sich der Grundsatz sozialdemokratischer Steuerpolitik: Die aus der Sicht des einzelnen Bürgers verteilungspolitisch gerechtere Steuerpolitik ist gleichzeitig auch die wirtschaftspolitisch vernünftigere Steuerpolitik. Die steuerpolitische Ideologie der deutschen Konservativen, die Wirtschaft könne nur durch Umverteilung von unten nach oben florieren, ist nicht nur in anderen Ländern gescheitert, sondern auch hier in der Praxis der Bundesrepublik. Gerechtigkeit und ökonomische Rationalität, Gerechtigkeit und wirtschaftspolitische Effizienz stehen steuerpolitisch nicht im Widerspruch, sondern im Einklang. Deshalb heißt unser Kurs in diesem Haus: Steuergerechtigkeit.
    Herzlichen Dank.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD und Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)