Rede von
Dr.
Hermann Otto
Solms
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Ja, natürlich kenne ich die.
— Ich kann doch hier keine Namen nennen, entschuldigen Sie. Ich kann Ihnen im privaten Gespräch solche Unternehmen zeigen. Das kann ich gerne tun.
In der Bundesrepublik ist die Einkommensteuer die Unternehmensteuer für die Masse der Unternehmen, und deswegen müssen Sie die Einkommensteuer senken.
Es gäbe dafür eine Alternative; das will ich ganz offen sagen. Die Alternative wäre eine grundsätzliche Reform des Gewerbesteuersystems. Dazu sind Sie aber nicht bereit, weil Sie ja die Revitalisierung der Gewerbesteuer anstreben, d. h. eine zusätzliche Belastung der Unternehmen durch die Gewerbesteuer. Das können wir natürlich nicht zulassen. Wenn wir eine vernünftige Unternehmensbesteuerung erreichen wollen, müssen wir die Gewerbesteuer beseitigen. Dazu brauchen wir Ihre Mitarbeit, weil eine verfassungsändernde Mehrheit notwendig ist. Diese Diskussionen müssen wir in den nächsten Jahren führen, gerade auch im Zusammenhang mit der Harmonisierung der Steuersätze und Steuerarten in Europa. Deswegen können wir hier kurzfristig keinen Beitrag leisten und sind auf die Senkung der Einkommensteuer angewiesen.
Ich will über die anderen Teile und Zahlen jetzt nicht intensiv diskutieren. Sie sind vorgetragen worden; Sie kennen die verschiedenen Maßnahmen. Wichtig ist nur, zu wissen, daß Sie, wenn Sie zusammenrechnen — Anhebung des Grundfreibetrags, der Kinderfreibeträge, Senkung des Eingangsteuersatzes und linearer Tarif —, ein Volumen von 39,4 Milliarden DM Steuerentlastung für die kleinen und mittleren Steuerzahler haben. Dagegen steht die Senkung des Spitzensteuersatzes von 1 Milliarde DM. Sie können also wirklich nicht sagen, daß das eine unvernünftige Verteilungswirkung hätte.
Die Finanzierung muß geleistet werden, und zwar in einem Volumen von 19 Milliarden DM, durch Verbreiterung der Bemessungsgrundlage und durch Senkung von direkten Finanzhilfen und Übertragungen. Das wird eine schwierige Diskussion werden. Daran gibt es keinen Zweifel. Das wird Mut erfordern. Aber ich erhoffe bei dieser Diskussion eben auch den Beitrag der Oppositionsparteien, auch wenn er kritisch
ist; das macht nichts. Im Endeffekt muß der Finanzierungsteil genauso wie der Entlastungsteil ausgewogen sein.
Aber leider haben Sie in der Zwischenzeit nicht weiter nachgedacht. Vielmehr haben Sie uns wieder den Rau-Tarif serviert, über den wir ja schon in der letzten Legislaturperiode gründlich zu diskutieren Zeit hatten. Er ist ein Tarif, der in der gesamten Fachwelt total verrissen worden ist, überhaupt keinen vernünftigen Ansatzpunkt bietet und bei dem schon der Facharbeiter mit einem Einkommen von 30 400 DM im Vergleich zum Tarif 1988 in Zukunft zusätzlich belastet werden soll. Sie legen ja auf diesen Vergleich immer Wert. Das kann doch wirklich nicht wahr sein: Die Masse der Arbeitnehmer, auf die es im Leistungsprozeß ankommt, soll zusätzlich belastet werden.
Ich will Ihnen gleich zwei Rechenbeispiele liefern. Wenn Sie die Grundtabelle und ein Einkommen von 20 000 DM nehmen, dann wird dieser Arbeitnehmer heute 3 420 DM Steuern zu zahlen haben, 1988 nach dem FDP-CDU/CSU-Tarif 3 415 DM, aber 1990 nur noch 2 943 DM, nach dem Rau-Tarif aber 3 290 DM. Das ist also eine klare Schlechterstellung.
Wenn Sie den Bezieher eines Einkommens von 40 000 DM nehmen, dann wird er nach dem Rau-Tarif mit 9 573 DM belastet, nach dem 88er Tarif mit 9 664 DM — also eine ganz geringe Entlastung —, aber nach dem 90er Tarif nur noch mit 8 000 DM, also um 1 500 DM weniger. Ich will es bei diesen Beispielen bewenden lassen.