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    Plenarprotokoll 11/5 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 5. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 19. März 1987 Inhalt: Wahl der Schriftführer — Drucksache 11/58 (neu) — 137 A Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Dr. Apel SPD 137 B Carstens (Emstek) CDU/CSU 144 D Frau Vennegerts GRÜNE 148 C Dr. Solms FDP 150D Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . . 155A Dr. Spöri SPD 164A Krollmann, Staatsminister des Landes Hessen 166C Dr. Wallmann, Bundesminister BMU . . . 171 C Kleinert (Marburg) GRÜNE 177 B Mischnick FDP 178 C Dr. Hauff SPD 180D Dr. Laufs CDU/CSU 184 B Frau Garbe GRÜNE 186D Baum FDP 188D Frau Rust GRÜNE 191 A Weiermann SPD 193A Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 195A, 221 B Frau Unruh GRÜNE 206 B Cronenberg (Arnsberg) FDP 207 A Frau Fuchs (Köln) SPD 210B Dr. Faltlhauser CDU/CSU 216B Floss GRÜNE 219C Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 222 B Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister BMJFFG . 225 C Frau Wilms-Kegel GRÜNE 231B Dr. Hirsch FDP 232 C, 246 D Frau Verhülsdonk CDU/CSU 233 D Dr. Penner SPD 236 A Dr. Miltner CDU/CSU 241 A Wüppesahl GRÜNE 244 C Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI . 249B Namentliche Abstimmungen 192D Ergebnisse 203 A, 204 C Präsident Dr. Jenninger 149 B Vizepräsident Cronenberg 244 B Vizepräsident Frau Renger 219B, 246C Nächste Sitzung 251 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 252 * A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 5. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. März 1987 137 5. Sitzung Bonn, den 19. März 1987 Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Amling 20. 3. Egert 19. 3. Frau Eid 20. 3. Dr. Götz 20. 3. Grünbeck 20. 3. Grüner 19. 3. Grunenberg 20. 3. Haack (Extertal) 19. 3. Klein (München) 20. 3. Kolb 20. 3. Lenzer * 20. 3. Frau Dr. Martiny-Glotz 20. 3. Dr. Mertens (Bottrop) 19. 3. Reuschenbach 20. 3. Dr. Rumpf ' 20. 3. Seehofer 20. 3. Frau Simonis 19. 3. Strauß 20. 3. Frau Trenz 20. 3. Dr. Wieczorek 20. 3. Frau Dr. Wilms 19. 3. Frau Zutt 20. 3. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans Apel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Bundesregierung beginnt ihre neue Amtszeit mit ungeordneten Finanzen,

    (Lachen bei der CDU/CSU und der FDP — Beifall bei der SPD)

    denn die Versprechungen, die in großer Zahl gestern
    in der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers hier vorgetragen worden sind, bestehen im wesentlichen aus ungedeckten Wechseln. Ich füge hinzu: Das hat es noch niemals gegeben,

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    daß aus dem Munde des Generalsekretärs der FDP angekündigt und vom Bundeskanzler gestern bestätigt wird, daß es zur Mitte der Legislaturperiode einen Kassensturz geben wird und daß dann erst entschieden werden kann, ob insbesondere die Versprechungen im Bereich der Familienpolitik überhaupt noch finanziert werden können. Das zeigt, daß der Bundesfinanzminister entweder die Übersicht verloren hat — das nehme ich allerdings nicht an, Herr Kollege Stoltenberg; ich kenne Sie ja zu genau — oder aber, daß Sie so lange wie möglich die triste Wirklichkeit der Bundesfinanzen verschleiern wollen.

    (Zuruf von der SPD: Das wird es dann sein!)

    Ihre Festlegungen in der Koalition, Ihre Versprechungen kosten doch — das wissen wir doch alle ; wir haben es nachgerechnet — 60 Milliarden DM. Ihre Finanzierung bleibt auch nach den Ausführungen des Bundeskanzlers gestern im dunklen. Sie verweigern jede konkrete Aussage.
    Wie wollen Sie die 44 Milliarden DM Steuersenkung finanzieren? Wo wollen Sie die Milliarden herbekommen, die Sie der deutschen Landwirtschaft, den Bauern versprochen haben? Wie wollen Sie eigentlich, Herr Kollege Stoltenberg, den erhöhten Bundeszuschuß für die Rentenversicherung bezahlen, den Sie angekündigt haben und der geboten ist?

    (Zuruf von der SPD: Schulden machen!)

    Was Sie uns gestern vorgelegt haben, ist keine seriöse Regierungserklärung mit einer soliden finanziellen Grundlage.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Dregger [CDU/ CSU]: Sie müssen von Seriosität reden: Schuldenmacherpartei!)

    Dabei hätte es, meine Damen und Herren von der Koalition, für Sie und für den Finanzminister die staatspolitische Pflicht gegeben, den Bürgern am Beginn



    Dr. Apel
    einer neuen Legislaturperiode die Wahrheit zu sagen.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Das haben Sie nie getan!)

    Die Wahrheit ist, daß es mit der Konjunktur weiter bergab geht und daß wir endlich — und das kostet dann auch staatliche Mittel — massiv die Massenarbeitslosigkeit bekämpfen müssen. Die Wahrheit ist, daß wir unübersehbare Strukturkrisen bei Stahl, bei Kohle, bei Werften haben und daß wir zu ihrer Bewältigung auch Finanzmittel brauchen. Die Wahrheit ist, daß wir unsere Bauern nicht im Stich lassen können. Wir brauchen eine neue Agrarpolitik, und auch die ist zum Nulltarif nicht zu haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Wahrheit ist, daß wir massive Zuschüsse zur Rentenversicherung brauchen, damit die Renten sicher bleiben.
    Deswegen, meine Damen und Herren, ist es auch die Wahrheit, daß wir in der Steuerpolitik Augenmaß brauchen. Steuerpolitik darf nicht, wie es bei Ihnen geschehen ist, zu einem unsoliden Selbstbedienungsladen insbesondere für die Begüterten werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Deswegen sagen wir: Wir brauchen eine Steuerpolitik, die gerecht und wirtschaftlich vernünftig ist. Wir müssen vor allem die kleinen und die mittleren Einkommen entlasten.

    (Zuruf von der FDP: Das machen wir!)

    — Darauf werden wir zurückkommen, meine hochverehrten Damen und Herren. — Wir dürfen insbesondere nicht den kleinen und den mittleren Einkommen das, was auf der einen Seite in bescheidenem Maße gegeben wird, auf der anderen Seite durch eine Anhebung der Verbrauchsteuern und der Mehrwertsteuer wieder wegnehmen.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Sie dagegen, Sie von der Koalition, Sie, Herr Kollege Stoltenberg, setzen die Arbeit so fort, wie Sie sie am Ende der letzten Legislaturperiode beendet haben:

    (Zuruf von der CDU/CSU: Gott sei Dank!)

    statt der Stärkung der öffentlichen Finanzen insbesondere beim Bund ihr weiterer planmäßiger Verfall — das kostet Arbeitsplätze —, statt der Stärkung der Gemeindefinanzen ihre fortgesetzte Schwächung, statt des angekündigten Subventionsabbaus die explosionsartige Vermehrung der Steuersubventionen in der letzten Legislaturperiode und am Beginn der Arbeit dieser Koalition erneute Subventionen für die Landwirtschaft, also insbesondere für Ihre Kundschaft, statt Steuergerechtigkeit Fortsetzung der Umverteilung und weiteres Ansteigen der Steuer- und Abgabenbelastung für die Arbeitnehmer

    (Dr. Vogel [SPD]: So ist es!)

    und, was wir dem Finanzminister besonders vorwerfen müssen, statt Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit Verschleierung und Verschiebung von unabwendbaren Belastungen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das müssen ausgerechnet Sie sagen! Es ist unglaublich!)

    Sie wollen in diesem Jahr verbergen, was auf die Bürger zukommt, und das wegen der fünf bevorstehenden Landtagswahlen. Danach wird es dann, wie Herr Haussmann sagt, viel Geschrei geben. Deswegen betreiben Sie jetzt Ihr Versteckspiel. Ich sage Ihnen: Dies ist nicht nur eine skandalöse Täuschung der deutschen Wähler, sondern auch und insbesondere eine Mißachtung des Deutschen Bundestages.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Herr Kollege Stoltenberg, wenn Sie uns jetzt die Vorlage einer seriösen Eröffnungsbilanz verweigern, erweisen Sie sich damit selbst den schlechtesten Dienst, denn Sie werden noch erleben, wie allein Sie sein werden, wenn es darum geht, die Verantwortung für diese verfehlte Politik zu übernehmen, wenn es darum geht, für 60 Milliarden DM Deckung beizubringen.

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    Da wundert es uns nicht — obwohl es eine Geschmacklosigkeit ersten Grades war — , wenn der Herr Bundeskanzler bereits einmal Ihren Ministersessel fehlgeboten hat, Entschuldigung, feilgeboten hat.

    (Dr. Vogel [SPD]: Feil und fehl! — Heiterkeit und Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    — Herr Kollege Vogel, um diese Zeit hat Freud noch seine volle Wirkung.

    (Zustimmung bei der SPD — Zuruf von der CDU/CSU: Das ist bei Ihnen öfter so!)

    Meine Damen und Herren, wie ist es nun wirklich um die Staatsfinanzen bestellt? Die Staatsschulden, also die Schulden von Bund, Ländern und Gemeinden, Bahn und Post hinzugerechnet, liegen derzeit bei 900 Milliarden DM. Nach Ihrer eigenen Planung, nach der Planung des Bundesministers der Finanzen, wird bereits 1989 die Billionengrenze überschritten. Dabei — und das wissen Sie doch genauso gut wie wir; das weiß der Bundesfinanzminister genauso gut wie wir, wahrscheinlich sogar genauer — wissen wir doch, daß eine ganze Reihe von Haushaltsrisiken, die nicht mehr beliebig verschiebbar sind, nicht finanziert sind: der Agrarmarkt, die EG-Finanzierung, der Airbus, Stahl, Kohle, Werften, die von Bundeskanzler Kohl angekündigten Raumfahrtprogramme,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Die Zinsen für Ihre Schulden!)

    die Hilfen für die Bauern. Für alle. diese Ausgaben fehlen Ihnen bereits heute 15 Milliarden DM.

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    Da dürfen wir wohl fragen, da fragt zu Recht die deutsche Öffentlichkeit, auch heute in den Kommentaren der Morgenpresse: Wo soll denn dieses Geld herkommen? Sie verweigern die Antwort. Es wird nicht mehr lange gutgehen. Spätestens im Sommer dieses Jahres



    Dr. Apel
    bei der Vorlage des Haushaltes 1988 und bei der Vorlage der Finanzplanung bis 1991 werden Sie, meine Damen und Herren, Farbe bekennen müssen.
    Hinzu kommt — das wissen wir alle, und das bedauern wir alle — : Durch die beginnende Rezession wird die Haushaltsproblematik verschärft.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wer erzählt Ihnen denn das?)

    Das, was Sie, Herr Kollege Stoltenberg, in die Haushaltsplanungen an Einnahmen eingesetzt haben, stimmt nicht mehr. Die nächste Steuerschätzung wird deutlich machen, daß mindestens, mindestens 10 Milliarden DM Steuerausfälle auf uns zukommen. Damit reißt es ein Loch in den öffentlichen Kassen auf, nicht nur beim Bund, sondern auch bei den Ländern und bei den Gemeinden.

    (Uldall [CDU/CSU]: Das ist doch ein Ergebnis der Stabilität!)

    Auch der Bundesbankgewinn, hochverehrter Herr Kollege Uldall, bringt eben nicht mehr den warmen Regen, mit dem der Bundesfinanzminister bisher Haushaltskonsolidierung vortäuschen konnte.

    (Dr. Vogel [SPD]: So ist es!)

    In diesem Jahre können Sie noch, Herr Kollege Stoltenberg, über die Verscherbelung der restlichen Bundesanteile von VEBA und VW diesen Ausfall beim Bundesbankgewinn ausgleichen. Allerdings, Sie selbst haben deutlich gemacht, daß es wohl angesichts der Situation bei VW und des Verfalls der Aktienkurse schwierig wäre, dieses Paket in diesem Jahre zu verkaufen. Nur, dann fehlen Ihnen weitere 1,5 Milliarden DM in Ihrem Bundeshaushalt. Im übrigen, wie es auch immer gehen wird: Mit der Verscherbelung von VW und VEBA sind die letzten Reserven mobilisiert, die Sie noch zu einer außerordentlichen, nicht normalen Deckung für den Bundeshaushalt haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Stoltenberg, Sie haben uns hier kurz vor der Bundestagswahl, als meine Freunde Roth und die Kollegen aus der Wirtschaftspolitik und auch ich über die kommenden Konjunkturaussichten gesprochen haben, Zukunftspessimismus vorgeworfen. Sie haben uns — vor wenigen Monaten war es — gesagt, nein, es werde 1987 eine Wachstumsrate von 2,5 bis 3,25 % geben. Wir wissen genau, daß Sie es auch damals bereits besser wußten. Wie auch immer: Die Wirklichkeit holt Sie ein.
    Schon im letzten Quartal 1986 gab es beim Bruttosozialprodukt kein Wachstum mehr. Zu Beginn dieses Jahres hat sich die Abwärtsentwicklung beschleunigt. Die Industrieproduktion nimmt schnell weiter ab; die Auftragseingänge gehen weiter zurück. Und das Bedrückendste ist, daß wir am Anfang dieses Jahres wieder 2,5 Millionen Arbeitslose haben.

    (Dr. Vogel [SPD]: Das ist leider wahr!)

    Meine Damen und Herren, aus dem Export — das hören wir doch in diesen Tagen von den wirtschaftswissenschaftlichen Instituten — drohen uns weitere Risiken. Wir wissen doch, daß die Binnennachfrage das nicht ausgleichen kann. Sie wissen doch selbst,
    meine Damen und Herren von der Koalition, daß Ihre Steuersenkung 1986/1988 viel zu einseitig auf die Spitzeneinkommen konzentriert war,

    (Lattmann CDU/CSU: So ein Quatsch!)

    als daß sie die Binnennachfrage stimulieren kann.

    (Dr. Vogel [SPD]: So ist es!)

    Nun hat der Bundesfinanzminister vor einigen Wochen in Paris, wo die Welthandelspartner gedrängt haben, daß endlich die deutsche Konjunktur stabilisiert wird, daß wir mehr für Wachstum tun, zur Stärkung unserer Binnennachfrage 5,2 Milliarden DM zusätzliche Steuersenkungen zum Beginn des nächsten Jahres zugesagt. Aber, Herr Kollege Stoltenberg, wieder einmal — und das wäre ja wohl konjunkturpolitisch das Gebotene — konzentrieren Sie diese zusätzlichen Entlastungen eben nicht auf die kleinen und mittleren Einkommen. Auch diesmal wollen Sie den Beziehern der hohen und der höchsten Einkommen mehr geben. Sie haben das bestritten, sogar in einer Presseerklärung Ihres Ministeriums. Wir verlangen von Ihnen, daß Sie nicht verbal bestreiten, was wir gerechnet und festgestellt haben, sondern daß Sie uns endlich sagen, wie Sie denn die Progression abflachen und wie Sie entlasten wollen.

    (Beifall bei der SPD — Lattmann [CDU/ CSU]: Sie können doch gar nicht rechnen!)

    Aber Sie lassen ja auch die Katze nicht aus dem Sack, wie die 5,2 Milliarden DM finanziert werden sollen.

    (Zuruf von der SPD: Eine Steuergaunerei ist das!)

    Meine Damen und Herren, 3 Milliarden DM von den 5,2 Milliarden DM sollen Länder und Gemeinden tragen. Wenn dann insbesondere die finanzschwachen Länder und Gemeinden diese 5,2 Milliarden DM, von denen sie ja dann einen beträchtlichen Anteil zu tragen haben, durch Kürzung öffentlicher Investitionen hereinholen müssen, dann haben wir der Konjunktur einen Bärendienst erwiesen.

    (Beifall bei der SPD)

    Deswegen bleiben wir bei dem von uns in der Bundestagswahl, aber auch heute vertretenen Rau-Tarif. Er liefert für die übergroße Mehrheit aller Steuerzahler weiterhin größere Entlastungen, als Sie sie bei der Aufstockung des Tarifs ermöglichen wollen.

    (Gattermann [FDP]: Sie wissen doch besser, daß das nicht stimmt! — Zurufe von der CDU/CSU)

    — Sie vergleichen doch immer Äpfel mit Birnen.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Was sich Herr Bangemann hier gestern zur Steuerpolitik geleistet hat — darauf werde ich noch zurückkommen — , war doch ein starkes Stück.
    Beim Grundfreibetrag ist der Rau-Tarif auch künftig wesentlich besser.

    (Beifall bei der SPD)

    Wie auch immer Sie die Progression abflachen werden: Auch hier wird der Rau-Tarif für eine ganz große
    Zahl von Steuerzahlern besser bleiben, nämlich weil



    Dr. Apel
    er gerecht ist, und deswegen ist der konjunkturpolitisch zielgerecht.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, da ist es dann eher eine Posse, — —

    (Zurufe von der CDU/CSU: Posser!)

    — Sie sind mit Späßen sehr leicht zufriedenzustellen. Das spricht sehr für Sie.
    Meine Damen und Herren, es ist eine Posse, was der Bundesfinanzminister und die Koalition zum Thema Sonderabschreibungen für den Mittelstand vorschlagen.

    (Dr. Meyer zu Bentrup [CDU/CSU]: Bald gibt es einen Lafontaine-Tarif!)

    Meine Damen und Herren, das wissen Sie doch selbst: Diese Sonderabschreibungen für den Mittelstand sind von der Wirtschaft bisher kaum in Anspruch genommen worden. Was eigentlich sehr viel erstaunlicher ist, — — Vielleicht könnte der Bundesfinanzminister zuhören.

    (Zuruf von der SPD: Der muß sich schlaufragen dahinten! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Vielleicht könnten Sie zuhören, Kollege Stoltenberg,
    weil ich Ihnen eine wichtige Frage stellen möchte. Ich
    redete gerade während Ihrer längeren Unterhaltung.
    — Nichts gegen Unterhaltungen!

    (Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

    Nur, wenn man eine Frage stellt, möchte man gern, daß der Adressat zuhört. — Herr Kollege Stoltenberg, ich redete gerade über die Sonderabschreibungen für den Mittelstand. Sie wollen sie aus konjunkturellen Gründen vorziehen und um 500 Millionen DM aufstocken. Jetzt sind wir einigermaßen verwirrt und erstaunt, denn wir wissen doch sehr genau, daß Sie vor drei Jahren genau diese Sonderabschreibung, die Sie jetzt um 500 Millionen DM aufstocken, zur Streichung empfohlen hatten, weil dies, wie Sie gesagt haben, eine völlig überflüssige Steuersubvention sei. Können Sie bitte der Opposition erklären, was diese Art von Steuerpolitik mit Konjunktur, mit Logik, mit systematischer Steuerpolitik zu tun hat?

    (Beifall bei der SPD)

    Oder ging es um eine ganz andere Frage, nämlich: Wie kann ich — Gerhard Stoltenberg — die Einführung einer steuerfreien Investitionsrücklage verweigern, die — zumindest bis gestern abend — die CDU-Mittelstandsvereinigung, das deutsche Handwerk und die Sozialdemokraten fordern? Wenn das so wäre, wäre das ja eine denkbare taktische und vielleicht auch gar nicht so dumme Operation. Nur, Herr Kollege Stoltenberg, mit Konjunkturpolitik hat das weiß Gott überhaupt nichts mehr zu tun.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Der Bundesvorsitzende der Jugendorganisation der CDU-Sozialausschüsse hat das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen vor wenigen Tagen folgendermaßen bewertet — ich zitiere — :
    Man streitet sich wochenlang über den Spitzensteuersatz, man verliert nicht ein einziges Wort über die Massenarbeitslosigkeit.

    (Dr. Vogel [SPD]: So ist es!)

    Meine Damen und Herren, das ist die ganz nüchterne Bewertung der Koalitionsverhandlungen und ihres Ergebnisses. Trotz der Krokodilstränen des Bundeskanzlers gestern wird die Massenarbeitslosigkeit hingenommen.

    (Zuruf des Abg. Scharrenbroich [CDU/ CSU])

    Bei der Steuerpolitik geht es ausschließlich um die Frage — Herr Scharrenbroich — : Wie sichern wir unserer Kundschaft ein möglichst großes Stück am Steuerkuchen?

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Herr Scharrenbroich, da ich Sie hier schon sehe und da Sie mich eben angesprochen haben: Sie werden doch nicht bestreiten können, daß die CDU mit der Senkung des Spitzensteuersatzes ihren Anspruch aufgegeben hat, eine Volkspartei zu sein.

    (Beifall bei der SPD)

    Ihr CDA-Kollege Blüm und Ministerpräsident Vogel haben doch zu Recht darauf hingewiesen, daß Ihre ungerechte Steuerpolitik — ich zitiere das wörtlich — bei den kommenden Landtagswahlen für die CDU eine Belastung sein wird.

    (Lutz [SPD]: Hoffentlich!)

    Herr Minister Bangemann hat gestern zum Spitzensteuersatz geredet. Er hat in etwa das wiederholt, was er bereits vorher gesagt hat. Ich zitiere Herrn Bangemann: Die Senkung des Spitzensteuersatzes nützt Millionen von Steuerzahlern; auch die große Zahl von Normalverdienern, kleinen Unternehmen, Facharbeitern und Angestellten hat davon einen Vorteil.

    (Cronenberg [Arnsberg] [FDP]: Sehr wahr!)

    — Sie finden das noch gut? Sehr schön.
    Mit einem Einkommen von rund 30 000 DM beginnt das. — Und Graf Lambsdorff setzt dann noch einen drauf. Er sagt: Erst durch die Senkung des Spitzensteuersatzes wird der rabiate Zugriff des Staates beim Weihnachtsgeld abgeschwächt.

    (Heiterkeit bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, auch wenn Sie eben zugestimmt haben: Das ist doch nichts weiter als der Versuch, die Wähler hinters Licht zu führen.

    (Beifall bei der SPD — Lambinus [SPD]: Sehr parlamentarisch ausgedrückt!)

    — Ja, ich bin vornehm. — Herr Kollege Cronenberg, die Wahrheit ist — das können Sie doch nicht bestreiten — , daß von der Senkung des Spitzensteuersatzes wirklich nur die Spitzenverdiener profitieren.

    (Lattmann [CDU/CSU] : Das ist nicht wahr! Sie haben keine Ahnung!)




    Dr. Apel
    Nur wer als Verheirateter ein zu versteuerndes Einkommen von mehr als 240 000 DM im Jahr hat, wird dadurch entlastet.

    (Widerspruch bei der FDP)

    Zu diesen Spitzenverdienern gehört 1 % der Steuerzahler. Von den 1,7 Millionen Unternehmen in unserem Land, die Einkommensteuer zahlen, werden 2 durch die Senkung des Spitzensteuersatzes entlastet.

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    Mit anderen Worten: 99 % aller Steuerzahler, 98 aller Unternehmen, die Einkommensteuer zahlen, erhalten durch die Senkung des Spitzensteuersatzes keinen Pfennig.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf des Abg. Dr. Friedmann [CDU/CSU])

    — Herr Friedmann, ruhig.
    Mit anderen Worten: Teilen Sie Ihrem Mittelstand mit freundlichen Grüßen mit: Dank der CDU-Steuerpolitik hat der Mittelstand von dieser Maßnahme überhaupt nichts.

    (Beifall bei der SPD — Bohl [CDU/CSU]: Das ist doch Unsinn!)

    Herr Blüm hat die Beibehaltung des Spitzensteuersatzes als die Nagelprobe für eine ausgewogene Steuerreform bezeichnet. Er hat gesagt: „Wenn der Spitzensteuersatz gesenkt würde, wäre das ein Fausthieb in das Gesicht des Malochers." Jetzt ist der Spitzensteuersatz gesenkt. Der Arbeitnehmer hat den Fausthieb ins Gesicht bekommen. Die Nagelprobe für eine ausgewogene Steuerreform wurde nicht bestanden. Nun hat es doch auch keinen Zweck, daß der Arbeitsminister, die CDA, wer auch immer mit wilden Rechtfertigungsargumenten und Rechtfertigungskalkulationen versuchen, die Ergebnisse anders darzustellen, als sie sind.

    (Abg. Cronenberg [Arnsberg] [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Darf ich eben meinen Gedanken zu Ende führen, Herr Cronenberg? Dann sehr gerne.
    Ich stelle es Ihnen dar, wie es wirklich ist. Sie können es nachrechnen. Ich berücksichtige noch nicht das, was es an Steuererhöhungen geben wird, sondern ich sage Ihnen ganz kühl, wie es aussieht. Es sieht folgendermaßen aus, Herr Cronenberg — wenn ich das dargelegt habe, bin ich gerne bereit, eine Zwischenfrage zuzulassen — : 1 % der Spitzenverdiener soll genauso viel Steuerentlastung bekommen wie die Hälfte aller Steuerzahler zusammen.

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    Ist das sozial ausgewogen?
    Die Hälfte der gesamten Steuerentlastung soll an die 10 % Steuerpflichtigen mit den höchsten Einkommen gehen. Ist das sozial ausgewogen?

    (Zurufe von der SPD: Nein! — Unglaublich!)

    Die Hälfte der Steuerpflichtigen, also die Normalverdiener, soll mit nur rund 10 % der geplanten Steuerentlastung zufrieden sein. Halten Sie das sozial für ausgewogen?

    (Zurufe von der SPD: Nein!)

    Damit sind wir bei der letzten Frage. Herr Uldall, Sie können hier vorkommen und können uns Ihre eigene Rechnung zeigen. Wir zeigen Ihnen unsere. Bleiben Sie bei diesen Punkten, so werden Sie sehen, wie schlecht Sie aussehen.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Abgeordneter, gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage des Abgeordneten Cronenberg?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans Apel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Nach dem letzten Punkt, sehr gern.
    Die untere Hälfte der Steuerpflichtigen auf der Einkommensskala erhält im Durchschnitt 400 DM Steuerentlastung im Jahr, das eine Prozent Spitzenverdiener 20 000 DM im Jahr. Da muß ich doch die Sozialausschüsse, da muß ich doch Sie, Herr Scharrenbroich, fragen: Was hat denn das mit sozialer Gerechtigkeit zu tun?

    (Zurufe von der SPD: Nichts!)