Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Die Armut in den Ländern der Dritten Welt, Krankheiten, Hunger und Elend, sie dürfen uns schon aus mitmenschlicher Solidarität nicht gleichgültig lassen.
Entwicklungszusammenarbeit beruht auf mitmenschlicher Verantwortung für die eine Welt. Sie ist eine langfristig angelegte Gemeinschaftsaufgabe.
Das sind Zitate aus der Rede, die der Bundeskanzler vor zwei Wochen anläßlich des 25jährigen Bestehens des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit hielt. Ich kann diesen und auch anderen Passagen in der Rede des Bundeskanzlers in der Jubiläumsveranstaltung zustimmen.
Die Frage, die ich mir jedoch stelle, ist folgende: Handelt die Bundesregierung entsprechend?
Wenn ich mir den Etat des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit, den wir heute beraten, ansehe, ist die Antwort auf diese Frage: Nein. Es wird deutlich: Die Rede des Bundeskanzlers war eine der üblichen Sonntagsreden, auch wenn sie an einem Freitag gehalten worden ist.
Auch der Haushalt für 1987 macht deutlich: Der Stellenwert der Entwicklungspolitik in der deutschen Politik ist gesunken. Das ist daraus zu ersehen, daß die Bundesregierung einen Etatentwurf vorgelegt hatte, in dem die Steigerungsrate für die Entwicklungspolitik unter der Steigerungsrate des Gesamthaushalts lag.
Daß die Steigerungsrate für Entwicklungspolitik in dem uns jetzt nach der Ausschußberatung vorliegenden Entwurf um 0,4 % über der Steigerungsrate des Gesamthaushaltes liegt, ist darauf zurückzuführen, daß im Haushaltsausschuß in übrigen Bereichen gekürzt worden ist, nicht darauf, daß der Ansatz für Entwicklungspolitik gesteigert worden ist.
Auch der Haushalt für das Jahr 1987 wird dafür sorgen — und deshalb lehnen wir ihn auch ab —, daß der Anteil der Entwicklungshilfe am Bruttosozialprodukt der Bundesrepublik weiter zurückgehen wird. Dafür sorgen einesteils die zu niedrige Steigerungsrate, aber auch das ständige Steigen der Rückflüsse aus den Ländern der Dritten Welt. Die Zinsen, die die Entwicklungsländer auf die von uns gewährten Kredite zahlen, und die Tilgungen sind mittlerweile neben dem Bundesbankgewinn und den Abführungen der Bundespost die größten Verwaltungseinnahmen des Bundes. Dies empfinden wir als einen entwicklungspolitischen Skandal.
Deshalb hatten wir bereits bei den Haushaltsberatungen im vergangenen Jahr einen Entschließungsantrag vorgelegt, in dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, dem Haushaltsausschuß und dem Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit des Deutschen Bundestages bis zum 30. April dieses Jahres Lösungsvorschläge zur künftigen Verwendung von Tilgungs- und Zinsrückflüssen aus der bilateralen finanziellen Zusammenarbeit im Rahmen des Einzelplans 23 vorzulegen.
Diese Lösungsvorschläge sind von der Bundesregierung nicht erarbeitet worden, obwohl ich weiß, daß auch viele der Kolleginnen und Kollegen bei den Koalitionsfraktionen der Auffassung sind, daß es eine vernünftige Regelung für die Wiederverwendung der Rückflüsse geben muß. Leider waren sie aber nicht bereit, im Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit unserem Antrag zuzustimmen, wonach im Einzelfall Tilgungen und die Zahlung von Zinsen erlassen werden sollten oder aber in nationale Entwicklungsfonds überführt werden sollten.
Wenn wir hier keine Lösung finden, wird der Tag nicht mehr allzu fern sein, da der Rückfluß aus Tilgungen und Zinsen insgesamt größer sein wird als unsere neuen Leistungen an die Länder der Dritten Welt.
Bei einigen Ländern ist das ja schon der Fall. Dann wird es einen Nettotransfer von Kapital aus den Entwicklungsländern in die öffentlichen Kassen der Bundesrepublik Deutschland geben. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es hier im Deutschen Bundestag jemanden gibt, der dies will.
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 249. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. November 1986 19395
Brück
Daß die Baransätze zu niedrig ausfallen, ist darauf zurückzuführen, daß diese Bundesregierung die Verpflichtungsermächtigungen im Einzelplan 23 nach der Wende drastisch zurückgeführt hat. Selbst die in dem Haushalt, den wir jetzt verabschieden, enthaltenen Verpflichtungsermächtigungen haben das Niveau von 1982 noch nicht wieder erreicht.
Wir Sozialdemokraten weisen seit Jahren vergeblich darauf hin, daß ein Absenken der Verpflichtungsermächtigungen bald auch zu einem Absinken der Barleistungen führen muß. Es gehört zum entwicklungspolitischen Einmaleins, das man heute Verpflichtungsermächtigungen braucht, um Projekte vorbereiten zu können, damit in einigen Jahren das Geld, das die deutschen Steuerzahler zur Verfügung stellen, auch sinnvoll verwendet werden kann.
Deshalb hatten wir Sozialdemokraten in den Ausschußberatungen die Erhöhung der Verpflichtungsermächtigungen um rund 1 Milliarde DM beantragt. Dies wurde von den Koalitionsfraktionen jedoch abgelehnt. Wir dachten uns dabei auch, daß ein Teil der Verpflichtungsermächtigungen genutzt werden sollte, um den Frontlinienstaaten im südlichen Afrika stärker zu helfen.
Angesichts der Ausnutzung wirtschaftlicher Macht durch die Republik Südafrika gegenüber den Frontstaaten halten wir dies für notwendig.
Meine Damen und Herren, die Beratungen des Haushaltsentwurfs für das Jahr 1987 und die damit zusammenhängenden Beratungen der Rahmenplanung haben mir gezeigt, daß unser bisheriges Verfahren, nämlich eine Rahmenplanung zu erstellen, in der für die einzelnen Länder Quoten festgelegt sind und in der bereits Projekte und Ersatzprojekte genannt werden, sehr fragwürdig ist. Die Soll-IstVergleiche aller Jahre machen uns deutlich, daß diese Rahmenplanung zumeist Makulatur ist, weil von ihr in erheblichem Ausmaß abgewichen wird. Die Rahmenplanungen und der Soll-Ist-Vergleich in der jetzigen Form waren der Versuch, dem Parlament mehr Einfluß auf die Verteilung der deutschen Hilfe zu geben.
Heute wissen wir wohl, daß das nicht gelungen ist. Deshalb müssen wir darüber nachdenken, ob es nicht sinnvoller ist, Quoten für die einzelnen Sektoren, beispielsweise für landwirtschaftliche Entwicklungen, festzulegen. Das gäbe uns die Möglichkeit, die Länder stärker zu bedenken, die vernünftige Projektvorschläge machen.
Ich weiß, daß diese Überlegungen nicht ganz einfach in die Tat umzusetzen sind, da es unterschiedliche Interessen auch in der Bundesregierung gibt, aber ich wollte diese Überlegungen in dieser Haushaltsdebatte vortragen, um uns alle zum Nachdenken anzuregen.
Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.