Rede von
Benno
Zierer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und meine Herren! Die Nachricht von einer Aktuellen Stunde am heutigen Tag ließ mich gespannt fragen, was es denn wohl Sensationelles gäbe, das die SPD-Fraktion veranlaßt, das Parlament in Trab zu versetzen, noch dazu nachdem seit der besagten Rede des Herrn Staatssekretärs Erhard nun schon einige Wochen ins Land gegangen sind. Auch bei der Lektüre dieser Rede konnte ich absolut keine umwälzenden Enthüllungen, das Mietrecht betreffend, feststellen. So kam ich zu dem Schluß daß es doch wohl einen gewissen Zusammenhang mit dem Wahlkampf geben muß.
Die SPD läßt hier offensichtlich einen Heißluftballon mit dem Herbstnebel steigen.
Es ist der plumpe Versuch eines Ablenkungsmanövers von ihrem Problem der Neuen Heimat. Aber
18732 Deutscher Bundestag - 10.Wahlperiode — 242. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. November 1986
Zierer
das, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, wird Ihnen nicht gelingen.
Lassen Sie mich ganz kurz auf das Zehn-ThesenPapier des Deutschen Mieterbundes eingehen. Wenn Sie, Herr Präsident Jahn, Herr Kollege Jahn von der SPD, glauben, lapidar fragen zu müssen: ,Stehen Sie zum gesetzlichen Schutz des Mieters vor grundloser, willkürlicher Kündigung des Vermieters als Bestandteil unserer sozialen Rechtsordnung?' ist die damit verbundene Unterstellung für uns von der CDU/CSU schlichtweg beleidigend; denn die CDU/CSU hat sich stets zum gesetzlichen Schutz des Mieters vor grundloser, willkürlicher Kündigung bekannt
und wird es auch in Zukunft tun.
Es bleibt bei unserer Feststellung: Der beste Mieterschutz — wie heute erreicht — sind ein hohes Wohnungsangebot und ein funktionsfähiger Wohnungsmarkt. Und ich betone: Unser Ja zum Schutz des Mieters vor grundloser, willkürlicher Kündigung gilt auch für eine Kündigung des Mietverhältnisses zum Zwecke unangemessener Mieterhöhungen.
Allerdings müssen innerhalb des Mietverhältnisses — das sage ich ganz offen — Mietanpassungen zur Erhaltung der Wirtschaftlichkeit des Hausbesitzes auch möglich gemacht werden.
Es ist richtig, meine Damen und Herren, daß der Mietwohnungsbau zurückgeht. Wer aber hier einen Zusammenhang mit den Mietsätzen konstruiert, verkennt, daß die Zeiten des großen Wohnungsbedarfs der 50er und 60er Jahre vorbei sind.
Die Kriegsfolgen mit der damaligen Zerstörung von Millionen von Wohnungen sind längst überwunden, und der größte Bedarf ist zweifellos gedeckt. Von einer Einschränkung der Mieterrechte, wie vom Mieterbund behauptet, kann keine Rede sein.
Parolen wie „Mieter werden vogelfrei" und „Mietexplosion droht" wurden einwandfrei als die hinlänglich bekannte „Mietenlüge" widerlegt. Tatsache ist nämlich, daß die jährliche Mietsteigerungsrate kon-
tinuierlich zurückgegangen ist. Betrug sie 1982 noch 4,4 %, waren es 1985 nur noch 2,2 %. Für das laufende Jahr sind lediglich 1,6% zu registrieren. Insofern muß ich den Kollegen Müntefering korrigieren.
Was die Empörung über die von Herrn Staatssekretär Erhard geäußerten Überlegungen ausmacht, ist schlicht das Erbostsein über eine andere Meinung, der auch eine andere Wertvorstellung zugrunde liegt. Wir setzen auf mehr Marktwirtschaft, auf möglichst wenig staatliche Eingriffe. Selbstverständlich muß dem wirtschaftlich schwachen Mieter durch den Staat geholfen werden, eine menschenwürdige Wohnung zu haben.
Aber wenn wir auf der einen Seite denjenigen, die eine Wohnung besitzen, quasi ein unkündbares Mietrecht einräumen, haben die Wohnungsuchenden kaum noch eine Chance, da jegliche Bewegung am Wohnungmarkt gestoppt wird. Wir meinen, auch einkommensschwache Mieter sollten am Wohnungsmarkt ebenbürtige Nachfrager sein. Dies kann durch Mietbeihilfen wie das Wohngeld erreicht werden. Damit wird gleichzeitig erreicht, daß auch dieser Personenkreis die Freiheit genießt, sich sein Wohnumfeld auszusuchen, und daß keine Sozialmieter-Ghettos in Einheitsbetonsilos mehr entstehen. Es ist eine alte Tatsache: Je attraktiver die Vermietung von Wohnraum ist, desto mehr Wohnungen werden zur Verfügung stehen. Nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage werden damit auch die Mietpreise stabilisiert. Auswüchse sind zweifellos zu bekämpfen.
Meine Damen und meine Herren von der SPD, was Sie hier treiben, ist eine unverantwortliche Verunsicherung der Mieter. Es soll den Mietern wieder Angst gemacht werden — so wie damals, vor der Bundestagswahl 1983. Aber das wird Ihnen auch diesmal nicht gelingen.