Rede von
Dr.
Joachim
Müller
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Dank geht an den Staatssekretär Erhard und an den Justizminister Engelhard. Sie haben endlich dieses unerträgliche, unsägliche Mitleid mit den Mietern beendet, zumindest wenn es sich um die Mieter der Neuen Heimat handelt.
Wir begrüßen das. Jetzt ist endlich wieder ein Hauch von Ehrlichkeit in die Debatte eingekehrt,
indem Sie diese Bemerkung gemacht und verdeutlicht haben, überall im Lande: Das Schicksal der Mieter ist Ihnen, eins, zwei, drei, völlig egal. — Völlig egal ist Ihnen das. Und das ist klar geworden.
Wenn Sie, meine Damen und Herren von der SPD, jetzt allerdings auch das Herz für die Mieter entdecken
— j a, j a, ich weiß schon —, möchte ich doch in Erinnerung rufen, daß Sie die Mietrechtsänderungen, die Sie jetzt beklagen, dieser Regierung bereits schlüsselfertig übergeben haben. Ich denke da an die Änderungsverträge von 1978, 1980 und 1982.
Herr Engelhard, daß Sie mit Ihren Äußerungen jetzt den Verkäufern der Neuen Heimat ein ebenbürtiger gleichgesinnter Partner geworden sind, ist deutlich geworden. Ihre Gesetzesvorschläge unterscheiden sich in keinster Weise von dem unsozialen Verkauf der Neuen Heimat. Allerdings einen Unterschied möchte ich schon machen: Die Gewerkschaften verkauften die Neue Heimat aus der Not, die ein Ergebnis von Mißmanagement war. Sie planen mieterfeindliche Gesetze aus einer ideologischen,
18718 Deutscher Bundestag — l0. Wahlperiode — 242. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. November 1986
Dr. Müller
marktwirtschaftlichen, ordnungspolitischen Triebtäterschaft heraus.
— Ich wiederhole es gerne: Marktwirtschaftliche, ordnungspolitische Triebtäterschaft, das ist das, was Sie hier auf Kosten der Mieter betreiben.
Wir fordern deswegen, um überhaupt den Mietern mehr Schutz zu bieten, grundsätzlich einen Kündigungsschutz. Dieser darf nicht angetastet werden, und das ist das, was Sie hier betreiben. Und wir fordern natürlich selbstverständlich für Leute, die niedrige Einkommen beziehen, preisgünstigen Wohnungsbestand und dessen Erhaltung.
Das heißt, wir wollen versuchen, deutlich zu machen,
daß es notwendig und richtig ist, Eigentumsförderung im Bereich des Wohnungs- und Häuserbaus zu betreiben. Was wir kritisieren, ist, daß durch Proportionalisierung diese Art von Eigentumsförderung zur Zeit im wesentlichen Leuten mit hohem Einkommen zugute kommt. Für viele Arbeiter in Norddeutschland und insbesondere meiner Heimatstadt Bremen ist das häufig in Eigenarbeit erstellte kleine Haus ein Teil von sozialer Sicherheit, ein Teil von Altersvorsorge. Diese Art von Eigentum sollte gestützt und gefördert werden.
Völlig anders verhält es sich — und das möchten wir hier deutlich machen — bei Mietshäusern, die aus reiner Gewinnsucht gebaut worden sind. Hier sind Einschränkungen der Rechte der Hauseigentümer notwendig. Wir denken da insbesondere, daß es nicht erlaubt sein darf, Kündigungen zum Zwecke der Mieterhöhung durchzuführen. Wir fordern weiterhin die Streichung von Staffel- und Zeitverträgen im Bereich der Mieten. Was wir wollen — das ist ganz entscheidend für uns —, daß eine Preisbindung, insbesondere bei Neuvermietung, stattfindet.
Ein Wort zum Schluß, meine Damen und Herren von der CDU: Verschonen Sie uns in Zukunft vor mieterfeindlichen Gesetzen, aber verschonen Sie uns in Zukunft insbesondere auch vor Ihrem angeblichen Engagement, vor allem in Sachen Neue-Heimat-Skandal, für die Mieter. Dies ist wahrlich nicht mehr glaubwürdig.
Danke schön.