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    Plenarprotokoll 10/241 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 241. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 23. Oktober 1986 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Weiß 18563 B Änderung der Überweisung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Verfahren bei sonstigen Änderungen des Gebietsbestandes der Länder nach Artikel 29 Abs. 7 des Grundgesetzes — Drucksache 10/4265 — an Ausschüsse 18563 B Erweiterung der Tagesordnung 18563 C Abwicklung der Tagesordnung 18563 D Begrüßung einer Delegation des Auswärtigen Ausschusses des Repräsentantenhauses des Königreiches Marokko 18618 B Begrüßung einer Delegation des Obersten Sowjet der UdSSR 18644 D Aktuelle Stunde betr. Lage der deutschen Werftindustrie Gansel SPD 18547 B Metz CDU/CSU 18548 B Dr. Weng (Gerlingen) FDP 18549 A Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 18550A Hansen (Hamburg) SPD 18551 D Stutzer CDU/CSU 18552 C Lange, Senator der Freien und Hansestadt Hamburg 18553 C Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 18554 D Waltemathe SPD 18556 D Bredehorn FDP 18557 C Bohlsen CDU/CSU 18558 B Tatge GRÜNE 18559A Fischer (Hamburg) CDU/CSU 18560 A Ewen SPD 18561 B Austermann CDU/CSU 18562 A Zur Geschäftsordnung Porzner SPD 18564A Bohl CDU/CSU 18564 C Wolfgramm (Göttingen) FDP 18565 C Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Baugesetzbuch — Drucksachen 10/4630, 10/5027, 10/5111 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau — Drucksache 10/6166 — in Verbindung mit Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Bachmaier, Müntefering, Lohmann (Witten), Dr. Hauff, Bernrath, Frau Blunck, Büchler (Hof), Duve, Egert, Frau Dr. Hartenstein, Dr. Hauchler, Ibrügger, Purps, Immer (Altenkirchen), Jansen, Kiehm, Dr. Klejdzinski, Kißlinger, Dr. Kübler, Lambinus, Lennartz, Frau Dr. MartinyGlotz, Meininghaus, Menzel, Müller (Düsseldorf), Müller (Schweinfurt), Reschke, Reuter, Schäfer (Offenburg), Frau Schmidt (Nürnberg), Stahl (Kempen), Steiner, Stiegler, Frau Terborg, Urbaniak, Wartenberg II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Oktober 1986 (Berlin), Frau Weyel, Wolfram (Recklinghausen), Frau Zutt, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD Stadtökologie — Umweltschutz in Städten und Gemeinden — Drucksachen 10/3012, 10/4208 — Dörflinger CDU/CSU 18566 D, 18577 D Reschke SPD 18567A, 18580 C Dr. Möller CDU/CSU 18567 A Conradi SPD 18569 D Grünbeck FDP 18572B, 18594 D Werner (Westerland) GRÜNE 18576 A Dr. Schneider, Bundesminister BMBau 18583 D Müntefering SPD 18588 A Magin CDU/CSU 18590 D Schmitt (Wiesbaden) SPD 18596 A Abstimmung nach § 88 Abs. 2 der Geschäftsordnung zum Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Großen Anfrage der Abgeordneten Roth, Dr. Jens, Rapp (Göppingen), Bernrath, Daubertshäuser, Ibrügger, Dr. Klejdzinski, Kretkowski, Dr. Kübler, Müller (Schweinfurt), Oostergetelo, Pfuhl, Ranker, Stahl (Kempen), Dr. Schwenk (Stade), Frau Weyel, Wolfram (Recklinghausen), Dr. Vogel und der Fraktion der SPD Benachteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen — Drucksache 10/6164 — Roth SPD (Erklärung nach § 31 GO) . 18599 B Hauser (Krefeld) CDU/CSU (Erklärung nach § 31 GO) 18600A Dr. Haussmann FDP (Erklärung nach § 31 GO) 18600 C Tatge GRÜNE (Erklärung nach § 31 GO) 18601 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und der Geldleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung im Jahre 1987 — Drucksache 10/6213 — in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die gesetzlichen Rentenversicherungen, insbesondere über deren Finanzlage in den künftigen 15 Kalenderjahren, gemäß §§ 1273 und 579 der Reichsversicherungsordnung, § 50 des Angestelltenversicherungsgesetzes und § 71 des Reichsknappschaftsgesetzes (Rentenanpassungsbericht 1986) Bericht der Bundesregierung zur Frage einer Anpassung der Einkommensgrenzen bei den Waisenrenten in der Sozialversicherung an volljährige Waisen in Ausbildung Bericht der Bundesregierung zur Frage der Notwendigkeit einer Anpassung der im Gesetz bestimmten Höhe der Zahlungen der gesetzlichen Rentenversicherung für die Krankenversicherung der Rentner an den durchschnittlichen Beitragssatz der gesetzlichen Krankenversicherung Gutachten des Sozialbeirats zur Anpassung der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Juli 1987 und zu den Vorausberechnungen der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzlage der Rentenversicherung bis zum Jahre 2000 — Drucksache 10/6074 — Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 18601 D Heyenn SPD 18603 C Cronenberg (Arnsberg) FDP 18608 A Bueb GRÜNE 18609 C Günther CDU/CSU 18610C Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Fraktion der SPD Sondervermögen „Arbeit und Umwelt" — Drucksachen 10/1722, 10/5403 — Collet SPD 18613 B Dr. Lippold CDU/CSU 18615D Roth SPD 18618 C Dr. Haussmann FDP 18621 B Dr. Müller (Bremen) GRÜNE 18623A Grüner, Parl. Staatssekretär BMWi . . 18625A Dr. Hauff SPD 18628 B Müller (Wesseling) CDU/CSU 18630 C Dr. Wallmann, Bundesminister BMU . 18632 D Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 14. November 1983 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Spanien über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Vergleichen sowie vollstreckbaren öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen — Drucksache 10/5415 — Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses — Drucksache 10/6140 — 18636A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Oktober 1986 III Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzabkommen vom 2. November 1984 zum Abkommen vom 30. April 1964 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über Soziale Sicherheit und zu der Vereinbarung vom 2. November 1984 zur Durchführung des Abkommens — Drucksache 10/6023 —Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 10/6238 — 18636 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur steuerlichen Begünstigung von Zuwendungen an unabhängige Wählervereinigungen — Drucksache 10/6088 — 18636 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag sowie dem Zusatzprotokoll vom 20. November 1985 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über den Binnenschiffsverkehr — Drucksache 10/6113 — 18636 C Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes und des Häftlingshilfegesetzes — Drucksache 10/6240 — 18636 C Beratung der Sammelübersicht 154 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 10/5676 — in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 163 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 10/5992 — in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 167 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 10/6061 — in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 170 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 10/6180 — in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 171 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 10/6181 — 18636 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung der Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmern zum Güterkraftverkehr innerhalb eines Mitgliedstaates, in dem sie nicht ansässig sind Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung der Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmern zum Güter- und Personenverkehr in der Binnenschiffahrt innerhalb eines Mitgliedstaates, in dem sie nicht ansässig sind — Drucksachen 10/4681 Nr. 54 und 55, 10/5516 — 18637 C Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag des Abgeordneten Drabiniok und der Fraktion DIE GRÜNEN Transport von dioxinhaltigen Abfällen aus der Pentachlorphenol-Produktion der Firma Dynamit-Nobel, Rheinfelden — Drucksachen 10/2920, 10/6141 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN Maßnahmen gegen Gesundheitsgefährdung und Umweltbelastung durch Dioxine — Drucksachen 10/1579, 10/6177 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN Chemiepolitik Entgiftung der Chemischen Industrie Förderung und Weiterentwicklung einer „Sanften Chemie" — Drucksache 10/6052 — Beratung des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit gemäß § 62 Abs. 2 der Geschäftsord- IV Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Oktober 1986 nung zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN Konsequenzen aus den jüngsten Dioxinskandalen — Drucksachen 10/1205, 10/6243 — in Verbindung mit Beratung des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit gemäß § 62 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu dem Entschließungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN zur Großen Anfrage des Abgeordneten Dr. Ehmke (Ettlingen) und der Fraktion DIE GRÜNEN Umweltgefährdung durch polychlorierte Biphenyle — Drucksachen 10/1270, 10/6243 — in Verbindung mit Beratung des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit gemäß § 62 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN Schutz der Gesundheit in Innenräumen — Drucksachen 10/2339, 10/6243 — in Verbindung mit Beratung des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit gemäß § 62 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Vollmer und der Fraktion DIE GRÜNEN Giftsgaskatastrophe in Bhopal und mögliche Konsequenzen für die chemische Produktion in der Bundesrepublik Deutschland — Drucksachen 10/2612, 10/6243 — Frau Hönes GRÜNE 18638 B Dr. Lippold CDU/CSU 18640 C Frau Hönes (Erklärung nach § 30 GO) . 18642 C Müller (Düsseldorf) SPD 18643 A Baum FDP - 18645A Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über ihre Maßnahmen zur Förderung der ostdeutschen Kulturarbeit gemäß § 96 BVFG in den Jahren 1981, 1982 und 1983 — Drucksachen 10/2178, 10/6212 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Pflege ostdeutschen Kulturgutes — Drucksache 10/6237 — Dr. Nöbel SPD 18646 C Dr. Czaja CDU/CSU 18648A Ströbele GRÜNE 18649 D Baum FDP 18650 D Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär BMI 18651 C Frau Terborg SPD 18653 A Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung eines neuen Marktabschnitts an den Wertpapierbörsen und zur Durchführung der Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 5. März 1979, vom 17. März 1980 und vom 15. Februar 1982 zur Koordinierung börsenrechtlicher Vorschriften (Börsenzulassungs- Gesetz) — Drucksache 10/4296 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 10/6168 — in Verbindung mit Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für institutionelle Anleger — Drucksache 10/4671 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 10/6154 — in Verbindung mit Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften (UBGG) — Drucksache 10/4551 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 10/6193 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 10/6244 — 18654 C Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Fahrpersonalgesetzes — Drucksache 10/5975 — Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Oktober 1986 V Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr — Drucksache 10/6178 — 18655 B Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Berufsbildungsförderungsgesetzes — Drucksache 10/5449 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft — Drucksache 10/6205 — in Verbindung mit Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Kastning, Büchner (Speyer), Frau Fuchs (Köln), Ibrügger, Kuhlwein, Dr. Mitzscherling, Frau Odendahl, Dr. Penner, Vogelsang, Weisskirchen (Wiesloch), Dr. Vogel und der Fraktion der SPD Berufliche Weiterbildung — Drucksachen 10/5545, 10/6085 — in Verbindung mit Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Weisskirchen (Wiesloch), Kuhlwein, Büchner (Speyer), Kastning, Frau Odendahl, Frau Schmidt (Nürnberg), Frau Steinhauer, Vogelsang, Toetemeyer, Hiller (Lübeck), Dr. Jens, Dr. Penner, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD Lage und Entwicklung des berufsbildenden Schulwesens — Drucksachen 10/4657, 10/5652 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Berufliche Bildung — Drucksache 10/6239 —Rossmanith CDU/CSU 18656 A Kuhlwein SPD 18657 D Neuhausen FDP 18659 A Frau Zeitler GRÜNE 18660 B Schemken CDU/CSU 18661 D Weisskirchen (Wiesloch) SPD 18663 D Vogelsang SPD 18665 B Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMBW 18666 B Beratung des Antrags der Abgeordneten Bachmaier, Dr. de With, Dr. Emmerlich, Dr. Apel, Fischer (Osthofen), Klein (Dieburg), Lambinus, Pfuhl, Ranker, Rapp (Göppingen), Schmidt (München), Dr. Schöfberger, Schröder (Hannover), Dr. Schwenk (Stade), Stiegler, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD Reform des Insolvenzrechts — Drucksache 10/5814 — 18668 D Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Artikels 2 des Vierten Gesetzes zur Änderung der Bundesärzteordnung und zur Änderung der Bundesärzteordnung, des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde und der Reichsversicherungsordnung — Drucksache 10/6222 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Streichung des Ausbildungsabschnittes „Arzt im Praktikum" aus der Bundesärzteordnung (AiP-StreichungsGesetz) — Drucksache 10/6106 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Gesamtreform der Ärzteausbildung — Drucksache 10/6107 — 18669 A Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung ReichspräsidentEbert-Gedenkstätte — Drucksache 10/6215 — Dr. Soell SPD 18669 C Ströbele GRÜNE 18670 C Weirich CDU/CSU 18671 D Nächste Sitzung 18673 A Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 18675*A Anlage 2 Berichtigungen der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zu dem Entwurf eines Gesetzes über das Baugesetzbuch (Drucksache 10/6166) 18675* B VI Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Oktober 1986 Anlage 3 Erklärung der Abgeordneten Ruf, Hinsken, Landré, Dr. Rose, Wittmann (Tännesberg), Zierer, Brunner, Dr. Götzer, Dr. Kunz (Weiden), Fellner, Müller (Wadern), Ganz (St. Wendel), Milz, Jung (Lörrach), Glos, Dr. Götz zur Abstimmung nach § 88 Abs. 2 der Geschäftsordnung zum Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Großen Anfrage der Abgeordneten Roth, Dr. Jens, Rapp (Göppingen) sowie weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Benachteiligung kleinerer und mittlerer Unternehmen (Drucksache 10/6164) . 18675* D Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede zu Punkt 9 der Tagesordnung (Sondervermögen „Arbeit und Umwelt") (Rode [Wietzen] [CDU/CSU]) 18676*A Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zu Punkt 12 der Tagesordnung (a] Börsenzulassungsgesetz, b] Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für institutionelle Anleger, c] Gesetz über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften) (Uldall [CDU/CSU], Huonker [SPD], Dr. Solms [FDP], Vogel [München] [GRÜNE], Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen) 18677* C Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zu Punkt 13 der Tagesordnung (Reform des Insolvenzrechts) (Dr. de With [SPD], Marschewski [CDU/CSU], Beckmann [FDP], Mann [GRÜNE]) 18684* B Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Rede zu Punkt 15 der Tagesordnung (Gesetz über die Errichtung einer Stiftung Reichspräsident-Ebert-Gedenkstätte) (Beckmann [FDP]) 18688* C Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zu Punkt 16 der Tagesordnung (a] Gesetz zur Änderung des Artikels 2 des Vierten Gesetzes zur Änderung der Bundesärzteordnung, des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde und der Reichsversicherungsordnung, b] AiP-Streichungs-Gesetz, c] Gesamtreform der Ärzteausbildung) (Frau Augustin [CDU/CSU], Delorme [SPD], Frau Dr. Adam-Schwaetzer [FDP], Frau Wagner [GRÜNE], Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit) 18689* C Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zu Punkt 17 der Tagesordnung (Zweites Gesetz zur Änderung des Fahrpersonalgesetzes) (Hinsken [CDU/CSU], Berschkeit [SPD], Kohn [FDP]) 18693* C Anlage 10 Amtliche Mitteilungen 18695* D Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Oktober 1986 18547 241. Sitzung Bonn, den 23. Oktober 1986 Beginn: 8.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 23. 10. Dr. Dollinger 23. 10. Egert 23. 10. Ehrbar 23. 10. Dr. Enders * 23. 10. Ertl 23. 10. Frau Geiger 23. 10. Dr. Geißler 23. 10. Handlos 23. 10. Hanz (Dahlen) 23. 10. Heimann 23. 10. Hettling 23. 10. Hoffie 23. 10. Höffkes 23. 10. Jäger (Wangen) * 23. 10. Jaunich 23. 10. Dr. Kohl 23. 10. Dr. Kreile 23. 10. Frau Krone-Appuhn 23. 10. Lowack 23. 10. Dr. Müller * 23. 10. Nagel 23. 10. Pohlmann 23. 10. Poß 23. 10. Frau Roitzsch (Quickborn) 23. 10. Rühe 23. 10. Sander 23. 10. Schartz (Trier) 23. 10. Schmidt (Hamburg) 23. 10. Schulte (Menden) 23. 10. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim* 23. 10. Dr. Spöri 23. 10. Dr. Stavenhagen 23. 10. Straßmeir 23. 10. Vogt (Düren) 23. 10. Voigt (Sonthofen) 23. 10. Dr. Voss 23. 10. Weiß 23. 10. Dr. Wieczorek 23. 10. Frau Will-Feld 23. 10. Dr. Wörner 23. 10. Wolfram (Recklinghausen) 23. 10. Zierer * 23. 10. Frau Zutt 23. 10. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Berichtigungen der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau zu dem Entwurf eines Gesetzes über das Baugesetzbuch (Drucksache 10/6166) Anlagen zum Stenographischen Bericht I. Artikel 1 Nr. 120 Buchst. a) Unterbuchstabe aa) muß richtig lauten: In Satz 1 wird „Fünften Teil sowie nach den §§ 18, 21 Abs. 3, §§ 28, 28a, 39j bis 44c, 122a und 122b, 126 Abs. 2, § 151 Abs. 2 oder § 153 Abs. 3 Satz 2" durch „Fünften Teil des Ersten Kapitels sowie nach den §§ 18, 21 Abs. 3, § 28 Abs. 3 und 6, §§ 39 bis 44, § 126 Abs. 2, § 150 Abs. 2, § 181, § 209 Abs. 2 oder § 210 Abs. 2" ersetzt. II. Artikel 2 Nr. 16 muß richtig lauten: „(5) Von der Besteuerung ausgenommen sind die in § 2 bezeichneten Rechtsvorgänge bei Kapitalgesellschaften, die nach Satzung und tatsächlicher Geschäftsführung ausschließlich der Vorbereitung oder Durchführung von städtebaulichen Sanierungs- oder Entwicklungsmaßnahmen dienen. Fallen die Voraussetzungen für die Ausnahme von der Besteuerung fort, bevor die städtebaulichen Sanierungs- oder Entwicklungsmaßnahmen abgeschlossen sind, werden damit auch die Rechtsvorgänge steuerpflichtig, die sich innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Fortfall der Voraussetzungen ereignet haben und noch nicht versteuert sind." Anlage 3 Erklärung der Abgeordneten Ruf, Hinsken, Landré, Dr. Rose, Wittmann (Tännesberg), Zierer, Brunner, Dr. Götzer, Dr. Kunz (Weiden), Fellner, Müller (Wadern), Ganz (St. Wendel), Milz, Jung (Lörrach), Glos, Dr. Götz zur Abstimmung nach § 88 Abs. 2 der Geschäftsordnung zum Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Großen Anfrage der Abgeordneten Roth, Dr. Jens, Rapp (Göppingen) sowie weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Benachteiligung kleinerer und mittlerer Unternehmen (Drucksache 10/6164): Den Entschließungsantrag der SPD lehnen wir ab. Das bedeutet jedoch kein Votum gegen eine steuerstundende Investitionsrücklage. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf das Protokoll der 239. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 17. Oktober 1986 und die dort dazu gemachten Ausführungen der Abgeordneten Hauser (S. 18475), Doss (S. 18487) und Hinsken (S. 18491 ff.). Ein langsam ansteigender linear-progressiver Tarifverlauf bei der Einkommensteuer kann allein nicht als ausreichende Mittelstandsmaßnahme gewertet werden und ist damit keine geeignete Alternative zu einer steuerstundenden Investitionsrück- 18676* Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Oktober 1986 lage. Unserer Meinung nach ist vielmehr richtig, daß sich die beiden Maßnahmen sinnvoll ergänzen und durch ihr Zusammenwirken die wachstums-und beschäftigungsfördernden Impulse einer Tarifkorrektur verstärkt werden. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede zu Punkt 9 der Tagesordnung (Sondervermögen „Arbeit und Umwelt"): Rode (Wietzen) (CDU/CSU): Das Umweltbewußtsein schlechthin ist für mich eine der entscheidendsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umweltpolitik. Der Bundeskanzler gab in seiner Regierungserklärung im Mai 1983 für uns Konservative — und konservativ heißt bewahren und bessern — die Richtung unserer Politik an, als er sagte: „Wir alle sind verpflichtet, die uns anvertraute Umwelt auch den nachfolgenden Generationen zu erhalten." Damit der Bürger seine Aufgabe, dafür zu sorgen, daß Umweltschutz schon zu Hause und im eigenen Haushalt beginnt, erfüllen kann, sind Information und Beratung, aber auch eine wohldurchdachte und einleuchtende Umwelterziehung nötig. Grundlage dieser drei Punkte ist das Vermitteln von Verantwortungsgrundlage und Kompetenz. Das sind Dinge, die man nicht in Schön- oder Schwarzfärberei erringen und nicht mit noch soviel Geld einkaufen kann, sondern nur durch Offenheit und Darlegung von Umweltschutzzielen, die erkennbar, durchschaubar und zukunftweisend sind. Ich vermerke mit Genugtuung bei den Bürgern, daß sich Minister Walter Wallmann jene Kompetenz für Fragen von Natur und Umwelt durch seine ganz persönliche Art des Angehens in seinem Verantwortungsbereich erworben hat, weil er Hilfen anbietet, aber auch um Mithilfe bittet: weil er überschaubar und ehrlich das Prinzip eines schrittweisen Abbaus der Umweltrisiken und Umweltschäden vorträgt und weil er sich selbst als der verantwortliche Minister sowohl dem ethischen als auch dem wirtschaftlichen Gebot von Umweltschutz unterstellt. Solche Haltung — und nur solche Haltung — des verantwortlichen Ministers schafft jenes Vertrauen und jenes Klima, in dem Umweltschutz auch praktisch funktionieren kann. Gerade Minister Wallmanns Angebot, das Umweltbewußtsein des Bürgers einzufordern, ermutigt viele Menschen zum sorgsamen Umgang mit den wichtigen Ressourcen aus der Natur und hält sie an, bei Produktion und Verbrauch dem Umweltgedanken Vorrang zu geben. Der Bürger fühlt sich in seiner Verantwortungsbereitschaft ernst genommen, er sieht den Wert seiner Mithilfe. So wird das Umweltbewußtsein des Bürgers auf Dauer und qualitativ gefestigt. Die Verantwortung des Deutschen Bundestages für Natur und Umwelt gegenüber dem einzelnen Bürger, aber auch der Wirtschaft insgesamt, ist unbestritten. Ich selbst nehme es auch allen Kollegen dieses Hauses ab, daß sie „Verantwortung wahrnehmen für die Schöpfung", um es einmal mit den Worten der Deutschen Bischofskonferenz auszudrükken. Wie so oft treten dann aber in den Grundlagen, in den Wegen und leider auch in den Zielsetzungen krasse und weltanschaulich gefärbte Unterschiede zutage. Der Antrag der SPD, über ein Sondervermögen in einer Art Doppelschlag den Themen Arbeit und Umwelt Glanz und Zukunft zu verleihen, ist zwar wie so oft durch Verpackungskünste mit viel Beiwerk versehen, er geht aber wiederum den unsinnigen und bisher erfolglosen Weg über Geld, Bürokratie und Diktat. Es tut mir leid, aber Strohfeuer ohne Auswirkung hatten wir in den Jahren der SPD-Regierung schon genug. Man muß dieser Form von Politik einfach auf Grund der Erfahrungen eine Absage erteilen. Dabei sind wir uns einig, daß die Begriffe Arbeit und Umwelt Werte in sich tragen, für die es zu streiten gilt — und für die wir nun in der Koalition von CDU/CSU und FDP seit der Regierungsübernahme mit großem Erfolg gekämpft haben, mit großem Erfolg auch deshalb, weil wir es ohne Sondervermögen, ohne das Hin-und-Her-Schaufeln von Geld tun, ohne Verpackungskünste, ohne Staatsdirigismus, sondern eher mit jener vom Vorsorgeprinzip geleiteten Art der Hilfe, die auch das Mitwirken des Bürgers in all seinen Positionen in unserer Gesellschaft mit einbezieht. Wenn wir Umweltschutz also im Hinblick auf den einzelnen Menschen und sein Wohlergehen als Lebensvorsorge verstehen, so verstehen wir Umweltschutz auch als Verpflichtung für die Erhaltung von Natur und Ressourcen für die kommenden Generationen. Als zweiter wichtiger Gedanke unserer Umweltpolitik kommt hinzu: Eine gesunde Wirtschaft und Umweltschutz sind kein Gegensatz, sondern — lebenswichtig — unabdingbar miteinander verbunden. Wir können uns — und das sei hier einmal recht deutlich gesagt — moderne und wirksame Umweltschutztechniken nur leisten, wenn wir dazu auch wirtschaftlich in der Lage sind. Wenn Produzent wie Verbraucher vom Umweltschutzgedanken und seinen Vorteilen für eine lebenswerte Zukunft getrieben werden, dann setzen sich auch Kräfte für umweltschonende Herstellungsverfahren und gesunde Produkte frei. Das Markenzeichen für umweltfreundliche Produkte, „der blaue Engel", die Hinweise der Verbraucherzentralen, die Ergebnisse sowohl der Stiftung Warentest als auch der Bundesforschungs- und Untersuchungsinstitute, der Umweltatlas der Bundesrepublik und viele weitere Informationen sind positive Symbole, die sich in der Umwelterziehung bewährt haben. Beim Bürger selbst ist eine Festigung des Umweltgedankens zu vermerken; denn er ach- Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Oktober 1986 18677* tet inzwischen beim Einkauf sorgsam auf die Kennzeichnung umweltfreundlicher Produkte. Ein Ergebnis dieser „Erziehung" ist aber auch mit der Tatsache zu belegen, daß unsere Bürger in der Abfallverwertung die „grüne Tonne" angenommen haben und in der Sammlung von Altpapier und Glas dem Gedanken der Wiederverwertung Vorrang vor der Abfallbeseitigung einräumen. So wird die Müllmenge bei uns durch Verwertung von Altpapier um jährlich drei Millionen Tonnen verringert, und die Altglasverwertung stieg inzwischen auf über 800 000 t; das ist rund ein Viertel der gesamten Glasproduktion. Genauso aktiv wie die Bürger haben auch Wirtschaft, Handel und Industrie dem Umweltgedanken Vorrang gegeben. Das hat zum einen damit zu tun, daß natürlich alle Unternehmer mit ihren Mitarbeitern sich in ihrem Handeln den Umweltschutzzielen verpflichtet fühlen und entsprechend agieren, aber auch damit, daß die Umweltschutzindustrie sich als zukunftsträchtig erwiesen hat. Sie ist zu einem beachtlichen Wirtschaftsfaktor geworden. Allein aus den langsam und dadurch sicher gewachsenen Strukturen der Umweltschutzindustrie sind bis heute etwa 400 000 Arbeitsplätze erwachsen, die ohne das Strohfeuer einer Investitionszulage geschaffen wurden. Heute gehen Fachleute von einem Umsatz dieser Industrie von etwa 15 Milliarden DM pro Jahr aus, und mit einer Umsatzsteigerung von sieben Prozent jährlich liegt die Umweltbranche ganz vorne. Im Klartext bedeutet das: Umweltschutz ist ein Gebot wirtschaftlicher Vernunft, und Umweltschutz schafft Wohlstand für uns und unsere Kinder. Die Bundesregierung hat mit ihren „Leitlinien Umweltvorsorge" gerade auch der Wirtschaft und damit der Vermehrung von Investitionen und von Arbeitsplätzen einen Handlungsrahmen an die Hand gegeben, der Impulse nach sich ziehen wird. Als Ergebnisse zeichnen sich weitere Anstrengungen ab für die Entwicklung und den Einsatz umweltschonender Technologien, Produktionsverfahren und der Produkte selbst. Wichtig erscheint mir hier, daß der Wirtschaft stets rechtzeitig auch umweltpolitische Ziele vorgegeben werden. Es reicht nicht aus, die heutigen Anforderungen zu nennen; es muß gesagt werden, was morgen von der Produktion erwartet wird. Umweltvorsorge muß mittel- und langfristige Ziele vorgeben; dann kann sich die Wirtschaft selbst mit all ihrer Kreativität und ihrem Erfindungsgeist darauf einstellen. Und man schmälert nun wirklich nicht den Vorrang des Umweltschutzzieles, wenn man bei der Festlegung von Vorsorgemaßnahmen abwägt und einerseits den wirtschaftlichen Aufwand und andererseits die erreichbare Erhaltung und Verbesserung der Umweltqualität berücksichtigt. Ich bin dagegen, daß man durch plötzliche Investitionsprogramme oder durch staatliche Reglements ganz bestimmte Techniken oder Wege vorschreibt. Die Wirtschaft soll selbst im Wettbewerb nach Problemlösungen suchen, auch wenn wie z. B. bei der Einführung des Katalysators steuerliche Anreize gegeben werden. Im Grunde wird der beste und andauernde Erfolg für die Umweltvorsorge dort erreicht werden, wo Eigeninitiative und Selbstverpflichtung der Wirtschaft noch stärker einbezogen werden. Gerade in der Sozialen Marktwirtschaft verbindet sich die Freiheit des einzelnen mit der Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit und setzt so zum Schutz der Umwelt Kräfte frei, die man nicht erzwingen kann. Die Ergebnisse dieser vier Jahre der Regierung Helmut Kohl zeigen auf, daß unser Konzept der Beteiligung des Bürgers am Umweltschutz und die Forderung an die Wirtschaft, schrittweise gemäß den Rahmenvorgaben der Regierung selbst tätig zu werden, in Ordnung waren. So kann bei funktionierender Marktwirtschaft eine Verbesserung der Umweltqualität erreicht werden. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zu Punkt 12 der Tagesordnung (a) Börsenzulassungsgesetz, b) Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für institutionelle Anleger, c) Gesetz über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften): Uldall (CDU/CSU): Die Bundesregierung hat seit 1982 zielstrebig daran gearbeitet, das Eigenkapital der deutschen Unternehmen zu verbessern. Wir alle kennen die einschlägigen Untersuchungen über die Entwicklung der Eigenkapitalquote, die einen raschen Verfall in den 70er Jahren zeigen. Diese Untersuchungen sind deswegen so besorgniserregend, weil das Eigenkapital das Risikopolster für die Unternehmen ist, um auftretende Schwächen in der Ertragslage auffangen zu können. Unternehmen ohne ausreichendes Eigenkapital sind eher gezwungen als kapitalmäßig gut ausgestattete Betriebe, in schwierigen Zeiten ihre Tätigkeit einzustellen. Die Folgen sind nicht nur Verluste bei Zulieferern und anderen Geschäftspartnern, die selber durch den Forderungsausfall in Schwierigkeiten kommen können, sondern sind auch immer der Verlust von Arbeitsplätzen. Ausreichendes Eigenkapital in den Unternehmen bedeutet deswegen größere Sicherheit der Arbeitsplätze für die dort beschäftigten Arbeitnehmer. Nur Unternehmen mit genügend Kapital können Investitionen vornehmen, ihren Betrieb ausweiten und neue Arbeitskräfte einstellen. Ausreichendes Eigenkapital in den Unternehmen bedeutet deswegen größere Chancen für die Arbeitslosen, einen Arbeitsplatz zu bekommen. Nur Unternehmen, die ein sicheres finanzielles Polster haben, können Forschungsvorhaben für die Zukunft durchführen und am Strukturwandel teilnehmen. Ausreichendes Eigenkapital in den Unter- 18678* Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Oktober 1986 nehmen bedeutet deswegen langfristige Sicherung unserer internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Eine Politik, die auf die Verbesserung der Eigenkapitalquote ausgerichtet ist, ist deswegen eine Politik für die Arbeitnehmer. Ein großer Teil der Probleme, denen sich unsere Volkswirtschaft zu Beginn der 80er Jahre gegenübersah, war zurückzuführen auf das kapitalmäßige Ausbluten der Unternehmen im vorangegangenen Jahrzehnt. Es mußten deswegen sehr schnell nach dem Regierungswechsel Maßnahmen ergriffen werden, die die Kapitalbildung in den Betrieben verbesserten. Als erstes wurde die Belastung der Unternehmen mit gewinnunabhängigen Steuern reduziert; denn diese müssen ja in Verlustjahren unmittelbar aus dem Eigenkapital bezahlt werden. Die Schuldzinsen und Schulden werden deswegen nur noch zur Hälfte bei der Ermittlung der Gewerbesteuer herangezogen. Zweitens wurden Erleichterungen bei betriebliche Vermögensteuer durchgeführt. Durch die Erhöhung der Freibeträge fielen mehr als 100 000 kleine Unternehmen aus der Vermögensteuerpflicht. Das Vermögensbildungsgesetz wurde als dritte Maßnahme so erweitert, daß der Anleger von Sparbeträgen im Produktivkapital besonders gefördert wird. Arbeitnehmer, die Ersparnisse im Risikokapital anlegen, erhalten einen höheren Sparrahmen und eine höhere Prämie. Gelder, die bisher über Sparverträge von den Kreditinstituten als Fremdkapital an die Unternehmen gegeben wurden, sollen durch diese Förderung direkt in die Unternehmen fließen — nicht als Fremdkapital, sondern als Eigenkapital. Schließlich ist als Viertes die Verbesserung der Ertragskraft durch die 10%ige Sonderabschreibung zu nennen, die von den Klein- und Mittelbetrieben geltend gemacht werden kann. Als letzte Maßnahme ist die zwar schon verbindlich angekündigte, aber noch nicht terminierte Beseitigung der Börsenumsatzsteuer und Gesellschaftsteuer zu nennen. Heute liegen dem Parlament drei weitere wichtige Vorhaben zur Verabschiedung vor, mit denen die Eigenkapitalsituation der Betriebe verbessert werden soll: — das Unternehmensbeteiligungsgesetz — das Börsenzulassungsgesetz — die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die institutionellen Anleger. Das UBGG soll zum einen den Unternehmen neue Kapitalquellen öffnen, zum anderen aber Kleinanleger neue Möglichkeiten bieten, sich an einer GmbH, KG, stillen Gesellschaft oder einer anderen nicht börsennotierten Gesellschaft zu beteiligen. In der Praxis ist dieses heute für den Kleinanleger kaum möglich. Seine Sparbeträge sind zu gering, als daß er sie zum Erwerb z. B. eines GmbH-Anteiles nutzen könnte. Außerdem gibt es gar keinen Markt, an dem GmbH-Anteile gehandelt werden. Andererseits ist dadurch den nichtbörsennotierten Gesellschaften die Beschaffung von Haftkapital erschwert. Was liegt näher, als die Beträge der Anleger zu sammeln und gemeinsam für den Anteilserwerb einzusetzen? Diese Aufgabe soll die UBG übernehmen. Um zu vermeiden, daß Kleinanleger gegenüber den direkt investierenden Großanlegern durch doppelte Gewerbesteuer und doppelte Vermögensteuer benachteiligt werden, wird die UBG von diesen Steuern befreit. Diese Befreiung kann sich in einer Verbesserung der Rendite um bis zu einem Prozentpunkt niederschlagen. Zugleich übernimmt die UBG für den Anleger einen Risikoausgleich, falls ein Unternehmen mal in Schwierigkeiten kommen sollte. Durch Ausgaben von Aktien wird der Wert der UBG laufend über den Markt festgestellt. Die UBG wird sich als wirksames Instrument für die mittelständischen Betriebe und für die Sparer erweisen. Das ergibt sich schon aus dem großen Interesse, das dieses Gesetzesvorhaben findet: Eine führende deutsche Bank hat bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes eine Gesellschaft nach den Bestimmungen des UBGG gegründet, die Versicherungswirtschaft baut eine Risikokapitalgesellschaft auf, die voraussichtlich schon bald in eine UBG umgewandelt wird. Aber die UBG ist nicht nur für Banken und Versicherungen interessant, sie bietet auch Handwerkskammern, Industrie- und Handelskammern, Verbänden, regionalen Wirtschaftsförderungsgesellschaften, Einkaufsverbänden etc. neue Chancen, den von ihnen betreuten Unternehmen neues Beteiligungskapital zuzuführen. Ich möchte noch drei Verbesserungen ansprechen, die wir bei den Ausschußberatungen am Regierungsentwurf vorgenommen haben: Erstens. Übertriebene Auskunfts- und Kontrollrechte wurden von uns gestrichen. Es reicht ein Bestätigungsvermerk des Wirtschaftsprüfers, daß die Bestimmungen des UBGG eingehalten werden. Zweitens. Die Frist für das öffentliche Angebot der Aktien wurde auf zehn Jahre verlängert. Die UBG hat damit mehr Spielraum, um einen für die Börseneinführung günstigen Zeitraum zu wählen. Drittens. Vorzugsaktien dürfen nur in dem allgemeinen Rahmen ausgegeben werden, der durch das Aktienrecht gezogen ist. Durch Senkung des Kapitalanteils, der öffentlich anzubieten ist, wird sichergestellt, daß die Mehrheit der Stammaktien auch weiterhin beim Initiator der Gesellschaft liegen kann. Nun zum Börsenzulassungsgesetz: Die Zugangsschwelle zur Börse ist für kleine Unternehmen einfach zu hoch. Durch das vorliegende Gesetz eröffnen wir auch kleineren Unternehmen die Möglichkeit, über die Börse die Eigenkapitalbasis zu verbreitern. Wir vollziehen damit etwas, was es bei den meisten europäischen Nachbarländern schon gibt. Besonders ist Großbritannien zu nennen, das schon 1980 einen zweiten Aktienmarkt eröffnet hat. In Kürze wird dort sogar ein weiteres, ein drittes Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Oktober 1986 18679* Marktsegment eröffnet. Bisher haben über 400 Unternehmen Kapital über den zweiten Markt der Londoner Börse aufgenommen. Eine kürzlich veröffentlichte Umfrage zeigt, daß die Erwartungen, die die Unternehmer mit der Börseneinführung verknüpften, fast ausnahmslos sogar noch übertroffen wurden. Wir können deshalb mit einigen Optimismus unserem neuen geregelten Markt entgegensehen. Auch bei diesem Gesetzentwurf wurden bei den Beratungen einige Verbesserungen vorgenommen. Besonders nennen möchte ich den Verzicht auf das alleinige Antragsrecht des Emittenten. Auch beim geregelten Markt muß zukünftig die Börsenzulassung gemeinsam mit einer Bank beantragt werden. In dem Gesetz ist jedoch vorgesehen, daß die Börsenvorstände auch anderen Unternehmen (z. B. UBG) gestatten können, die Zulassung zu beantragen. Wir möchten nicht, daß die Banken ihre starke Stellung in den Börsenvorständen mißbrauchen und entsprechende Gesuche anderer Gesellschaften grundsätzlich immer ablehnen. Ich sage ausdrücklich, daß dieses nicht im Sinne des Gesetzgebers wäre. Das dritte Vorhaben, das zur Entscheidung ansteht, ist die Verbesserung der Rahmenbedingungen für institutionelle Anleger. Diese bringen sowohl den Investmentgesellschaften wie auch den Versicherungsunternehmen mehr Beweglichkeit bei der Kapitalanlage. Heute ist ein zu geringer Anteil des von den Versicherungsunternehmen gesammelten Kapitals in Produktivkapital angelegt. Es ist zu erwarten, daß sich das durch die neuen Bestimmungen verbessern wird. Zukünftig können Versicherungen nicht nur 5 %, sondern bis zu 10 % des Kapitals einer Gesellschaft erwerben. Dadurch wird es den Versicherungsunternehmen möglich, sich auch an kleineren Betrieben zu beteiligen. Schließlich wird der Versicherungswirtschaft die Möglichkeit eröffnet, auch GmbH- und KG-Anteile zu erwerben. Damit ergeben sich nicht nur neue Finanzierungsquellen für die Unternehmen, sondern es werden auch den Versicherungsnehmern Chancen eröffnet, am Wachstum guter Unternehmen teilzuhaben. Die Verbesserung der Eigenkapitalquote ist ein langwieriger Prozeß. Das Ziel einer verbesserten Eigenkapitalausstattung der deutschen Unternehmen können wir nur mit einem Bündel von Maßnahmen erreichen. In diesem Zusammenhang sind die drei zur Verabschiedung anstehenden Gesetze zu sehen. Die Unternehmensbeteiligungsgesellschaften, der vereinfachte Zugang zur Börse und die verbesserten Rahmenbedingungen für Versicherungsgesellschaften und Investmentfonds werden dazu beitragen, den deutschen Unternehmen das notwendige Beteiligungskapital zu verschaffen. Huonker (SPD): Hauptziel aller drei heute zur abschließenden Beratung anstehenden Gesetzentwürfe ist die Verbesserung der Eigenkapitalausstattung der Wirtschaft, insbesondere der kleinen und mittleren Unternehmen. Diese Zielsetzung wird von der SPD-Fraktion geteilt. In Anbetracht der Kürze der heutigen Debatte kann die Frage der Eigenkapitalausstattung der deutschen Wirtschaft leider nicht gründlich erörtert werden. Deshalb kurz nur diese zwei Bemerkungen: Erstens. Wer wirklich die Eigenkapitalausstattung der deutschen Wirtschaft durchgreifend und dauerhaft verbessern will, der darf nicht wie die Koalition dies tat, durch die von uns abgelehnten Änderungen des Gewerbesteuerrechts die Fremdfinanzierung gegenüber der Eigenfinanzierung steuerlich noch besser stellen, als dies ohnehin schon früher der Fall war. Zweitens. Wer, wie die Koalition, es zuläßt, daß das geltende Recht in bezug auf die Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen in weiten Bereichen nicht angewandt wird — ich verweise auf den entsprechenden Bericht des Bundesrechnungshofs —, wer die Vorschläge der SPD, dies zu ändern, kurzerhand abschmettert, der darf sich auch nicht wundern, daß zu viel Kapital in reine Finanzanlagen, vor allem auch ins Ausland fließt, statt daß es im Unternehmensbereich produktiv investiert wird. Zum Gesetzentwurf über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften: Die Regierungsvorlage wurde in den Ausschußberatungen an zahlreichen Stellen mit den Stimmen der SPD verbessert, vor allem durch die Aufnahme von zahlreichen Anregungen seitens des Bundesrates. Der vorgesehenen Befreiung der Beteiligung als stiller Gesellschafter von der Umsatzsteuer, die die Koalition nachgeschoben hat, können wir nicht zustimmen. Sie wird von der Koalition in erster Linie deshalb vorgeschlagen, weil sie nach Auffassung der Regierung für die Privatisierung eines einzelnen Kreditinstituts, der Deutschen Siedlungs- und Landesrentenbank, notwendig ist. Dieses Privatisierungsvorhaben lehnen wir aus grundsätzlichen Erwägungen ab. Hinzu kommt, daß die vorgesehene Umsatzsteuerbefreiung im Endergebnis den ohnedies umsatzsteuerbefreiten Banken nutzt. Den UBGs selbst nutzt sie überhaupt nichts; sie bringt ihnen allenfalls Nachteile. Daß die Koalition die Vorschrift des § 10 Abs. 3 Nr. 2 des Regierungsentwurfs streichen will, wonach ein öffentliches Angebot der Aktien der UBG auch dann vorliegt, wenn die Papiere einem durch einen Tarifvertrag näher bestimmten Kreis von Arbeitnehmern angeboten werden ist ebenso bedauerlich wie entlarvend. Hier haben sich grundsätzliche, ideologische Vorurteile gegen den Ausbau der Arbeitnehmer-Produktivvermögensbildung auf dem Weg über „Gemeinsame Einrichtungen" im Sinne des Tarifvertragsgesetzes und mittels Tariffonds durchgesetzt. Dies steht im eindeutigen Gegensatz zum Entwurf der Bundesregierung, die diesen Weg in der Begründung ihres Gesetzentwurfs ausdrücklich zum Beweis für ihre Behauptung anführt, Unternehmensbeteiligungsgesellschaften könnten 18680* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Oktober 1986 auch der Produktivvermögensbildung in Arbeitnehmerhand dienen. Wir widersetzen uns dieser Streichung aus folgendem Grund: Das Erreichen des Sekundärziels des Gesetzentwurfs, die Produktivvermögensbildung der Arbeitnehmer zu erleichtern, wird auf jeden Fall verfehlt, wenn nicht wenigstens — entsprechend den in der Begründung des Gesetzentwurfs geäußerten Überlegungen der Bundesregierung — die Voraussetzungen dafür geschaffen werden. daß auf Grund von Tarifverträgen auf dem Weg über „Gemeinsame Einrichtungen" im Sinne des Tarifvertragsrechts Kapital in Unternehmensbeteiligungsgesellschaften fließt und sich Arbeitnehmer daran beteiligen können. Eine Beteiligung der Arbeitnehmer am Risikokapital der Wirtschaft mit Breitenwirkung erfordert überbetriebliche, tarifvertragliche Anlageformen. UBGs aber sind insbesondere wegen des Verbots, börsennotierte Aktien zu erwerben, als Instrument der Produktivvermögensbildung in Arbeitnehmerhand für entsprechende Tarifverträge nicht geeignet. Denn durch dieses Verbot ist die indirekte Beteiligung der Arbeitnehmer an einer Vielzahl der finanz- und ertragsstärksten Unternehmen ausgeschlossen. Hinzu kommt ferner — und in der Anhörung zum UBGG-Entwurf haben zahlreiche Sachverständige und Verbände zu recht darauf hingewiesen —, daß Aktien an UBGs als risikobehaftete Anlageform für börsenunerfahrene Kleinanleger ohnedies ungeeignet sind und daß deshalb UBGs als Instrument der Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivkapital nicht in Betracht kommen. Diese Auffassung hat die FDP ebenso wie die SPD — wenngleich mit unterschiedlichen Gründen — schon immer vertreten. Und die CDU/CSU wird dies, wenn sie aufrichtig ist, heute auch nicht mehr bestreiten. Das von der Bundesregierung mit diesem Gesetzentwurf verfolgte Sekundärziel, die Arbeitnehmerbeteiligung am Produktivvermögen zu verbreitern, ist nicht erreichbar. Einer Reihe von Änderungsvorschlägen der SPDFraktion, die wir — mit einer Ausnahme in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Bundesrates — gemacht haben, ist die Koalition nicht gefolgt. Die bedauern wir. Drei davon möchte ich erwähnen. Erstens. Die von uns im Interesse der Chancen der UBGs, die ihnen zugedachte Funktion am Markt zu erfüllen, gewollte Zulassung auch der GmbH als Rechtsform der UBGs neben der der AG will die Koalition ablehnen mit der Begründung der mangelnden Fungibilität der GmbH-Anteile und mit dem Hinweis, es gäbe anders als bei Aktien bei GmbH-Anteilen Bewertungsprobleme. Dies trifft zu. Die Koalition setzt sich aber damit in einen diametralen Widerspruch zum Regierungsentwurf eines 2. Vermögensbeteiligungsgesetzes. Dort wird behauptet, GmbH-Anteile seien so fungibel und so leicht zu bewerten, daß sie sogar für Arbeitnehmer mit geringem Einkommen als Anlageart für vermögenswirksame Leistungen geeignet seien und deshalb in den dortigen Anlagekatalog aufgenommen werden sollen. Widersprüchlicher geht es nicht! Zweitens. Das Mindestgrundkapital von UBGs in Höhe von 2 Millionen DM halten wir in Übereinstimmung mit dem Bundesrat für zu niedrig, um unseriöse Unternehmensgründer abzuschrecken. Es steht zudem außerhalb einer vernünftigen Relation zu der vom Gesetz vorgeschriebenen Anzahl von Beteiligungen, die die UBGs innerhalb einer bestimmten Frist eingehen müssen. Wir sprechen uns deshalb für ein Mindestkapital von 5 Millionen DM aus. Drittens. Daß die Koalition es definitiv ablehnt, unserem Vorschlag zu folgen, ein Vorkaufsrecht für das Beteiligungsunternehmen für den Fall vorzusehen, daß eine UBG einen von ihr gehaltenen Anteil an diesem Unternehmen weiterveräußert, halten wir in bezug auf die Akzeptanz des Gesetzes gerade in der mittelständischen Wirtschaft für einen erheblichen Fehler. Jedermann weiß, welche Abneigung gerade im Bereich der mittelständischen Wirtschaft, deren Eigenkapitalausstattung dies Gesetz verbessern will, dagegen besteht, fremde Gesellschafter aufzunehmen. Das von uns vorgeschlagene Vorkaufsrecht gäbe den mittelständischen Unternehmen die Möglichkeit zu verhindern, daß eines Tages unerwünschte Dritte Gesellschafter ihres Unternehmens werden. Die Auffassung der Koalition, ein gesetzliches Vorkaufsrecht sei unnötig, weil es vertraglich vereinbart werden könne, ist in der Lebenswirklichkeit nur zum Teil richtig. Denn wenn schon ein mittelständisches Unternehmen sich dazu entschließt, Eigenkapital über eine UBG zu suchen, so wird es sich gegenüber den Kapitalgebern in einer eher schwachen Verhandlungsposition befinden. Wir Sozialdemokraten sind in Übereinstimmung mit der „Aktionsgemeinschaft Wirtschaftlicher Mittelstand" der Meinung, daß das Unternehmensbeteiligungsgesetz keinesfalls in seiner Wirkung überschätzt werden darf. Dies gilt insbesondere für den Bereich der mittelständischen Unternehmen. Dies wurde auch in der Anhörung zu diesem Gesetzentwurf in vielfältiger Weise deutlich. Dies insbesondere wegen der bereits erwähnten Scheu bei kleinen und mittleren Unternehmen, Fremde als Gesellschafter aufzunehmen. Auch bezüglich der Erreichung des Ziels von Bundesregierung und Koalition, durch dieses Gesetz einem breiten Anlegerpublikum die Möglichkeit zu verschaffen, sich mittelbar an mittelständischen Unternehmen zu beteiligen, sind wir skeptisch, und zwar unabhängig davon, daß Aktien einer UBG aus den bereits erwähnten Gründen für Arbeitnehmer mit kleinen und mittleren Einkommen eine nicht akzeptable und kaum verantwortbare Anlageform sind. Aktien von UBGs sind Spezialwerte mit höherem Risiko als z. B. Aktien an klassischen Unternehmen oder Anteile an Investmentfonds. Sie dürften deshalb ein breites Anlegerpublikum nur schwer finden. Wir stimmen diesem Gesetzentwurf zu, trotz einer gewissen Skepsis, ob er in der zur Abstimmung gestellten Form in der Praxis in Bezug auf die Eigenkapitalausstattung der mittelständischen Wirtschaft nennenswerte Wirkung entfalten wird. Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Oktober 1986 18681* Auch dem Entwurf des Börsenzulassungsgesetzes stimmen wir zu. Ob er sein Ziel erreichen kann, muß die Praxis zeigen. Zum Entwurf des Bundesrats eines Gesetzes zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für institutionelle Anleger: In Übereinstimmung mit der Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zum Bundesratsentwurf sind wir der Auffassung, daß die Neuregelung in § 5 a Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 des VAG allenfalls für kleine und mittlere Unternehmen in Betracht kommen sollte, wenn durch die Erhöhung des zulässigen Anteils am Grundkapital einer Aktiengesellschaft von 5 auf 10 v. H. nicht der Gefahr einer weiteren Konzentration in der Wirtschaft, vor allem beim Erwerb durch Konzernunternehmen, Vorschub geleistet werden soll. Neben der von der Bundesregierung befürchteten Gefahr einer weiteren Konzentration weist das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen hierzu ferner auf die Gefahr einer nicht mehr angemessenen Streuung der Vermögensanlagen im Sinne des § 54 Abs. 1 VAG hin. Die Bedenken der Bundesregierung und des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen teilen wir. Wir lehnen deshalb diese Bestimmung ab. Hinzu kommt, daß wir durch die vorgesehenen Regelungen insgesamt eine Verstärkung der ohnedies zu beobachtenden Tendenz sehen, daß sich durch sogenannte Überkreuz-Beteiligungen zwischen Banken und Versicherungen die Struktur des Marktes für Finanzdienstleistungen verändert. Inwieweit Wettbewerb durch „Konzentration" der Finanzdienstleistungen verzerrt oder eingeschränkt wird, bedarf nach unserer Auffassung sorgfältiger Prüfung. Wir können deshalb den in den Ausschußberatungen nachgeschobenen, weiteren Änderungen des VAG nicht zustimmen. Nicht zustimmen können wir auch der in Art. 2 des Gesetzentwurfs enthaltenen sogenannten kleinen KAGG-Novelle. Auch insoweit teilen wir die Auffassung der Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zu diesem Bundesratsentwurf, daß das Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften nicht jetzt geändert werden sollte. Die EG-Richtlinie vom 20. Dezember 1985 verpflichtet zu einer umfassenden Novellierung des KAGG. Eine Umsetzung dieser Richtlinie in zwei zeitlich und sachlich getrennten Gesetzesvorhaben ist nicht zweckmäßig und schon gar nicht in einem „Hau-Ruck-Verfahren", insoweit hat die Bundesregierung recht. In Übereinstimmung mit dem Präsidenten des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen meinen wir, daß es nicht darauf ankommt, jetzt im Eilverfahren einige Bruchstücke aus dem zu regelnden Gesamtkomplex herauszutrennen und einige Änderungen vorwegzunehmen. Insoweit verweisen wir auch auf die weiteren Bedenken, die der Präsident des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen geäußert hat. Aus diesen Gründen werden wir den Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für institutionelle Anleger ablehnen. Dr. Solms (FDP): Nach Meinung der FDP ist die nach wie vor zu geringe Ausstattung der deutschen Wirtschaft, insbesondere der kleinen und mittleren Unternehmen mit Eigenkapital eines der zentralen wirtschaftspolitischen Probleme. Denn die unternehmerische Investitionstätigkeit ist maßgeblich von der Eigenkapitalsituation abhängig. Fehlende eigene Mittel erschweren die Übernahme unternehmerischer Risiken, beeinträchtigen die Investitions-und Innovationsfähigkeit und können in Krisenzeiten zum Verlust von Arbeitsplätzen führen. Zu den Anstrengungen der Koalitionsfraktionen zur Bekämpfung der Eigenkapitalproblematik gehört die Verabschiedung der heute vorliegenden drei Kapitalmarktgesetze. Angeregt haben dies bereits vor zwei Jahren die Fraktionen von CDU/CSU und FDP mit ihrem Entschließungsantrag zur Verbesserung der Risikokapitalausstattung. Mit dem Börsenzulassungsgesetz, mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für institutionelle Anleger und mit dem Unternehmensbeteiligungsgesetz sind wir der Verwirklichung der Entschließung nun einen wesentlichen Schritt näher gekommen: Das Börsenzulassungsgesetz hat die Einführung eines „geregelten Marktes", d. h. eines neuen Marktabschnitts an den deutschen Wertpapierbörsen zum Inhalt. Gegenüber dem bestehenden Börsenhandel gelten für den geregelten Markt erleichterte Zulassungsvoraussetzungen, um insbesondere kleinen und mittleren wachstumsträchtigen Unternehmen den Gang an die Börse zu ermöglichen. Folgende gesetzliche Regelungen sind dabei von besonderer Bedeutung: Erstens. Die Börsenvorstände können auch Nicht-Banken, wie z. B. UBGs, KAGs und Versicherungen, gestatten, die Zulassung zum geregelten Markt zu beantragen. Damit ist das Antragsrecht bei der Börsenzulassung nicht allein auf die Banken konzentriert. Die FDP verbindet damit die Hoffnung, daß die Zahl der Zulassungsanträge zukünftig noch stärker wächst als in den zwei vergangenen Jahren. Zweitens. Statt eines Zulassungsprospekts haben die emittierenden Unternehmen lediglich einen Bericht anzufertigen, der bei den Depotbanken ausliegt und nicht mittels teurer Zeitungsanzeigen publiziert werden muß. Drittens. Verringerte Publizitäts- und Aufsichtspflichten sollen den Gang an die Börse unbürokratischer und kostengünstiger machen. Um den Finanzplatz Deutschland gegenüber anderen Finanzplätzen wettbewerbsfähiger zu machen, wird es Aufgabe der nächsten Legislaturperiode sein, die Börsenumsatzsteuer abzuschaffen. Darüber besteht bereits heute Einvernehmen zwischen den Koalitionsfraktionen. Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für institutionelle Anleger werden Anreize für Kapitalanlagegesellschaften und Versicherungen geschaffen, einen erhöhten Beitrag zur Eigenkapitalversorgung deutscher Unternehmen zu leisten. Mit der im Gesetz vorgesehenen Liberalisierung der Anlagegrundsätze und der Anlagegrenzen 18682* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Oktober 1986 wird den praktischen Erfordernissen Rechnung getragen. Beim Versicherungsaufsichtsgesetz geht es im wesentlichen um die: Erweiterung des Anlagekatalogs um nicht-börsennotierte Beteiligungen wie GmbH-Anteile, Kommanditanteile, stille Beteiligungen und Genußscheine, die Erhöhung der Erwerbsgrenze für Wertpapiere eines Ausstellers von 5 % auf 10% des Nennkapitals und die Auflockerung der Konzernklausel. Das Kapitalanlagegesellschaftengesetz sieht vor: Wegfall des Genehmigungserfordernisses beim Überschreiten der 5%-Erwerbsgrenze für Wertpapiere eines Unternehmens; Wertpapiere öffentlicher Emittenten (EG) dürfen künftig einen Anteil von maximal 20 % an Sondervermögen haben. Nach Meinung der FDP ist es eine wichtige Aufgabe für die nächste Legislaturperiode, im Rahmen einer großen KAGG-Novelle die europäische Richtlinie in nationales Recht zu übertragen und gleichzeitig damit die Aufgaben der Investmentfonds auszuweiten. Dabei muß an die Zulassung für Investmentfonds zum Optionshandel und verwandten Geschäftsbereichen gedacht werden. Mit dem Unternehmensbeteiligungsgesetz betreten wir Neuland. Es erläßt den ordnungspolitischen Rahmen für die Gründung und den Aufbau von Unternehmensbeteiligungsgesellschaften, die nichtbörsennotierten Unternehmen Risikokapital in den verschiedensten Beteiligungsformen wie Aktien, Kommanditanteil und GmbH-Anteile bzw. stille Beteiligungen anbieten sollen. In den Ausschußberatungen konnten noch wichtige Verbesserungen am Regierungsentwurf vorgenommen werden. Sie waren notwendig, um die Praktikabilität und Praxisnähe des neuen Instruments sicherzustellen. Die wichtigsten Änderungen waren u. a. folgende: Durch die ersatzlose Streichung komplizierter Auskunfts- und Prüfungspflichten wurde der Gesetzentwurf entbürokratisiert. Die Frist zur öffentlichen Streuung der UBG-Aktien wurde von acht auf zehn Jahre verlängert. Für stille Beteiligungen wurde aus Wettbewerbsgründen die Freistellung von der Umsatzsteuer beschlossen. Unternehmensbeteiligungsgesellschaften dürfen nicht — wie im Entwurf vorgesehen — Vorzugsaktien ohne Stimmrecht über den im Aktienrecht vorgegebenen Umfang hinaus ausgeben. Beim Unternehmensbeteiligungsgesetz wird man abwarten müssen, wie es von der Praxis angenommen wird und welche Erfahrungen man damit macht. Die FDP sieht darin jedenfalls einen gesetzlichen Rahmen, der die Vermittlung von Eigenkapital an Unternehmen eröffnet, die vor einem starken Wachstumsprozeß stehen und die nicht über ausreichende eigene Finanzierungsreserven verfügen. Mit den hier zur Verabschiedung anstehenden Gesetzen werden die Finanzierungsbedingungen für kleine Unternehmen verbessert. Die wichtigste Aufgabe in der nächsten Legislaturperiode wird nach Meinung der FDP jedoch sein, die Ertragskraft der Unternehmen durch eine direkte Senkung der Steuern und Abgabenlasten zu steigern, um damit den Spielraum der Unternehmen zur Eigenfinanzierung wieder zu erhöhen. Vogel (München) (GRÜNE): Ich möchte mich in meiner Rede auf das Gesetz über Unternehmesbeteiligungsgesellschaften konzentrieren. Konzipiert sind die UBGs als eine Art von Pralinenmischung, die „der breiten Anlegermasse" an der Börse feilgeboten werden soll. Für die Qualität des Inhalts bürgt die Firma, deren Name auf der Schachtel prangt. Unsere erste Frage ist deshalb: Welche Institutionen werden sich für die Gründung von UBGs interessieren? Welche werden dazu überhaupt in der Lage sein? Die überraschend einhellige Antwort der meisten Fachleute auf der Anhörung im April lautete: Die Banken. Nur die Banken, allenfalls noch große Versicherungsunternehmen verfügen über das nötige Know-how und das nötige Kleingeld. Immerhin müssen mindestens 2 Millionen DM für die Gründung einer UnternehmensbeteiligungsAktiengesellschaft aufgebracht werden. Es werden selbstverständlich in erster Linie die großen Banken sein, die als Gründer von UBGs auftreten werden. Ohnehin sind diese ständig auf der Suche nach neuen Betätigungsfeldern und haben den Ausbau des Wertpapiergeschäftes zu ihrem erklärten Ziel gemacht. Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung fügt so auf geradezu wundersame Weise die Interessen der Banken mit den vermeintlichen Bedürfnissen der mittelständischen Unternehmen zusammen. Den Banken wird damit eine weitere Möglichkeit geboten, ihren ohnehin ausgedehnten Einflußbereich in Industrie und Handel weiter auszubauen. Als Ergebnis Nr. 1 halte ich also fest, daß mit diesem Gesetz keine Stärkung der Klein- und Mittelbetriebe, sondern der Großbanken und Versicherungsgesellschaften erfolgt. Unsere zweite Frage lautet: Welche Unternehmen werden von den Gründern der UBGs ins Sortiment aufgenommen werden? Natürlich werden es keine Risikokapitalbetriebe und keine unterkapitalisierten Klein- und Mittelbetriebe sein, sondern es werden nur ertragsstarke mittelständische Betriebe sein, die auch anderweitig ihren Kapitalbedarf dekken könnten. Das UBGG wird das neue Eliteförderungsprogramm der Bundesregierung für den Mittelstand sein. Die Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital wird im übrigen den Unternehmen nichts bringen, wenn von den Eigenkapitalgebern, sprich: UBGs höhere Rendite erwartet wird, als der reguläre Kapitalmarktzins für Fremdkapital beträgt. Ergebnis Nr. 2 ist also, daß die Erhöhung der „Eigenkapitalquote" sich für die mittelständischen Betriebe am Ende nicht als Traum, sondern als Trauma, als verschärfte Ausbeutung durch die Banken in Gestalt der UBGs herausstellen wird. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Oktober 1986 18683* Kommen wir zur dritten Frage. Im Gesetzesentwurf heißt es ausdrücklich, daß durch das neue Modell der UBG den mittelständischen Unternehmen der indirekte Zugang zur Börse ermöglicht werden soll, ohne daß dadurch Eingriffe in die Unternehmenspolitik in Kauf genommen werden müssen. Wie soll das gewährleistet werden? Daß die zukünftigen Kleinaktionäre der UBGs keine Eingriffe in die Unternehmenspolitik vornehmen werden können, steht fest. Bei den mindestens 10 Unternehmen, die zu einer UBG zusammengefaßt sind, wird es den Kleinanlegern überhaupt nicht möglich sein, sich überhaupt auch nur die einzelnen Firmennamen zu merken, geschweige denn, sich über deren Unternehmenspolitik genügend zu informieren, zumal auf den Jahresversammlungen der UBGs die Unternehmenspolitik nicht zur Diskussion stehen soll. Die Kleinaktionäre werden also keinen Einfluß erhalten. Wer mehr Einfluß erhalten wird, ist ja wohl klar! Wenn Banken als Gründer von UBGs auftreten, werden Sie jede Ihnen sich bietende Chance nutzen, auf die Unternehmen Einfluß zu nehmen. Die Rolle als „Stille Gesellschafter" werden sie genauso auszugestalten wissen, wie sie es bei ihren sonstigen Aktivitäten, sei es als Kreditgeber, oder als Aufsichtsratsmitglieder tun. Daran wird auch der Neukonzipierte § 6 nichts ändern können, der Überschneidungen von Aufsichtsratsmitgliedschaften unterbinden soll. Ergebnis Nr. 3 lautet also für uns: Der sogenannte mittelbare Zugang zur Börse über die Zwischenschaltung von in der Regel von Banken getragenen UBGs bedeutet nichts anderes, als ein neues Alibi für die Banken zu schaffen, ihre Machtposition auf neuen Pfaden zu erproben. Für unsere Wirtschaft oder unsere Wähler bringt es jedenfalls nichts. Wir lehnen daher das UBGG ab. Nötig ist unserer Meinung nach vordringlich die Verbesserung der Mitbestimmungsmöglichkeiten der Mitarbeiter von Klein- und Mittelbetrieben und nicht der Ausbau der Macht der Banken. Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Dies sind einzelne Schritte auf dem Weg, die zu knappe Eigenkapitalausstattung der deutschen Unternehmen zu verbessern, vor allem der kleineren und mittleren. Sie ergänzen die steuerlichen Schritte, welche die Bundesregierung schon beschritten hat: Entlastungen bei der Gewerbesteuer, der betrieblichen Vermögensteuer und der Einkommensteuer, steuerliche Anerkennung der Emissionskosten. Die Steuerreform der kommenden Periode wird dieses Ziel noch verstärkt angehen. Eine gute Eigenkapitalausstattung ist ein Hauptschlüssel für den dauerhaften Erfolg von Unternehmen. Sie dient der soliden Finanzierung von Kapazitätserweiterungen und von Firmenneugründungen — Investitionsentscheidungen, die mit zusätzlichem Arbeitsplatzangebot verbunden sind. Sie ist aber auch die beste Lebensversicherung für Unternehmen: sie bietet Schutz gegen unerwartete Entwicklungen, bewahrt vor dem Konkurs, stärkt die Wettbewerbsfähigkeit und erleichtert die Anpassungsfähigkeit in dem tiefgehenden technischen und wirtschaftlichen Wandel, der unser Schicksal ist. Die Zuführung von Eigenkapital vom Kapitalmarkt und die Selbstfinanzierung beim Schließen der Eigenkapitallücke müssen zusammenwirken. Allein auf die Selbstfinanzierung zu vertrauen, wäre falsch: der harte internationale Wettbewerb wird eine ausreichende Selbstfinanzierung immer nur in Einzelfällen zulassen. Die erfreulich gestiegene Eigenkapitalaufnahme auf dem Kapitalmarkt — sei es in Form von Kapitalerhöhungen oder von Börsenneueinführungen — zeigt, daß eine zunehmende Zahl von Unternehmen die Zeichen erkannt hat. Im Börsenzulassungs-Gesetz werden die rechtlichen Voraussetzungen für die Einführung des „geregelten Marktes" geschaffen. Dieser neue Marktabschnitt soll vor allem kleinen und mittleren Unternehmen den Gang an die Börse erleichtern. Wie den großen Unternehmen sollen auch sie eine faire Chance erhalten, sich Eigenkapital vom Markt zu holen. Gegenüber dem bestehenden Börsenhandel mit amtlicher Notierung wird es beim „geregelten Markt" erleichterte Zugangsvoraussetzungen geben. Um eine besonders wirtschaftsnahe Lösung zu gewährleisten, wird die Ausgestaltung des gesetzlichen Rahmens den Börsen selbst übertragen. Sie werden die Einzelheiten in einer Börsenordnung regeln. Dieser Weg verhindert bürokratische Hemmnisse und stärkt die Selbstverwaltung der Wirtschaft. Weiterhin werden mit dem Börsenzulassungs-Gesetz drei EG-Richtlinien in deutsches Recht umgesetzt, die den Börsenzugang in der Europäischen Gemeinschaft vereinheitlichen. Auch hier ist eine Regelung der Einzelheiten unterhalb des Gesetzes durch eine Rechtsverordnung vorgèsehen. Das engere Zusammenwachsen der europäischen Börsen ist zu begrüßen, weil es den Kapitalverkehr und damit den Wettbewerb erleichtert. Auch mehr Wettbewerb unter den Börsen erleichtert den Unternehmen die Eigenkapitalaufnahme. Das Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen der institutionellen Anleger setzt sich gleichfalls das Ziel, Hemmnisse für die Anlage in Beteiligungskapital abzubauen. Durch die Änderungen im Versicherungsaufsichtsgesetz wird es Versicherungsunternehmen zukünftig möglich sein, neben börsennotierten Aktien auch die sonstigen inländischen Aktien, GmbH- und Kommandit-Anteile, stille Beteiligungen und Genußrechte zu erwerben. Im Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften wird eine Reihe von Anlagegrenzen erhöht. Für die Eigenkapitalfinanzierung wichtig ist, daß zukünftig eine Kapitalanlagegesellschaft für die von ihr verwalteten Investmentfonds bis zu 10 % der Aktien eines Unternehmens erwerben kann. Die bisherige Grenze von 5 v. H. erwies sich zunehmend als Anlagehindernis. Schließlich soll mit dem Gesetz über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften den Unternehmen 18684* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Oktober 1986 ein Weg zur Eigenkapitalaufnahme eröffnet werden, denen der unmittelbare Zugang zur Börse versperrt ist, weil sie entweder nicht Aktiengesellschaft werden wollen oder weil sie für eine Börseneinführung nicht groß genug sind. Die Unternehmensbeteiligungsgesellschaft finanziert sich durch die Emission von Aktien, die nach Ablauf der Gründungsphase zum größeren Teil breitgestreut beim Anlegerpublikum untergebracht werden. Die Rechtsform der Aktiengesellschaft ist bewährt, in ihr ist ein Ausgleich zwischen Anleger- und Unternehmensinteressen gefunden worden. Dies erlaubt den Verzicht auf mancherlei sonst notwendige Einzelregelungen. Der Anlagekatalog enthält alle gängigen Beteiligungsformen einschließlich Aktien-, Kommandit- und GmbH-Anteile, um auf alle Unternehmenswünsche eingehen zu können. Die Regeln beschränken sich auf wenige Risikostreuungs- und Publizitätsvorschriften. Weiterhin wurden Hindernisse bei der Vermögen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer ausgeräumt, ohne jedoch neue Subventionstatbestände zu schaffen. Die Bundesregierung hofft, daß Unternehmen, Kreditinstitute, Versicherungen und Kapitalanlagegesellschaften von diesen neuen Möglichkeiten regen Gebrauch machen. Jeder mutige Schritt hier nützt unserem Land, aller Erfahrung nach aber vor allem dem Wagemutigen selbst. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zu Punkt 13 der Tagesordnung (Reform des Insolvenzrechts): Dr. de With (SPD): Als 1978 der damalige Justizminister Dr. Vogel die Kommission zur Reform des Insolvenzrechts einsetzte, gab es bereits das Schlagwort vom „Konkurs des Konkurses". Denn damals schon war klar, daß das aus dem 19. Jahrhundert stammende Konkursrecht — Konkursordnung und Vergleichsordnung — der Zeit nicht mehr entsprach. Inzwischen liegen nicht nur die beiden Berichte jener Kommission mit einer Fülle von Vorschlägen auf dem Tisch — wir alle haben den Mitgliedern der Kommission Dank zu sagen —, die Konkurswelle strebt in diesem Jahr trotz im Moment stagnierender Zahlen einem neuen Nachkriegsrekord zu: Gab es 1982 noch 15 876 Pleiten, meldeten die Gerichte 1985 18 876. Und die Unternehmensinsolvenzen kletterten im selben Zeitraum von 11 915 auf 13 625. Für 1986 gar werden die Konkurse auf über 19 000 und die Unternehmenszusammenbrüche auf über 14 000 geschätzt. Noch besorgniserregender aber ist die Tatsache, daß 1986 der dadurch angerichtete Schaden 25 Milliarden DM betragen wird, zwischen 130 000 und 260 000 Arbeitsplätze verlorengehen, 80 v. H. aller Konkurse mangels Masse nicht mehr rechtsförmlich abgewickelt werden und bei der Liquidation der restlichen 20 v. H. die Konkursquote nur zwischen 2 und 7 v. H. liegen wird. Welch gigantischer Verschleiß von Volksvermögen, aber auch welches Leid für Beteiligte und Unbeteiligte! Nachdem sich die Bundesregierung über ihre Ziele bei der Reform des Konkursrechts in Schweigen gehüllt hatte und nicht abzusehen war, wann denn nun der erste Referentenentwurf präsentiert werden würde, hat die SPD-Bundestagsfraktion am 3. Juli 1986 ihre Position bezogen. Wir wollen damit die Regierung zwingen, alsbald Farbe zu bekennen, und vor allem erreichen, daß die Reform nicht länger hinausgezögert wird. Ein Teilergebnis ist bereits zu verzeichnen: Erstens: Am 7. August 1986 hat sich die CDU/CSU durch den Kollegen Helmrich vor der Mittelstandsvereinigung der CDU/CSU offenbart und zweitens: Am 1. Oktober 1986 hat der Bundesminister der Justiz vor dem Sparkassenprüfertag — nachzulesen im Handelsblatt am 3. Oktober 1986 — seine Meinung in Grundzügen wissen lassen und einen Entwurf für das nächste Frühjahr angekündigt. Es wäre gut gewesen, wäre die Bundesregierung noch vor den Wahlen mit einem nüchternen Referentenentwurf in die öffentliche Auseinandersetzung gegangen. Denn die bisher geäußerten Vorstellungen der Bundesregierung sind allzu pauschal, interpretationsbedürftig und offenbar vom Wahlkampf gekennzeichnet. Wir Sozialdemokraten gehen von folgenden Voraussetzungen aus: Erstens. Der Konkursrichter wird nicht selten erst dann angerufen, wenn nichts mehr zu verteilen, d. h. zu liquidieren ist. Das Insolvenzverfahren sollte früher eingeleitet werden können. Zweitens. Die Konkursmasse ist häufig auch deswegen so gering — zu einem geordneten Konkursverfahren kommt es dann mangels Masse nicht —, weil die sogenannten Mobiliarsicherungsgläubiger bei Eröffnung des Konkurses die verpfändeten Maschinen, die unter Eigentumsvorbehalt stehenden Rohmaterialien und die unter dem verlängerten Eigentumsvorbehalt befindlichen Endprodukte vom Platz des Geschehens abholen. Das heißt, es muß sichergestellt werden, daß die Mobiliarsicherungsgläubiger sich nicht auf eigene Faust befriedigen können. Ihre Werte müssen im Konkurs eingebunden bleiben. Selbstverständlich muß dabei die Einbeziehung des Sicherungsguts so erfolgen, daß die „Sicherungsübereignung" als Instrument der Kreditbeschaffung nicht gefährdet wird. Jedermann weiß, daß diese Kreditmethoden insbesondere von mittelständischen Industrieunternehmen mit Erfolg genutzt werden. Deshalb müssen die Interessen der Gläubiger durch Beteiligungsrechte und durch von vornherein festgesetzte Höchstquoten angemessen berücksichtigt werden. Ebenso müssen im übrigen die Aus-und Absonderungsrechte im Konkurs überprüft werden. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Oktober 1986 18685* Drittens. Gehört ein Betrieb zur Konkursmasse, muß ein Reorganisationsverfahren nach ausländischem Vorbild möglich sein. Das heißt, zur Sicherung von Betrieb und Arbeitsplätzen muß vorab entschieden werden, ob ein Reorganisationsverfahren zur Weiterführung des Betriebes möglich ist. Erst wenn keine hinreichende Aussicht auf Reorganisation besteht, soll es zur Liquidation kommen. Viertens. Bei Fällen von hoffnungsloser Überschuldung natürlicher Personen, die über kein Vermögen, wohl aber über ein laufendes Einkommen verfügen, sollte u. a. eine Restschuldbefreiung ermöglicht werden. Bei derartigen Fällen der „Verbraucherinsolvenz" oder des „Modernen Schuldturms" kommt es derzeit nicht selten für ganze Familien unverschuldet zu geradezu ausweglosen Lebenssituationen. Fünftens. Es sollte ferner eine Restschuldbefreiung für unternehmerisch tätige natürliche Personen dann in Betracht gezogen werden, wenn bei unverschuldeten Konkursen nach Abschluß der Liquidation durch dauernde Nachforderungen jeder Neuanfang unterbunden und damit dem Strohmann- und noch besser dem Strohfrau-Prinzip Tür und Tor geöffnet wird. Schließlich hat schon das Alte Testament den Verzicht auf Forderungen in jedem siebten Jahr verlangt. In Deuteronomium 15, 1-2 heißt es: In jedem siebten Jahr sollst Du die Ackerbrache einhalten. Und so lautet eine Bestimmung für die Brache: Jeder Gläubiger soll den Teil seines Vermögens, den er einem anderen unter Personalhaftung als Darlehen gegeben hat, brach liegen lassen. Nun hat der Justizminister anerkannt, daß es „untragbar" sei, wenn „in rund 80 v. H. der Insolvenzen kein rechtsstaatliches Verfahren durchgeführt" werde. Er hat auch erklärt, daß die Mobiliarsicherungsgläubiger eingebunden werden müßten. Schließlich hat er sich für eine Restschuldbefreiung ausgesprochen. Dies alles ist zu begrüßen. Der Bundesminister der Justiz hat dabei allerdings die Vorstellungen der SPD mit Begriffen wie Bürokratisierung, Verstaatlichung, Umverteilungseingriff oder ordnungspolitisch fragwürdig diskreditiert, wenn nicht diffamiert. Das mag aus wahltaktischen Gründen noch verständlich sein, der Sache dient es nicht. Hier ist der Ort für mögliche Klarstellungen: Erstens. Wenn Sie, Herr Minister, sagen, Sie hielten „es nicht für zulässig, allgemein wirtschaftliche Ziele, etwa Ziele der Beschäftigungs- oder der Strukturpolitik, mit den privatrechtlichen Mitteln eines Insolvenzverfahrens zu verfolgen", da dies „auf eine Art strukturelle Investitionslenkung, auf eine private Subventionierung notleidender Unternehmen" hinauslaufe, dann sollten Sie klipp und klar erklären, ob Sie es bei diesem — ich muß es leider sagen — „Manchester"-Standpunkt bewenden lassen wollen, oder ob Sie letztendlich auch bereit sind, Arbeitnehmerinteressen einzubeziehen. Die Sozialpflichtigkeit des Eigentums gilt auch im Insolvenzverfahren. Sie laufen Gefahr, das zu negieren. Und wenn die Vereinigten Staaten von Amerika, für viele der kapitalistischste Staat, ein Reorganisationsverfahren auch zum Schutz von Arbeitsplätzen erlauben, dann sollte dies auch in der Bundesrepublik Deutschland möglich sein. Zweitens. Wenn Minister Engelhard weiter ausführt, „Vermögensumverteilung — etwa von gesicherten auf ungesicherte Gläubiger — sei keine legitime Aufgabe eines Insolvenzverfahrens", wiewohl er die Mobiliarsicherungsgläubiger mit einer „angemessenen Kostenpauschale" von „etwa 10 v. H. des Sicherheitswertes" einbeziehen möchte, dann soll er erklären, warum er einmal mit Begriffen wie „Vermögensumverteilung" die Einbeziehung der Mobiliarsicherheiten geißelt, auf der anderen Seite verschämt durch Auferlegung der Kostenpauschale von 10 v. H. dennoch eine Einbeziehung rechtfertigt. Wer so redet, erweckt den Eindruck, daß er mit verschleiernden Vokabeln die Kreditwirtschaft beruhigen will, obwohl er längst die Notwendigkeit der Heranziehung der Mobiliarsicherheiten erkannt hat, dies nur nicht jetzt schon offenbaren möchte. Wenn der Minister schließlich ausführt: „Wir wollen die Wirtschaft für die Reform gewinnen", dann sagen wir Sozialdemokraten: Wir wollen auch die Arbeitnehmer für die Reform gewinnen. Wir wollen beides. Die Bundesregierung möge deutlich machen, ob ihr Arbeitnehmerinteressen beim Konkurs völlig ohne Belang sind. Das bisherige Insolvenzrecht, einseitig auf Liquidation ohne Rücksicht auf Betriebe, Arbeitsplätze und unverschuldete Konkurse natürlicher Personen ausgerichtet, ist von der Praxis längst ausgehöhlt: Vernünftige Konkursverwalter suchen den Betrieb zu retten und erträgliche Verhältnisse für Gläubiger und Schuldner herzustellen. Die Bundesregierung möge klarstellen, ob sie das Reorganisationsverfahren nur nominell allein unter Gläubigergesichtspunkten einführen will oder aber von der Sozialpflichtigkeit des Eigentums ausgehend auch die Erhaltung von Betrieben und Arbeitsplätzen einbezieht. Das erscheint nur möglich, wenn aus der „Kostenpauschale" für Mobiliarsicherungsgläubiger ein echter und ehrlicher Beitrag zur Masse wird — wenn auch angemessen und unter den erforderlichen Sicherheiten. Ich bitte um Überweisung des Antrags der SPDBundestagsfraktion an die Ausschüsse. Marschewski (CDU/CSU): Unser Insolvenzrecht kann die Funktion, die es vor 100 Jahren besaß, nicht mehr erfüllen. Damals wurden noch rund 90 % aller Insolvenzen nach der Vergleichs- oder der Konkursordnung abgewickelt. Heute sind es nur noch knapp 20 %. In mehr als drei Viertel aller Fälle werden die Konkursanträge schon mangels Masse abgelehnt, d. h. ein ordnungsgemäßes Verfahren kann überhaupt nicht mehr eröffnet werden. Dies bedeutet: Der Konkurs ist nicht mehr die Reinigungsprämie der Wirtschaft! Es geht heute vielmehr darum, eine wertezerschlagende Liquidation zu verhindern, eine gerechte Verteilung des Erlöses 18686* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Oktober 1986 zu erreichen und die Arbeitnehmer in angemessener Weise zu schützen. Darüber besteht — so hoffe ich — in weitem Maße Einigkeit. Ungeklärt ist jedoch — und hier stehen wir erst am Anfang einer umfassenden Diskussion —, welche Maßnahmen im einzelnen ergriffen werden müssen, um eine wirkliche Reform des Insolvenzrechts zu erreichen. Wenn wir unsere Arbeit als Parlamentarier ernst nehmen, brauchen wir ausreichend Zeit, nach einer Analyse hieraus die notwendigen rechtspolitischen Konsequenzen zu ziehen. Dieser Aufgabe werden wir uns in der nächsten Legislaturperiode widmen. Den Antrag der SPD muß ich daher vor diesem Hintergrund als nicht gerade sehr seriös bezeichnen. Die Insolvenzrechts-Kommission hat zweifellos wichtige Vorarbeit geleistet. Sie hat zur Diskussion aufgefordert. Wir müssen uns jetzt um die Akzeptanz der Beteiligten bemühen. Dazu gehört nicht zuletzt, daß wir die Wirtschaft für eine Reform gewinnen. Ein funktionsfähiges Insolvenzrecht läßt sich nicht durch den Gesetzgeber verordnen. Und noch eines: Der Bereich des Insolvenzrechts ist auch kein Tummelplatz für utopische Umverteilungsvorstellungen; die ideologischen Scheuklappen müssen weg, meine Damen und Herren. Erstens. Es muß geklärt werden, was das Recht wirklich zur Verbesserung der Situation leisten kann. Nur soweit das geltende Insolvenzrecht selbst dafür ursächlich ist, daß fortführungswürdige Unternehmen zum Ausscheiden gezwungen werden, kann eine Rechtsänderung Abhilfe schaffen. Zweitens. Wir brauchen Lösungen, die sich in unser Privatrecht einfügen und mit dem System der sozialen Marktwirtschaft übereinstimmen. Das Insolvenzrecht ist kein Instrument zur Umverteilung von Vermögenswerten! Drittens. Wir brauchen unbürokratische Regelungen, die den Beteiligten ein praktikables Verfahren möglich machen. Ich begrüße daher den Vorschlag der Kommission, die bisherige Trennung zwischen Konkurs-und Vergleichsverfahren aufzuheben und beide in einem einheitlichen Insolvenzverfahren zusammenzufassen. Dabei weiß ich, daß eine Reorganisation nicht um jeden Preis vorgenommen werden darf. Ich folge hier dem Bundesjustizminister: „Ebenso wie jeder Zerschlagungsfatalismus fehl am Platze ist, so ist auch jede Sanierungseuphorie ungeeignet." Und darüber hinaus: Die Entscheidung über die Reorganisation eines Unternehmens ist eine unternehmerische Entscheidung. Ich warne daher vor dem Vorschlag der SPD, eine Institution zu schaffen, die an einem Reorganisationsverfahren mitwirkt, ja die die Mitfinanzierung von Reorganisationsplänen übernimmt. Der Schritt der mitfinanzierenden Institution zum Staat ist dann nicht mehr weit, meine Damen und Herren. Und nun zu weiteren Vorschlägen der Kommission: Ich begrüße es, daß durch ein Schuldenregulierungsverfahren die Abwicklung von Klein-Insolvenzen vereinfacht und beschleunigt werden soll. Gleiches gilt für den Vorschlag, einen rangwahrenden Bauvermerk zur Sicherung der Ansprüche der Handwerker vorzusehen. Die geltende gesetzliche Regelung der Sicherungshypothek hat sich nämlich als unzulänglich erwiesen. Mit dem Herrn Bundesjustizminister stimme ich überein, daß darüber nachgedacht werden sollte, ob nicht einem in Not geratenen Schuldner eine Restschuldbefreiung gewährt werden sollte. Sein Argument ist kaum zu widerlegen: Jedem selbst lebenslang verurteilten Straftäter bleibt die Hoffnung. Soll nicht auch einmal der vielleicht schuldlos Gescheiterte die Chance des Neuanfangs erhalten? Ein Wort zu den umstrittenen besitzlosen Mobiliarsicherheiten und zu dem Vorschlag, bei Auszahlung des Verwertungserlöses einen Aufbesserungsbeitrag von 25 % einzubehalten. Bedeutet dies nicht, die Vermögens- und Haftungsverhältnisse aus einem falschverstandenen Gleichheitsgedanken heraus umzukrempeln? Führt dies nicht zu einer Verringerung des Kreditvolumens je Sicherungsgut, ja zu einer Verteuerung der Kredite? Wir werden hierüber nachzudenken haben. Jedennoch: Der Kommission gebührt Dank für ihre langjährige und intensive Arbeit. Dabei begrüße ich es insbesondere, daß sie sich dazu durchgerungen hat, bevorzugte Rechtsstellungen abzubauen. Dies wird dazu führen, die Massearmut der Insolvenzen zu überwinden, und die Befriedigungsaussichten der einfachen InsolvenzGläubiger zu verbessern. Wir stehen — das zeigen meine kurzen Ausführungen — vor einem zentralen Reformvorhaben unseres Wirtschafts-Privatrechts. Das geltende Konkursrecht bedarf der Neuordnung. Wir werden sie — aber überlegt — vollziehen. Unsere Rechtsordnung wird auch hier ihre Glaubwürdigkeit nicht verlieren, sie wird auch hier nicht ihre Waffen strecken. Dies gewährleistet schon diese Bundesregierung, die mit ihrer erfolgreichen Rechtspolitik ein Glanzstück aufzweisen hat. Beckmann (FDP): Wenn man die Einleitung zu dem Antrag der SPD-Fraktion durchliest, ist man versucht zu fragen: In welcher Welt leben Sie eigentlich? Wollen Sie uns weismachen, daß — wenn nicht augenblicklich das Insolvenzrecht geändert werde — wir morgen schon vor einem neuen Schwarzen Freitag, daß wir morgen schon vor dem Zusammenbruch der deutschen Wirtschaft stehen? Wie sonst soll ich Ihre Ausführungen verstehen, wenn das da wörtlich heißt: „Eine immer größer werdende Insolvenzwelle droht unsere Rechts- und Wirtschaftsordnung nachhaltig zu erschüttern" und wenn dann weiter gesagt wird, wie „besorgniserregend" dieser „unerträgliche Zustand" sei und welch „erschreckende Feststellung" sie hätten machen müssen? Ich kann Ihnen darauf nur sagen: Das nimmt Ihnen angesichts der allgemeinen hervorragenden wirtschaftlichen Situation in der Bundesrepublik Deutschland keiner ab; dieses Weltuntergangs-Szenario werden Ihnen die Leute draußen schlichtweg nicht glauben; sie werden sich nicht einreden lassen, daß sie um den Bestand unserer Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Oktober 1986 18687* Wirtschaftsordnung bangen müssen, und schon gar nicht, daß die Rechtsordnung insgesamt in Gefahr steht. Dieser Vorwurf ist ja geradezu lächerlich! Daß etwas geschehen muß, das ist allen klar, darüber besteht weitgehend Einigkeit, auch in den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft. Wir alle kennen die Zahlen der Insolvenzen und könnten daraus unsere Rückschlüsse ziehen. In der Tat: Auf den ersten Blick sind das Fakten, die einem zu denken geben müssen, die auf den ersten Blick zu radikalen Lösungen drängen. Aber Zahlen sind eben nur Zahlen. Sie beinhalten für sich allein gesehen noch keine konkrete Aussage. Zahlen erlangen erst dann Aussagekraft, wenn sie im Gesamtzusammenhang betrachtet und in Relation zu anderen Abläufen gesetzt werden. Ich will Ihnen dafür ein Beispiel geben: Ein Fischteich enthält, sagen wir einmal 10 000 Fische. Im Schnitt sterben an Altersschwäche 3 bis 4 Fische in der Woche. Nun werden an einem Tag ein toter Fisch, am nächsten Tag zwei tote Fische gefunden. Diese Tatsache für sich allein betrachtet bedeutet eine Zunahme der Fischsterblichkeit um glatt 100 %. Auf die Gesamtzahl der Fische allerdings gesehen bedeutet dies eine Abnahme des Fischbestandes um 0,03%. Würde man diesen Vorgang in Ihre Sprache, meine Damen und Herren von der SPD, übersetzen, dann könnte das folgendermaßen lauten: Eine Umweltkatastrophe größten Ausmaßes rollt auf uns zu. Wissenschaftliche Untersuchungen haben die erschreckende Feststellung ergeben, daß dieses erschütternde Fischsterben das ökologische Gleichgewicht der gesamten Region bedroht. Wie gesagt: drei Fische von 10 000. Das ist sicherlich nur ein Beispiel. Es zeigt aber, daß Zahlen für sich allein genommen keinen Aussagewert besitzen. Aus einer Gesamtbetrachtung ergibt sich folgendes: Die Gesamtzahl der Insolvenzen wird für dieses Jahr etwa bei 19 000 liegen. Dies macht bei ca. 2,5 Millionen selbständigen Existenzen — das ist ein unterer Wert — 0,76% aus. Der Bereich, über den wir hier reden, betrifft also einen Ausschnitt aus unserer Wirtschaft, der deutlich unter einem Prozent liegt. Es zeigt sich, daß der Bereich, um den es hier geht, nur ein kleiner Ausschnitt des Gesamtgeschehens ist, der in seiner rechts-, aber und vor allem auch in seiner wirtschaftspolitischen Bedeutung als solcher zu werten ist. Der SPD-Antrag geht davon aus, daß der volkswirtschaftliche Gesamtschaden sich auf mehr als 20 Milliarden DM belaufe. Zudem wird darauf verwiesen, daß jährlich zwischen 130 000 und 360 000 Arbeitsplätze infolge von Insolvenzen verlorengingen. Auch hier gilt es zu relativieren: Erstens: Diese Zahlen sind reine Schätzungen, für die eine verläßliche Grundlage fehlt. Wir wären dankbar, wenn wir die Quelle dieser Zahlen erfahren könnten. Zweitens. Die Zahl der Unternehmen, die in den vergangenen Jahren in den Markt eingetreten sind, war jeweils deutlich höher als die Zahl derjenigen Unternehmen, die aus dem Markt ausgeschieden sind. Drittens. In den vergangenen Jahren hat die Zahl der Unternehmensneugründungen erheblich zugenommen. Von 1982 bis einschließlich 1985 sind nach Angaben des Instituts für Mittelstandsforschung in der Bundesrepublik ca. 1,164 Millionen neue Unternehmen gegründet worden. Im gleichen Zeitraum wurden 960 000 Unternehmen geschlossen. Es bleibt also in diesen vier Jahren ein positiver Saldo von 204 000 neuen Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland. Viertens. Innerhalb der Liquidationen hat es in diesen vier Jahren nach den Angaben des Statistischen Bundesamtes 49 403 Insolvenzen gegeben. Der Anteil an den gesamten Marktaustritten beträgt also rund 5%. Fünftens. Der Eindruck, der in dem SPD-Antrag erweckt werden soll, es würde sich bei den Insolvenzen zunehmend um „Zusammenbrüche bekannter Unternehmen" handeln, ist grundfalsch. Im Jahre 1985 beispielsweise betrafen 70 % der Insolvenzen Fälle mit einem Forderungsvolumen von weniger als 500 000 DM. Die Gegenüberstellung der Fakten macht deutlich, welche Intentionen dem SPD-Antrag zugrundeliegen. Verunsicherung und Schwarzmalerei ist Trumpf, Sachlichkeit und Besonnenheit bei einem derart schwerwiegenden Eingriff in die Struktur unseres Wirtschaftsrechts sind nicht gefragt. Mann (GRÜNE): Zunächst begrüße ich, daß das Parlament heute, acht Jahre nach der Einsetzung der Kommission zur Reform des Insolvenzrechts und der Vorlage von zwei Berichten der Kommission, die Möglichkeit erhält, in der öffentlichen Diskussion Stellung zu beziehen und dadurch Anstöße für die weiteren gesetzgeberischen Vorarbeiten zu geben. Gleichzeitig bedaure ich, daß wir auf eine mündliche Aussprache verzichten. Das ist ein bedenkliches Zeichen dafür, wie das Parlament selbst die Bedeutung dieser Reform bewertet. Zu Recht spricht die SPD in ihrem Antrag von einer schweren Krise des deutschen Insolvenzwesens. Die aufgeführten Insolvenzzahlen mit ihrem alarmierenden Ansteigen und der Umstand, daß über drei Viertel aller Anträge auf Eröffnung eines Konkursverfahrens mangels einer die Kosten dek-kenden Masse abgelehnt werden, stellen eine politische Herausforderung ersten Ranges dar. Das Insolvenzproblem ist zunächst einmal Folge eines Bankrotts. Wer ist bankrott, d. h. überschuldet und zahlungsunfähig? Keine Sorge, ich klage hier niemanden als Person eines politischen Konkursverbrechens an. Bankrott ist die herrschende Wirtschaftspolitik! Unter Einbeziehung der Schäden an Natur und Umwelt, die wir ohne Rückstellungen vor allem künftigen Generationen aufbürden, sind weit größere Teile unserer Wirtschaft zahlungsunfähig und überschuldet, als es alle Insolvenzstatistiken in ihrer bedrohlichen Entwicklung ausweisen. Pleitewelle, das Sterben der Tante-Emma-Läden, 18688* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Oktober 1986 das Bauernsterben und der scheinbar unaufhaltsame Konzentrationsprozeß der bundesdeutschen Wirtschaft sind gleichermaßen Ausdruck einer von Grund auf verfehlten Wirtschaftspolitik. Wir GRÜNEN treten auch hier für eine wirkliche Wende ein. Die Fixierung unserer Wirtschaft auf Wachstum sowohl in den volks- und betriebswirtschaftlichen Zielen als in den Unternehmensgrößen muß überwunden werden. Leitgedanke grüner Wirtschaftspolitik ist eine möglichst frühzeitige umfassende Berücksichtigung ökologischer Folgen des Wirtschaftens. Das setzt eine weitgehend dezentrale Wirtschaftsstruktur und damit eine Stärkung kleiner und mittlerer Unternehmen voraus. In einem solchen Rahmen macht es Sinn, zukunftsorientiert neue Grundsätze für unser Insolvenzrecht zu entwickeln. In der knappen Zeit kann ich nur drei meiner Überzeugung nach wichtige Gesichtspunkte ansprechen. Zum ersten hat sich die Kommission für Insolvenzrecht um die ordnungspolitischen Entscheidungen herumgedrückt. Ich kann hier leider nicht auf die Frage eingehen, ob z. B. beschäftigungs- und strukturpolitische Ziele kein legitimes Ziel eines gerichtlichen Sanierungsverfahrens sind. Ich stelle nur so viel fest, daß es sich Bundesjustizminister Engelhard in seiner Rede auf dem Sparkassenprüfertag am 1. Oktober 1986 mit seinen Hinweisen auf die Notwendigkeit marktkonformer Verfahren und die Gefahr privater Subventionierung notleidender Unternehmen allzu einfach gemacht hat. Die Frage jedenfalls, in wessen Interesse das künftige Reorganisationsverfahren abläuft, bedarf einer gründlichen Diskussion. Ich plädiere dafür, daß wir in diesem Zusammenhang eingehend die Frage prüfen, ob die übertragende Sanierung ein zulässiges Reorganisationsinstrument ist. In einem zukunftsorientierten Insolvenzrecht ist die Wahrung der wirtschaftlichen Identität des Unternehmensträgers wichtiger als die der rechtlichen. Auch die Anwendbarkeit reorganisationsrechtlicher Vorschriften, die auf die Erhaltung lebenswichtiger Arbeitsverhältnisse und anderer Schuldverhältnisse zielen, erscheint sinnvoll. Die modernen Insolvenzrechtskodifikationen der USA, Englands und Frankreichs können uns bei dieser wichtigen ordnungspolitischen Diskussion wertvolle Anstöße geben. Deshalb halte ich es zum zweiten für unerläßlich, der Rechtsvergleichung und, wenn möglich der Harmonisierung bei der weiteren Arbeit einen hohen Stellenwert beizumessen. Insoweit bedarf das Konzept der Kommission dringend der Ergänzung. Die Auseinandersetzung vor allem mit dem Insolvenzrecht der Vereinigten Staaten bietet die Chance, daß wir unseren Blick für bisher allzu wenig erörterte Aspekte einer wirklich zeitgemäßen Reform öffnen. Erfreulicherweise hat der Bundesjustizminister auf dem erwähnten Sparkassenprüfer-tag das Problem der Restschuldbefreiung angesprochen. Es widerspricht dem Sozialstaatsprinzip, Bürger grundsätzlich mit dem lebenslangen Schrecken des Konkurses zu überziehen. In diesen Zusammenhang gehört die Problematik des modernen Schuldturms, die wir an dieser Stelle zuletzt am 31. Januar 1986 behandelt haben. Die Einbeziehung von Arbeitnehmern und Verbrauchern in ein modernes Insolvenzrecht ist dringend geboten. Von 1950 bis 1980 ist die Pro-Kopf-Verschuldung im Verhältnis zum Pro-Kopf-Einkommen von 0,2 auf rund 11 % gestiegen. Die SPD hat diese Fragen unter II 5 und 6 ihres Antrages dankenswerterweise aufgegriffen. Allerdings zweifle ich, und das bedaure ich sehr, an dem Mut von CDU/CSU und FDP, solche Fragen eines wirklich zukunftsorientierten Insolvenzrechts ernsthaft zu erörtern, geschweige denn Tabus zu brechen und etwa einem Entschuldungskonkurs oder der Einbeziehung besitzloser Mobiliarsicherheiten in das Insolvenzverfahren, von Weber schon 1959 zu Recht als die „Lebensfrage des Konkurses als Rechtsinstitution" bezeichnet, zuzustimmen. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Rede zu Punkt 15 der Tagesordnung (Gesetz über die Errichtung einer Stiftung Reichspräsident-Ebert-Gedenkstätte): Beckmann (FDP): Mit der Einbringung dieses Gesetzes wird der Grundstein für eine Stiftung gelegt, die das Andenken an das Wirken eines Mannes bewahren und fördern will, der die bestimmende, aber auch die tragische Gestalt seiner Zeit, der prägende Kopf der damaligen politischen Landschaft war. Viele Geschichten und Anekdoten, aber leider auch viele schlimmen und niederträchtigen Begebenheiten ranken sich um diese Gestalt. Er ist neben seiner Bedeutung für die Weimarer Zeit zu einem Sinnbild eines Mannes geworden, an dem man ganz infamen und kaltblütig geplanten Rufmord begangen hat. Ich möchte heute und gerade an dieser Stelle nicht noch einmal das Lebenswerk des ersten Reichspräsidenten würdigen. Das haben andere bereits vor mir getan, und zwar in kompetenterer Weise, als ich das zu tun in der Lage wäre. Ich bin kein Historiker, sondern Jurist. Mich sollte daher die Struktur und der Aufbau der geplanten Stiftung interessieren, die Zusammensetzung der Entscheidungsgremien und deren Befugnisse. Sicherlich, das sind wichtige und zentrale Fragen im Zusammenhang mit einer aus Allgemeinmitteln geförderten und unter dem öffentlichen Recht des Bundes stehenden Stiftung. Ich meine aber, daß die Ausschußberatungen Gelegenheit geben werden, diese eher technischen Einzelheiten eingehend und erschöpfend zu erörtern. Was mich viel eher interessiert, ist die Frage, wie der Mensch Friedrich Ebert diese Vielzahl von Verleumdungen und Verunglimpfungen, die er ausste- Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Oktober 1986 18689* hen mußte, verkraftet hat. Wie macht das ein Mensch, jährlich mehrere hundert Beleidigungsund Verleumdungsklagen mit sehr geringem Erfolg zu führen, ohne den Glauben an das Recht und die Gerechtigkeit zu verlieren? Mich interessiert, welche Bedeutung diese Vorgänge um die Person Friedrich Eberts noch heute für uns haben können, vor allem, welche Rückschlüsse wir aus den Erfahrungen, die Friedrich Ebert machen mußte, noch heute für den politischen Umgang miteinander, noch heute für die Auslegung unserer Verfassung ziehen können. Sicherlich, bei der Grundsteinlegung der Bundesrepublik Deutschland sind mit unserem Grundgesetz Konsequenzen gezogen worden, sind vor allem die Rechtsinstitute der Indemnität und Immunität verstärkt und ausgebaut, sind spezielle Strafvorschriften geschaffen worden. Es ist daher davon auszugehen, daß heute einem derart massiven Angriff auf das Staatsoberhaupt, den Bundespräsidenten, mit rechtlichen Mitteln wirkungsvoll begegnet werden könnte. Man darf annehmen, daß Kampagnen der Art, wie sie zu Zeiten Friedrich Eberts gegen den ersten Mann im Staate möglich waren, heute nicht mehr möglich wären. Doch haben wir nicht auch in unserer Zeit beobachten müssen, wie von verschiedenen Seiten versucht wurde, exponierte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens mittels Verdächtigungen und Vorverurteilungen in der Öffentlichkeit politisch aus dem Weg zu räumen? Ich möchte hier keinen Vergleich ziehen; dieser wäre weder haltbar noch überhaupt vertretbar. Nur sollten wir aus den Beispielen, die uns die Weimarer Zeit hinterlassen hat, zu deren Erinnerung wir die Reichspräsident-Ebert-Gedenkstätte ins Leben rufen wollen, lernen, daß hinter der angegriffenen politischen Institution auch immer ein Mensch steht, der Empfindungen hat, die man zutiefst verletzen kann. Aber noch ein anderer menschlicher Aspekt, der sich in der Person von Friedrich Ebert widerspiegelt, sollte nicht unerwähnt bleiben: Nach dem Willen der Verfassungsschöpfer von Weimar erhielt der Reichspräsident eine sehr starke Stellung. An der Spitze der parlamentarischen Republik sollte er mehr als nur eine repräsentative Rolle spielen. Seine Befugnisse waren so groß, daß er nicht zu Unrecht später als „Ersatz-Kaiser" bezeichnet werden konnte. Trotz dieser Machtfülle ist Friedrich Ebert niemals in die Versuchung geraten, diese zu mißbrauchen. Von der ihm eingeräumten Macht hat er stets maßvollen Gebrauch gemacht. Er ließ sich auch durch Widerstände in seiner eigenen Partei nicht beirren, an diesem ausgewogenen und vor allem objektiven Weg politischen Handelns festzuhalten. Auch dieses Moment seiner Amtsführung sollte Vorbild für politisches Handeln in unseren Tagen sein und uns vor Augen halten, daß Recht und Gesetz zwar den Rahmen für ein Amt bestimmen können, nie aber den Charakter der Person, die es ausfüllen soll. Mit der Errichtung dieser Stiftung wird ein würdiger Weg beschritten, das Andenken an den ersten demokratisch gewählten Präsidenten der Weimarer Republik im Bewußtsein unseres Volkes noch fester zu verankern. Es ist sicher der Überlegung wert, ob nicht auch in ähnlicher Weise in Zukunft des Wirkens unserer Bundespräsidenten gedacht werden sollte. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zu Punkt 16 der Tagesordnung (a] Gesetz zur Änderung des Artikels 2 des Vierten Gesetzes zur Änderung der Bundesärzteordnung, des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheil- kunde und der Reichsversicherungsordnung, b] AiP-Streichungs-Gesetz, c] Gesamtreform der Ärzteausbildung): Frau Augustin (CDU/CSU): Seit geraumer Zeit wird in diesem Hause diskutiert, wie die praktische Ausbildung unserer so zahlreich gewordenen Medizinstudenten verbessert werden kann. Daß eine Verbesserung notwendig ist, darüber besteht Einigkeit, und zwar wohl bei allen Fraktionen. Die Bundesregierung hat mit der 4. Änderung der Bundesärzteordnung im Dezember 1984 die gesetzlichen Voraussetzungen für eine ganz wesentliche Verbesserung dieser praktischen Ausbildung geschaffen. Flankierend zu dieser Maßnahme hat sie mit dem 5. Gesetz zur Änderung der Bundesärzteordnung im Februar 1986 die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen zur praktischen Umsetzung geleistet. Ziel meiner Fraktion ist es, im Anschluß an das Hochschulstudium eine sogenannte „Arzt-im-Praktikum"-Phase von zunächst 18 Monaten, später 24 Monaten einzuführen. Wie wir alle wissen, hat die Einführung dieses praktischen Ausbildungsabschnitts nicht überall gleichermaßen Zustimmung gefunden. Heute stellen wir fest: Es mehren sich die Stimmen jener, die diese praktische Ausbildungsphase als sinnvoll ansehen. Voraussetzung, so wird angefügt, müßte allerdings sein, daß diese Zeit so ausgenutzt, d. h. so strukturiert wird, daß eine Ausbildung in den wichtigsten Fachbereichen wie innere Medizin und operative Fächer in ausreichendem Maße gewährleistet ist. Meine Fraktion schließt sich dieser Meinung an. In zahlreichen Gesprächen mit jenen, die die Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen haben, also den Krankenhausträgern, hat sich nun gezeigt, daß dieses Ziel in der Kürze der Zeit nur sehr unvollkommen erreicht werden kann. Aus diesem Grunde ist es notwendig, das Anlaufen der Tätigkeit „Arzt im Praktikum" um ein Jahr zu verschieben. Wir beabsichtigen damit, den Krankenhausträgern — denen ich an dieser Stelle schon für die bereits geleistete Arbeit zur Schaffung von derartigen Aus- 18690* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Oktober 1986 bildungsplätzen danken möchte — etwas mehr Zeit für die Verwirklichung einer sinnvollen Strukturierung dieser Ausbildungszeit zu geben. Wir hoffen, durch diese zeitliche Verschiebung ebenfalls Fragen der Anrechnung dieser Zeit auf die fachärztliche Weiterbildung einer optimalen Lösung zuzuführen. Die SPD macht es sich wirklich leicht, wenn sie lediglich die Streichung des Ausbildungsabschnitts AiP vorschlägt und in einem Antrag eine Gesamtreform der Ärzteausbildung fordert. Meine Damen und Herren von der SPD, ihre Forderung nach einer Gesamtreform führt erneut zu langatmigen bildungspolitischen Experimenten, deren Ergebnis wir noch alle aus der Zeit Ihrer Regierungsverantwortung in unangenehmer Erinnerung haben. Wir brauchen keine Gesamtreform und keine Patentrezepte, sondern Ärzte, die den Anforderungen in der Praxis gewachsen sind. Und das heißt doch wohl nur, daß in diesem Bereich — eben in der Ausweitung der praktischen Erfahrung am Krankenbett und am Patienten in der ärztlichen Praxis — der Ansatzpunkt gefunden werden muß, Verbesserungen durchzuführen. Ich bin zuversichtlich, daß mit dem von der CDU/CSU und der FDP vorgelegten Gesetzentwurf auf Drucksache 10/6222 ein weiterer Schritt auf dem Wege zur Verbesserung der praktischen Ausbildung unserer angehenden Ärzte getan wird. Der vorgelegte Gesetzentwurf folgt zugleich der Notwendigkeit, Anpassungen an die Rechtsentwicklung, insbesondere im Bereich der EG, gerecht zu werden. Delorme (SPD): Die heute zur ersten Beratung anstehenden Gesetzentwürfe der Koalition und der SPD-Fraktion sowie der SPD-Antrag zur Gesamtreform der Ärzteausbildung versuchen ein Problem zu lösen, von dem die Bundesregierung volltönend behauptet hat, es sei bereits gelöst. Ich meine die neue, mit der vierten Novelle zur Bundesärzteordnung eingeführte Ausbildungsphase „Arzt im Praktikum". Seit Beginn der Legislaturperiode experimentiert die Bundesregierung an einer Neuordnung der ärztlichen Ausbildung herum. Sie hat sich dabei auf ein Konzept versteift, gegen das es von Anfang an schwerwiegende politische und fachliche Bedenken gab. Mit der vierten Novelle zur Änderung der Bundesärzteordnung hat die Bundesregierung schließlich ihr Konzept von der Neuordnung der ärztlichen Berufsausbildung durchgesetzt. Sie wollte mit der Einführung eines zweijährigen Ausbildungsabschnittes „Arzt im Praktikum" den von allen Fraktionen dieses Hauses vorgetragenen Wunsch nach einer stärkeren Praxisorientierung der Medizinerausbildung gewährleisten. Wir Sozialdemokraten haben von Anfang an — ebenso wie eine Reihe von Bundesländern und zahlreiche Sachverständige sowie die Mehrheit der Medizinstudenten und -professoren — auf die Mängel dieses Konzeptes hingewiesen. Wir haben uns damals mit unserer Alternative, die eine Pflichtweiterbildung für alle Ärzte vorsah, die sich als Kassenärzte niederlassen wollen, nicht durchsetzen können. Unsere schwerwiegenden Bedenken gegen das Konzept der Bundesregierung haben sich bestätigt. Wir hatten damals bezweifelt, daß die für die Regelung „Arzt im Praktikum" erforderlichen Ausbildungsplätze überhaupt bereitgestellt werden können. Die Entwicklung hat uns recht gegeben. Weder die Bundesländer noch die Krankenhäuser und die ärztlichen Körperschaften sind in der Lage, eine ausreichende Anzahl von AiP-Plätzen zu garantieren, um sicherzustellen, daß die geforderte Ausbildung überhaupt durchgeführt werden kann. Unser weiterer Einwand war, daß ein zusätzlicher Ausbildungsabschnitt nur dann einen Sinn ergibt, wenn man in der Approbationsordnung festlegt, was in dieser Phase an Ausbildungsinhalten den Studenten und angehenden Ärzten vermittelt werden soll. Auch diese notwendige Voraussetzung für die Absolvierung eines Ausbildungsabschnittes „Arzt im Praktikum" ist bis heute nicht erfolgt. Die Bundesregierung hat sich zwar bemüht, einen groben inhaltlichen Rahmenkatalog in ihren Entwurf zur Approbationsordnung aufzunehmen, aber diese „Grobstrukturierung" war völlig unzureichend. Es ist kein Zufall, daß der Bundesrat die Novellierung der Approbationsordnung bis heute nicht verabschiedet hat; sie wird von Bundesratssitzung zu Bundesratssitzung vertagt. Die Geschichte des „Arztes im Praktikum" ist ein Negativbeispiel gesetzgeberischer Arbeit. Die Drukkerschwärze des Gesetzes war noch nicht trocken, da mußte die Koalition bereits eine Nachbesserung vornehmen. Sie wollte nämlich erreichen, daß durch Umwandlung vorhandener Arztstellen in den Krankenhäusern zusätzliche Plätze für AiP-Absolventen geschaffen werden. Der vierten Novelle zur Bundesärzteordnung folgte also eine Korrektur, die als „Gesetz zur Befristung von Arbeitsverträgen für Ärzte in der Weiterbildung" verabschiedet wurde. Schon dieses „Reparaturgesetz" zeigte den Zweiflern an der Durchführbarkeit des Regierungskonzeptes, daß ihre Zweifel zu Recht bestanden. Und nun, nach einem Jahr, muß schon wieder die Notbremse gezogen werden. Die Bundesregierung hat erkannt, daß die Einführung des AiP nicht zeitgerecht erfolgen kann. Sie will sie deshalb um ein Jahr verschieben. Ich habe die Frage an die Vertreter der Koalitionsfraktionen: Glauben Sie wirklich, daß eine undurchführbare Regelung dadurch besser wird, daß man sie um ein Jahr verschiebt? Muß es wirklich so sein, daß Monat für Monat durch immer neue Tatarenmeldungen zur Ärzteausbildung Medizinstudenten und -professoren, Bundesländer und Ärzteschaft in neue Ungewißheit gestürzt werden? Dient das der Verbesserung der Qualität der ärztlichen Versorgung und der Verbesserung der Ausbildung? Nahezu alle Ärzteverbände sprechen sich gegen Ihre Lösung aus, auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung. Und was machen Sie? Sie verschieben. Aber Sie tun ja nicht nur das, Sie reichern das Durcheinander dadurch an, daß Sie ständig neue Varianten der Medizinerausbildung unters Volk Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Oktober 1986 18691* streuen. Da gab es auf einmal so etwas wie einen Diplom-Mediziner. Was immer dies auch sein mag, glauben Sie wirklich, mit solchen Vorschlägen würden Sie etwa bei unseren europäischen Partnerländern die Seriosität Ihrer Planungen zur deutschen Medizinerausbildung beweisen können? Die Meinung von uns Sozialdemokraten zu diesem Durcheinander ist eindeutig: Die Regelung „Arzt im Praktikum" muß weg! Dieses Haus ist aufgefordert, in der nächsten Wahlperiode einen neuen Anlauf zur Reform der Medizinerausbildung zu unternehmen. Der Vorschlag der Koalitionsfraktionen, die Einführung von AiP um ein Jahr zu verschieben, ist eine Verlegenheitslösung. Die SPD fordert deshalb, das ungeliebte Kind „Arzt im Praktikum" schleunigst aus der Bundesärzteordnung zu streichen und statt dessen eine Gesamtreform der Ärzteausbildung in Angriff zu nehmen. Wir haben dazu unsere Forderungen angemeldet. Ich bitte Sie, bei den nun beginnenden Ausschußberatungen unsere Vorschläge eingehend zu prüfen. Frau Dr. Adam-Schwaetzer (FDP): Die Verschiebung des Beginns der AiP-Phase um ein Jahr gibt hoffentlich genügend Zeit, die Ausbildungsstellen zu beschaffen. Die dadurch notwendig gewordene Änderung der Bundesärzteordnung haben wir in den letzten Wochen zum Anlaß genommen, über die Konzeption der ärztlichen Ausbildung insgesamt noch einmal nachzudenken. Wir sind dabei zu dem Ergebnis gekommen, daß es unter den gegebenen Umständen zum AiP zumindest zur Zeit keine Alternative gibt. Es geht um den besten und kurzfristig auch möglichen Weg, die Qualität der ärztlichen Ausbildung zu verbessern, wobei „kurzfristig mögliche Wege" besonders zu betonen ist. Natürlich können auch wir uns andere, bessere Ausbildungsmodelle vorstellen. Niemand in diesem Hause wünscht sich mehr als wir, daß aus unseren Universitäten fertige, voll einsetzbare Ärztinnen und Ärzte herauskommen. Wir alle wünschen uns, daß mehr Ausbildung unmittelbar am Krankenbett erfolgt, daß also während des Studiums genügend praktische Erfahrungen vermittelt werden. Nur, wir befinden uns nicht in der Stunde null. Gewachsene Strukturen und unterschiedliche Kompetenzverteilungen müssen berücksichtigt werden. Eine stärkere Einbeziehung der Universitätskliniken in die Ausbildung erfordert nicht nur den Konsens mit den Ländern in der Sache. Letztlich sind auch mehr finanzielle Mittel der Länder für die Universitätskliniken erforderlich. Auch stehen wir unter größtem Zeitdruck. Eine steigende Zahl junger Absolventen der Medizin verläßt Jahr für Jahr als approbierte Ärzte die Universitäten. Jeder aber weiß, daß diese jungen Ärztinnen und Ärzte nicht genügend qualifiziert für ihre verantwortungsvolle Aufgabe sind. Hinzu kommt die EG-Richtlinie für die Allgemeinmedizin. Ab 1988 schreibt das EG-Recht für jeden, der sich als Allgemeinarzt niederlassen möchte, eine zweijährige praktische Ausbildung vor. Gerade weil wir daran festhalten wollen, daß die Approbation die Voraussetzung sowohl in rechtlicher, besser gesagt: EG-rechtlicher, wie in qualitativer Hinsicht für die Niederlassung als Arzt ist, gibt es zur praktischen Ausbildungsphase am Ende des Studiums, die mit der vollen Approbation endet, zur Zeit keine Alternative. Ich möchte aber noch einmal ausdrücklich betonen, daß die Zustimmung der FDP zum AiP an zwei Bedingungen geknüpft ist: die praktische Ausbildungszeit muß auf die in der EG-Richtlinie Allgemeinmedizin vorgesehene praktische Ausbildung angerechnet werden, und in den Weiterbildungsordnungen der Länder muß die Anrechnung der AiPZeit auf die Weiterbildung zum Facharzt geregelt werden. Dem Antrag der SPD, den AiP ganz aufzugeben, fehlt jeglicher konstruktive Ansatz. Die Sozialdemokraten hätten fairerweise den Studenten sagen sollen, daß sie die Pflichtweiterbildung für die kassenärztliche Zulassung wollen. Dann nämlich müßten sie den jungen Leuten auch sagen, daß für die 11 000 bis 12 000 Hochschulabsolventen jährlich nur 6 000 bis 7 000 Weiterbildungsstellen zur Verfügung stehen. Etwa die Hälfte der Absolventen könnte einfach nicht zum Zuge kommen, könnte die von der EG geforderte praktische Mindestqualifikation nicht erwerben und könnte damit niemals Arzt werden. Verschärft würde die Stellensituation durch die von der SPD ebenfalls beantragte Rücknahme der Möglichkeit, mit Ärzten in der Weiterbildung befristete Arbeitsverträge zu schließen. Den Mut, die Studenten über diese Folgen ihres Vorschlages aufzuklären, haben sie nicht. Statt dessen werfen sie Nebelkerzen. Um nichts anderes handelt es sich bei ihrem Antrag zur Gesamtreform der Ärzteausbildung. Darin ist einiges Sinnvolles und Richtiges enthalten. Nur, das wissen auch sie, kurzfristig läßt sich das Konzept nicht verwirklichen; damit kann den zigtausenden Studenten, die in den nächsten Jahren die Universität verlassen, nicht geholfen werden. Verwirklichen läßt sich das nur, wenn die Zahl der Studenten an die der vorhandenen Kapazitäten für eine praxisbezogene integrierte Medizinerausbildung angepaßt ist. Deshalb möchte ich es noch einmal wiederholen: Unter den gegebenen Bedingungen, auch unter dem zeitlichen Druck, unter dem wir stehen, gibt es zum AiP keine Alternative. Frau Wagner (GRÜNE): Ein weiteres Mal müssen wir hier im Bundestag uns mit dem Arzt im Praktikum befassen. Aber noch immer ist die Bundesregierung nicht bereit, die Bundesärzteordnung von der AiP-Regelung zu befreien. Eine Verschiebung steht erst einmal an. Aber vielleicht ist das ja der erste Schritt hin zum vollständigen Verzicht. Schon bei der Verabschiedung des Gesetzes gab es zahlreiche Bedenken. Über sie ist hinweggegangen worden. Dies rächt sich nun. Die GRÜNEN ha- 18692* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Oktober 1986 ben die AiP-Regelung von Anfang an abgelehnt. Ich will diese Ablehnung noch einmal begründen. Staatliche und universitäre Unfähigkeiten, die Medizinerausbildung grundlegend — also während des Studiums — zu verbessern, haben u. a. zu der Notlösung, der Arzt-im-Praktikum-Regelung, geführt. Hier erfolgt also eine Reparaturmaßnahme. Die Zielsetzung, eine bessere praktische Qualifikation der Ärzte zu erreichen, wird schon seit längerem von Studenten und Hochschullehrern gefordert. Nur dachten diese an eine Reform des Studiums und nicht an eine weitere Auslagerung der Praxis auf die Zeit nach dem Studium. Der theorielastigen Medizinerausbildung zwei weitere Jahre als Arzt im Praktikum anzuhängen, verlängert zwar die Gesamtdauer der Ausbildung, ändert aber am Studium nichts. Statt grundsätzlich über eine Reform nachzudenken, beugt sich die Bundesregierung also den Standesvertretungen der Ärzte, die sich vor Konkurrenz durch den Berufsnachwuchs schützen will. Hier geht es also gar nicht um eine Qualitätsverbesserung, sondern lediglich um eine Verringerung der Quantität. Es taucht immer wieder die Frage auf, wie eine Neuzulassung von Ärzten begrenzt werden kann. Dies ist zuletzt geschehen durch das vorliegende Gesetz zur Zulassungsbeschränkung der Ärzte. Hier wird Arbeitsmarktpolitik unter dem Deckmantel einer Qualitätssicherung und im Fall des AiP einer Ausbildungsordnung gemacht. Alle bisher vorgeschlagenen Maßnahmen dienen eindeutig der Begrenzung der Zahl der Ärzte. Es soll in unserem so freiheitlichen Marktsystem ein Monopol, nämlich ein Einkommenmonopol, für die niedergelassenen Ärzte aufgebaut werden. Aber die Einkommen eines nicht unbeträchtlichen Teils gut verdienender Ärzte können auch anders begrenzt werden als durch Abschreckung vom Medizinstudium und Einbau weiterer Hürden vor der Niederlassung. Wenn die Krankenkassen feststellen, daß die Ausgaben mit der Arztdichte steigen, so sagt dies doch etwas über das Vergütungssystem und nicht über das Zulassungssystem aus. Eine pauschale Vergütung würde hier Abhilfe schaffen. Doch weder Krankenkassen noch die etablierten Parteien trauen sich an die Lobby der Ärzteschaft heran. Schließlich hat diese auch ihre Vertreter in den Parteien und im Parlament. Es trifft, wie überall, diejenigen, die keine Lobby haben, in diesem Fall die Medizinstudenten. Das Gerede von der Ärzteschwemme ist bloße Ideologie. Wir brauchen gut ausgebildete Ärzte und Ärztinnen in den Krankenhäusern, um die Überstunden drastisch abzubauen und auch in diesem Bereich tägliche Arbeitszeitverkürzungen durchzusetzen. Wir brauchen Ärztinnen und Ärzte in den Betrieben, in den kommunalen Gesundheitszentren und Beratungsstellen. Wir brauchen auch Ärzte und Ärztinnen für die niedergelassenen Ärzte, die ihre Arbeitszeiten, auch die täglichen, verkürzen wollen. In diesem Sinne wehren wir uns gegen die Zulassungsbeschränkungen bei den niedergelassenen Ärzten, gegen Beschränkungen der Ausbildungskapazitäten an den Hochschulen und gegen die Arztim-Praktikum-Regelung. Diese Regelung integiert nicht den praktischen Teil der Ausbildung in das Studium, z. B. durch befristete praktische Ausbildung in Pflegeeinrichtungen und Sozialstationen, beim betriebsärztlichen Dienst und im öffentlichen Gesundheitswesen. Weiterhin ist auch noch völlig im dunkeln, wie die Bundesregierung die Durchführung des Arztes-imPraktikum plant, sprich, wie die notwendigen Ausbildungsplätze und wo sie geschaffen werden sollen. Dies hat auch diese Verschiebung bewirkt. Wir fordern eine grundlegende Veränderung der Ausbildung der Ärzte und lehnen daher die Kosmetik in Form der AiP-Regelung ab. Frau Dr. Süssmuth, Bundesminsiter für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit: Ich danke den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP, daß sie im Interesse eines baldigen Beschlusses über das Hinausschieben des erstmaligen Beginns der Tätigkeit als Arzt im Praktikum parallel zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung initiativ geworden sind. Eine schnelle Entscheidung über diese Frage ist vonnöten. Die für die Bereitstellung der Plätze für Ärzte im Praktikum Verantwortlichen, aber auch die Betroffenen Medizinstudenten müssen Klarheit darüber erhalten, zu welchem Zeitpunkt — 2. Jahreshälfte 1987, wie bisher vorgesehen, oder 2. Jahreshälfte 1988 — die Praxisphase anläuft. Wie dringend notwendig eine Verbesserung der praktischen Qualifikation unserer jungen Ärzte ist, wissen wir alle. Deshalb brauchen wir die Praxisphase. Es hat aber keinen Sinn, damit zu einem Zeitpunkt zu beginnen, von dem wir nicht wissen, ob dann allerorts schon die notwendigen Voraussetzungen geschaffen worden sind. Wenn wir ein Jahr Zeit gewinnen, erhalten die zuständigen Stellen ausreichende Möglichkeiten, dafür zu sorgen, daß jeder Arzt im Praktikum rechtzeitig einen Ausbildungsplatz erhält. Die Fünfte Verordnung zur Änderung der Approbationsordnung für Ärzte mit den Regelungen für die Durchführung der Tätigkeit als Arzt im Praktikum ist im Bundesrat eingebracht und wird in Kürze erlassen. Sie ist eine wesentliche Grundlage auch für die Vorbereitung der Praxisphase. Insbesondere enthält sie die näheren Vorgaben, die den Tarifparteien einen baldigen Abschluß ihrer Verhandlungen über einen Tarifvertrag für Ärzte im Praktikum erleichtern. Für und Wider der Tätigkeit als Arzt im Praktikum sind Gegenstand ständiger Diskussionen. Ich will die Position der Bundesregierung nochmals zusammenf assen: Erstens. Der Arzt im Praktikum wurde geschaffen, um den Praxisanteil der ärztlichen Ausbildung zu erweitern und zu verbessern. Unsere derzeit ausgebildeten Ärzte sind zwar theoretisch gut, praktisch aber unzureichend ausgebildet. Zweitens. Die Praxisphase soll gewährleisten, daß jeder Absolvent des Medizinstudiums die zur Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Oktober 1986 18693* eigenverantwortlichen und selbständigen Berufsausübung erforderliche Qualifikation erwirbt. Das von Ihnen vorgeschlagene Weiterbildungskonzept führt unter den gegebenen Bedingungen zu einer unsozialen, vom Zufall abhängigen Selektion am Ende der Ausbildung, durch die vielen jungén Menschen der Weg in eine ärztliche Berufstätigkeit versperrt wird. Drittens. Die Praxisphase kann realisiert werden, wenn alle Beteiligten dazu bereit sind. Jeder Absolvent des Medizinstudiums kann rechtzeitig eine Stelle als Arzt im Praktikum erhalten, wenn die vorhandenen Instrumentarien genutzt werden und Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte Verantwortung für den ärztlichen Nachwuchs mittragen. Mitteilungen aus einigen Ländern geben ermutigende Prognosen. Der Gesetzentwurf der SPD für einen sogenanntes AiP-Streichungs-Gesetz muß aus den von mir genannten Gründen abgelehnt werden. Unter den gegebenen Umständen ist es ausgeschlossen, das Medizinstudium so umfassend zu verbessern, daß es den fertigen Arzt hervorbringt. Dazu sind die Studentenzahlen viel zu hoch. Unser Ziel ist eine Ausbildung, die im Interesse einer qualifizierten Versorgung unserer Bevölkerung sicherstellt, daß die Befähigung des jungen Arztes mit der durch die Approbation verliehenen Berechtigung zur eigenverantwortlichen und selbständigen Berufsausübung in Einklang steht. Dieses Ziel kann auf dem von der SPD vorgeschlagenen Weg nicht erreicht werden. Eine entsprechende gesetzliche Regelung wäre keine Lösung! Man braucht kein Prophet zu sein, um vorauszusagen, daß die SPD erneut anstreben würde, eine abgeschlossene Weiterbildung zur Voraussetzung für die Zulassung als Kassenarzt zu machen. Ergebnis wäre ein unzulässiger Berufs-Numerus-Clausus für junge Ärzte. Schließlich haben wir in nicht allzu langer Zeit jährlich ca. 12 000 Studienabgänger, für die jährlich ca. 5 000 freiwerdende Assistenzarztstellen zur Verfügung stehen. Eine Gesamtreform der ärztlichen Ausbildung ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht machbar. Reformen macht man, wenn sie realisierbar sind und wenn sie zu sinnvollen Verbesserungen führen! Kann hiervon in bezug auf die ärztliche Ausbildung gesprochen werden? Die gegenwärtigen Schwierigkeiten sind nicht durch die Approbationsordnung für Ärzte bedingt, sondern durch extrem hohe Studentenzahlen. Eine umfassende Neuregelung würde nichts bringen, solange die Ursachen für die momentanen Probleme nicht beseitigt sind. Auch im Hinblick auf den Antrag der SPD zur Gesamtreform der ärztlichen Ausbildung kann ich daher nur für Ablehnung plädieren! Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zu Punkt 17 der Tagesordnung (Zweites Gesetz zur Änderung des Fahrpersonalgesetzes): Hinsken (CDU/CSU): Die EG-Sozialvorschriften sind durch Beschlüsse des Rates der EG-Verkehrsminister vom 14. November 1985 neu gestaltet worden. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sollen nunmehr die Ermächtigungsnormen des Fahrpersonalgesetzes zum Erlaß von Durchführungsbestimmungen zur Durchführung der notwendigen Überwachungsmaßnahmen auf die EG-Sozialvorschriften sozusagen redaktionell umgestellt werden. Tun wir das nicht, dann können wir zu der neuen EG-Regelung keine Durchführungsbestimmungen erlassen, vor allem aber keinen Verkehrsteilnehmer mehr belangen, der seinen Fahrer dazu verleitet, zuviel zu fahren oder zuwenig Ruhezeiten einzuhalten. Deshalb bitte ich alle, sowohl dem Gesetzentwurf zuzustimmen als auch dem Zusatzantrag, daß nach Art. 3 dieses Gesetz am Tage nach der Verkündung in Kraft tritt. Die Neuregelung war dringend erforderlich, weil die alte Regelung eine bürokratische und praxisfremde Überreglementierung war, die an den Bedürfnissen der Unternehmer wie auch der Fahrer vorbeiging. Den Bedürfnissen des Fahrpersonals entsprach nicht die unflexible Regelung der Lenk-und Ruhezeiten der Kraftfahrer, eine Regelung, die den Fahrer zwang zu ruhen, wenn er fit war, und zu fahren, wenn er müde war, eine Regelung vor allem, die das Fahrpersonal mehr als nötig zwang, seine Freizeit unterwegs und fern der Familie zu verbringen. Daher wird heute der letzte notwendige Schritt des Gesetzgebers zur Verbesserung getan, d. h. Fahrpersonal und Fahrzeughaltern wird auch bei uns die Vorteile der neuen EG-Vorschriften in Anspruch zu nehmen ermöglicht. Auch Sie, meine Damen und Herren von der SPD, haben sich zehn Jahre lang meinen Informationen zufolge in Ihren Gesprächen mit dem Transportgewerbe und den Fahrern für mehr Flexibilität ausgesprochen. Beweisen Sie heute Ihre Worte mit Taten! Von den GRÜNEN erwarte ich überhaupt kein Verständnis. Wer weiterhin eine geordnete Überwachung und gegebenenfalls auch notwendige Sanktionierung will, muß der Gesetzesänderung uneingeschränkt zustimmen. Hinzu kommt ein weiterer Gesichtspunkt: Die einheitliche Anwendung von Sozialvorschriften in ganz Europa, auf die man sich nach zehn Jahren harter Diskussion in Brüssel geeinigt hat, ist Voraussetzung für fairen Wettbewerb. Wer das deutsche Transportgewerbe nicht zum Ausflaggen zwingen will, wer deutsche Arbeitsplätze für deutsche Fahrer in Deutschland erhalten will, kann diesem Gesetzentwurf die Zustimmung nicht versagen. 18694* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Oktober 1986 Man kann nicht, meine Damen und Herren von der Opposition, draußen den Fahrern und Unternehmern vorgaukeln, man wolle Harmonisierung, man wolle in dieser Frage die Bundesregierung sogar rechts überholen, und dann hier im Bundestag — wie im Verkehrsausschuß geschehen — einen derart bedeutsamen Schritt zur Harmonisierung der Vorschriften ablehnen wollen. Das ist nicht ehrlich. Sie werden sich gefallen lassen müssen, daß man Sie nicht nur an Ihren Worten draußen, sondern auch und besonders an Ihren Taten hier im Plenum mißt. Mitglieder des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung waren hier nicht so verbohrt wie Sie. Ja, j a, diese liebe ÖTV! Meine Damen und Herren, die Neuregelung bringt erstens nicht mehr, sondern weniger Fahrzeit als bisher, nämlich in zwei Wochen 90 statt bisher 92 Stunden. Das bedeutet eine „knallharte" Begrenzung der Fahrzeit. Zweitens konnte der Fahrer zum Beispiel bis zu zwölf Tage hintereinander fahren. Das geht jetzt nicht mehr. Spätestens nach sechs Tagen Fahrt muß er nun mindestens einen vollen Tag Pause machen. Drittens müssen zusätzlich zu den Ruhezeiten alle Fahrer einmal in der Woche mindestens 45 Stunden Freizeit haben (bisher nur 40 Stunden). In diesem Gesamtrahmen ist die vom Ministerrat beschlossene Erweiterung der sogenannten höchstzulässigen Lenkzeit um eine Stunde (von acht auf neun bzw. zweimal wöchentlich von neun auf zehn Stunden) zu sehen. Sie sehen also, daß es unsinnig ist, ins Horn der ÖTV zu blasen, denn die Vorteile liegen auf der Hand. Dank gebührt daher auch dem Bundesverkehrsminister Dr. Dollinger, der statt einer bloßen „Aufstockung" der Tageslenkzeiten sogar eine sogenannte „Reservestunde" für die Fahrer befürwortete, damit diese nach Ablauf der regulären Lenkzeit eigenverantwortlich entscheiden sollten, wenn sie auf diese Weise noch hätten nach Hause kommen können. Leider war die ÖTV hier zu langsam, um die Vorteile rechtzeitig zu erkennen. Der Kompromiß kann sich aber meines Erachtens sehen lassen, denn es stimmt einfach nicht, daß die neue Regelung eine stärkere Arbeitsbelastung für den Fahrer bedeutet. Das Gegenteil ist richtig. Im wesentlichen auf Drängen der deutschen Seite hat der Rat auch Maßnahmen beschlossen, die sicherstellen, daß künftig die Kontrollen in allen Mitgliedstaaten gleichmäßig praktiziert werden. Die Diskriminierung deutscher Fahrer durch die Kontrollpraxis in anderen EG-Staaten muß aufhören. Wir werden diesem Änderungsgesetz zum Fahrpersonalgesetz in der Gewißheit zustimmen, daß damit dem praktischen Verkehrsablauf, den Bedürfnissen des Fahrpersonals ebenso wie der Betriebsabwicklung, in hohem Maße entsprochen wird. Damit versprechen wir uns weniger Druck auf Betriebe und Fahrpersonal; davon versprechen wir uns mehr Verkehrssicherheit auf unseren Straßen. Davon versprechen wir uns aber auch eine Angleichung unterschiedlicher Wettbewerbsbedingungen in Europa. Der tüchtige deutsche Lkw-Kapitän ist doch genauso leistungsstark wie zum Beispiel sein holländischer Kollege. Mich wundert es nicht, wenn es in anderen Ländern wieder Kopfschütteln und Gelächter nicht über diese Bundesregierung, sondern über diese Opposition gibt. Bei solchen Zick-Zack-Kurs und solcher Realitätsferne ist dies, aus meiner Sicht gesehen, verständlich. Berschkeit (SPD): Mit dem vorliegenden Fahrpersonalgesetz setzt die Bundesregierung auch im europäischen Rahmen ihre seit der Wende verfolgte Politik des Abbaus von Arbeitnehmerrechten fort. Durch dieses Gesetz wird zum einen den ohnehin stark gestreßten Lkw-Fahrern noch mehr an Belastung und die Schädigung der Gesundheit zugemutet, zum anderen wird auch die Verkehrssicherheit für alle Verkehrsteilnehmer noch weiter gefährdet, und das zu einer Zeit, da die Zahl der Verkehrsunfälle wieder zunimmt. Die Lenkzeiten werden von nunmehr 8 Stunden pro 24 Stunden mit einer Ruhepause nach 4 Stunden auf 9 Stunden mit einer Pause nach 41/2 Stunden Fahrt heraufgesetzt. An zwei Tagen in der Woche darf die Lenkzeit sogar 10 Stunden betragen. Hinzu kommt noch die Flexibilisierung der Ruhezeiten, so daß es zu einer geradezu skandalösen Verschlechterung für die Fahrer kommt. Alle Forschungsergebnisse auf diesem Gebiet weisen nach, daß die Übermüdung der Fahrer bereits nach sieben Stunden einsetzt. Wer die Unfallstatistiken verfolgt, weiß auch, daß die meisten Unfälle, in die Lkws verwickelt sind, durch Übermüdung eintreten. Auch in Anbetracht dessen, daß ab 1. Januar 1986 das höchstzulässige Gesamtgewicht für Lkws auf 40 t erhöht wurde, ist eine Verlängerung der Lenkzeit von 8 auf 9 und auf 10 Stunden an zwei Tagen in der Woche geradezu unverantwortlich. Hinzu kommt, daß die Geschwindigkeitsübertretung durch Lkws erschreckend zunimmt. Daher sollte man nicht auch noch eine Verlängerung der Lenkzeit einführen. Die Lkw-Fahrer unterliegen einem immer stärker werdenden Druck durch ihre Arbeitgeber, weil diese wiederum unter immer stärkerem Konkurrenzdruck durch ausländische Transportunternehmen leiden, woran auch diese Bundesregierung die Schuld trägt. Nur ein Stichwort: Die Erhöhung der Einfuhrmengen zollfreien Dieselkraftstoffs von 50 1 auf 200 1 verbessert neben anderen Gegebenheiten die Wettbewerbsfähigkeit ausländischer Transportunternehmer. Die meisten Lkw-Fahrer bekommen mittlerweile minutiöse Arbeitspläne von ihren Arbeitgebern. Hier ist bis auf die Hundertstelminute angegeben, wie lange sie an welcher Rampe stehen dürfen und wie lange das Be- und Entladen dauern darf. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Oktober 1986 18695* Wenn ein solcher Fahrer dann eine Lenkzeit von zehn Stunden an zwei Tagen in der Woche durchhalten muß, muß er einfach übermüdet sein, und was ein übermüdeter Fahrer hinter dem Steuer eines 40 Tonnen schweren Wagens bedeutet, kann sich jeder ausmalen. Wir Sozialdemokraten meinen, daß es geradezu eine Verhöhnung der Fahrer, aber auch aller Verkehrsteilnehmer ist, wenn von der Koalition argumentiert wird, daß dieses Gesetz eine Verbesserung sei, da die Lenkzeit in einer Doppelwoche insgesamt von 92 auf 90 Stunden herabgesetzt wird. Genauso könnte man sagen, ein Fahrer kann an einem Tag mit 2 Promille Alkohol im Blut fahren, wenn er an den anderen Tagen der Doppelwoche ohne Alkohol im Blut ist. Die Übermüdung wirkt sich am Tage der Fahrt aus, genau wie der Alkohol, und nicht in der Doppelwoche. Es ist auch wenig überzeugend, wenn argumentiert wird, durch dieses Gesetz brauche der Fahrer nicht eine Stunde von seiner Wohnung entfernt auf einem Parkplatz oder einer Raststätte zu schlafen, nur weil die Lenkzeit von 8 Stunden erreicht sei, sondern könne nach Hause fahren. Das gleiche könnte genausogut auch nach neun-oder zehnstündiger Lenkzeit passieren — und es passiert. Daher kann auch diese Einlassung nicht überzeugen. Weiterhin wird von der Koalition geltend gemacht, daß die Bundesrepublik gezwungen sei, sich diesen EG-Sozialvorschriften anzuschließen. Auch das stimmt nicht. Im Art. 11 dieser EG-Verordnung heißt es: „Jeder Mitgliedstaat kann höhere Mindestwerte oder niedrigere Höchstwerte anwenden." Warum nehmen diese Regierung und die sie tragende Koalition diese Möglichkeit nicht wahr und lassen unsere vorbildlichen Sozialvorschriften in Kraft? Weil sie sich zum Ziel gesetzt hat, das soziale Netz weiter zu zerstören und Arbeitnehmerrechte abzuholzen. Die SPD-Fraktion kann daher diesem Gesetz nicht zustimmen. Kohn (FDP): Die Vorschriften des Fahrpersonalgesetzes enthalten zahlreiche Bezugnahmen auf Verordnungen der Europäischen Gemeinschaften. Diese Vorschriften sind mit Wirkung vom 29. September 1986 aber völlig neu gefaßt worden, so daß eine Anpassung des Fahrpersonalgesetzes durch Umstellung der bisherigen Bezugnahmen auf die neuen Vorschriften der EG-Verordnungen Nr. 3820/85 und 3821/85 erforderlich wird. Worum geht es bei diesen neuen Sozialvorschriften der EG? Diese neuen Sozialvorschriften für Lenk- und Ruhezeiten des Fahrpersonals sehen kürzere Lenkzeiten, nämlich 90 statt 92 Stunden in der Doppelwoche, vor; außerdem längere Ruhezeiten und mehr Flexibilität insbesondere unterwegs. Der für diese Flexibilität notwendige Rahmen von bis zu neun bzw. zehn Lenkstunden am Tag wird seinerseits eingeengt durch die Begrenzung der Lenkzeit von 90 Stunden in der Doppelwoche. Diese neuen Regelungen liegen nicht nur im Interesse des Gewerbes, sondern sind auch wichtige soziale Maßnahmen, weil durch die neu gewonnene Flexibilität in vielen Fällen das Fahrpersonal in die Lage versetzt wird, zu Hause zu übernachten, was bisher oft an strenger und starrer Handhabung der alten Verordnungen scheiterte. Aus diesen Gründen tragen die Liberalen das Zweite Gesetz zur Änderung des Fahrpersonalgesetzes mit. Denn auf diese Weise wird die Grundlage geschaffen, um in der EG verabschiedetes und vom Bundesrat gebilligtes Recht für die Bundesrepublik auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Insoweit regelt der vorliegende Gesetzentwurf nicht das materielle Recht der Sozialvorschriften, was bereits durch die Neugestaltung der EG-Vorschriften geschehen ist, sondern enthält die notwendigen redaktionellen Umstellungen und schafft die gesetzliche Grundlage für die Ermächtigung zum Erlaß von Durchführungsverordnungen zur Überwachung der EG-Vorschriften bzw. zur Regelung von Ordnungswidrigkeitstatbeständen. Insbesondere um weiterhin bei Verstößen gegen die EG-Sozialvorschriften Ordnungswidrigkeiten ahnden zu können, ist Eile geboten, damit der gleichsam rechtlose Zwischenzustand rasch beendet werden kann. Die Bundestagsfraktion der Freien Demokratischen Partei trägt deshalb diesen Gesetzentwurf mit und wird der Beschlußempfehlung des Verkehrsausschusses folgend diesem Gesetz zustimmen. Anlage 10 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 17. Oktober 1986 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Fünftes Gesetz zur Änderung des Bundessozialhilfegesetzes Gesetz zu dem Protokoll vom 2. März 1983 zur Änderung des Übereinkommens zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen durch Schiffe und Luftfahrzeuge Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Mutter und Kind— Schutz des ungeborenen Lebens" Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft hat mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Berichterstattung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung über die nachstehende Vorlage absieht: Unterrichtung durch das Europäische Parlament: EntschlieBung zum Technologietransfer (Drucksache 10/5197) Der Vorsitzende des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft hat mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Berichterstattung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung über die nachstehende Vorlage absieht: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Berufsbildungsbericht 1986 (Drucksache 10/5110) 18696* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 241. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 23. Oktober 1986 Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses hat mitgeteilt, daß der Ausschuß von einer Berichterstattung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung über die nachstehenden Vorlagen absieht: Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zur Unterzeichnung und Ratifizierung des Seerechtsabkommens (Drucksache 9/2367) Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Versammlung der Westeuropäischen Union über den zweiten Teil der 31. ordentlichen Sitzungsperiode der Versammlung der Westeuropäischen Union vom 2. bis 5. Dezember 1985 in Paris (Drucksache 10/4698) Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zur Bedeutung der Konferenz zur Überprüfung des Nichtverbreitungsvertrags (Drucksache 10/3981)
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Heinz Westphal


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Bitte schön, Herr Dörflinger.


Rede von Werner Dörflinger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Kollege Reschke, sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß die Art und Weise, wie Sie die Arbeit des Ausschusses qualifizieren, ein Stück weit dem Hohn spricht, was alle Berichterstatter und die Kolleginnen und Kollegen in diesem Ausschuß an Arbeit und Überlegungen investiert haben, und daß es eigentlich gut wäre, wenn wir im Interesse der politischen Hygiene auf derart überflüssige Attacken, die völlig neben der Sache liegen, verzichteten?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Otto Reschke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Kollege, ich spreche die Parlamentskultur an. Es widerspricht einer guten Parlamentskultur, qualitativ gute Gesetze für die Bürger zu schaffen, wenn man abends oder morgens seitenlange Vorlagen bekommt und die noch während der Ausschußsitzungen lesen und verarbeiten, um sie in die Beratungen einzubringen. Es geht nicht um die Leistung der Kolleginnen und Kollegen. Es geht um die Kultur, die sich dieses Parlament mit so einer Beratung leistet.

    (Abg. Dörflinger [CDU/CSU] meldet sich zu einer weiteren Zwischenfrage)

    — Sie gestatten, daß ich zuerst einmal bei dieser Frage weitermache.
    Ich glaube, Seiten sind bewegt worden, nach meiner Auffassung oft kaum gelesen worden, weil sie gar nicht mehr verarbeitet werden konnten.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Die Regierung hatte acht Tage Zeit, 20 Gruppen anzuhören, wir hatten acht Stunden, um über tausend Seiten Stellungnahmen von mehr als 40 Experten zu lesen und zu behandeln. Wer sollte dies politisch, inhaltlich noch zu einer Vorlage von Qualität verarbeiten?

    (Dr. Möller [CDU/CSU]: Das war überhaupt kein Problem! Wir haben das alles geschafft!)

    Was uns, gut gemeint, abgeliefert wurde, wurde zum Archivmaterial. Mit einem solchen Verfahrensweg verliert ein Parlament seine politische Kultur und ordnet seinen Auftrag Kabinettszielen unter. Trotz aller guten Ratschläge von Wissenschaftlern und Experten hat die Koalition ohne wesentliche qualitative Änderungen den Gesetzentwurf der Regierung zum neuen Baugesetzbuch durch die parlamentarischen Gremien gepeitscht.
    Daß die Qualität des Baurechts auf der Strecke geblieben ist, werden wir in den nächsten Jahren durch Reparaturnovellen erleben; sonst entscheiden wieder die Gerichte. Daß die kommunalen Bedürfnisse auf der Strecke bleiben, werden wir in den kommenden Jahren an unseren Städten und ihrem Zustand sehen und deutlich erkennen. Daß die Investitionen für notwendige Aufgaben ausbleiben und schon jetzt nicht mehr in den Stadtkassen sind, ist doch wohl unumstritten.
    Das Städtebaurecht der Zukunft muß im Dienst der Bürger stehen, die in den Städten wohnen; es darf nicht im alleinigen Dienst des Investors oder der Wirtschaft stehen.
    Ein Städtebaurecht der Zukunft muß Rechtssicherheit für Eigentümer, Mieter, Industrie und Gewerbe beinhalten und Interessen ausgleichen.

    (Dr. Möller [CDU/CSU]: Das haben wir erreicht!)

    — Herr Kollege Möller, es erfüllt nicht die Wünsche aller Bürger. Das Baugesetzbuch erfüllt die Wünsche von 3 bis 5% der Bevölkerung,

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    die in den nächsten Jahren als Investoren auftreten, zu Lasten von Natur und Landschaft, zu Lasten einer geordneten innerstädtischen Entwicklung und des Umweltschutzes und zu Lasten von über 90% der Bürger, die in unseren Städten leben. Wir Sozialdemokraten lehnen dies ab.

    (Beifall bei der SPD)