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ID1023904100

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    Plenarprotokoll 10/239 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 239. Sitzung Bonn, Freitag, den 17. Oktober 1986 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 18469 C Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zur Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Brokdorf Frau Hönes GRÜNE 18453 B Austermann CDU/CSU 18454 A Duve SPD 18455 B Beckmann FDP 18456 C Dr. Wallmann, Bundesminister BMU . 18457 B Kuhbier, Senator der Freien und Hansestadt Hamburg . . . 18459B, 18467 A Gerstein CDU/CSU 18461 A Heyenn SPD 18462 A Baum FDP 18462 D Frau Roitzsch (Quickborn) CDU/CSU . 18463 C Lennartz SPD 18464 C Uldall CDU/CSU 18465 C Schäfer (Offenburg) SPD 18467 B Schmidbauer CDU/CSU 18468 D Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Roth, Dr. Jens, Rapp (Göppingen), Bernrath, Daubertshäuser, Ibrügger, Dr. Klejdzinski, Kretkowski, Dr. Kübler, Müller (Schweinfurt), Oostergetelo, Pfuhl, Ranker, Stahl (Kempen), Dr. Schwenk (Stade), Frau Weyel, Wolfram (Recklinghausen), Dr. Vogel und der Fraktion der SPD Benachteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen — Drucksachen 10/5784, 10/6089 — in Verbindung mit Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Doss, Hauser (Krefeld), Wissmann, Hinsken, Landré, Dr. Unland, Pohlmann, Kraus, Hinrichs, Schulze (Berlin), Frau Will-Feld, Lenzer, Austermann, Bayha, Dr. Becker (Frankfurt), Dr. Blank, Bohlsen, Borchert, Dr. Bugl, Carstensen (Nordstrand), Dr. Czaja, Eigen, Engelsberger, Feilcke, Fellner, Funk, Frau Geiger, Dr. Götz, Haungs, Freiherr Heereman von Zuydtwyck, Frau Dr. Hellwig, Herkenrath, Höffkes, Dr. Hoffacker, Frau Hoffmann (Soltau), Hornung, Dr. Hüsch, Jäger (Wangen), Jagoda, Dr. Jobst, Jung (Lörrach), Kalisch, Dr.-Ing. Kansy, Keller, Dr. Kunz (Weiden), Dr. Lammert, Lattmann, Dr. Laufs, Linsmeier, Löher, Louven, Lowack, Frau Männle, Milz, Dr. Möller, Müller (Wadern), Niegel, Dr:Ing. Oldenstädt, Frau Pack, Rode (Wietzen), Dr. Rose, Rossmanith, Ruf, Sauer (Stuttgart), Sauter (Epfendorf), Sauter (Ichenhausen), Schartz (Trier), Schemken, Schmidbauer, Schreiber, Dr. Schroeder (Freiburg), Schulhoff, Schwarz, Dr. Schwörer, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Spilker, Dr. Stark, Stockhausen, Straßmeir, Strube, Susset, Frau Verhülsdonk, Graf von Waldburg-Zeil, Wilz, Wimmer (Neuss), Frau Dr. Wisniewski und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Grünbeck, Dr. Graf Lambsdorff, Bredehorn, Dr. Solms, Gattermann, Dr. Feldmann, Dr. Haussmann, Frau Seiler-Albring, Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Dr. Weng (Gerlingen), Cronenberg (Arnsberg) und der Fraktion der FDP II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 239. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. Oktober 1986 Lage und Perspektiven des selbständigen Mittelstandes in der Bundesrepublik Deutschland — Drucksachen 10/5812, 10/6090 — Roth SPD 18470A Hauser (Krefeld) CDU/CSU 18472 D Tatge GRÜNE 18476 A Grünbeck FDP 18478 A Rapp (Göppingen) SPD 18481 A Grüner, Parl. Staatssekretär BMWi . . 18483 C Doss CDU/CSU 18486 A Dr. Jens SPD 18487 D Hinsken CDU/CSU 18489 D Erste Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen und des Asylverfahrensgesetzes — Drucksache 10/6151 — Lowack CDU/CSU 18492 D Bachmaier SPD 18493 C Kleinert (Hannover) FDP 18494 B Ströbele GRÜNE 18495A Nächste Sitzung 18496 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 18497* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 239. Sitzung. Bonn, Freitag, den 17. Oktober 1986 18453 239. Sitzung Bonn, den 17. Oktober 1986 Beginn: 8.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 17. 10. Amling 17. 10. Frau Augustin 17. 10. Breuer 17. 10. Brunner 17. 10. Büchner (Speyer) * 17. 10. Carstensen (Nordstrand) 17. 10. Cronenberg (Arnsberg) 17. 10. Frau Dann 17. 10. Eickmeyer 17. 10. Ewen 17. 10. Dr. Faltlhauser 17. 10. Fischer (Bad Hersfeld) 17. 10. Franke (Hannover) 17. 10. Frau Fuchs (Köln) 17. 10. Dr. Geißler 17. 10. Dr. Götz 17. 10. Haase (Fürth) 17. 10. Dr. Häfele 17. 10. Handlos 17. 10. Hanz (Dahlen) 17. 10. Frau Dr. Hartenstein 17. 10. Hauff 17. 10. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 17. 10. Helmrich 17. 10. Hettling 17. 10. Höpfinger 17. 10. Ibrügger 17. 10. Jansen 17. 10. Jaunich 17. 10. Jung (Düsseldorf) 17. 10. Junghans 17. 10. Kiechle 17. 10. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Klein (Dieburg) 17. 10. Dr. Köhler (Duisburg) 17. 10. Dr. Kreile 17. 10. Kroll-Schlüter 17. 10. Linsmeier 17. 10. Dr. Müller * 17. 10. Müller (Wadern) 17. 10. Nagel 17. 10. Nelle 17. 10. Niegel 17. 10. Reuschenbach 17. 10. Sander 17. 10. Schartz (Trier) 17. 10. Dr. Scheer ** 17. 10. Schlatter 17. 10. Schmidt (Hamburg) 17. 10. Schröer (Mülheim) 17. 10. Freiherr von Schorlemer 17. 10. Schulte (Menden) 17. 10. Schulte (Unna) 17. 10. Dr. Solms 17. 10. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim 17. 10. Stobbe 17. 10. Stücklen 17. 10. Frau Dr. Timm 17. 10. Dr. Voss 17. 10. Dr. Waigel 17. 10. Werner (Ulm) 17. 10. Wiefel 17. 10. Frau Dr. Wisniewski 17. 10. Frau Will-Feld 17. 10. Wissmann 17. 10. Frau Zeitler 17. 10. Dr. Zimmermann 17. 10. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Roth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antworten der Bundesregierung auf die Großen Anfragen der SPD und der Koalitionsparteien zur Mittelstandspolitik zeigen in bemerkenswerter Klarheit, daß die Selbständigen von dieser Bundesregierung nicht viel zu erwarten haben. Die vom gesamten Mittelstand geforderte steuerfreie Investitionsrücklage wird rundheraus abgelehnt. Maßnahmen für die im ruinösen Wettbewerb stehenden Einzelhändler hält die Bundesregierung — ich zitiere — „weder für erforderlich noch für angezeigt". Zwei der erfolgreichsten Förderprogramme, das Eigenkapitalhilfegesetz und das Personalkostenzuschußgesetz für Forschung und Entwicklungsfragen sollen, so deutet die Antwort an, nach der Wahl verschwinden. Das sind die Kernaussagen der Bundesregierung zu wichtigen Bereichen der Mittelstandspolitik.

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, die Selbständigen in Handel, Handwerk, in den kleinen und mittleren Unternehmen der Industrie und in den freien Berufen sind ohne Zweifel das Rückgrat unserer Volkswirtschaft. Sie erbringen wichtige Leistungen z. B. für die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, für den Wettbewerb, für die Forschung und Entwicklung, für Innovation und insbesondere auch in der beruflichen Ausbildung und für den Arbeitsmarkt. Sie bilden über 80 % aller Lehrlinge in der Bundesrepublik aus und sie beschäftigen zur Zeit rund zwei Drittel aller Arbeitnehmer. Meine Damen und Herren, war vor mehreren Jahrzehnten die Schwerindustrie scheinbar der Schlüssel der volkswirtschaftlichen Entwicklung und schien noch vor einigen Jahrzehnten der multinationale Konzern der Träger der wirtschaftlichen Entwicklung, so wissen wir heute, welch großen und entscheidenden Beitrag die kleinen und mittleren Unternehmen für die ständige Erneuerung unserer Volkswirtschaft leisten.

    (Beifall bei der SPD)

    Sicherlich wäre es, meine Damen und Herren, eine Illusion zu glauben, daß Basisinnovationen in unserer Volkswirtschaft in den kleinen und mittleren Unternehmen stattfinden, obgleich das auch schon in der Wirtschaftsgeschichte vorkam. Aber die vielfältige Umsetzung der grundlegenden Innovation findet besonders in kleinen und mittleren Unternehmen statt. Um ein Beispiel zu nennen: Sicherlich ist die Entwicklung des elektronischen Hochleistungsspeichers Megabit auf das Großunternehmen angewiesen. Wir müssen sogar zustimmen, daß Siemens und Philips zusammenarbeiten. Aber die Umsetzung dieser Technik findet indessen in den vielen kleinen Unternehmen nicht nur der Industrie, sondern auch im Handwerk, auch im Dienstleistungsgewerbe statt. Das ist eine neue Tendenz der Wirtschaftsgeschichte, daß die Umsetzung vor allem auch dezentral erfolgt.

    (Beifall bei der SPD)

    Ohne die Mitarbeit und die Leistungsbereitschaft der Selbständigen sind die zentralen Herausforderungen, nämlich die Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit und die ökologische Erneuerung unserer Wirtschaft, nicht zu bewältigen.

    (Kolb [CDU/CSU]: Seit wann haben Sie diese Erkenntnis?)

    Die Bundesregierung bietet wenig konkrete Hilfestellung für diese Selbständigen bei der Überwindung ihrer spezifischen Nachteile. Dafür haben wir um so mehr ideologische Lippenbekenntnisse zum Mittelstand und vor allem Selbstzufriedenheit.

    (Hornung [CDU/CSU]: In Ihrer Regierungszeit!)

    Die Einleitung zu den Antworten der Bundesregierung trieft geradezu von Eigenlob über scheinbare Erfolge der Wirtschaftspolitik.

    (Mann [GRÜNE]: Das ist typisch für diese Regierung!)

    Meine Damen und Herren, richtig ist, daß diese Bundesregierung die besten internationalen Voraussetzungen hatte. Sie hatte geradezu eine Traumkonstellation, was die Außenwirtschaft anbetrifft.

    (Hornung [CDU/CSU]: Sie hat sie genützt!)

    1984/1985 wirkte der hohe Dollarkurs geradezu als Exportdroge, 1985/1986 wirkten die Ölpreissenkungen wie ein großes nationales Nachfrage- und Beschäftigungsprogramm. Es ist schon ein Kunststück, in dieser Situation neue Pleiterekorde zustande zu bringen.

    (Beifall bei der SPD)

    1986 werden es 14 000 Pleiten im Unternehmensbereich sein, 1985 waren es 13 500, 1981, im letzten vollen Regierungsjahr der sozialliberalen Koalition, waren es 8 500, also 5 000 weniger.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, angesichts dieser bedrückenden Zahlen ist der regierungsamtlich verbreitete Optimismus zynisch. Diese Bundesregierung hat die einmalige Chance eines weltweiten Konjunkturaufschwungs nicht nützen können. Sie hat ihn angesichts der immer noch mehr als 2 Millionen Arbeitslosen im vierten Jahr des Aufschwungs regelrecht verspielt.

    (Beifall bei der SPD Zurufe von der CDU/CSU)

    Leidtragende sind nicht nur die genannten Arbeitslosen, Leidtragende sind auch viele kleine Selbstän-



    Roth
    dige, an denen die wirtschaftliche Erholung in den letzten drei Jahren überwiegend vorbeigegangen ist.

    (Kolb [CDU/CSU]: In den Keller habt ihr sie geschickt!)

    Das gilt insbesondere für so typisch mittelständisch strukturierte Wirtschaftszweige wie Handel, Handwerk und Gaststätten. In diesen Wirtschaftsbereichen ging der reale Umsatz 1983, 1984 und 1985 zurück oder er stagnierte. Folgerichtig heißt es deshalb im Verbandsbericht der DEHOGA: „Die erwartete und angekündigte nachhaltige Entlastung der mittelständischen Wirtschaft und die damit erhoffte Verbesserung der Rahmenbedingungen ist bisher weitgehend auf der Strecke geblieben. Auch der vielgepriesene wirtschaftliche Aufschwung erfaßte nicht die breiten Bereiche der mittelständischen Wirtschaft und des Gastgewerbes." Das ist ein Zitat der DEHOGA, nicht aus der Sozialdemokratischen Partei.
    Eine der Hauptursachen für diese unbefriedigende Entwicklung lag auch darin, daß die Bundesregierung die Massenkaufkraft durch Steuern und Abgaben in Rekordhöhe auf die Arbeitnehmereinkommen sowie durch drastische Kürzungen der Renten und Sozialleistungen nachhaltig geschwächt hat. Dies muß zwangsläufig zu Auswirkungen auf mittelständische Betriebe führen, die in besonderem Umfang von der Binnennachfrage, also von der Kaufkraft der inländischen Kunden, abhängig sind.
    Hinzu kam, daß die Finanzpolitik dieser Bundesregierung die Investitionsquote des Bundeshaushaltes kontinuierlich gesenkt hat. Als sich für 1986 eine wirtschaftlich etwas bessere Lage für diese Wirtschaftsbereiche ergeben hat, so war dies nicht der Regierungskunst dieser Koalition, sondern dem drastisch gesunkenen Ölpreis zu verdanken.
    Angesichts dieser Sachlage muß man den Mut der Bundesregierung geradezu bewundern, die in ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage ankündigt, sie habe eine besonders erfolgreiche Politik zugunsten kleiner und mittlerer Unternehmen und freiberuflich Tätiger betrieben.
    Viele Selbständige bewerten dies übrigens völlig anders. Ich möchte Ihnen aus der Presse der vergangenen Wochen einige Schlagzeilen vorhalten. „Nord-Handwerk", Juni 1986: „Die Kleinen zahlen die Zeche."

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Leider wahr!)

    „Welt der Wirtschaft", September 1986, „FAZ": „Die freien Berufe fühlen sich von der CDU im Stich gelassen." .,,Handelsblatt", August 1986: „Bonn will den Mittelstand noch mehr benachteiligen." Und als Krönung: „Der Mittelstand in Deutschland wird getreten und gefoult — Mittelstand im Abseits." Aufruf der Mittelstandsinitiative Deutschland in der „Welt am Sonntag", August 1986.

    (Hinsken [CDU/CSU]: Was haben die denn über die SPD geschrieben?)

    Meine Damen und Herren, wir haben immer wieder kritisiert, daß diese Bundesregierung nichts zur
    Belebung des Binnenmarktes beigetragen, sondern ihn sogar abgetötet hat: Wir haben hier im Bundestag präzise Vorschläge gemacht. Ich nenne an erster Stelle unser Sondervermögen „Arbeit und Umwelt". Diese Umweltinvestitionsoffensive wäre gerade in die kleinen und mittleren Betriebe der Bauwirtschaft und der damit verbundenen Wirtschaft gegangen.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie haben das abgelehnt, obgleich die Notwendigkeit dazu besteht.
    Da die Bundesregierung mit der Zahl der Pleiten nun offensichtlich ganz schlecht abschneidet, versucht sie ihr Glück mit Zahlen zur Existenzgründung. Sie versucht, den Eindruck zu erwecken, unter ihrer Regierungsverantwortung habe eine geradezu große Existenzgründungswelle eingesetzt.

    (Hinsken [CDU/CSU]: Es ist doch so!)

    Auch hier ist es notwendig, einmal die Fakten zurechtzurücken. Ich lege dabei die Zahlen vor, die die Bundesregierung auf der Basis der Daten des Statistischen Bundesamtes in der Antwort auf unsere Anfrage selbst vorgelegt hat. Während die Zahl der Unternehmensgründungen in den Jahren der sozialdemokratisch geführten Bundesregierung von 1979 bis 1982 von 156 000 auf 270 000 gestiegen ist, also um 75 % in vier Jahren, stagniert die Zahl der Unternehmensgründungen — trotz Konjunkturerholung, trotz Aufschwung, wie Sie das nennen — seither bei unter 300 000. Es gibt keine Zuwachsraten mehr. Der positive Saldo von Unternehmensgründungen und Unternehmensliquidationen war im letzten Jahr unserer Regierungsverantwortung 63 000. Seitdem ist dieser Saldo kontinuierlich bis 1985 auf nur noch 34 000 netto zurückgegangen — und das im dritten Jahr des Konjunkturaufschwungs! An diesen Feststellungen können all die Statistiken, die Sie hier verbreiten, nichts ändern.
    Meine Damen und Herren, die Antworten der Bundesregierung auf die Großen Anfragen zur Mittelstandspolitik sollten zur Pflichtlektüre jedes Selbständigen werden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist richtig!)

    Die Bundesregierung behauptet, sie habe durch ihre Steuerpolitik kleine und mittlere Unternehmen gezielt entlastet.

    (Doss [CDU/CSU]: Ihr wollt sie neu belasten!)

    Tatsache ist, daß die dicksten Brocken der Steuergeschenke dieser Bundesregierung geradezu auf die Großunternehmen gezielt waren. Das bezieht sich vor allem auf die Vermögenssteuersenkung, die überwiegend auf die Großbetriebe gegangen ist.
    Die Steuerentlastungen dieser Bundesregierung haben also in erster Linie dazu geführt, die Großunternehmen noch zu stärken.

    (Mann [GRÜNE]: Das war aber zu Ihrer Zeit auch schon so! Herr Lambsdorff war immer dabei!)




    Roth
    Offensichtlich will die Bundesregierung diese Politik fortsetzen. Meine Damen und Herren, was soll es denn anderes sein, wenn das Hauptziel Ihrer Steuerpolitik die Absenkung des Spitzensteuersatzes ist? Wir wissen, daß die überwiegende Mehrheit der Selbständigenhaushalte nicht im Spitzensteuersatz liegt, sondern etwa bei 40 %. Warum nicht unser Tarifverlauf, der gerade in diesem Bereich Entlastung in großem Umfange bietet?

    (Beifall bei der SPD)

    Während die Bundesregierung in ihrer Antwort die Investitionsrücklage knallhart ablehnt, ziehen führende Unionspolitiker durch die Lande und verkünden, dieses steuerpolitische Instrument sei auch für sie unverzichtbar. — Herr Hinsken, steuerfreie Investitionsrücklage! Alle, voran der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Herr Hauser, der — soweit ich weiß — heute noch reden wird, gefolgt von allen übrigen Handwerksvertretern, vom Vizepräsidenten des Deutschen Handwerks Ruf bis hin zu allen Mittelstandspolitikern, sprechen von der steuerfreien Investitionsrücklage.
    Meine Damen und Herren, Herr Hauser, Herr Hinsken, wir geben Ihnen heute eine schöne Möglichkeit, bei der steuerfreien Investitionsrücklage ja zu sagen. Wir fordern eine spezielle Abstimmung zum Punkt 1 unserer Vorlage. Darin steht nur der Satz: Steuerfreie Investitionsrücklage soll eingeführt werden. Da werde ich einmal Ihr Abstimmungsverhalten hier im Raum beobachten!
    Die Bundesregierung behauptet, sie hätte die Wettbewerbssituation der kleinen und mittleren Unternehmen verbessert. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf ihre Novelle zum Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb. Tatsache ist, daß im Hearing im Wirtschaftsausschuß des Bundestages kein Verbandsvertreter diese Novelle unterstützt hat. Die Bundesregierung hat die Konzentrationstendenzen in der Wirtschaft nicht nur nicht bekämpft, sondern z. B. durch die von ihr eingeführte steuerliche Begünstigung beim Aufkauf insolvenzgefährdeter Unternehmen sogar noch verschärft.
    Meine Damen und Herren, angesichts der Tatsache, daß Konzentration und Machtmißbrauch in der Wirtschaft ständig zunehmen — das Sechste Monopolgutachten kommt eindeutig zu dieser Aussage —, halte ich das Nichtstun der Bundesregierung in der Wettbewerbspolitik für völlig unverantwortlich. Und wenn man hört, daß man auch in der nächsten Legislaturperiode keine durchgreifende Novelle zum Kartellgesetz zu erwarten hat, dann zeigt sich hier, daß das Abwarten und das Zulassen der Konzentration weiter fortgesetzt werden würde, falls Sie die Macht dazu hätten.
    Meine Damen und Herren, die Bundesregierung kündet in ihren Antworten an, daß sie das unter sozialdemokratischer Regierungsverantwortung entwickelte Eigenkapitalhilfe- und Personalkostenzuschuß-Programm für Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen kleiner und mittlerer Unternehmen nach der Wahl praktisch abschaffen will. Ich richte mich nun an die Bundesregierung, vertreten durch Herrn Grüner: Herr Grüner, es ist doch völlig zutreffend, daß die von uns gemeinsam — ich sage bewußt: auch von den Personen her — damals erarbeiteten Programme in den letzten Jahren erheblich zur Stärkung kleiner und mittlerer Unternehmen beigetragen haben: beim Gründen, beim Sichdurchsetzen und beim Forschen und Entwickeln. Weshalb setzt jetzt die Subventionsschere gerade an diesem Punkt an? Weshalb hat man Millionen und Abermillionen beispielsweise in der Landwirtschaft in Großbetriebe gesteckt?

    (Hornung [CDU/CSU]: Jetzt kommt das alte Thema!)

    Weshalb stärkt man nicht Forschung und Entwicklung im kleinen und mittleren Unternehmen, gerade in einer Phase, in der wir von der Elektronik her einen Entwicklungsschub haben? Warum kündigen Sie hier das Abschneiden an? Ich glaube, daß das ein typisches Beispiel dafür ist, wie sehr Sie sich in einer konzeptionslosen Subventionsdiskussion verfangen haben.
    Sie alle in der Koalition haben heute eine gute Chance, sich öffentlich von diesem Vorhaben der Bundesregierung, dem Abschneiden der Personalkostenzuschüsse und dem Abschneiden der Eigenkapitalhilfeprogramme zu distanzieren. Sie können — selten genug in einer Parlamentsdebatte — durch Ihre Beiträge hier etwas verändern. Herr Grüner, Sie können Abstand nehmen von diesem Vorhaben, das in Ihrer Antwort enthalten ist.
    Die Antworten der Bundesregierung auf die Großen Anfragen zeigen deutlich die Kluft zwischen Wort und Tat in der Mittelstandspolitik. Wir werden Ihnen einen Entschließungsantrag vorlegen, in dem wir unsere Schwerpunkte ganz knapp darstellen: Wir wollen eine steuerfreie Investitionsrücklage — das haben Sie bisher mit gefordert —, wir wollen eine wirksame Sicherung des Wettbewerbs, wir wollen — das hatten Sie über Jahre hinweg mitgetragen — das Eigenkapitalhilfe- und Personalkostenzuschußprogramm weiterführen, und wir wollen eine verbesserte Ausstattung bei Existenzgründung, insbesondere bei freien Berufen.
    Sie werden Gelegenheit haben, in aller Öffentlichkeit im Deutschen Bundestag deutlich zu machen, ob Sie diese bisher von Ihnen mitgetragenen Punkte innerhalb der nächsten Legislaturperiode im Deutschen Bundestag in den Abstimmungen weiter mittragen.
    Vielen Dank fürs Zuhören.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Hauser (Krefeld).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hansheinz Hauser


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin fast gerührt über das, was der Kollege Roth

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Fast!)

    — ja, nur fast; ich werde Ihnen auch gleich sagen,
    warum — alles zum Mittelstand vorgetragen hat.
    Ich muß wirklich sagen: Der Wandlungsprozeß bei



    Hauser (Krefeld)

    Ihnen in Richtung Mittelstand seit der Zeit Ihrer Opposition ist außerordentlich bemerkenswert,

    (Kolb [CDU/CSU]: Aus einem Saulus ist ein Paulus geworden!)

    denn alles das, was Sie hier vorgetragen haben, ist in den zurückliegenden zehn Jahren Gegenstand eingehender Beratungen gewesen. Da waren Sie diejenigen, die am lautesten gegen all das polemisiert haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Zu der Zeit, als Sie in der Regierung waren, arrangierten Sie eine Gelbe-Punkte-Aktion gegen den Einzelhandel,

    (Hinsken [CDU/CSU]: So ist es!)

    da versuchten Sie, die Belastbarkeit der Unternehmen zu testen, da wurden die Ausbilder als Ausbeuter diffamiert.

    (Kolb [CDU/CSU]: Jochen Steffen läßt grüßen!)

    Jetzt stellen Sie sich plötzlich hier hin und erzählen den Leuten von der Bedeutung des Mittelstandes, die Sie offenbar erst in den letzten Monaten erkannt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)