Rede von
Egon
Lutz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Ihnen liegt ein Bericht des Ausschußvorsitzenden Eugen Glombig vor, der deutlich macht, warum der Gesetzentwurf der GRÜNEN noch nicht abschließend beraten wurde.
Die eigentliche Ursache liegt darin, daß die Koalitionsparteien mit ihren Vorschlägen einer Arbeitszeitregelung nicht zu Potte gekommen sind. Beide Gesetzentwürfe wollten wir im Ausschuß und hier im Plenum gemeinsam beraten; aber daraus wird nun nichts.
Die Koalition bekam kalte Füße; denn ihr Entwurf ist j a nun wirklich das Allerletzte, ein Beispiel vorsintflutlicher Arbeitszeitpolitik. Er sieht vor: die 48-Stunden-Woche an sechs Werktagen, die Durchlöcherung der Sonn- und Feiertagsruhe, die Aushöhlung des Nachtarbeitsverbots für Frauen, das Unterlaufen der gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen durch Einzelarbeitsvertrag und so weiter und so fort und so schlecht. Ich weiß nicht, ob es schlechtes Gewissen oder politische Klugheit war: Die Neigung der Koalition, ihr Machwerk noch zu verabschieden, sank im Laufe der Monate auf Null, und da stehen wir heute.
Somit ist als Beratungsgegenstand nur noch der GRÜNEN-Entwurf verblieben. Denn unser Entwurf eines Arbeitszeitgesetzes war ja schon 1984 von einer Großkoalition aus CDU, CSU, FDP und GRÜNEN abgelehnt worden. Die GRÜNEN werden bis heute noch nicht so recht wissen, warum sie damals mit den anderen stimmten; aber das ist nicht unser Problem, das müssen sie mit den Arbeitnehmern abmachen. Oder meinten Sie wirklich, mit Ihrem Gesetzentwurf einen Volltreffer gelandet zu haben? Der ist ja nun wirklich vom Feinsten, ein Adventskalender der guten Absichten. Man liest ihn mit Staunen. Da verspricht man den Arbeitnehmern die 40-Stunden-Woche, eine bezahlte kollektive Verfügungszeit, eine bezahlte persönliche Verfügungszeit — und das täglich —, fünf bis zwanzig Tage bezahlte Freistellung bei Erkrankung eines Familienangehörigen, die bezahlte Freistellung für Bildungszwecke, die bezahlte Freistellung bei ehrenamtlicher Tätigkeit, einen weiteren bezahlten freien Tag pro Monat, die unbezahlte Freistellung bei Kindererziehung für drei Jahre, die unbezahlte Freistellung für sechs Monate innerhalb von sechs Jahren, die unbezahlte Freistellung für drei Jahre zur Pflege von Familienangehörigen und und. Das ist alles zu schön, um wahr zu sein. Das sind Luftschlösser, wie wir schon bei der ersten Lesung gesagt haben.
Wir Sozialdemokraten können und wollen da nicht mithalten. Wir wissen, daß man in Luftschlössern nicht wohnen kann und von Schaumschlägereien nicht satt wird. Wir bevorzugen die Hausmannskost realistischer Gesetzesvorschläge und meinen, genau das brauchen die Arbeitnehmer, und genau das erwarten sie von den Frauen und Männern, die sie in das Bonner Parlament geschickt haben.
Mit dem Gesetzentwurf der Koalition wird es Gott sei Dank in dieser Legislaturperiode nichts mehr. Der Himmel möge verhüten, daß Sie jemals in die Lage versetzt werden, in den nächsten vier Jahren damit Ernst machen zu können. Mit dem Gesetzentwurf der GRÜNEN wird es auch nichts. Wer verantwortlich politisch handeln will, die wirtschaftlichen Gegebenheiten einkalkuliert und das Machbare zu erreichen trachtet, der kann dem Entwurf nicht zustimmen. Wer ein modernes Arbeitszeitgesetz will, muß auf die nächste Legislaturperiode warten und auf die Sozialdemokraten setzen.
Mit unserer Mehrheit wird die 40-Stunden-Woche Gesetz und der Tarifvertrag mit noch kürzerer Arbeitszeit die Regel. Mit unserer Mehrheit werden wir die Überstunden drastisch reduzieren.
Die Schutzbestimmungen für Arbeitnehmer werden nicht ausgehöhlt, die Sonntagsruhe wird nicht angetastet. Da können Sie, Herr Bueb, lachen, solange Sie mögen. Wir machen Politik und malen keine Luftschlösser.
Wir wollen den realisierbaren Elternurlaub, den realisierbaren Bildungsurlaub und realisierbare Arbeitsbedingungen für die Arbeitnehmer, die uns hierhergeschickt haben. Ich finde, es lohnt sich, dafür zu kämpfen.
Ihren Antrag werden wir ablehnen. Es lohnt nicht, sich länger damit zu befassen.