Rede von
Lieselott
Blunck
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon grotesk: am Vormittag befassen wir uns mit dem Strahlenschutzvorsorgegesetz, das nur auf einen erneuten Unfall in einem Kernkraftwerk antwortet, zur gleichen Zeit übergeben die Frauen der SPD-Fraktion der Bundesregierung aus Anlaß des Erntedankfestes einen mit Nahrungsmitteln gefüllten Korb, um so die Minister und die Ministerin auf die Angst der Verbraucher, der Mütter vor belasteten, bestrahlten Lebensmitteln aufmerksam zu machen und die Bundesregierung endlich zum Handeln zu bewegen, und abends stopft eben diese Regierung nicht einmal das Loch im Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz, durch das bestrahlte Lebensmittel zu uns kommen können. Am wahrscheinlichsten wird es sich dabei um Gamma-Strahlen aus einem radioaktiven Isotop wie Kobalt 60 handeln. Weltweit sind immerhin schon 90 kommerzielle Kobalt-60-Anlagen in Betrieb. In Allershausen bei München ist eine Firma kräftig dabei, Gewürze für den Export zu bestrahlen. Und eben diese Firma beantragte beim Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit eine Ausnahmegenehmigung, um den heimischen Markt mit bestrahlten Gewürzen erobern zu können.
Abgesehen davon, daß ich die Notwendigkeit zur Bestrahlung bestreite, frage ich: Wo bleibt eigentlich mein Recht, als mündige Verbraucherin zumindest selbst zu entscheiden, ob ich dieses Zeug kaufen will?
Es gibt nicht einmal eine Kennzeichnungspflicht.
Einerseits geben wir, zwar sehr zögerlich und verhalten leise, Herr Wallmann und Frau Süssmuth, zu, daß wir fast nichts über das Strahlenrisiko wissen, andererseits wollen Sie aber gerade die Lebensmittelbestrahlung zulassen. Sterilisierte, tote Lebensmittel erhalten wir, um in den zweifelhaften Vorteil zu gelangen, daß beispielsweise Spargel oder Erdbeeren drei bis vier Wochen aufbewahrt werden können. Wir setzen nicht etwa bei den Ursachen der mangelnden Hygiene an, nämlich der artfremden Züchtung von Fleisch — als Stichwort nenne ich da nur Hähnchen, Kälber, Schweine — oder den kräftigen Gaben von Pflanzenbehandlungsmitteln, Keimstärkungsmitteln bei Getreide usw., nein, wir satteln statt dessen noch einen drauf und gönnen den so behandelten Nahrungsmitteln noch eine kräftige Strahlendosis. Wo bleibt Ihre Verantwortung, Frau Ministerin, gegenüber den Bürgern und Bürgerinnen? Sagen Sie nein zur Strahlenbehandlung. Stimmen Sie für den Verbraucher.
Das gleiche gilt im übrigen auch für die Trinkwasserfluoridierung. Zynisch könnte ich formulieren: Da die Quotenregelung beim Zucker nicht gegriffen hat, dürfen wir den eigentlich Schuldigen für die schlechten Zähne, selbstverständlich einschließlich der mangelnden Mundhygiene, nicht nennen, sondern verfahren nach dem Sandmännchenprinzip, „Viel Sand in die Augen, Fluor ins Trinkwasser, alle Bedenken weggeglaubt, und schon zieht die Karies Leine". Dem ist eben nicht so.
Die Sachverständigen in der nichtöffentlichen Anhörung bestätigen:
Es besteht kein Zusammenhang zwischen Fluoraufnahme und Kariesabnahme.
Meine Damen und Herren, aus diesem Grunde werden wir dem Gesetzentwurf der GRÜNEN zustimmen.
Sie sehen, welch hohen Stellenwert wir gesunden, möglichst unbelasteten Nahrungsmitteln beimessen. Folgerichtig stimmen wir für die Berufung eines Ernährungsrates. Selbstverständlich müssen wir eingehend über Zusammensetzung und Aufgabenkatalog beraten. Wir stimmen also dem Überweisungsbeschluß zu.