Rede von
Dr.
Manfred
Wörner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Lieber Kollege, das erste: Sie haben nicht zur Kenntnis genommen, daß es dank der Bemühungen der Bundesregierung gelungen ist, inzwischen in der Bundesrepublik Deutschland weniger Nuklearwaffen zu haben als in 20 Jahren zuvor. Wenn Sie das erreicht hätten, hätten Sie das als großen Triumph gefeiert.
Punkt zwei: In der Tat ist die Ankoppelung der Vereinigten Staaten von Amerika an Europa ein zentrales Anliegen deutscher und europäischer Sicherheit.
Nur dieser Schicksalsverbund sichert unsere Freiheit und sichert unseren Bürgern den Frieden. Das aber hängt nicht von einer Waffenart allein ab. Sicher gehört dazu ein politischer Wille und sicher gehört dazu die Präsenz amerikanischer Truppen. Sicher gehört dazu ein Waffen-Mix, der die Sowjetunion erkennen läßt, daß es keine Aussicht auf Erfolg hat, einen begrenzten Angriff, auch einen begrenzten nuklearen Angriff, auf Mitteleuropa zu führen, ohne dabei nicht sofort auch mit den Vereinigten Staaten von Amerika in einen Konflikt zu geraten. Weil die Sowjets das nicht wollen, ist das die Garantie, daß es hier nicht zu einem Krieg kommt. Das ist das eigentliche Ziel unserer Politik: Wir wollen den Krieg verhindern.
Es hat sich erwiesen, daß die Sowjetunion zu einer erheblichen Verringerung der Zahl ihrer nuklearen Mittelstreckenwaffen, insbesondere der modernen SS-20-Raketen, erst bereit war, nachdem die im Doppelbeschluß von 1979 vorgesehene Stationierung der amerikanischen Mittelstreckenraketen begonnen hatte. Die Bundesregierung hatte dies schon vor 1983 vorausgesagt. Ohne die Stationierung dieser Waffensysteme bei uns und in anderen westeuropäischen Bündnisländern hätte sich die Sowjetunion dazu mit Sicherheit nicht bereit gefunden.
Herr Scheer, ich kann gar nicht glauben, daß Sie wirklich meinen, was Sie gesagt haben, nämlich es sei der weltweite Protest, der die Sowjetunion dazu veranlaßt hat. Die Sowjetunion hat trotz des weltweiten Protests Woche um Woche eine SS-20 aufgestellt. Die Sowjetunion kümmert sich in Afghanistan nicht um den weltweiten Protest. Ich kann nur sagen, Herr Scheer: Das können Sie nicht ernst gemeint haben.
Nein, erst die Tatsache, daß die Sowjetunion gesehen hat: dieses Bündnis hält zusammen, dieses Bündnis baut eine eigene Option auf, dieses Bündnis hat etwas in der Hand, hat sie überhaupt wieder an den Verhandlungstisch gebracht. Nur dann, wenn Sie am Verhandlungstisch etwas zu bieten haben, können Sie sich auch einigen. Das ist genau das, was passiert ist.