Rede von
Dr.
Manfred
Wörner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Ich denke, daß die Wünsche, die Sie eben im Blick auf unseren Kollegen Genscher ausgesprochen haben, von uns allen geteilt werden.
Lieber Herr Stobbe, Sie haben den Versuch gemacht, wieder einmal über das hinwegzureden, was Sie in Nürnberg beschlossen haben. Daß ausgerechnet Sie das tun, hat einen komischen Beigeschmack.
Wir alle haben noch die Szene in Erinnerung, wo Sie in Berlin aus dem Parteitag Ihrer Partei auszogen und ausziehen mußten, weil die dort gefaßten Beschlüsse selbst mit Ihrer Auffassung von der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr zu vereinbaren waren.
Lieber Herr Stobbe, Sie reden jetzt wieder von struktureller Nichtangriffsfähigkeit. Sie stellen das als eine Forderung in den Raum — wie auch in Ihrem Antrag — an beide: an den Warschauer Pakt wie an die NATO bzw. die Bundeswehr. Sie wissen es besser, und ich weiß, daß Sie es besser wissen. Ich halte dem folgendes entgegen:
So wie das westliche Bündnis defensiv ist, so ist auch unser ... Beitrag ... defensiv. Die Bundeswehr ist weder nach ihrer Erziehung und Struktur noch nach ihrer Bewaffnung und Ausrüstung für eine offensive Strategie geeignet.
Das war ein Zitat: Willy Brandt am 28. Oktober 1969 im Deutschen Bundestag.
Ich meine, deutlicher geht es doch nicht mehr. Sie
versuchen doch inzwischen, einen Popanz aufzubauen, weil Sie sich nicht mehr trauen, das eigentliche Sicherheitsproblem Europas anzusprechen. Es besteht eben darin, daß wir unsere Truppen nur zur Verteidigung haben und gar nicht angreifen können, während uns der Warschauer Pakt überlegen ist und seine Truppen auf Angriff getrimmt hat. Das ist das eigentliche Sicherheitsproblem Europas.
Sie sollten den Mut haben, das beim Wort zu nennen. Deswegen — Herr Stobbe, das bringt uns doch nicht auseinander — müssen wir — Sie wie wir — in unseren Abrüstungsbemühungen darauf hinarbeiten, daß auch der Warschauer Pakt diese Fähigkeit verliert.
Das ist das Ziel unserer konventionellen Rüstungskontrollbemühungen.
Und nun zum eigentlichen Gegenstand dieser Debatte. Unser Ziel ist der Friede mit weniger Waffen. Das ist ein Ziel, das der Bundeskanzler Helmut Kohl mehrfach beschrieben hat,
ein Ziel, das diese Koalition von Anfang an
verfolgt hat. Wir meinen, was wir sagen. Daher unterstützen wir die Vorschläge einer drastischen Verminderung der Mittelstreckenwaffen
mit weltweit gleichen Obergrenzen.
Ich kann nur sagen: Wenn heute die Aussicht besteht, zu einem solchen Abkommen zu kommen, ist das ein großartiger Erfolg des Bündnisses, aber vor allen Dingen auch ein großartiger Erfolg der Politik dieser Bundesregierung und der sie tragenden Parteien.