Rede von
Wolfgang
Sieler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der tragische Zwischenfall am 18. September an der deutschtschechoslowakischen Grenze, der hier zur Diskussion steht, ist meines Erachtens für verbale politische Rundumschläge nicht geeignet. Das Verhalten der anderen Seite, meine Damen und Herren, läßt j a offensichtlich erkennen, wie ratlos und unsicher man zum Teil ist. Es läßt auch Betroffenheit erkennen.
Es ist ja schlimm genug, wenn Menschen am Eisernen Vorhang Leben und Gesundheit deswegen verlieren, weil sie in dem Staat und in der Gesellschaftsform, in die sie hineingeboren wurden, nicht leben und nicht bleiben wollen. Genauso grausam ist es, wenn dabei Menschen ihr Leben lassen müssen, die völlig unbeteiligt und friedlich auf unserem Staatsgebiet leben und der Fluchtverhinderungsmaschine der anderen Seite begegnen.
Wir verurteilen entschieden jede Gefährdung menschlichen Lebens durch den Einsatz von Schußwaffen an unserer Grenze. Es wäre aber ebenso töricht, meine Damen und Herren, zu glauben, mit verbalen Kraftsprüchen oder gar Drohungen diesen Zustand an unseren östlichen Grenzen, den wir ja alle beklagen, ändern zu können.
Oberstleutnant a. D. Johann Dick ist das tragische Opfer dieser Trennungslinie zwischen Ost und West. Er wird auch dadurch nicht wieder lebendig, daß der „Bayernkurier" und andere versuchen, diesen Fall zum Wahlkampfthema bei uns in Bayern, vor allem in der Oberpfalz zu machen.
Wir Sozialdemokraten, meine Damen und Herren, bedauern zutiefst den Tod dieses Menschen. Johann Dick, den ich als Standortältesten in meiner Heimatstadt Amberg kennen- und schätzengelernt habe, war ein guter Soldat und ein Demokrat. Für ihn war das Soldatsein der Pflichtbeitrag für eine wehrhafte Demokratie, für eine Demokratie, die fähig und willens ist, sich gegen jeden Angriff zu verteidigen. Er verstand seine Aufgabe als Friedensdienst.
Wenn wir seinen Vorstellungen und denen seiner Angehörigen politisch gerecht werden wollen, meine Damen und Herren, wenn wir es ernst meinen mit dem Frieden, dann sollten wir beharrlich weiter an konkreten Entspannungs- und Abrüstungsschritten arbeiten, bis schließlich diese unmenschliche Grenze verschwindet und überflüssig wird.
Johann Dick wäre — davon bin ich fest überzeugt —, sosehr uns sein Tod heute berührt und sosehr er seinen Angehörigen tiefe Schmerzen bereitet hat, nicht vergeblich gestorben.
Schönen Dank.