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ID1022915200

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    Plenarprotokoll 10/229 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 229. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 11. September 1986 Inhalt: Begrüßung des Ersten Stellvertreters des Vorsitzenden des Staatsrates der Volksrepublik Bulgarien und seiner Delegation . 17757 B Änderung der Überweisung des Antrags betr. Einführung von Bestandsobergrenzen zum Schutz der bäuerlichen Landwirtschaft und der Umwelt — Drucksache 10/2822 — an Ausschüsse 17757 B Begrüßung einer Delegation des australischen Parlaments 17782 D Zur Geschäftsordnung Volmer GRÜNE 17755 B Seiters CDU/CSU 17756 A Porzner SPD 17756 B Wolfgramm (Göttingen) FDP 17757 A Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1987 (Haushaltsgesetz 1987) — Drucksache 10/5900 — in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1986 bis 1990 — Drucksache 10/5901 — Dr. von Dohnanyi, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg . . 17757 D Dr. Friedmann CDU/CSU 17762 C Bueb GRÜNE 17766 B Cronenberg (Arnsberg) FDP 17768 B Sieler (Amberg) SPD 17772 B Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 17774 A Frau Fuchs (Köln) SPD 17783 A Frau Dr. Adam-Schwaetzer FDP . . . 17788 D Jagoda CDU/CSU 17792 C Wieczorek (Duisburg) SPD 17797 A Seehofer CDU/CSU 17799 C Dr. Wallmann, Bundesminister BMU . 17804A Dr. Hauff SPD 17812 B Dr. Laufs CDU/CSU 17819 D Dr. Müller (Bremen) GRÜNE 17824 B Frau Seiler-Albring FDP 17827 A Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI 17830 B Dr. Penner SPD 17834 D Dr. Miltner CDU/CSU 17840 B Ströbele GRÜNE 17843 D Dr. Hirsch FDP 17846 D Broll CDU/CSU 17848 D Schäfer (Offenburg) SPD 17851 B Kuhlwein SPD 17853 D Engelhard, Bundesminister BMJ . . . . 17855 C Dr. Emmerlich SPD 17858A Vizepräsident Westphal 17801 A Vizepräsident Stücklen 17824 A Nächste Sitzung 17860 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 17861* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. September 1986 17755 229. Sitzung Bonn, den 11. September 1986 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 12. 9. Antretter * 11. 9. Bahr 12. 9. Frau Borgmann 11. 9. Büchner (Speyer) * 11. 9. Eigen 12. 9. Frau Fischer * 11. 9. Dr. Geißler 11. 9. Dr. Götz 12. 9. Hanz (Dahlen) 12. 9. Dr. Hüsch 11. 9. Dr. Hupka 11. 9. Dr. Klejdzinski * 11. 9. Dr. Kreile 12. 9. Dr. Kronenberg 12. 9. Dr. Kübler 11. 9. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Landré 11. 9. Lenzer * 11. 9. Dr. Mitzscherling 12. 9. Dr. Müller * 12. 9. Nagel 12. 9. Frau Pack * 11. 9. Pöppl 12. 9. Dr. Riedl (München) 12. 9. Dr. Soell 12. 9. Dr. Sperling 12. 9. Dr. Stercken 12. 9. Frau Verhülsdonk 12. 9. Voigt (Sonthofen) 12. 9. Dr. Wieczorek 11. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
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    Rede von Dr. Friedrich Zimmermann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die letzten Tage und Wochen haben uns vor Augen geführt, daß wir weder national noch international von einem Nachlassen der terroristischen Bedrohung ausgehen können. Im Gegenteil, die zahlreichen Anschläge seit Jahresbeginn, der Mord an Beckurts und Groppler, drei Anschläge auf Bundesbehörden in kürzester Zeit offenbaren, daß eine neue Offensive eingeleitet worden ist.

    (Suhr [GRÜNE]: Vielleicht sagen Sie zuerst ein paar Worte zu Tschernobyl!)

    Dabei interessiert es die Öffentlichkeit wenig, wer letztlich hinter diesen Anschlägen steht, ob die Revolutionären Zellen, die Rote-Armee-Fraktion oder ihr Umfeld.
    Zwei Punkte machen mich besonders besorgt. Da ist einmal die Tatsache, daß die Terroristen ihre Ziele offenbar unbeirrt weiter verfolgen, ungeachtet ihrer faktischen ideologischen Isolierung in der Bevölkerung; denn der Ansatz, den einmal Meinhof und Mahler hatten, ging davon aus, daß das sogenannte Industrieproletariat in der Bundesrepublik die entscheidende Unterstützung für die Ziele der RAF darstellen werde, begleitet durch die Intelligenz der Jugend, gesellschaftliche Randschichten und andere. Aber schon die erste Generation der Terroristen hat erkennen müssen, daß dieser ideologische Ansatz gescheitert war.
    Aber es fanden sich immer wieder neue Täter, und das ist der andere besorgniserregende Grund. Es ist den Terroristen immer wieder gelungen, ihre Kader aufzufüllen und Personen aus dem Umfeld dazuzugewinnen. Diese gehen dann in den Untergrund, schließen sich — als letztes Glied der Kette — terroristischen Zirkeln an.
    In dieser Kette wird deutlich, was viele Fachleute schon seit Jahren beobachten — in diesen Tagen hat auch der frühere Präsident des Bundeskriminalamtes in einem Magazin diese Kette aus seiner Sicht bestätigt —,

    (Suhr [GRÜNE]: Ich denke, Sie lesen keinen „Spiegel"!)

    daß nämlich niemand von heute auf morgen Terrorist wird. Solche Karrieren beginnen weiter unten bei gewalttätigen Demonstrationen, bei Hausbesetzungen, bei Hilfsmaßnahmen, bei Unterstützungen

    (Rusche [GRÜNE]: Bei unsozialer Politik!)

    und schließlich bei den Terroristen selbst, und dann ist das Abtauchen in den Untergrund nur noch der letzte Schritt.
    Die Terrorismusbekämpfung durch unsere Sicherheitsbehörden orientiert sich an Maßnahmenkatalogen, die wir mit unseren Ländern vereinbart haben und die ständig fortgeschrieben werden. Wir brauchen — das zeigen die sechs Anschläge der letzten Monate — weitere Schutzmaßnahmen für Personen und Objekte. Die Anschläge auf den Bundesgrenzschutz in Heimerzheim, das Bundesverwaltungsamt, das Bundesamt für Verfassungsschutz zeigen, daß alle als Angriffsziele der Terroristen in Betracht kommenden Objekte geschützt werden müssen und daß eine ständige lageangepaßte Überprüfung der Konzeption erforderlich ist. Dabei ist eine absolute Sicherheitsgarantie weder möglich noch in unserer offenen Gesellschaft überhaupt machbar. Aber der sicherheitsmäßige Standard muß immer wieder verbessert, immer wieder den neuen Gegebenheiten angepaßt werden.
    Unsere Anerkennung und Unterstützung gilt unseren Sicherheitsbehörden, die gerade auch in der letzten Zeit — das sollte man nicht vergessen — beachtliche Erfolge erzielt haben. Ich nenne die Festnahmen in Rüsselsheim und Duisburg.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Ich darf hier auch sagen: Es ist immer wieder ermutigend, festzustellen, daß die Solidarität in der Bevölkerung vorhanden ist. Unser Sonderstab in Straßlach hat uns gesagt: Die Unterstützung der Bevölkerung war beispiellos. Sie haben so etwas in



    Bundesminister Dr. Zimmermann
    dieser Dichte, Häufigkeit, Freundlichkeit, in dieser Breite selten erlebt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Diese Solidarität ist ermutigend; wir brauchen sie. Denn ohne sie wäre eine erfolgreiche Bekämpfung des Terrorismus kaum erreichbar.
    Daß Sie von den GRÜNEN, wenn ich über den Terrorismus spreche und die Mitarbeit der Bevölkerung lobend erwähne, den Kopf schütteln, zeigt Ihre ganze geistige Haltung, die Sie hier an den Tag legen.

    (Breuer [CDU/CSU]: „Kopfjägermentalität" hat er gesagt! — Suhr [GRÜNE]: Wenn ich Sie sehe, muß ich den Kopf schütteln!)

    Ich werde mich weiterhin und wir werden uns weiterhin mit Nachdruck dafür einsetzen, daß unsere Sicherheitsbehörden die für die Terrorismusbekämpfung erforderlichen Mittel erhalten. Das kostet Geld im Personal- und Sachaufwand. Meine Damen und Herren des Deutschen Bundestages, ich rechne mit Ihrer Unterstützung, wenn der Haushalt in zweiter und dritter Lesung beraten wird.
    Ebenso wie der Terrorismus hat auch ein anderes Problem, ein sogenanntes modernes Gesellschaftsproblem, eine internationale Dimension, nämlich das Rauschgift und seine Kriminalität. Wir haben hier eine Stagnation auf hohem Niveau. Wie 1984, so gab es auch 1985 5 000 Rauschgiftdelikte. Die Zahl der Rauschgifttoten ist allerdings erheblich zurückgegangen — das ist erfreulich —, und zwar von 1979 bis 1985 auf rund die Hälfte.
    Aber einzelne Drogen wie Kokain, Haschisch und Marijuana haben trotz erheblicher und steigender Sicherstellungen von Polizei und Zoll hohe Zuwachsraten zu verzeichnen. Es wird nicht lange dauern, bis die Modedroge Crack aus den Vereinigten Staaten auch hier herüberkommt.

    (Rusche [GRÜNE]: Am Rhein wächst eben nicht nur Wein!)

    Wir haben 1985 ein Konzept zur Intensivierung der Rauschgiftbekämpfung vorgestellt. Seit Beginn dieses Jahres haben wir eine eigene Abteilung „Rauschgift" im Bundeskriminalamt mit neuen Ermittlungskapazitäten und neuen Stellen geschaffen. Wir haben an die Quellen der Rauschgiftströme, z. B. in das goldene Dreieck, nach Südamerika, eigene spezielle Rauschgiftbeamte entsandt. Wir haben den Mittelansatz für Ausrüstungs- und Ausbildungshilfe des BKA von 2 Millionen auf 3 Millionen DM erhöht.
    Wir sind mit dieser Konzeption, eigene Beamte — selbstverständlich im Einvernehmen mit den Regierungen — in die Quellenländer zu entsenden, die ersten in der westlichen Welt überhaupt. Das dauert lange. Aber nach ein bis zwei Jahren haben wir erste wichtige Erfolge. So lange dauert allerdings die Einarbeitung. Aber ich glaube, das kann sich sehen lassen.
    Ein neuer Straftatbestand soll geschaffen werden, der den vorsätzlichen und fahrlässigen Erwerb, Besitz und Gebrauch von Vermögenswerten aus
    Drogengeschäften einschließlich der sogenannten Geldwäsche pönalisiert.
    Wir streben darüber hinaus auf allen Ebenen im internationalen Bereich an, daß sich die betroffenen Länder bei der Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität unserem Standard angleichen.
    Kürzlich gab es eine Tagung der Exekutivbeamten bei den Vereinten Nationen. Wir haben dort eine Reihe von Empfehlungen durchgesetzt. Mit dem Brüsseler Zollrat und Interpol steht eine Tagung bevor. Auch beim nächsten Weltwirtschaftsgipfel wird es unter unserer Federführung eine neue Initiative zur Rauschgiftbekämpfung geben.
    Meine Damen und Herren, Kriminalität in jeder Form, in allen Erscheinungsformen ist für uns eine Herausforderung. Denn die Kriminalität bedroht die Freiheit, das Leben, die Gesundheit und das Eigentum. Deswegen müssen wir Sicherheit gewährleisten, so gut wir es können.

    (Suhr [GRÜNE]: Die Wirtschaftskriminalität! — Zuruf von der CDU/CSU: Da haben wir doch ein Gesetz gemacht! Das wissen Sie doch!)

    Lassen Sie mich ein weiteres wichtiges Thema anschneiden. Der Zustrom Asylsuchender in unser Land hat besorgniserregende Ausmaße angenommen. Das wissen Bund, Länder und Gemeinden.

    (Suhr [GRÜNE]: Gehört das zu den Kriminellen? — Ströbele [GRÜNE]: Jetzt kommt die Hetze!)

    — Herr Ströbele, daß Sie mir, bevor ich den ersten Satz überhaupt vollendet habe, unterstellen, daß ich hetzen würde, zeigt, was Sie für ein Mensch sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Ströbele [GRÜNE]: Wir kennen Sie doch! Sie wollen das zum Wahlkampfthema machen! Damit sind Sie hausieren gegangen! Auf Kosten der Armsten machen Sie Wahlkampf!)

    Es geht nicht darum — und das sage ich Ihnen ausdrücklich —, das im Grundgesetz verankerte Asylrecht in Frage zu stellen, denn dieses Asylrecht — und so heißt es — für politisch, rassisch oder aus religiösen Gründen Verfolgte bleibt unangetastet. Die Bundesrepublik wird also auch weiterhin ein Land bleiben, in dem wirklich politisch Verfolgte eine Zuflucht finden können. Auf dem „wirklich" liegt das Schwergewicht.

    (Dr. de With [SPD]: Sie haben aber vorher ganz schön für Verwirrung gesorgt!)

    Tatsache ist, daß wir seit 1984 — und wir hatten das schon einmal bei unserer Vorgängerregierung — einen Anstieg der Zahl der Asylbewerber haben. Wir hatten einen steilen Anstieg 1978/79 auf 1980; das war der letzte große Höhepunkt. Jetzt haben wir wieder einen Anstieg von 1983 auf 1984 und 1985, und kommen voraussichtlich in diesem Jahr — bei Steigerungsraten um 80 %, j a um 100 % — auf 74 000. Jetzt scheint der Rekord von 1980 überholt zu werden; denn schon Ende August hatten wir 67 000 Antragsteller. Wir werden in diesem Jahr



    Bundesminister Dr. Zimmermann
    über 100 000 Asylbewerber haben. Das sind Größenordnungen wie die der Städte Ulm oder Salzgitter. Wir liegen mit diesen Zugangssteigerungen weit an der Spitze innerhalb der Staaten Westeuropas.

    (Ströbele [GRÜNE]: Das stimmt nicht! Das ist falsch!)

    Wir haben zur Zeit 673 000 Flüchtlinge aller Kategorien — das stimmt ganz genau für Bund, Länder und Kommunen —, und zu den Kosten von 2,7 Milliarden DM kommt die humanitäre Flüchtlingshilfe hinzu. Auch hier stehen wir im internationalen Vergleich außerordentlich gut da.
    Von den Asylsuchenden wird ein geringer Prozentsatz — gegenwärtig 16 % — als politisch verfolgt im Sinne des Grundgesetzes anerkannt. Meine Damen und Herren, hier wird ja das eigentliche Problem deutlich. Diejenigen, die nicht wegen politischer Verfolgung, sondern in der Hoffnung auf bessere Lebensbedingungen ihre Heimat verlassen — auch das kann man verstehen —

    (Ströbele [GRÜNE]: Vielleicht auch aus Hunger!)

    oder die durch falsche Versprechungen von internationalen Schlepperorganisationen oder durch irreführende Angebote bestimmter Fluggesellschaften hierzu verleitet werden, machen die weit überwiegende Zahl der Asylbewerber aus. Die Konsequenzen — lange Dauer des Anerkennungsverfahrens, lange Ungewißheit über ihr zukünftiges Schicksal — haben nicht zuletzt die wirklich politisch, rassisch oder religiös Verfolgten zu tragen. Das heißt, wir dürfen dieser Entwicklung nicht tatenlos zusehen, denn durch diese Entwicklung wird das Grundrecht auf Asyl ausgehöhlt und damit mißbraucht. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage von Emnid hat gezeigt, daß rund drei Viertel der Bevölkerung der Auffassung sind, daß wir das Asylrecht zu großzügig handhaben.

    (Ströbele [GRÜNE]: Warum wohl? Durch die Hetze!)

    Im Jahre 1983, also vor drei Jahren, als Emnid diese Frage schon einmal stellte, war noch ein Drittel der Befragten der Ansicht, daß es eher zu eng gehandhabt werde. Das heißt, hier stellt sich ein politisches Problem, über das man nicht zur Tagesordnung hinweggehen kann. Wir haben ein vagierendes Potential von 15 bis 20 Millionen Flüchtlingen. Das, meine Damen und Herren, hat nicht das geringste mit Ausländerfeindlichkeit zu tun. Ausländerfeindlichkeit könnte allerdings dann entstehen, wenn wir keine Lösung finden,

    (Ströbele [GRÜNE]: Wenn Sie so weitermachen!)

    wenn die Probleme draußen bei den Kommunen,
    den Bürgermeistern und Landräten einfach nach
    dem Motto abgeladen würden: Seht zu, wie ihr damit fertig werdet. — Wir haben kaum lösbare Unterbringungsprobleme: Zelte, Baucontainer, Turnhallen. Sie kennen die Bilder. Wir können auch
    nicht dulden, daß gewissenlose Schlepperorganisationen den Leuten goldene Berge versprechen und
    daß profitsüchtige staatliche Fluggesellschaften, vor allem aus der DDR und der Sowjetunion, das letzte Geld der Leute kassieren und sie dann einer ungewissen Zukunft aussetzen. Ost-Berlin spielt eine besondere Rolle. Bei der Zahl von 67 000, die ich vorhin nannte, sind allein über Ost-Berlin 36 000 Asylbewerber eingereist, also mehr als die Hälfte. Das ist der Grund unserer Gespräche mit der DDR, in denen wir nachdrücklich eine Änderung dieser unhaltbaren Praxis fordern.
    Wenn wir den wirklich politisch Verfolgten helfen wollen, müssen wir den Mißbrauch dieses Rechts verhindern und damit Ressentiments und ausländerfeindlichen Tendenzen entgegenwirken. Wir haben zwei Entwürfe in den Koalitionsfraktionen beschlossen: Bundesrat, Bundeskabinett 26. August. Ich erwähne die wichtigsten Regelungen.
    Meine Damen und Herren, hier darf ich einmal sagen, daß wir Änderungen im Asylverfahrensrecht in den Jahren 1978, 1980, 1982 vorgenommen hatten, also dreimal, bevor diese Regierung angetreten ist, und jetzt wieder 1984 und 1986.

    (Zuruf von der SPD)

    — Zeitweise erfolgreich. Die letzte Spitze war leider 1980; es waren damals über 100 000 Bewerber, wie Sie wissen.

    (Dr. de With [SPD]: Dann ist es aber zurückgegangen!)

    Das heißt, alle zwei Jahre waren solche Änderungen notwendig. Aber nun sind wir wohl an der Grenze angelangt, wo die Schwelle unterhalb der Verfassung erreicht ist. Darauf wird noch einzugehen sein.
    Ich erwähne die wichtigsten Punkte der Neuregelung: Sogenannte Nachfluchtgründe, die häufig dargestellt werden, um der Abschiebung zu entgehen, sollen in Zukunft bei der Asylanerkennung unberücksichtigt bleiben.
    Eine Anerkennung soll ausscheiden, wenn der Betreffende bereits in einem anderen Staat vor politischer Verfolgung sicher war.
    Das Abschiebungsverfahren soll erleichtert werden.
    Die Verlängerung des Arbeitsverbots für die nicht anerkannten Bewerber steht in dieser Neuregelung, ferner eine wirksamere Gestaltung der Strafverfolgung von Schlepperorganisationen, eine Neuregelung des Verhältnisses von Asyl und Auslieferung.
    Darüber hinaus: Einschränkung des Transitprivilegs für weitere Problemstaaten; Androhung von finanziellen Sanktionen gegen Unternehmen des Luft- und Seeverkehrs bei Beförderung von Personen ohne die notwendigen Personaldokumente; Verschärfung der Bedingungen für die Erteilung von Sichtvermerken; personelle Verstärkung des Grenzschutzeinzeldienstes und des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Das hätten Sie schon lange machen können!)




    Bundesminister Dr. Zimmermann
    Ob und inwieweit all diese Maßnahmen und Vorschläge ausreichen werden, wird auch von der Asylpraxis unserer Nachbarstaaten abhängen. Hier, meine Damen und Herren, sind die Vorzeichen nicht gut. Bei einer angestrebten Harmonisierung des Asylrechts in Westeuropa etwa den hohen Standard unseres Art. 16 des Grundgesetzes erreichen zu wollen ist wohl eine Illusion.

    (Ströbele [GRÜNE]: Den wollen Sie doch ändern!)

    Unsere Nachbarn lassen die Schranken weiter und weiter herunter. Frankreich trifft einschneidende Maßnahmen bis hin zur Ausweisung durch den Präfekten ohne jedes gerichtliche Verfahren oder Verwaltungsverfahren.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Das gefällt Ihnen!)

    Dänemark hatte bereits im August eine Verschärfung seiner Bestimmungen beschlossen. Vor zwei Tagen hat der dänische Justizminister angesichts der überfüllten dänischen Aufnahmelager einen zwölfmonatigen Asylstopp gefordert.
    Mit den beschlossenen Maßnahmen, die ich hier dargestellt habe, haben wir nach meiner Auffassung unser Instrumentarium innerhalb der gegebenen Verfassungslage ausgeschöpft.

    (Zuruf der Abg. Frau Dann [GRÜNE])

    Wir werden in einem halben Jahr klarer sehen, ob wir Erfolg gehabt haben. Nach den Erfahrungen, die wir mit den Novellierungen, die ich vorher nannte, gemacht haben, erwarte ich keine Wunder.
    Sollte sich diese Skepsis bestätigen, so müssen wir erneut überprüfen, wie wir unsere humanitären und rechtlichen Verpflichtungen in Einklang mit unseren tatsächlichen Möglichkeiten bringen können. Dabei darf dann nach meiner Überzeugung auch die Erörterung der Frage nicht ausgeklammert werden, ob das verfassungsrechtliche Konzept des Art. 16 heute noch trägt

    (Aha! bei der SPD)

    oder ob wir zu einer Ergänzung der Verfassung gezwungen werden.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Bei Kohl hört man es anders! — Frau Dann [GRÜNE]: Nachtigall, ick hör dir trapsen!)

    Hierbei soll und wird es nicht darum gehen, den Schutz für die Menschen zu mindern, die aus politischen, rassischen und religiösen Gründen verfolgt werden.
    Im Hinblick auf die Herausforderungen, die wir im Bereich der inneren Sicherheit und bei der Asylproblematik haben, haben wir im Haushalt die notwendigen Vorkehrungen getroffen.

    (Dr. de With [SPD]: Sie müssen ein bißchen präziser werden!)

    Präzision ist dann erforderlich, Herr Kollege, wenn
    diese sehr komplexen Problematiken im richtigen
    Zeitpunkt besprochen werden können. Das ist sicher in diesem Wahlkampf nicht mehr der Fall.

    (Ströbele [GRÜNE]: Aha! — Rusche [GRÜNE]: Warten wir es ab!)

    Meine Damen und Herren, auch im Zivilschutz — das ist das nächste Thema, über das ich sprechen möchte — geht es um die Sicherheit unserer Bürger. Es geht darum, Vorsorge für den Fall von Katastrophen zu treffen, vor drohenden Gefahren rechtzeitig zu warnen und durch ärztliche Vorsorge und Schutzmaßnahmen Menschenleben zu retten. Die kontinuierlich steigenden Haushaltsansätze in diesem Bereich belegen, daß wir auch diese Aufgabe ernst nehmen.
    Von nicht geringer Bedeutung ist die weitere Verbesserung unserer rechtlichen und organisatorischen Grundlagen. Wir halten an dem Ziel fest, das Zivilschutzrecht neu zu ordnen, zu vereinheitlichen und in wichtigen Bereichen neu zu gestalten. Wir haben dieses Vorhaben gründlich mit den Bundesländern, den Hilfsorganisationen und den Verbänden erörtert und sind in unserer Zielsetzung dabei nachhaltig bestärkt worden. Da es hier ganz entscheidend auf die Zielsicherheit und Schnelligkeit des Einsatzes der vorhandenen Ressourcen ankommt, bildet die Fortentwicklung des Krisenmanagements einen weiteren Ansatzpunkt und Schwerpunkt dieser Arbeit.
    Die Schaffung eines zentral koordinierten Krisenmanagements für die Beherrschung großflächiger Risikolagen ist zur Zeit Gegenstand intensiver Erörterungen mit den Bundesressorts, den Ländern, den kommunalen Spitzenverbänden und den Hilfsorganisationen.
    Dabei besteht Einigkeit, daß das Krisenmanagement alle Arten von Gefährdungslagen erfassen muß. Großflächige grenzüberschreitende Risiken erfordern aber nicht nur angemessene Vorkehrungen im nationalen Bereich, sondern auch eine funktionierende internationale Zusammenarbeit. Wir haben zu diesem Zweck ein System bilateraler Hilfeleistungsabkommen mit unseren westlichen und südlichen Nachbarn geschaffen, das wir zur Zeit weiter vervollständigen. Auch mit der CSSR haben wir erste Kontakte aufgenommen.
    Zum Schluß will ich zwei weitere, nicht unwichtige Schwerpunkte herausgreifen. Wir haben seit vier Jahren der Kulturpolitik verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet. In der Koalitionsvereinbarung vom März 1983 wurde die Absicht erklärt, die Förderung von Kunst und Kultur im Rahmen der ihr verfassungsmäßig zukommenden Rechte im Interesse der nationalen Repräsentation zu verstärken. Dieses Versprechen hat die Bundesregierung eingelöst. Das beweisen nicht nur die Haushaltszahlen der einzelnen Jahre, sondern wir haben insbesondere die Bedingungen für die Fortentwicklung des kulturellen Lebens und für das künstlerische Schaffen in unserem Land durch zahlreiche Maßnahmen verbessert und neue Akzente in der Kulturpolitik gesetzt.
    Als solche Akzente nenne ich zusammenfassend: das mit den Ländern erzielte grundsätzliche Ein-



    Bundesminister Dr. Zimmermann
    vernehmen zur Errichtung einer Kulturstiftung der Länder unter wesentlicher Mitwirkung des Bundes, die Stärkung des privaten Engagements für Kunst und Kultur durch bessere Rahmenbedingungen für Künstler und gemeinnützige Stiftungen, wesentliche Verbesserungen auf den Gebieten der Filmförderung und der Denkmalspflege,

    (Rusche [GRÜNE]: Selektierung!)

    die Grundsatzkonzeption und das Aktionsprogramm zur ostdeutschen Kulturarbeit, das Kulturabkommen mit der DDR, das Förderprogramm „Bildung und Kultur", die Förderung des Kultur- und Geschichtsbewußtseins durch die Vorhaben einer Kunst- und Ausstellungshalle, eines „Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland", einer Mahn- und Gedenkstätte in Bonn sowie eines Deutschen Historischen Museums in Berlin.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Hinsken [CDU/CSU]: Das ist eine Bilanz! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Bravo!)

    Die Förderung der ostdeutschen Kulturarbeit ist uns ein besonderes Anliegen. Hiermit verfolgen wir das Ziel, die Geschichte und die kulturellen Leistungen des deutschen Volkes in seinen Ostgebieten und Siedlungsgebieten in Ost- und Mitteleuropa im Bewußtsein aller Deutschen zu erhalten.
    Die in der Grundsatzkonzeption des Bundesministers des Innern zur Fortführung der ostdeutschen Kulturarbeit aufgezeigten Vorhaben werden konsequent verwirklicht. Für die Folgejahre wird ein detailliertes Aktionsprogramm über den Sachstand und die weiteren notwendigen Maßnahmen in den einzelnen Bereichen erarbeitet.
    Ein Schwerpunkt dieses Ressorts des Bundesministers des Innern war und ist die Rechts- und Verwaltungsvereinfachung. Im Gegensatz zu unerfüllten Versprechungen frührerer Regierungen ist diese Regierung an die Arbeit gegangen.

    (Ströbele [GRÜNE]: Werden Sie einmal konkret!)

    Mit dem im Mai erschienenen Zweiten Bericht zur Rechts- und Verwaltungsvereinfachung liegt eine Bilanz dieser Bemühungen vor, die sich sehen lassen kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU -- Rusche [GRÜNE]: Bei wem?)

    Ich nenne zwei Vorhaben mit breiter Wirkung: erstens das Erste Rechtsbereinigungsgesetz, mit dem 24 Gesetze und Verordnungen sowie 106 Einzelvorschriften in 33 verschiedenen Gesetzen und Verordnungen aufgehoben werden; ein zweites Rechtsbereinigungsgesetz ist in der parlamentarischen Beratung. Zweitens gibt es die sogenannten blauen Prüffragen, mit denen neue Vorschriften auf ihre Notwendigkeit, Wirksamkeit und Verständlichkeit geprüft werden.
    Neue und veränderte Aufgaben werden uns zwingen, auch neue Gesetze zu machen. Wir müssen deshalb verstärkte Bemühungen darauf verwenden, die Qualität unseres Rechts zu verbessern; denn hieran wird die Glaubwürdigkeit unseres Rechtsstaates gemessen.
    Ich möchte die Gelenheit nutzen, den Mitgliedern der unabhängigen Kommission für Rechts- und Verwaltungsvereinfachung und ihrem Vorsitzenden, dem Kollegen Waffenschmidt, für ihre tatkräftige Unterstützung zu denken.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das ist keine Alibikommission, sondern eine Kommission, die mit Sinn für die Realitäten gearbeitet hat. Ich glaube, wir können uns einig sein, daß Rechts- und Verwaltungsvereinfachung keine einmalige Aktion, sondern ein dauerhaftes Ziel der Politik sein muß, das bei allen Tätigkeiten des Staates mitbedacht werden muß. Entbürokratisierung und Rechts- und Verwaltungsvereinfachung werden auch in den kommenden Jahren einen wichtigen Aufgabenbereich im Hause des Bundesministers des Innern bilden müssen.
    Ich habe mich in meinen Ausführungen auf einige Schwerpunkte der Innenpolitik beschränkt, besonders auf die, bei denen wir alle durch die aktuelle Entwicklung vor besondere Herausforderungen gestellt sind.
    Das bedeutet keine Geringschätzung für den übrigen Bereich der Innenpolitik. Ich nenne hier vor allem als Beispiel den Sport, den Hochleistungssport, wo wir uns ebenfalls durch beträchtliche Unterstützungsmaßnahmen bei der Bestellung hauptamtlicher Trainer und Honorartrainer und bei der Unterstützung der einzelnen Fachverbände in unserer nationalen Arbeit sehen lassen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich bin sicher, daß auch die Bereiche, die ich nicht genannt habe, in den weiteren Beratungen noch eine eingehende Würdigung erfahren werden.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Penner.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Willfried Penner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Zimmermann kann sich eigentlich nicht beschweren. Bei seinem Amtsantritt ist er freundlich begrüßt worden, und zwar nicht nur von denjenigen, die ihm politisch nahestehen: von FAZ, von „Welt", von „Handelsblatt".

    (Hinsken [CDU/CSU]: Von Penner!)

    Er ist fair auch von denen angenommen worden, die ihm vielleicht distanziert gegenüberstehen, bis zur „Zeit", die ihn als Eckstein dieser Bundesregierung bezeichnet hat.
    Herr Minister, bei einem solchen Start war eigentlich mehr zu erwarten. Bei solchen Startvorgaben hätten Sie mehr Schub bekommen müssen.

    (Rusche [GRÜNE]: „taz" noch nicht gelesen!)




    Dr. Penner
    Die schönen Tage ihre Amtsantritts waren bald vorüber, Herr Minister.

    (Ströbele [GRÜNE]: Jetzt spielt er nur noch Tennis!)

    Die Anforderungen der Alltagspolitik holten Sie sehr schnell ein. Sie waren und sind diesen nicht gewachsen.

    (Beifall bei der SPD und des Abg. Ströbele [GRÜNE] — Fellner [CDU/CSU]: Wer hat Ihnen denn das aufgeschrieben?)

    Fehler zunächst mehr im Tun, später durchweg durch Nichtstun häuften sich.

    (Ströbele [GRÜNE]: Tennisspielen!)

    Erfolge — immer noch zuverlässiger Gradmesser für und gegen Politik — blieben aus.
    Innenminister Dr. Zimmermann ist ins politische Abseits geraten.

    (Hinsken [CDU/CSU]: Das meinen Sie!)

    Er ist nur der Firma nach noch Minister, wird vom Amt getragen, ist aber nicht mehr willens und wahrscheinlich auch nicht mehr in der Lage, aus der ministeriellen Verantwortung heraus politisch zu gestalten, wie es der Auftrag des Amtes ist,

    (Ströbele [GRÜNE]: Gott sei Dank!)

    gleichviel, ob es um Umweltschutz ging, um Belange der inneren Liberalität, um innere Sicherheit, um Ausländerpolitik oder um die verbliebenen Ansätze von Amtsführung Ihrerseits, von einer Konzeption für die auch auf den öffentlichen Dienst zukommenden Fragen der Altersversorgung ganz zu schweigen.
    Der Bundesinnenminister ist politisch nicht mehr da. Er ist nicht mehr bayerischer Löwe — so er es denn je gewesen sein sollte —.

    (Ströbele [GRÜNE]: Das freut uns!) Er ist eher politischer Einzeller.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD — Ströbele [GRÜNE]: Gott sei Dank! — Hinsken [CDU/CSU]: Er ist deutscher Innenminister! Über wen sprechen Sie?)

    Und das hat seine Gründe.
    Ist Ihnen, Herr Dr. Zimmermann, denn gar nicht aufgefallen, daß die öffentliche Meinung und auch Einschätzung sich sehr rasch gegen Sie gekehrt haben, ja, seit einiger Zeit Sie überhaupt nicht mehr zur Kenntnis nehmen? Ich denke dabei nicht an die, die Ihnen anderer politischer Grundüberzeugungen wegen ohnehin reserviert, j a, skeptisch gegenüberstehen. Es sind die Konservativen, die das politische Urteil über Sie und damit gegen Sie gesprochen haben; es ist nicht etwa eine linke Meinungsmafia, die sich gegen Sie verschworen hätte. Im „Rheinischen Merkur/Christ und Welt" bewertet Wolfgang Wiedemeier den Politiker Zimmermann unter der Balkenüberschrift „Wenn der Stier" — gemeint sind Sie — „als Bettvorleger endet".
    Die regierungsfreundliche „Bonner Rundschau" leitartikelt nach den Luxemburger Beschlüssen zum umweltfreundlichen Auto unter dem Thema „Zimmermanns Waterloo". Das „Handelsblatt" kanzelt Sie wegen Ihres Verhaltens in der Spionageaffäre gnadenlos als „Mann ohne Format" ab. Selbst „Bild" wird nach der Entlassung Hellenbroichs ein „schales Gefühl" nicht los: „Hellenbroich wird entlassen, gewisse Politiker kleben am Amt". Das „Offenburger Tageblatt" fordert knapp und präzise: „reif zum Rücktritt".
    Selbst die durchweg fast regierungsamtliche „FAZ" geht auf Distanz. „Fragen an Zimmermann" heißt es in einer Ausgabe und höchst ungeschminkt in einer anderen: „Bleibt Zimmermann?".
    Wenn denn so etwas wie die von der Koalition postulierte geistig-politische Wende überhaupt einen Sinn machen soll, Herr Dr. Zimmermann, dann rechnet entlarvend Ihr Verbleiben im Amt dazu, und da Sie so verwegen sind, insonderheit über den Einzelplan 06 des Gesamthaushaltes um politisches Vertrauen für die Zukunft zu bitten, müssen Sie es sich gefallen lassen, daß wir resümieren und bilanzieren, weil es unsere Aufgabe ist und andere dies ohnehin nicht tun.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf des Abg. Fellner [CDU/CSU])

    Ich beginne mit der inneren Sicherheit. Sie haben zu Beginn der Legislaturperiode vor dem Innenausschuß Klage über das Ansteigen der allgemeinen Kriminalität geführt und gefordert, daß „einer zunehmenden Mißachtung von Gesetz und Recht alle Teile der Gesellschaft entgegenwirken müssen". Sie haben, Herr Minister, das Elternhaus, die Schulen, die Kirchen, sonstige Bildungseinrichtungen, die Politik und auch die staatlichen Organe dafür in die Pflicht nehmen wollen. Wir wollen nicht leugnen, daß den Bund bei der Kriminalitätsbekämpfung nur eine Teilverantwortung trifft. Trotzdem, Herr Minister, die Kriminalstatistik weist es aus — und es ist Ihre Kriminalstatistik —: Die Kriminalität ist auch während Ihrer Amtszeit nicht zurückgegangen. Das ist, soweit es Ihre Verantwortung angeht, auch nicht verwunderlich. Denn nach der Bewertung und der Aufforderung an die Gesellschaft mitzuhelfen, ist Ihrerseits nichts geschehen.
    Ich kann mir nicht denken, daß Sie Ihre Initiative zur Änderung des Waffenrechts dafür reklamieren, mit dem Sie neben dem Abbau bürokratischer Hemmnisse auch eine Aufweichung anstreben. So sollten z. B. Mindeststrafen für Verstöße gegen das Waffenrecht künftig nicht mehr als Verbrechen, sondern als Vergehen eingestuft sein und die Bedürfnisprüfung für den Erwerb nichtautomatischer Langwaffen entfallen. Herr Minister Zimmermann, ich frage Sie: ist das wirklich ein Beitrag zur inneren Sicherheit?

    (Beifall bei der SPD)

    Reichen Ihnen die fast 14 000 Fälle nicht, bei denen laut Statistik des Jahres 1985 mit der Schußwaffe bedroht und geschossen worden ist?
    Oder Ihre Initiative zum Sprengstoffrecht. Ist es tatsächlich, Herr Minister, der inneren Sicherheit dienlich, in diesem Bereich den Strafschutz zurückzunehmen und teilweise als Polizeiunrecht und da-



    Dr. Penner
    mit als Ordnungswidrigkeit einzustufen? Und das, obwohl Ihr Staatssekretär Neusel eine besorgniserregende Zunahme von Straftaten mit Sprengstoff gerade in jüngster Zeit der Öffentlichkeit mitteilen mußte?
    Herr Dr. Zimmermann, wir alle wissen, daß Kriminalität nie ganz zu vermeiden sein wird. Aber haben Sie wirklich alles in Ihren Kräften Stehende getan? Reicht der Appell an die Gesellschaft?
    Ich frage Sie weiter: Was haben Sie in der Ursachenforschung, bei der Bekämpfung der Gewalt an der Quelle getan? Ist das nicht gerade angesichts der ausufernden Gewalt geboten?
    Und wenn Sie Respekt auch vor dem Eigentum fordern, frage ich Sie: Haben Sie bedacht, mit welch immer raffinierter werdenden Methoden in der Werbung gerade bei jüngeren Leuten Begehrlichkeiten geweckt werden und damit der Schutz des Eigentums eingeebnet wird?

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Wenn wir gerade bei Sicherheitsfragen sind, Herr Minister, was ist denn aus Ihrer Initiative zum Zivil- und Katastrophenschutz geworden?

    (Zuruf von der SPD: Nichts!)

    Unsere Reserven beim Schutzraumbau sind Ihnen sicherlich bekannt; aber das ist nur eine Seite. Wenn Sie Zivil- und Katastrophenschutz immer für ein wichtiges Anliegen gehalten haben, wenn es — ich zitiere — „eine entscheidende, eine lebenswichtige, existentielle Aufgabe sein sollte, in all diesen Bereichen zu Verbesserungen zu kommen", wie es Ihr Parlamentarischer Staatssekretär Spranger vor dem Innenausschuß formuliert hat, wo sind Ihre gesetzlichen Initiativen denn geblieben?

    (Zuruf von der SPD: Im Bunker!)

    Nein, Herr Minister, der maschinenlesbare Personalausweis, die Schleppnetzfahndung mit ihren unrühmlichen parlamentarischen Begleitumständen

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ihr Boykott!)

    ohne Sicherheitszuwachs, die unzureichenden personellen Verbesserungen beim Bundesgrenzschutz bewahren Sie nicht. Ein Gralshüter der inneren Sicherheit namens Dr. Zimmermann existiert nicht!

    (Beifall bei der SPD)

    Es bleibt die ständig verblassende Erinnerung an eine Kunstfigur Zimmermann, die mit den Anforderungen des Regierens auch bei der inneren Sicherheit nicht zurechtgekommen ist.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Aber Sie müssen sie stehen lassen!)

    Der bayerische Löwe hat nicht gepackt, er ist bestensfalls zum Angstbeller geworden.
    Ich komme zu dem Thema Liberalität und Frieden in der Gesellschaft, auch geistig-politisches Klima, für das der Innenminister besondere Verantwortung trägt. Sie haben in diesem Zusammenhang eigentlich nur das Gewaltmonopol und damit zusammenhängende Fragen im Auge, Herr Minister. In Ihren Zielvorgaben im Innenausschuß zu
    Beginn der Legislaturperiode haben Sie die Verhinderung des Mißbrauchs des Demonstrationsrechtes erwähnt. Die Polizei, so haben Sie gesagt, müsse wieder die Möglichkeit erhalten, dem Versteckspiel von Gewalttätern durch Strafbewehrung ein Ende zu setzen. Sie haben hinzugefügt, Sie würden keiner Regelung zustimmen, die ineffizient sei. Genau das aber haben Sie getan: Auch Sie haben jener unsäglichen Mißgeburt des § 125 des Strafgesetzbuches — Landfriedensbruch — zugestimmt, eines Tatbestands, der weder mehr Rechtsfrieden bewirkt noch justitiabel ist.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der SPD: So ist es!)

    Sie sind geradezu besessen von der Idee, einen Straftatbestand gegen Vermummung bei Demonstrationen einzuführen, und hören nicht auf den Rat von Fachleuten, daß Vielstraferei dem Rechtsfrieden und der Stärke des Strafrechtes nicht dient. Sie wollen nicht zur Kenntnis nehmen, daß die Abgrenzungsprobleme zu nichtanstößiger Bekleidung unüberwindbar sind, beispielsweise beim Tragen von Brillen, beispielsweise beim Tragen von Schals und beispielsweise beim Tragen von Motorradhelmen.

    (Zuruf von der SPD: So ist es!)

    Sie wollen nicht zur Kenntnis nehmen, daß das Ordnungswidrigkeitenrecht wegen des damit verbundenen Opportunitätsprinzips für die Verfolgung von Verstößen gegen Vermummung besser geeignet ist, ohne daß der Gewalttäter damit straflos gestellt würde.

    (Marschewski [CDU/CSU]: Sie haben das gerade kritisiert und gesagt, das sei falsch!)

    Der Gewalttäter macht sich j a ohnehin in vielerlei Hinsicht strafbar: wegen Körperverletzung, wegen Totschlags, wegen Mordes, wegen Verstößen gegen das Waffen-, das Versammlungs- und das Sprengstoffrecht. Nur muß das geltende Recht durchgesetzt werden, Herr Minister!

    (Beifall bei der SPD)

    Die Täter müssen zur Verantwortung gezogen und bestraft werden. Glauben Sie denn allen Ernstes, Herr Minister, ein Straftatbestand der Vermummung würde der Gewalt in unserer Gesellschaft steuern und

    (Frau Hürland [CDU/CSU]: Hoffentlich hören das alle Polizeibeamten, was Sie jetzt sagen! — Zuruf von der CDU/CSU: Das schicken wir der Polizei zu!)

    Unfriedlichkeiten bei Demonstrationen abhelfen? Meinen Sie, daß einer, der zum Mord bereit ist, deshalb nicht straffällig wird, weil es einen Straftatbestand der Vermummung gibt? Ich denke, Ihnen geht es um ganz anderes.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So gelingt es aber immer weniger!)

    Sie akzeptieren die freiheitliche Substanz des
    Grundrechts des Demonstrierens, der freien Mei-



    Dr. Penner
    nungsäußerung nicht, wenn Ihnen eine Meinung nicht paßt.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der SPD: So ist es!)

    Sie nehmen Gewalttätigkeiten zum Vorwand, das Freiheitsrecht selbst auszuhebeln. Es genügt nicht, daß Sie alle Formen demokratischer Kritik „voll respektieren", wie Sie das vor dem Innenausschuß geäußert haben. Die Regierung und insonderheit der Innenminister müssen mehr tun. Sie haben entsprechend dem, was die Verfassung wörtlich garantiert, u. a. dafür Sorge zu tragen, daß alle das Recht ausüben können, sich „friedlich und ohne Waffen zu versammeln".

    (Beifall bei der SPD — Marscheswki [CDU/CSU]: Sehr richtig: Friedlich! Nicht vermummt, nicht mit Gewalt! Friedlich!)

    Dazu paßt es nicht, die Polizei mit Hartgummigeschossen auszustatten, Herr Minister.

    (Vosen [SPD]: Das wollen die auch gar nicht!)

    Kommen Sie, Herr Minister, im Interesse von uns allen davon ab, die Polizei zu einer Art Bürgerkriegsarmee umzumodeln.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich beschwöre Sie, das auch nicht mit dem Bundesgrenzschutz zu beginnen. Die Polizei darf nicht für politische Versäumnisse herhalten. Sie kann es auch gar nicht.

    (Vosen [SPD]: Und will auch nicht!)

    Sie haben in diesem Zusammenhang an die Durchsetzung rechtmäßiger Entscheidungen erinnert und dabei sicherlich auch an die Entscheidung zu Wackersdorf gedacht. Herr Minister, wir alle wissen, daß das Mehrheitsprinzip in der Demokratie tragend ist und bleiben muß. Aber wir wissen auch, daß wir gerade deswegen, weil das Mehrheitsprinzip bei uns in die Form der repräsentativen Demokratie eingebettet ist, um so mehr gehalten sind, mit der Minderheit im Gespräch zu bleiben, die Fähigkeit zum Dialog zu behalten.

    (Beifall bei der SPD)

    Wenn es auch schwerfällt, Herr Minister, und die Geduld der Mehrheit sehr beanspruchen, ja, sogar strapazieren sollte: ist es nicht verantwortbar, ja, ist es nicht richtig, auch einmal innezuhalten und zu warten, wenn dadurch das hohe Gut des gesellschaftlichen Friedens bewahrt werden kann?

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Minister, das ist die Frage, der Sie sich zu stellen und die Sie auch zu beantworten haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Es mag Zufall sein, daß Sie die Neuregelung des Bundesdatenschutzgesetzes in Ihrem Arbeitsprogramm zwischen dem Personalausweisrecht und der Verschärfung des Demonstrationsrechts eingereiht haben. Kein Zufall jedoch ist es, sondern Ausdruck Ihrer politischen Überzeugung, daß Sie den Datenschutz der inneren Sicherheit zugeordnet haben. Sie müssen geradezu verrannt sein in die Idee, in Datenschutz und innerer Sicherheit prinzipielle Gegensätze zu sehen, wobei sich der Datenschutz ebenso prinzipiell den Belangen der inneren Sicherheit unterzuordnen habe. Dabei meint es unsere Verfassung ganz anders. Datenschutz gründet sich unmittelbar aus der Verfassung selbst, sichert Personalität und Menschenwürde. Die innere Sicherheit garantiert Freiheit, Leben und körperliche Unversehrtheit. Es handelt sich also bei beiden Prinzipien um Verfassungspositionen. Nur soll die innere Sicherheit diese Positionen nicht mit allen Mitteln schützen dürfen, sondern nur mit denen des Rechtsstaats, weil anders das zu schützende Rechtsgut selbst Schaden nähme.

    (Beifall bei der SPD)

    So ist es bei der Strafverfolgung selbstverständlich, daß es auch Ermittlungshindernisse gibt, weil natürlich nicht gefoltert werden darf, weil es Auskunftsverweigerungsrechte gibt, weil es Belehrungs- und Beistandspflichten gibt und viele Ermittlungshandlungen nur mit richterlicher Genehmigung zulässig sind.

    (Breuer [CDU/CSU]: Was soll das jetzt? Stellt das jemand in Frage?)

    Das alles macht rechtsstaatliche Qualität aus, die wir hoffentlich alle bewahren wollen. Und dazu paßt es nicht, die eine grundgesetzlich gesicherte Position der inneren Sicherheit gegen die andere grundgesetzlich gesicherte Position des Datenschutzes auszuspielen und umgekehrt, Herr Minister. Da kann man nichts über einen Leisten spannen und sich in Prinzipien verrennen. Da muß man wägen. Aber das wollen Sie nicht. Das kann man auch an Ihren Dauerauseinandersetzungen mit dem Datenschutzbeauftragten erkennen, ob es nun um dessen Personal oder die Überprüfung beim Verfassungsschutz geht.

    (Fellner [CDU/CSU]: Das hat es schon immer gegeben!)

    Man wird den Eindruck nicht los, daß nach Ihren politischen Grundausrichtungen Sie mit dem Datenschutz wenig oder gar nichts anfangen können, richtigerweise der Datenschutz nach Ihrer Überzeugung eher abgewehrt werden müßte. Sie haben sich auch bezeichnenderweise auf Strafandrohungen — zunächst jedenfalls — versteift, als das Problem der Verweigerung bei der Volkszählung ins Haus stand.

    (Fellner [CDU/CSU]: Bei eurem Gesetz haben wir das gebraucht!)

    Es ist auch kein Wunder, daß Sie nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Recht der informationellen Selbstbestimmung kaum einen Schritt vorwärtsgekommen sind, obwohl zunächst Sie und der Justizminister gefragt sind.
    Der Innenminister hat sich als Verfassungsminister im Sommer 1983 verabschiedet. Sie haben damals eine zugegebenermaßen völlig unzureichende Novelle des Bundesdatenschutzgesetzes aus Ihrem Hause zurückgezogen. Sie haben aus diesem Anlaß der Innenministerkonferenz des Bundes und der



    Dr. Penner
    Länder erklärt, das Bundesinnenministerium werde keine neue Novelle vorlegen. Die Initiativen sind dann auf die Koalitionsfraktionen übergegangen. Aber auch dabei ist nichts herausgekommen.

    (Fellner [CDU/CSU]: Es war notwendig, euer Gesetz zu ändern!)

    Zum inneren Frieden der Gesellschaft gehört auch, Herr Minister, welche Lebensplanungen Sie für die anbieten, die aus anderen, zum Teil aus fernen Ländern zu uns kommen. Sie haben unter dem Kürzel Ausländerpolitik dazu Vorstellungen entwickelt und sind damit im Kabinett voll aufgelaufen und gescheitert. Kein Sachkundiger, der bestreiten könnte, ein wie steiniges Terrain die Ausländerpolitik ist. Aber Sie haben sich in diesem Bereich politischen Verantwortens schon sehr früh den Weg selbst verstellt. Denn Sie haben schon 1982 die rational unbegründete Furcht artikuliert, „die Deutschen könnten im eigenen Lebensreich zur Minderheit werden". Schon damals haben Sie, Herr Minister, entgegen den weichen Tönen hier, die Schleusen für Vorurteile, für Engstirnigkeit, für völkische Neigungen und was der Unappetitlichkeiten mehr sind, geöffnet und, weil Sie Minister sind, auch hoffähig gemacht.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie haben Ausländerpolitik „mit der Brechstange", wie Ihnen öffentlich vorgehalten werden mußte, machen wollen. Sie haben dabei geflissentlich verdrängt, daß kein Gastarbeiter ungerufen gekommen ist, daß keiner nicht begraucht worden ist.
    Sie stehen an der Spitze, Herr Minister, wenn es um Menschenrechte anderswo, beispielsweise in Afghanistan, geht. Wo wir aber selbst betroffen sind, wo wir selbst gefordert sind, macht es Ihnen nichts aus, den bei uns lebenden Ausländern elementare Rechte vorzuenthalten.

    (Beifall bei der SPD)

    Daß dabei auch und sehr massiv Belange der Familie beschädigt, j a zerstört werden, wirft ein bezeichnendes Licht auf die Konsistenz familienfreundlicher Überzeugungen der CSU.

    (Zuruf von der SPD: Das kann man wohl sagen!)

    Nein, Herr Minister, wer das ins Werk setzt, was Sie mit den Ausländern vorhaben, verabschiedet sich von der politischen Moral und redet einem rücksichtslosen Egoismus das Wort.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Menschen verkümmern zu Vorgängen, zu Aktenzeichen, zu Problemen, zu kalten Begrifflichkeiten, wenn Sie das politische Sagen hätten und behalten sollten. Sie machen dabei auch vor dem Asylrecht nicht halt. Ganz im Gegenteil, Sie haben es mit anderen zuwege gebracht, daß dieses Gütesiegel unserer Verfassung ins Gerede gekommen ist, ja, daß das Wort Asyl zu einer Art Schimpfwort zu werden droht. Dabei geht es um eigentlich Selbstverständliches. Die Bundesrepublik garantiert in Ihrer Verfassung, daß politisch Verfolgte Asyl genießen. Das ist der Text der Verfassung. Damit macht unser Staat den Menschen, die wegen ihrer politischen Überzeugung um ihr Leben, um ihre Freiheit, um ihre körperliche Unversehrtheit fürchten müssen, ein Schutzangebot. Der Parlamentarische Rat, die Mütter und Väter der Verfassung, wußten, um was es ging, zum Teil aus eigenem, aus persönlichem Erleben. Sie waren sich auch bewußt, daß sich Menschen auf diese Garantie berufen könnten, ohne politisch verfolgt zu sein.

    (Marschewski [CDU/CSU]: Ohne Mißbrauch!)

    Trotzdem haben sie sich dafür entschieden. Ich denke, es ehrt diese Männer und Frauen der ersten Stunde, daß sie diese Entscheidung bei den Grundrechten verankert haben. Jetzt, in der Stunde der Bewährung, wollen Sie, Herr Bundesinnenminister, und Sie, Herr Bundeskanzler, damit nichts mehr zu tun haben. Sie, Herr Bundeskanzler, sonst in Fragen politischen Erbes nicht gerade pingelig, sind drauf und dran, sich aus diesem Vermächtnis herauszustehlen.
    Natürlich haben wir alle gelesen, daß der Bundeskanzler im Kabinett an das Schicksal der katholischen Ordensschwester Edith Stein erinnert hat, die in Auschwitz nicht hätte umgebracht werden können, wenn ein für sie anhängiges Asylverfahren weniger bürokratisch gehandhabt worden wäre. Und wir haben auch nicht überhört, daß Diepgen, Laurien, Fink, Hasselmann und andere hochrangige Politiker der Union zur Mäßigung raten, j a, eine Grundgesetzänderung ablehnen. Wir wollen mal sehen, was aus ihren mäßigenden Tönen wird, Herr Zimmermann.
    Herr Dr. Kohl hat vor seiner Partei noch in der vergangenen Woche beteuert: „Die Bundesrepublik bleibt eine Heimstatt für Verfolgte." Aber, was hat der Bundeskanzler denn in praxi gemacht? Herr Dr. Kohl, der nicht müde wird, zu betonen — er hat das gestern noch getan —, er würde dem Druck der Straße nicht weichen, wird eins mit der Straße. Er genießt das Gegröle der Straße, wenn im Wahlkampf auf der Straße verkündet wird, aller Wahrscheinlichkeit nach sei eine Änderung des Grundgesetzes nötig.

    (Beifall bei der SPD — Marschewski [CDU/CSU]: Sie müssen mal zu den Genossen nach Wuppertal gehen und die fragen, was sie zu diesem Zeug sagen!)

    Also doch: Künftig keine Schutzgarantie mehr für politisch Verfolgte? Oder haben Sie wie Strauß noch anderes im Sinn? Wollen Sie etwa die Rechtsweggarantie nach Artikel 19 kassieren und damit auch auf anderen Feldern eine unkontrollierte Allmacht der öffentlichen Gewalt wiederbeleben helfen?
    Dem Bundeskanzler kann ich den Vorwurf der Zwielichtigkeit nicht ersparen. Manches sieht in der Union nach berechneter Arbeitsteilung aus: Die einen fürs „Weiche", um in der Diktion Geißlers zu bleiben, die anderen für Stimmungen und Stimmen der Straße.

    (Weiß [CDU/CSU]: Was haben Sie gegen die Straße?)




    Dr. Penner
    Der Bundesinnenminister, der als Verfassungsminister im Interesse des inneren Friedens mäßigend wirken müßte, steht an der Spitze der Bewegung

    (Frau Hürland [CDU/CSU]: Welche Bewegung denn?)

    und trägt durch unverantwortliches Gerede dazu bei, daß die Sprachlosigkeit zunimmt, Trennendes vertieft wird, ja, Haß und Feindschaft wachsen können, Menschen gegeneinander aufgebracht werden.

    (Hinsken [CDU/CSU]: Haben Sie auch Kontakt zu Ihrer Basis im Wahlkreis?)

    Herr Minister, wenn Sie es doch begreifen wollten: Auch in einer Demokratie darf sich der innere Friede nicht auf Gesetze und deren Beachtung reduzieren lassen.

    (Beifall bei der SPD — Hinsken [CDU/ CSU]: Denen werde ich Ihre Rede zuschikken, damit die wissen, was Sie sagen!)

    Wenn es denn eine Aufgabe für den Innenminister auf diesem Gebiet gibt, dann die, nicht zu erlahmen in dem Bemühen, ständig den Ausgleich, die Balance für die Menschen in unserem Land finden zu helfen und die Zäune möglichst niedrigzuhalten.
    Herr Minister, Sie waren für den Umweltschutz zuständig. Diese ursprüngliche Kompetenz hat Ihnen der Bundeskanzler genommen. Das ist nach fast vier Jahren Ihrer Zuständigkeit mehr als nur ein Urteil, das ist ein Verriß, und zwar durch den Regierungschef selbst.

    (Beifall bei der SPD)

    Ein anderer als Sie hätte Konsequenzen gezogen. Sie sind klebengeblieben; Pattex läßt grüßen. Ihre Bilanz beim Umweltschutz ist kläglich. Sie haben so gut wie nichts zum Besseren gewendet.
    Sie haben es erwähnt, Sie sind auch für den Sport zuständig, und deshalb erinnern wir an unseren Antrag „Sport und Umwelt", mit dem wir ein zwischen Bund, Ländern und Gemeinden sowie Sport- und Umweltorganisationen abgestimmtes Konzept anstreben. Herr Minister, leisten Sie Ihren Beitrag dafür, daß es nicht zu einer Zerreißprobe kommt. Es ist höchste Zeit. Tun Sie endlich Ihre Pflicht!
    Weil wir gerade beim Sport sind, muß an das Thema Sport und Steuern erinnert werden. Was haben Sie nicht alles aus der Opposition gefordert und uns vorgehalten.

    (Dr. Hauff [SPD]: Sehr wahr!)

    Bis heute haben Sie Ihre Zusagen nicht eingehalten. Selbst der offene Brief des Deutschen Sportbundes an den Bundeskanzler, ein einmaliges Ereignis in der Nachkriegsgeschichte, hat Sie nicht aus der Deckung bringen können. Unser Konzept steht bei der Übungsleiterpauschale, bei der Körperschaft- und der Gewerbesteuer.

    (Weiß [CDU/CSU]: Das hätten Sie alles machen können! Sie haben 13 Jahre lang dazu Zeit gehabt! — Frau Hürland [CDU/CSU]: Warum haben Sie das nicht gemacht? Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: 13 Jahre lang haben Sie gepennt!)

    Kommen Sie endlich zu Ergebnissen, Herr Minister. Der Sport will nicht auf ewig hingehalten werden. Er verlangt mit gutem Recht sein Recht.
    Das tun übrigens auch 4 Millionen behinderte Mitbürger, die über sportliche Betätigung etwas für ihre Gesundheit tun wollen; sie haben wenig Verständnis dafür, daß Sie Jahr für Jahr unsere Anträge auf Erhöhung der Mittel ablehnen. Sie halten doch auch Hilfe zur Selbsthilfe für richtig. Halten Sie sich doch einfach an Ihre eigenen Vorgaben! Die Behinderten sind auf unsere Hilfe angewiesen.
    Herr Minister, bei der Bewertung Ihrer Tätigkeit kommt man nicht an Ihrer Amtsführung, an Ihrem Amtsverständnis vorbei. Ich denke dabei weniger an Klagen über Ihre Bunkermentalität, über autistische Selbstversonnenheit, die nur Zugang lasse für Gebärdenspäher, nicht aber für Ratgeber.
    Kritikwürdig ist schon, daß Sie sich dem Dialog mit Abgeordneten der Koalitionsfraktionen entziehen.

    (Fellner [CDU/CSU]: Mit dir trinkt er nach dieser Rede kein Bier mehr!)

    Ein öffentliches Ärgernis ist hingegen Ihr Verhältnis zum Fachausschuß. Wenn Sie einmal da sind, verlegen Sie sich aufs Schnauzen, schützen Nichtwissen vor, weil Sie Wichtigeres zu tun hätten. Daß die Wahrheit im Umgang mit dem Parlament geläufig sein sollte, bereitet Ihnen Schwierigkeiten.
    Ich erwähne Ihr Verschleierungsmanöver bei der Spionageaffäre, insbesondere zum Fall Willner.

    (Fellner [CDU/CSU]: Wie bitte?)

    Wir werden auch nicht vergessen, wie eisern Sie sich verschwiegen haben, als das Parlament über Privatfinanzierung bei Terroristenfahndung in den 70er Jahren in der Annahme eines singulären Ereignisses in Ihrer Gegenwart diskutierte, obwohl auf Ihre Veranlassung bei dem Verbleib von Dioxin Entsprechendes später noch einmal geschehen war.

    (Fellner [CDU/CSU]: Und die Fässer gefunden wurden!)

    Ihr autokratisches Gehabe hat auch der Bundesrat erleben müssen. Der niedersächsische Ministerpräsident hat Sie dafür rügen müssen, daß Sie bei der Verabschiedung der TA Luft die SPD-regierten Länder einfach übergangen haben.
    Sie haben von Ihren lächerlichen Selbstherrlichkeiten auch nicht gegenüber dem Ausland abgelassen —

    (Dr. Hauff [SPD]: Richtig!)

    ob das Ihren Türkei-Besuch angeht, Ihre Anrempeleien an die Adresse Österreichs in Wien gegen Wackersdorf

    (Zuruf von der SPD: Ein starkes Stück!)

    oder den verweigerten Empfang für den Hohen
    Flüchtlingskommissar Poul Hartling. Sie haben
    große Worte über Ihr Verständnis von politischer



    Dr. Penner
    Verantwortung gefunden. Als sie von Ihnen eingefordert wurde, Herr Minister, sind Sie weggetreten und haben Herrn Hellenbroich geopfert.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Hauff [SPD]: Pfui!)

    Und noch so schöne Worte zur Demokratie können nicht überdecken, daß Sie drauf und dran dabei waren — hoffentlich nicht mehr sind —, den Verfassungsschutz zu einer Nachrichtenbörse für die parteipolitische Auseinandersetzung umzubauen.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Unverschämtheit! — Dr. Nöbel [SPD]: Das war auch so etwas!)

    Sie haben das nicht für anstößig gehalten,

    (Fellner [CDU/CSU]: Das war es auch nicht!)

    ja, Sie haben das gedeckt und sind wahrscheinlich auch heute noch der Überzeugung, daß das in Ordnung ist.

    (Fellner [CDU/CSU]: Das ist allerdings richtig!)

    Die Fragen nach Ihrem Demokratieverständnis sind dadurch nicht leiser geworden.
    Herr Präsident, meine Damen und Herren, in einer Demokratie ist ein Wechsel selbstverständlich. Bei diesem Innenminister sage ich: Der Wechsel ist unumgänglich.

    (Beifall bei der SPD — Fellner [CDU/CSU]: Wie steht es denn mit dem Haushalt?)