Rede:
ID1022914400

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. die: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Frau: 1
    7. Seiler-Albring.\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/229 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 229. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 11. September 1986 Inhalt: Begrüßung des Ersten Stellvertreters des Vorsitzenden des Staatsrates der Volksrepublik Bulgarien und seiner Delegation . 17757 B Änderung der Überweisung des Antrags betr. Einführung von Bestandsobergrenzen zum Schutz der bäuerlichen Landwirtschaft und der Umwelt — Drucksache 10/2822 — an Ausschüsse 17757 B Begrüßung einer Delegation des australischen Parlaments 17782 D Zur Geschäftsordnung Volmer GRÜNE 17755 B Seiters CDU/CSU 17756 A Porzner SPD 17756 B Wolfgramm (Göttingen) FDP 17757 A Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1987 (Haushaltsgesetz 1987) — Drucksache 10/5900 — in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1986 bis 1990 — Drucksache 10/5901 — Dr. von Dohnanyi, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg . . 17757 D Dr. Friedmann CDU/CSU 17762 C Bueb GRÜNE 17766 B Cronenberg (Arnsberg) FDP 17768 B Sieler (Amberg) SPD 17772 B Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 17774 A Frau Fuchs (Köln) SPD 17783 A Frau Dr. Adam-Schwaetzer FDP . . . 17788 D Jagoda CDU/CSU 17792 C Wieczorek (Duisburg) SPD 17797 A Seehofer CDU/CSU 17799 C Dr. Wallmann, Bundesminister BMU . 17804A Dr. Hauff SPD 17812 B Dr. Laufs CDU/CSU 17819 D Dr. Müller (Bremen) GRÜNE 17824 B Frau Seiler-Albring FDP 17827 A Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI 17830 B Dr. Penner SPD 17834 D Dr. Miltner CDU/CSU 17840 B Ströbele GRÜNE 17843 D Dr. Hirsch FDP 17846 D Broll CDU/CSU 17848 D Schäfer (Offenburg) SPD 17851 B Kuhlwein SPD 17853 D Engelhard, Bundesminister BMJ . . . . 17855 C Dr. Emmerlich SPD 17858A Vizepräsident Westphal 17801 A Vizepräsident Stücklen 17824 A Nächste Sitzung 17860 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 17861* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. September 1986 17755 229. Sitzung Bonn, den 11. September 1986 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 12. 9. Antretter * 11. 9. Bahr 12. 9. Frau Borgmann 11. 9. Büchner (Speyer) * 11. 9. Eigen 12. 9. Frau Fischer * 11. 9. Dr. Geißler 11. 9. Dr. Götz 12. 9. Hanz (Dahlen) 12. 9. Dr. Hüsch 11. 9. Dr. Hupka 11. 9. Dr. Klejdzinski * 11. 9. Dr. Kreile 12. 9. Dr. Kronenberg 12. 9. Dr. Kübler 11. 9. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Landré 11. 9. Lenzer * 11. 9. Dr. Mitzscherling 12. 9. Dr. Müller * 12. 9. Nagel 12. 9. Frau Pack * 11. 9. Pöppl 12. 9. Dr. Riedl (München) 12. 9. Dr. Soell 12. 9. Dr. Sperling 12. 9. Dr. Stercken 12. 9. Frau Verhülsdonk 12. 9. Voigt (Sonthofen) 12. 9. Dr. Wieczorek 11. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Joachim Müller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht sollte man ein gewisses Verständnis für diesen zu Recht gerügten Zwischenruf aufbringen. Herr Hauff — jetzt ist er weg —, wenn Sie einen Satz gesagt hätten, der selbstkritisch bezüglich Ihrer Beschlüsse von damals gewesen wäre, oder wenn Sie wenigstens einen Satz dazu gesagt hätten, daß Sie sich bei der Antiatomkraft-Bewegung dafür zu bedanken haben, daß sie ein Jahrzehnt lang durchgehalten hat, ein Jahrzehnt lang, in dem Sie die Atomenergie aufs Heftigste ausgebaut haben, dann hätte der Abgeordnete Bueb diesen Zwischenruf sicher nicht gemacht.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Die Einrichtung eines Bundesministeriums für Umweltschutz war, wie wir alle wissen, aus der Not geboren: Tschernobyl war geschehen. Herr Minister Zimmermann hatte sich mit seiner Desinformationspolitik gänzlich blamiert — natürlich vorher auch schon —, die niedersächsischen Wahlen standen vor der Tür, und deswegen gab es keine andere Entscheidung und auch keinen anderen Trick, als Herrn Wallmann zum Umweltminister zu machen, ein Schnellschuß wie so vieles, der natürlich irgendwann nach hinten losgeht.
    Wie sieht dieses Umweltministerium nun aus? Es sind zwei Abteilungen unter einem neuen Titel zusammengelegt worden. Auf dem Ganzen sitzt ein bürokratischer Wasserkopf aus Staatssekretär und Minister, und das war es dann. Bürokratie statt Leistung, so könnte man diese Umweltpolitik zusammenfassen. Diesem Ministerium stehen lächerliche 430 Millionen DM zur Verfügung, mit denen natürlich auch nichts wesentlich anderes gemacht wird als im letzten Haushaltsjahr.
    Meine Damen und Herren von der CDU, was Sie hier geschaffen haben, ist bestenfalls der Unterbau einer Public-Relations-Abteilung in Sachen Umweltschutz und nicht irgend etwas mehr. Man könnte natürlich dieses ganze Unternehmen als einen Etikettenschwindel sehen. Ich finde, dieser Begriff stimmt dafür nicht.

    (Fellner [CDU/CSU]: Das wäre aber sehr unanständig!)

    Denn es ist doch eigentlich so, daß diese miserable Ausstattung für ein Umweltministerium nun genau das besagt, was Ihre Umweltpolitik ausmacht, nämlich keine Umweltpolitik zu sein.
    Sie haben einen Mini-Etat, Herr Wallmann, von nur 430 Millionen DM. Das sind nur lumpige 0,16 % des Bundeshaushaltes. Damit ist eindeutig bewiesen, welchen Wert diese Bundesregierung einem Bundesumweltministerium beimißt.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Das ist jetzt eindeutig. Insofern ist Ihr Schuß wirklich nach hinten losgegangen.

    (Fellner [CDU/CSU]: Aber jetzt übertreiben Sie!)

    Es gab einmal einen englischen König, den nannte man Johann Ohneland. Sie, Herr Wallmann, sind bestenfalls der Wallmann ohne Etat.

    (Dr. Probst [CDU/CSU]: Und Sie spielen Ohnsorg-Theater! Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Dieser Etat und diese Abteilungen sind von Ihren netten Regierungskollegen — deswegen ist Herr Zimmermannn ja auch nicht da — vorher noch gefleddert worden, wie man hört, indem man Ihnen — ich weiß, warum Herr Zimmermann nicht da ist — die besten Kräfte vorher abgezogen hat. Auch dies ist bekannt. Es ist also ein gefleddertes Umweltministerium, das Sie im Augenblick haben. Dieses Umweltministerium macht eigentlich deutlich, daß Sie bestenfalls ein Frühstücksdirektor des Umweltschutzes sind, der sich noch nicht einmal ein anständiges Müsli leisten kann.
    Nein, der Aufbau dieses Ministeriums angesichts zunehmender Umweltbelastungen ist nicht nur ein Stück aus dem politischen Tollhaus, es ist das Zynischste, was im Laufe der letzten drei Jahre hier überhaupt passiert ist, angesichts der ernsthaften Bedrohung der Umwelt, die hier zur Zeit vorliegt.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Fellner [CDU/ CSU]: Da haben wir ein gutes Gewissen!)

    Nehmen wir zwei Beispiele Ihrer bisherigen Abführung, Luftreinhaltung: Die aus dem Jahre 1983 stammende Großfeuerungsanlagen-Verordnung



    Dr. Müller (Bremen)

    läßt nach wie vor wegen zu großzügig bemessener Umrüstfristen bei den Großkraftwerken eine wirkungsvolle Entstickung und Entschwefelung erst ab 1993 erwarten. Zehn Jahre sind verspielt. Und da spielen Sie sich hier im Augenblick als die Waldschützer auf! Das müßte man eigentlich — ich bin da ganz vorsichtig — mit einem schärferen Begriff als Heuchelei belegen.
    Wie aus den Leitlinien der Bundesregierung zur Umweltvorsorge vom 3. September 1986 hervorgeht, sieht sie auch nach Tschernobyl keinen Anlaß, diese Verordnung zu verändern. Das heißt: Sie blokkieren auch in Zukunft Entschwefelung und Entstickung. Das ist die Wahrheit bezüglich Ihres Engagements in Sachen Umweltschutz und in Sachen Waldsterben.
    Aber es kommt noch besser: In denselben Leitlinien wird die Behauptung wiederholt, daß die Maßnahmen zur Einführung des schadstoffarmen Autos und des bleifreien Benzins bis 1995 die Stickoxidemission auf 57 % reduzieren soll. Was von dieser Zahl zu halten ist, verdeutlicht eine aktuelle Berechnung des Ifo-Instituts, wonach sich die für 1986 abzeichnende Zunahme sowohl der Fahrleistung als auch der gefahrenen Geschwindigkeit von Pkw trotz der genannten Maßnahmen der Bundesregierung noch zu einer Zunahme der Stickoxidemissionen von 2% gegenüber 1985 steigern wird. Ihre Politik ist eine Politik der Waldvernichtung; das ist das Wesentliche, was zu Ihrer polemischen Argumentation in der Atomdebatte zu sagen ist.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Zur Frage der Reaktorsicherheit: Professor Ehrenstein

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ah ja?)

    sieht folgendes als wichtigste Lehre des Tschernobyl-Unglückes an — ich zitiere: Einerseits war alles noch viel schlimmer als man kurz nach dem Unfall oder gar vorher für möglich gehalten hatte, andererseits war Tschernobyl allenfalls ein mittlerer Unfall; denn von mehr als 96% des hochradioaktiven Inventars wurde unser Kontinent bei diesem Super-GAU noch einmal verschont.

    (Dr. Probst [CDU/CSU]: Was würde erst Professor Frankenstein sagen!)

    Was hier also als Katastrophe dargestellt wird, ist trotz der ungeheuren Ausmaße und der ungeheuren Bedrohung, die Tschernobyl gebracht hat, noch ein kleiner Unfall gewesen. Das nur zur Warnung für alle diejenigen, die glauben, daß Tschernobyl das Schlimmste gewesen sei, was überhaupt passieren kann. Es kann noch viel schlimmer kommen.
    Was machen Sie, Herr Wallmann? Sie folgen weiterhin in der Debatte über Reaktorsicherheit einer Linie der Sicherheitsillusion. Und wir wissen doch jetzt, daß der Begriff Restrisiko letztendlich Verstrahlung meint. Das haben wir aus Tschernobyl gelernt. Solange Sie dieses nicht akzeptieren, werden Sie weiterhin den Fehler machen, in die Sicherheit von Atomenergie zu investieren, statt dafür zu sorgen, eine ökologische und risikofreie Energieform zu fördern und zu finden.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Nun wollen Sie, Herr Wallmann, nach dem Prinzip des Teekessels — da haben Sie wahrscheinlich was in der Küche gesehen — den Reaktor auch noch mit einem Sicherheitsventil ausstatten. Abgesehen von dem Eingeständnis, daß Sie damit zugeben, daß die Welt der Atomenergie so sicher wahrlich nicht ist, d. h. alle diejenigen Lügen strafen, die uns vor dieser Umrüstentscheidung erzählt haben, Atomenergie sei sicher, muß man feststellen, daß das natürlich kein Allheilmittel gegen einen Super-GAU ist;

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: Blanke Demagogie ist das, was der Mann da treibt! Ein Superdemagoge sind Sie! — Vogel [München] [GRÜNE]: Das war der Pfeffermann!)

    denn eine derartige Maßnahme macht überhaupt nur bei einem sogenannten Niederdruck-SuperGAU einen Sinn. Und dieser dürfte nach Ansicht von Experten bloß ca. 5% aller möglichen SuperGAU-Fälle ausmachen. Also ein zusätzlicher Sicherheitsgewinn ist überhaupt nicht vorhanden. Im übrigen dürfte eine derartige Ausfilterung der Atomanlagen mindestens 2 Milliarden DM kosten, ein Betrag, der gut und gerne besser investiert werden könnte bei Abschaltung und für eine moderne, ökologische Energieform.
    Ganz entsprechend der Art und Weise, wie natürlich die gesamte Investition, Herr Hauff, in Atomenergie eine Verschwendung von Steuergeldern gewesen ist, nach der heutigen und auch Ihrer heutigen Erkenntnis, ist es doch so, daß all das, was Sie zusätzlich darin zu investieren bereit sind, eine weitere Verschwendung ist, weil wir wirklich ganz andere Summen brauchten, um eine ökologisch verträgliche Energiepolitik zu betreiben.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Und nun schaut man in Ihren Haushalt rein und überprüft. Sie sagen: Sehr sicher, die Atomenergie. — Und da stellt man folgendes fest, nämlich daß dort ca. 25 Millionen DM für die mögliche Bewältigung eines Super-GAU eingestellt sind.

    (Fellner [CDU/CSU]: Das ist ja Unsinn!) Das nennt man Rechnungslegung.


    (Heiterkeit bei der SPD)

    Das steht da schon. Das ist Ihre Form von Vorsorge: 25 Millionen — abgesehen davon, daß das nicht ausreicht —, Sie Zyniker.

    (Fellner [CDU/CSU]: Sie Gaudibursch!)

    Das reicht nicht aus, aber Sie schreiben das da rein. Sie widerlegen sich in Ihrem Haushaltsentwurf selber bezüglich Ihrer Sicherheitsphilosophie. Ich zitiere auch gerne, wie zynisch Sie das formulieren, bei diesen 25 Millionen DM:
    Planung und Optimierung von Notfallschutzmaßnahmen, damit es einen bestmöglichen Schutz vor Strahlenschäden nach
    — steht da: nach —



    Dr. Müller (Bremen) kerntechnischem Unfall gibt.
    Also im Haushalt der Bundesregierung, im Haushalt des Ministers für Umweltschutz und Reaktorsicherheit, steht ganz klar und deutlich drin: Mittel für Maßnahmen nach einem kerntechnischen Unfall. Und das bedeutet doch, bitte schön, daß Sie sogar davon ausgehen, daß Ihr ganzes Sicherheitsgerede nicht stimmt.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Und nun erfahren wir heute, Herr Wallmann — in Hessen kennen Sie sich ja vielleicht aus —, daß bei der Hanauer Reaktor- Brennelement Union, RBU, täglich zwischen 6 000 und 7 000 Liter radioaktives Kühlwasser spurlos im Untergrund versikkern.

    (Rusche [GRÜNE]: Ein Skandal!)

    Was wissen Sie davon, Herr Wallmann? Warum sagen Sie als Minister für Reaktorsicherheit hier nichts dazu? Ich frage Sie: Nehmen Sie dazu Stellung? Seit wann sind Sie darüber informiert? Sind Sie überhaupt davon informiert? Und was sind Sie eigentlich bereit zu tun, um so etwas einzustellen?

    (Schulte [Menden] [GRÜNE]: Hören Sie überhaupt zu?)

    Reaktorsicherheit? Nichts! Sie sind noch nicht einmal informiert. Bis heute hat Ihr Haus zu diesem Skandal keine Stellungnahme abgegeben. Das heißt: Auch die Reaktorsicherheit ist Ihnen in Wirklichkeit egal.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Was sagt Joschka denn dazu?)

    Ich fordere Sie deswegen auf, uns, und zwar heute noch, genauestens Auskunft darüber zu geben, was mit diesen 6 000 bis 7 000 Litern radioaktiven Wassers passiert und was mit dem Grundwasser eigentlich passiert, das auf diese Art und Weise radioaktiv verseucht wird.
    Sie sagen natürlich — darauf komme ich gerne zu sprechen —: Der Fischer ist dafür zuständig. — Ja, der Fischer ist für die Hanauer Nuklearbetriebe zuständig. Ja, das hören wir gerne hier.

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: Schrei doch nicht so! Mann Gottes!)

    Als wir in Hessen mit allen rechtlichen Mitteln versucht haben, diese stillzulegen: Wie haben Sie da argumentiert? Das sei Bundessache!

    (Rusche [GRÜNE]: Richtig!)

    Da haben Sie immer die Bundessache betont, jetzt auf einmal den Fischer. Legen Sie sich da erst einmal fest und informieren Sie sich über die rechtliche Situation.

    (Vogel [München] [GRÜNE]: Die drehen es, wie sie es brauchen! — Rusche [GRÜNE]: Da sitzt der Herr Zimmermann, der das verhindert hat!)

    Ich weiß schon, warum ich Herrn Wallmann dazu befragen muß.

    (Beifall bei den GRÜNEN)


    (Vo r sitz : Vizepräsident Westphal)

    Ich möchte deutlich machen: Wenn es wirklich so ist, daß in den Etat des Ministers für Umwelt und Reaktorsicherheit Mittel für Atomunfälle und für die Bewältigung der Folgen danach eingestellt worden sind, also vorgesehen sind, dann, meine Damen und Herren, müssen wir und muß jeder in diesem Lande annehmen, daß Atomenergie nicht als sicher bezeichnet werden kann. Nur eines kann stimmen, und da müssen Sie sich festlegen.
    Die GRÜNEN haben zu Beginn der Legislaturperiode ein Umweltministerium beantragt. Wir waren der Auffassung, daß die Zusammenlegung von Umweltkompetenzen und selbstverständlich auch die Stärkung dieser Umweltkompetenzen mit entsprechenden Mitteln, die Ausstattung eines solchen Umweltministeriums mit entsprechenden Mitteln überhaupt erst die Möglichkeit bieten, in eine sachliche Diskussion einzusteigen, und die Möglichkeit bieten, wesentlich mehr für den Umweltschutz zu tun als bisher. Nun haben Sie ein Umweltministerium gegründet. Sie haben es aufgebaut. Wir müssen feststellen: nichts als Enttäuschung; nichts ist passiert. Vom Etat her — das ist die Wahrheit dieser Bundesrepublik; da kann man nachlesen, was Sie bereit sind zu tun — finden wir nichts Neues. Was hätte man mit einem solchen Umweltministerium eigentlich machen können! Was wären die Aufgaben gewesen? Nicht nur eine bessere Ausstattung. Selbstverständlich die Organisation einer Energiepolitik, die ökologisch verträglich ist. Das ist eine gewaltige Aufgabe. Selbstverständlich Forschung und Entwicklung von Demonstrationsanlagen im Bereich vorsorgender Umwelttechnologien. Nur wenn wir Alternativen zur Verfügung haben, haben wir auch die Entscheidungsmöglichkeiten. Das wäre heutzutage die Aufgabe eines Umweltministeriums. Weiterhin: der Aufbau und die Entwicklung einer Umweltgesetzgebung, die beispielsweise nur einem Prinzip folgt, nämlich dem Gesundheitsschutz der Bürger mehr Gewicht beizumessen als dem privaten Gewinnstreben von Unternehmen. So eine Umweltgesetzgebung zu entwickeln, wäre die Aufgabe eines Umweltministeriums gewesen. Dazu braucht man natürlich auch Mittel, und dafür braucht man selbstverständlich auch Kompetenz.
    Insgesamt ist es traurig, was in der Bundesrepublik für Umweltschutz ausgegeben wird. Es ist viel zu wenig. Das führt dazu, daß sich die Umweltschäden in zunehmendem Maße anhäufen und nichts dagegen passiert. Sie, Herr Wallmann, verfügen über lächerliche 0,16 % des Gesamtetats. Wir haben das mit anderen Umweltministerien verglichen. Auch wo zuwenig ausgegeben wird, kann man Rangfolgen bilden. Eines der ältesten Umweltministerien, das es in der Bundesrepublik gibt, das bayerische Umweltministerium, hat es in den vielen Jahren gerade auf 0,77% des Gesamtetats gebracht. Das ist auch zu wenig. Aber das wäre ein Maßstab, den man Ihnen vielleicht setzen könnte, ein Maßstab, der von der CSU vorgegeben wird. Immerhin!, könnte man dazu sagen. Das hessische Umweltministerium, gerade aufgebaut —

    (Pfuhl [SPD]: Seit 1970!)




    Dr. Müller (Bremen)

    auch uns liegen natürlich die 87er Daten vor —, ist immerhin mit 1,5% des Etats ausgestattet. Ich betone: Auch das ist zu wenig, aber immerhin, Herr Wallmann, das Zehnfache von dem, was Sie zur Verfügung haben.
    Danke schön.

    (Beifall bei den GRÜNEN)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Seiler-Albring.

(Fellner [CDU/CSU]: Hauff, zieh dich warm an!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ursula Seiler-Albring


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Müller, Sie haben uns eben gefragt, was die Aufgaben eines Umweltministeriums sind. Ich denke, ich kann Ihnen gleich Antwort darauf geben.
    Lassen Sie mich zuvor mit einem Zitat beginnen, das sich auf die von der SPD vorhin geführte Diskussion bezieht:
    Der Energiebedarf der meisten Entwicklungsländer wird nur durch Kernenergie befriedigt werden können, und zwar — das läßt sich heute schon absehen — durch die sogenannten Schnellen Brüter, die heute in den USA und in der Bundesrepublik mit solcher Beschleunigung entwickelt werden, daß sie wohl schon in der zweiten Hälfte der 70er Jahre in größeren Mengen exportiert werden können. Hier liegt eine der großen Chancen unserer Industrie, wenn sie die Konkurrenz mit den amerikanischen Firmen besteht, hier liegt eine Chance für die Dritte Welt, weil ohne billige Energiequellen kein wirtschaftlicher Fortschritt möglich ist. Dieselben Reaktoren, die erstaunlich billigen Strom liefern, brüten auch Plutonium aus. Dieses Plutonium kann man wieder zu friedlichen Zwecken verwenden ...
    So Erhard Eppler in der SPD-Wochenzeitung „Vorwärts" am 25. Juli 1968.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Alte Zöpfe!) — Nur keine Aufregung!

    Herr Kollege Hauff, Sie haben mit gutem Grund gesagt, daß wir alle dazulernen müßten. Bei manchen war der Weg aber offensichtlich etwas weiter als bei anderen. Meine Partei hat nachweislich immer einen distanzierten Standpunkt zum Thema Energiegewinnung aus Kernenergie eingenommen.

    (Dr. Hauff [SPD]: Und Lambsdorff? Ich kann mich an ganz andere Dinge am Kabinettstisch erinnern!)

    Meine Damen und Herren, wir nehmen die Sorgen und Ängste der Bürger

    (Dr. Hauff [SPD]: Hören Sie doch auf!)

    — — Ich fange erst gerade an, Herr Hauff; Sie werden sich das noch anhören müssen. Wir nehmen die Sorgen und Ängste der Bürger im Zusammenhang mit dem Reaktorunfall in Tschernobyl und seinen Auswirkungen sehr ernst. Es ist selbstverständlich,
    daß darüber eine intensive Diskussion geführt wurde und noch werden muß.
    Ich bin gegen eine Bagatellisierung des Geschehens, aber ich wende mich ebenso, meine Damen und Herren, dagegen, eine Katastrophenstimmung zu schüren aus vordergründigen, vielleicht wahltaktisch bestimmten Überlegungen.

    (Beifall bei der FDP)

    Die friedliche Nutzung der Kernenergie hat meine Partei immer an strenge Bedingungen geknüpft wie hohe, immer wieder zu überprüfende Sicherheitsstandards, wirksame Entsorgungsvorsorge, internationale Kooperation, wirksamen Katastrophenschutz, sparsame und rationelle Energieverwendung sowie Erschließung regenerativer Energiequellen.
    Grundlage unserer Entscheidung zur friedlichen Nutzung der Kernenergie, meine Damen und Herren, war für uns stets auch das Bewußtsein der Begrenztheit der fossilen Ressourcen.

    (Suhr [GRÜNE]: Es gibt keine friedliche Nutzung!)

    Zudem stößt die Nutzung von Kohle und Öl an die Grenzen der Belastbarkeit der Umwelt, wie die in den letzten Jahren geführte Umweltdiskussion über Waldsterben und Treibhauseffekt durch Kohlendioxidproduktion gezeigt hat.
    Schließlich hätte der verstärkte Einsatz von konventionellen Energieträgern in Industrieländern als Ersatz für die Kernenergie zur Folge, daß diese Energierohstoffe insbesondere in den Ländern der Dritten Welt fehlen würden, die aus Energiemangel in noch größerem Umfang ihre Wälder abholzen würden.
    Ich finde es ausgesprochen traurig und unverständlich, daß in der aktuellen Diskussion diese Gesichtspunkte so kurz kommen, sowohl bei Ihnen, Herr Dr. Müller, als auch bei der Fraktion der Sozialdemokraten.

    (Beifall bei der FDP — Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Ich habe doch die ganze Zeit über Luftverunreinigung gesprochen!)

    Meine Damen und Herren, wir werden Ihnen nicht folgen bei dem Versuch, davon abzulenken, daß wir heute keine reine Kernenergiedebatte führen, sondern, wie bereits von Dr. Laufs erwähnt, zum erstenmal über den Haushalt eines Ministeriums diskutieren, dessen Einrichtung eine langjährige Forderung meiner Partei gewesen ist.

    (Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Warum haben Sie es nicht gemacht? Wie lange sind Sie in der Regierung!)

    — Das finden Sie vielleicht lustig, Herr Dr. Müller, wir haben es, das wissen Sie selbst ganz genau — —

    (Zuruf von der FDP: Leider nicht lange genug!)




    Frau Seiler-Albring
    — Leider nicht lange genug, höre ich gerade. Das kann gut sein.

    (Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Herr Zimmermann sagt: lange genug!)

    — Nein, das war jemand anders.
    In 17 Jahren Regierungsverantwortung, meine Damen und Herren, hat die FDP mit den Ministern Genscher und Gerhart Rudolf Baum die Umweltpolitik in der Bundesrepublik und in der europäischen — —

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Maihofer nicht vergessen!)

    — Gerne nehme ich den auf, sehr gerne sogar. Der Kollege Maihofer war mir ein ganz besonders lieber Kollege.

    (Dr. Hauff [SPD]: Und Lambsdorff?)

    Wir wollen mit unserem Konzept einer ökologisch und sozial verpflichteten Marktwirtschaft Ökologie und Ökonomie versöhnen. Der Umweltschutz braucht mehr Marktwirtschaft. Die Nutzung der Natur muß ihren Preis haben. Das strenge Instrumentarium von Verboten und Auflagen muß ergänzt werden durch vielgestaltige ökonomische Anreize, pfleglich und sparsam mit der Natur umzugehen.
    Dazu gehören konsequente Anwendung des Verursacher- und Vorsorgegrundsatzes, aber auch Markterleichterungen, Branchenabkommen und Kompensationslösungen. Vernünftiges, sparsames Wirtschaften verlangt heute eine langfristige Ausrichtung an ökologischen Eckwerten, u. a. zur Luftreinhaltung, zum Boden-, Gewässer- und Naturschutz. Wir freuen uns — ich sage dies noch einmal —, daß die Forderung unseres Wahlprogramms von 1983, ein Bundesumweltministerium und einen eigenständigen Bundestagsausschuß Umwelt zu schaffen, nun verwirklicht worden ist.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Reichlich spät!)

    Erforderlich ist ein starkes Ministerium — darin sind wir uns sicherlich alle einig — mit vollen Kompetenzen für alle umweltrelevanten Bereiche. Wir werden uns in den vor uns liegenden Haushaltsberatungen dafür einsetzen, daß dieses Ministerium auch die notwendige Personal- und Sachmittelausstattung erhält.

    (Beifall des Abg. Dr. Weng [Gerlingen] [FDP])

    Aber, meine Damen und Herren, Organisationsstrukturen sind das eine, praktischer Umweltschutz, der nur mit den Bürgern möglich ist, ist das andere. Der Bürger hat die Jahrhundertaufgabe oft besser verstanden, als die Politik ihm zubilligen möchte. Wir Liberale betreiben Umweltschutz mit dem Bürger. Für sie gibt es ein Bürgerrecht auf Umweltplanung. Liberale treten für die Verbandsklage anerkannter Naturschutzverbände ein und verlangen, daß der Umweltschutz endlich als Staatszielbestimmung ins Grundgesetz aufgenommen wird.

    (Zurufe von der SPD)

    Umweltpolitik ist für die junge Generation und andere zukunftsorientierte Menschen zum Glaubwürdigkeitstest der Parteien geworden. Dies verpflichtet zu ehrlicher Darstellung der jeweiligen Situation, nicht zuletzt auch — und das sollte eine Mahnung an uns alle sein — bei Stör- und Katastrophenfällen. Es verpflichtet dazu, die Folgen einzelner Maßnahmen offenzulegen und Wege aufzuzeigen, wie diese Ziele erreicht werden können. Eine Umweltpolitik in der Gesellschaft und mit dem Bürger muß undogmatisch und nüchtern sein. Sie hat alle vernünftigen Interessen abzuwägen. Oberstes Ziel für alle Umweltbereiche ist die konsequente Verminderung aller Schadstoffbelastungen und der Eingriffe in den Naturhaushalt.

    (Beifall des Abg. Dr. Weng [Gerlingen] [FDP])