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ID1022909100

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    Plenarprotokoll 10/229 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 229. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 11. September 1986 Inhalt: Begrüßung des Ersten Stellvertreters des Vorsitzenden des Staatsrates der Volksrepublik Bulgarien und seiner Delegation . 17757 B Änderung der Überweisung des Antrags betr. Einführung von Bestandsobergrenzen zum Schutz der bäuerlichen Landwirtschaft und der Umwelt — Drucksache 10/2822 — an Ausschüsse 17757 B Begrüßung einer Delegation des australischen Parlaments 17782 D Zur Geschäftsordnung Volmer GRÜNE 17755 B Seiters CDU/CSU 17756 A Porzner SPD 17756 B Wolfgramm (Göttingen) FDP 17757 A Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1987 (Haushaltsgesetz 1987) — Drucksache 10/5900 — in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1986 bis 1990 — Drucksache 10/5901 — Dr. von Dohnanyi, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg . . 17757 D Dr. Friedmann CDU/CSU 17762 C Bueb GRÜNE 17766 B Cronenberg (Arnsberg) FDP 17768 B Sieler (Amberg) SPD 17772 B Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 17774 A Frau Fuchs (Köln) SPD 17783 A Frau Dr. Adam-Schwaetzer FDP . . . 17788 D Jagoda CDU/CSU 17792 C Wieczorek (Duisburg) SPD 17797 A Seehofer CDU/CSU 17799 C Dr. Wallmann, Bundesminister BMU . 17804A Dr. Hauff SPD 17812 B Dr. Laufs CDU/CSU 17819 D Dr. Müller (Bremen) GRÜNE 17824 B Frau Seiler-Albring FDP 17827 A Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI 17830 B Dr. Penner SPD 17834 D Dr. Miltner CDU/CSU 17840 B Ströbele GRÜNE 17843 D Dr. Hirsch FDP 17846 D Broll CDU/CSU 17848 D Schäfer (Offenburg) SPD 17851 B Kuhlwein SPD 17853 D Engelhard, Bundesminister BMJ . . . . 17855 C Dr. Emmerlich SPD 17858A Vizepräsident Westphal 17801 A Vizepräsident Stücklen 17824 A Nächste Sitzung 17860 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 17861* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. September 1986 17755 229. Sitzung Bonn, den 11. September 1986 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 12. 9. Antretter * 11. 9. Bahr 12. 9. Frau Borgmann 11. 9. Büchner (Speyer) * 11. 9. Eigen 12. 9. Frau Fischer * 11. 9. Dr. Geißler 11. 9. Dr. Götz 12. 9. Hanz (Dahlen) 12. 9. Dr. Hüsch 11. 9. Dr. Hupka 11. 9. Dr. Klejdzinski * 11. 9. Dr. Kreile 12. 9. Dr. Kronenberg 12. 9. Dr. Kübler 11. 9. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Landré 11. 9. Lenzer * 11. 9. Dr. Mitzscherling 12. 9. Dr. Müller * 12. 9. Nagel 12. 9. Frau Pack * 11. 9. Pöppl 12. 9. Dr. Riedl (München) 12. 9. Dr. Soell 12. 9. Dr. Sperling 12. 9. Dr. Stercken 12. 9. Frau Verhülsdonk 12. 9. Voigt (Sonthofen) 12. 9. Dr. Wieczorek 11. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
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    Rede von Bernhard Jagoda


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und Herren, es gibt keine Patentrezepte. Wir werden auf diesem Gebiet alle miteinander hart weiterarbeiten müssen.
    Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen. Wir haben die Familien mit Kindern in den Mittelpunkt unserer politischen Arbeit gestellt. So haben wir es geschafft, Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub mit Arbeitsplatzgarantie einzuführen. Das ist ein Weg in die richtige Richtung. Welcher Sozialpolitiker der Union hätte nicht auch gern gleich ein Jahr gehabt? Nein, wir haben zehn Monate genommen, weil wir im Zusammenhang mit dem Umbau des Finanzgefüges wissen, daß dies in den nächsten Jahren auch aus den Zuwächsen mit finanziert werden muß. Wir wissen, daß jede Mark, die wir im sozialen Bereich ausgeben, unsere Mitbürger erarbeiten müssen. Deswegen müssen wir mit dem Geld sparsam umgehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es gibt heute viele Frauen, die aus materiellen Gründen eine Schwangerschaft abbrechen. Wir haben überhaupt nicht das Recht, uns darüber kritisch zu äußern. Meine Damen und Herren, das muß jeder selbst entscheiden.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Sehr gut! — Bueb [GRÜNE]: Hervorragend! — Zuruf des Abg. Rusche [GRÜNE])

    Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren,
    demjenigen, der in solche Entscheidungszwänge



    Jagoda
    kommt, muß ich Rahmenbedingungen geben, damit er sich auch für das Leben entscheiden kann.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Das ist richtig!)

    Hier brauchen wir nicht den drohenden Finger des Strafgesetzbuchs, sondern die helfende Hand der Gesellschaft.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Deshalb haben wir den Fonds für das werdende Leben eingeführt. Wir haben die Mittel aufgestockt und werden sie im nächsten Jahr wiederum aufstocken.
    Bestellen Sie Ihrem Herrn Rau, der heute leider nicht da ist, er sollte diesem nachahmen. Das wäre eine gute Sache für die Frauen in Nordrhein-Westfalen.

    (Bueb [GRÜNE]: Sie werden noch exkommuniziert, wenn Sie so weiterreden! Wenn das der Höffner mitkriegt! — Rusche [GRÜNE]: Und der Maier erst!)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich noch etwas zur Rente sagen. Ich hoffe, wir sind alle miteinander stolz darauf, daß die älteren Mitbürger heute in Ruhe dem Ersten eines Monats entgegensehen können, weil ihre Rente sicher ist. Es ist sehr bitter, wenn jemand, der ein ganzes Leben lang gearbeitet und sich auf die Rentenversicherung verlassen hat, erfährt: Das stimmt vielleicht nicht, ich kriege das nicht mehr.

    (Zuruf des Abg. Glombig [SPD])

    Frau Fuchs, Sie haben hier gesagt, wir hätten Rentenzahlungen auf Pump geleistet. Na schön, wir haben stundenweise 250 Millionen DM überzogen, weil das billiger war, als wenn wir Vermögenswerte veräußert hätten. Da haben wir kaufmännisch gedacht. Aber schön, den Vorwurf nehmen wir auf uns. Nur, wenn Sie drangeblieben wären, hätten Sie im August 1983 die Renten ohne Kapitalaufwand überhaupt nicht mehr zahlen können. Das war die Situation.
    Heute haben wir wieder Rücklagen. Ich nehme den Bericht des VDR und kann Ihnen sagen: Die Rücklage betrug im Juli 13,01 Milliarden DM; das sind 1,14 Monatsraten. Das Gesetz ist erfüllt. Es geht mit der Rentenkasse wieder aufwärts.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Weiter so! — Zustimmung bei der CDU/CSU)

    — Jawohl, hoffentlich, und zwar sogar noch stärker. Frau Fuchs, danke für den Zwischenruf!
    Nun wird von den GRÜNEN immer ein höherer Bundeszuschuß gefordert. Meine Damen und Herren, das ist schon richtig, aber den Bundeszuschuß müssen Sie auch einmal im Blick auf die gesamte Kassenlage sehen. Je besser die Finanzpolitik läuft, desto eher können wir darüber nachdenken, den Bundeszuschuß zu erhöhen. Wir haben ihn ja in diesem Jahr auch erhöht, denn wir nehmen z. B. die Rente für Kindererziehungsjahre nicht aus der Rentenkasse, sondern aus der Staatskasse. Wir werden — lassen Sie mich das sagen — im Rahmen der Haushaltsberatungen einen Antrag einbringen, wonach ganz eindeutig das Geld — 250 Millionen DM — für die Frauen eingestellt wird, die ab 1. Oktober des nächsten Jahres in den Genuß der Anrechnung dieser Kindererziehungszeiten kommen.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Wieviel?)

    — 250 Millionen ab 1. Oktober. Das läßt sich nachrechnen. Wir sind froh darüber, daß das so ist.
    Ich sehe nun leider schon das gelbe Licht.

    (Glombig [SPD]: Schade!)

    — Ja, sehr schade, weil ich Ihnen noch viel zu sagen hätte, Herr Kollege. So ist das ja nicht.
    Ich glaube, daß ich noch einen Satz zu den Frauen, die wir einbeziehen, sagen sollte. Hier ist es so wie überall: Wir möchten liebend gern am Anfang gleich alles, aber es ist in der Gesamtsituation nicht machbar. Wir sagen, daß es besser ist, wenn wir jetzt damit anfangen und 1990 fertig sind, als wenn wir bis zum Jahr 2000 schwätzen würden, und die Frauen hätten dann immer noch nichts bekommen. Sozialpolitik geht eben in kleinen Schritten voran.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren von der SPD, Ihr Kanzlerkandidat ist heute nicht da. Ich kann mir j a vorstellen, daß er zu einem Hinterbänkler wie mir nicht kommt, aber gestern, als die großen Leute dran waren, hätte er kommen können.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Der ist nie da!)

    Aber ich will nur sagen: Ich werde ihm, weil ich das sehr ernst nehme, einen Brief schreiben und werde ihm sagen, er möge dafür sorgen, daß die SPD-Fraktion all die Anträge von Nürnberg hier bei den Haushaltsberatungen einbringt und die Deckungsvorschläge gleich mit vorlegt.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Machen wir!)

    — Aber alle! Denn das ist Ihre Pflicht, die Sie erfüllen müssen. Sonst habe ich von Ihnen, meine Damen und Herren, hier nämlich keine großen Vorschläge gehört. Deshalb kann ich Ihnen nur einen guten Satz von Emanuel Geibel mit auf den Weg geben, der da lautet: Das ist die klarste Kritik von der Welt, wenn neben das, was ihm mißfällt, einer was Eigenes und Besseres stellt. — Das habe ich in den Beiträgen zur Sozialpolitik von Ihnen nicht gehört,

    (Lutz [SPD]: Weil Sie nicht zuhören!)

    von keinem, und deswegen werden wir auf unserem Weg, mehr soziale Sicherheit und mehr soziale Gerechtigkeit in Deutschland zu schaffen,

    (Urbaniak [SPD]: Ungerechtigkeit!)

    fortfahren, und wir werden dem Wählerentscheid im Januar mit großer Gelassenheit entgegensehen, denn, meine Damen und Herren, die Wähler haben ein besseres Gespür

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Das ist wahr!)




    Jagoda
    und haben mehr Empfindungen als die Opposition in diesem Hause.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Als die Regierung!)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wieczorek (Duisburg).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Helmut Wieczorek


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erschrecken Sie nicht, wenn sich in einer sozialpolitischen Diskussion ein Finanzpolitiker zu Wort meldet.

    (Rusche [GRÜNE]: Wir sind nicht so leicht zu erschrecken!)

    Ich will mich auch zu finanzpolitischen Fragen äußern, aber dabei auch einige Anmerkungen zu dem gerade behandelten Thema machen.
    Herr Jagoda, der Herr Rau ist nicht hier; das sieht man ja.

    (Frau Dr. Adam-Schwaetzer [FDP]: Wie immer!)

    Aber vielleicht ist er gerade mit Herrn Kohl oder mit Herrn Stoltenberg zusammen, die auch nicht hier sind.

    (Beifall bei der SPD — Frau Dr. AdamSchwaetzer [FDP]: Das ist unwahrscheinlich!)

    Bei Herrn Stoltenberg weiß man j a, warum: Er ist beim Zentralbankrat. Vielleicht werden gerade die Leitzinsen gesenkt,

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Das wäre was!)

    wobei seine Anwesenheit erforderlich ist. Ich würde mich darüber sehr freuen. Sonst gibt es eigentlich keine Entschuldigung, wenn der Finanzminister dem Plenum bei den Haushaltsberatungen nicht zur Verfügung steht.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Da sitzt der Staatssekretär! — Der Staatssekretär ist doch da!)

    Ich muß mich also mit Herrn Dr. Voss auseinandersetzen, denn ich möchte noch einmal auf einige Dinge eingehen, die nach der Rede des Finanzministers übriggeblieben sind und die ich leider an anderer Stelle nicht mehr unterbringen kann.
    Zunächst möchte ich mich mit den Investitionen beschäftigen, die der Bund verkommen läßt. Wir haben immer gesagt — auch Herr Apel hat darauf hingewiesen —, daß wir die Investitionen des Bundes steigern müssen. Wenn ich Herrn Dr. Blüm hier soeben richtig verstanden habe, dann geht er von auch für mich geradezu phantastischen Zahlen aus, nämlich daß wir mit den 5 Milliarden DM, die wir im Bereich der Großfeuerungsanlagen-Verordnung zur Investition gebracht haben, 295 000 Arbeitsplätze sichern. Darf ich Sie daran erinnern, daß die Investitionslücke, die im Augenblick bei der Regierung vorhanden ist, 15 Milliarden beträgt und daß sie bis 1990 auf 20 Milliarden steigt. Glauben Sie nicht, Herr Kollege Roth, daß ich jetzt so unseriös diese Zahl von Herrn Blüm auf die 20 Milliarden transponieren würde.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Vom DGB!)

    — Der DGB hat allerdings gesagt, Herr Blüm — da hätten Sie auch diesmal intellektuell redlich sein sollen —, er sichere sie, und nicht etwa, sie würden dabei geschaffen.

    (Beifall bei der SPD - Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Genau das hat er gesagt! Wörtlich!)

    Aber wenn Sie diese Zahl hochrechnen — ich gehe einmal davon aus, daß der DGB j a auch seriöse Berater hat —,

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Bei uns investiert die private Wirtschaft! — Dr. Blüm [CDU/CSU]: Man darf sich doch hinter den DGB stellen!)

    dann könnten Sie natürlich sagen, mit der Schließung der Investitionslücke des Bundesfinanzministers würden fast 1 Million Arbeitsplätze gesichert. Allerdings will ich so weit nicht gehen.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Bei uns investiert die private Wirtschaft, Herr Wieczorek! Das ist der Unterschied zu Ihnen!)

    — Bei Ihnen investiert die private Wirtschaft; jawohl. Darum haben wir so viele Arbeitslose. Das ist die Schlußfolgerung, die man daraus ziehen muß.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich frage Sie, Herr Dr. Friedmann, der Sie mir ja als ein seriöser Mann im Ausschuß bekannt sind,

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Na!)

    noch einmal, wie seriös denn die Angabe des Bundesfinanzministers ist, wenn er seine Investitionsquote berechnet und dabei die Darlehen für BAföG mitrechnet.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Ja!)

    Es kann doch wohl nicht angehen, daß wir die Darlehen, die wir den BAföG-Empfängern geben, auf unsere Investitionsquote anrechnen und dann so tun, als ob wir damit Arbeit schaffen.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Das ist ein Definitionsbegriff!)

    — Ich habe das Gefühl: Mit dem Definitionsbegriff tun wir uns hier sehr schwer. Wir nehmen den Definitionsbegriff, der uns gerade gefällt. Das, Herr Dr. Friedmann, kann doch wohl nicht in unserem Sinn sein.

    (Tillmann [CDU/CSU]: Können Sie etwas über die Investitionsquote im Haushalt des Landes Nordrhein-Westfalen sagen?)

    — Ich will auch gern noch einmal auf Nordrhein-Westfalen eingehen. Das Thema liegt mir sehr. Sie gestatten allerdings, daß ich es mit Schleswig-Holstein und gleichzeitig mit dem Saarland vergleiche,

    (Tillmann [CDU/CSU]: Barschel will nicht Kanzler werden! — Dr. Friedmann [CDU/ CSU]: Rau will Kanzler werden! Er steht jetzt auf dem Prüfstand!)




    Wieczorek (Duisburg)

    weil wir nämlich die Länder im Zusammenhang sehen müssen, wenn wir sie kritisieren.

    (Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Wer will denn Kanzler werden?)

    — Herr Kollege Friedmann, es sind vordergründige wahltaktische Erwägungen, die Sie das Land Nordrhein-Westfalen hier nach vorne rücken lassen. Sie sehen mir sicher nach, wenn ich es als Sozialdemokrat hier nicht auf mir sitzen lasse, daß NordrheinWestfalen etwa ein zerrüttetes Land sei.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD — Jagoda [CDU/CSU]: Nein, das Land ist schön!)

    Ich mahne zu außerordentlicher Vorsicht, Herr Dr. Blüm,

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Ein schönes Land!)

    denn schlichtes Zahlenmaterial müßte Sie eigentlich überzeugen, und dieses schlichte Zahlenmaterial werde ich Ihnen liefern. Sie müssen die Tatbestände, die jetzt zu der Finanzmisere des Landes geführt haben — ich sage mit vollem Bewußtsein: Misere —, natürlich vor einem bestimmten Hintergrund sehen. Der Hintergrund ist die allgemeine Finanzsituation, die wir vorgefunden haben.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Rau!)

    Die erdrückende Erblast von Schleswig-Holstein und die, die auch Oskar Lafontaine im März 1985 nach jahrzehntelanger CDU-Regierung vorgefunden hat, muß natürlich auch Sie zum Nachdenken bringen. Auch das erfolgreich CSU-regierte Bayern hat in der Vergangenheit Finanzhilfen bekommen, Finanzhilfen aus dem Land Nordrhein-Westfalen,

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Aha!) und zwar nicht etwa in Kleinigkeiten,


    (Dr. Vogel [SPD]: Kostgänger!)

    sondern dieses große Land Bayern war Kostgänger des Landes Nordrhein-Westfalen. Darüber müssen Sie einmal nachdenken.

    (Jagoda [CDU/CSU]: Da war NordrheinWestfalen noch in Ordnung!)

    Bundesergänzungszuweisungsempfänger ist Bayern gewesen; es hat 10,5 Milliarden DM aus diesem Topf erhalten. Es ist eine Entwicklungshilfe an dieses reiche Land Bayern gegeben worden. Gott sei Dank haben wir ein Urteil unseres höchsten Gerichts, das hier einen Riegel vorschiebt und den Gesetzgeber veranlaßt, hier neue Maßnahmen zu ergreifen.
    Ich möchte hier auf gar keinen Fall mißverstanden werden. Es geht mir hier überhaupt nicht darum, ein Land gegen das andere auszuspielen.

    (Jagoda [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Aber es kann doch wohl nicht recht sein, daß die
    Rekordverschuldung des Saarlandes unter CDURegierungen oder die Spitzenverschuldung Schleswig-Holsteins unter dem Ministerpräsidenten Stoltenberg

    (Gansel [SPD]: Hört! Hört! Schulden hat er gemacht!)

    gute Schulden sind, aber die Kreditmarktverpflichtungen Nordrhein-Westfalens kritikwürdig wären.

    (Seiters [CDU/CSU]: Posser in seinem Brief!)

    Nordrhein-Westfalen hat stets ungeschminkt die Ursachen seiner Haushaltsprobleme genannt. Es sind die enormen Sonderlasten bei Kohle und Stahl, und es ist dies nach wie vor die verfassungswidrige Benachteiligung Nordrhein-Westfalens im Bund- Länder- Finanzausgleich.

    (Beifall bei der SPD)

    Zum Finanzausgleich erübrigen sich weitere Worte, nachdem Sie diese Tatsache jahrelang bestritten haben und die Bundesregierung trotz nachdrücklicher Initiativen und Vorstöße des Landes Nordrhein-Westfalen untätig gewesen ist.
    Ich hätte mir dringend gewünscht, daß der Bundesfinanzminister hierzu und insbesondere zur Frage eines Nachteilsausgleichs für Nordrhein-Westfalen wegen nicht erhaltener Bundesergänzungszuweisungen seit 1983 etwas gesagt hätte. Es kann keine Frage sein, daß wegen der verfassungswidrigen Nichtberücksichtigung Nordrhein-Westfalens bei den Bundesergänzungszuweisungen Verpflichtungen zum Ausgleich der seit 1983 entstandenen Nachteile auf den Bundeshaushalt zukommen. Ich bitte sehr darum, bei den Haushaltsberatungen entsprechende Mittel einzustellen.
    Was die genannten Sonderlasten angeht, ist die Lage ebenso eindeutig. Kein einziges Bundesland außer Nordrhein-Westfalen trägt derartige Kohlesonderlasten, da das Saarland bekanntlich seine Kohleleistung vom Bund zurückerhält. Einschließlich Zins und Zinseszins hat Nordrhein-Westfalen bisher weit über 20 Milliarden DM an Kohlelasten aufgebracht. Ohne diese Kohlelasten hätte Nordrhein-Westfalen eine Pro-Kopf-Verschuldung, die es im Ländervergleich in die positive Spitzengruppe gebracht hätte. Wer hier von Mißwirtschaft redet, redet wissentlich von Unwahrheit.

    (Beifall bei der SPD)

    Wer das wider besseres Wissen tut, muß sich fragen lassen, für welche vergleichbaren Sonderlasten eigentlich der Ministerpräsident in Schleswig-Holstein die Verschuldung von rund 14 Milliarden DM, also weit über 5 000 DM je Einwohner, eingegangen ist, und das, obwohl dieses Bundesland SchleswigHolstein im Länderfinanzausgleich an Bundesergänzungszuweisungen zusätzlich Finanzhilfen von über 14 Milliarden DM erhalten hat. Diese Frage müssen Sie sich gefallen lassen, Frau AdamSchwaetzer.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Das kommt von der Selbstgerechtigkeit des Herrn Rau!)

    Lassen Sie mich noch ein weiteres Wort sagen, und zwar zur Konsolidierung. Der Bund liegt mit



    Wieczorek (Duisburg)

    der Konsolidierungspolitik, die Herr Stoltenberg eingeschlagen hat, Herr Kollege Friedmann, deutlich unter dem Konsolidierungserfolg von Nordrhein-Westfalen. Auch das müssen Sie sich einmal mit klassischen Zahlen belegen lassen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Auf Kosten der Gemeinden!)

    Die Nettoverschuldung von Nordrhein-Westfalen ist von 1981 bis heute von 10,1 Milliarden DM auf 5,6 Milliarden DM zurückgefahren worden.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Warum hat dann der Posser den Brief geschrieben?)

    Das sind 55% des Wertes von 1981. Der Bund erreicht nur eine Absenkung von 35,4 Milliarden auf 24,3 Milliarden und rechnet dabei noch Sonderdinge ein wie die Verscherbelung des Bundesvermögens mit 3 Milliarden DM und — denken Sie an Ihr Erbe, das Sie angetreten haben — den Bundesbankgewinn, denn den haben wir Ihnen hinterlassen.

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    Das sind Einsparungen, die der Regierung Schmidt nicht ausgezahlt wurden, die Sie heute verfrühstükken.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Seit wann setzen Sie die Dollarzinsen fest? Die SPD bestimmt doch nicht die Dollarzinsen!)

    — Nein, aber die SPD mußte bei sinkendem Dollarkurs die Verluste aus den Wertberichtigungen einstecken. Sie sind der Regierung damals nicht als der ihr eigentlich zustehende Gewinn ausgezahlt worden. Herr Kollege Friedmann, ich muß Ihnen doch keinen Nachhilfeunterricht geben; Sie sind doch Volkswirt von Haus aus.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Was? — Weitere Zurufe von der SPD: Das will nichts heißen! — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Deshalb stimmt es, was ich sage!)

    — Ja, Sie sagen aber nur immer die halbe Wahrheit, Herr Dr. Friedmann.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Aber die richtige Hälfte!)

    Das tut immer ein bißchen weh. Wenn man einen Kollegen im Ausschuß hat, bei dem man das Gefühl hat, einen seriösen Kollegen vor sich zu haben, und dieser sich dann im Plenum verändert, so tut das etwas weh, Herr Kollege Friedmann.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich habe nicht gedacht, daß Sie einmal in diese Situation kommen würden.
    Meine Damen und Herren, das Land NordrheinWestfalen hat seinen Beitrag geleistet, um mit seinen finanzpolitischen Problemen fertig zu werden. Es hat mit den Problemen ohne Hilfe fertig werden müssen. Es hat sicherlich eine Menge Verpflichtungen für andere Länder übernommen. Daß in Nordrhein-Westfalen Kohle gefördert und Stahl erzeugt wird, war immer die Voraussetzung dafür, daß im Schwarzwald und in Baden-Württemberg saubere Industrien leben konnten, daß sich dort gute und hervorragende Betriebe ansiedeln konnten. Jetzt dem Lande Nordrhein-Westfalen die Lasten allein aufzubürden und es dabei zu belassen ist sträflich. Wir sollten ein solches Thema nicht als Wahlkampfthema mißbrauchen.

    (Beifall bei der SPD — Frau Dr. AdamSchwaetzer [FDP]: Sie wollen wohl Rau aus dem Wahlkampf heraushalten?)