Rede:
ID1022904500

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Metadaten
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/229 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 229. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 11. September 1986 Inhalt: Begrüßung des Ersten Stellvertreters des Vorsitzenden des Staatsrates der Volksrepublik Bulgarien und seiner Delegation . 17757 B Änderung der Überweisung des Antrags betr. Einführung von Bestandsobergrenzen zum Schutz der bäuerlichen Landwirtschaft und der Umwelt — Drucksache 10/2822 — an Ausschüsse 17757 B Begrüßung einer Delegation des australischen Parlaments 17782 D Zur Geschäftsordnung Volmer GRÜNE 17755 B Seiters CDU/CSU 17756 A Porzner SPD 17756 B Wolfgramm (Göttingen) FDP 17757 A Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1987 (Haushaltsgesetz 1987) — Drucksache 10/5900 — in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1986 bis 1990 — Drucksache 10/5901 — Dr. von Dohnanyi, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg . . 17757 D Dr. Friedmann CDU/CSU 17762 C Bueb GRÜNE 17766 B Cronenberg (Arnsberg) FDP 17768 B Sieler (Amberg) SPD 17772 B Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 17774 A Frau Fuchs (Köln) SPD 17783 A Frau Dr. Adam-Schwaetzer FDP . . . 17788 D Jagoda CDU/CSU 17792 C Wieczorek (Duisburg) SPD 17797 A Seehofer CDU/CSU 17799 C Dr. Wallmann, Bundesminister BMU . 17804A Dr. Hauff SPD 17812 B Dr. Laufs CDU/CSU 17819 D Dr. Müller (Bremen) GRÜNE 17824 B Frau Seiler-Albring FDP 17827 A Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI 17830 B Dr. Penner SPD 17834 D Dr. Miltner CDU/CSU 17840 B Ströbele GRÜNE 17843 D Dr. Hirsch FDP 17846 D Broll CDU/CSU 17848 D Schäfer (Offenburg) SPD 17851 B Kuhlwein SPD 17853 D Engelhard, Bundesminister BMJ . . . . 17855 C Dr. Emmerlich SPD 17858A Vizepräsident Westphal 17801 A Vizepräsident Stücklen 17824 A Nächste Sitzung 17860 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 17861* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. September 1986 17755 229. Sitzung Bonn, den 11. September 1986 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 12. 9. Antretter * 11. 9. Bahr 12. 9. Frau Borgmann 11. 9. Büchner (Speyer) * 11. 9. Eigen 12. 9. Frau Fischer * 11. 9. Dr. Geißler 11. 9. Dr. Götz 12. 9. Hanz (Dahlen) 12. 9. Dr. Hüsch 11. 9. Dr. Hupka 11. 9. Dr. Klejdzinski * 11. 9. Dr. Kreile 12. 9. Dr. Kronenberg 12. 9. Dr. Kübler 11. 9. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Landré 11. 9. Lenzer * 11. 9. Dr. Mitzscherling 12. 9. Dr. Müller * 12. 9. Nagel 12. 9. Frau Pack * 11. 9. Pöppl 12. 9. Dr. Riedl (München) 12. 9. Dr. Soell 12. 9. Dr. Sperling 12. 9. Dr. Stercken 12. 9. Frau Verhülsdonk 12. 9. Voigt (Sonthofen) 12. 9. Dr. Wieczorek 11. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
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    Rede von Dr. Norbert Blüm


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Bueb, wir wollen doch nicht die Milchmädchenrechnung machen, als würden alle Gewinne der Unternehmen in Yachten in der Karibik investiert.

    (Bueb [GRÜNE]: Nein in Haushalte!)

    Sie werden in Arbeitsplätze investiert. Wir brauchen Gewinne, damit Arbeitsplätze entstehen. Ohne Gewinne entstehen keine Arbeitsplätze.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Und damit das auch noch gleich ausgeräumt ist: Wir wollen die Arbeitnehmer an diesen Gewinnen mitbeteiligen. Wir wollen Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand. Wir wollen nicht das Bonzeneigentum der Verstaatlichung und der Sozialisierung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




    Bundesminister Dr. Blüm
    Wir haben das Arbeitslosengeld für die älteren Arbeitslosen verlängert. Das bringt für ältere Arbeitslose eine Verbesserung ihrer materiellen Lage. Wer 2 000 DM brutto im Monat verdient hat und längerfristig arbeitslos ist, erhält durch die Neuregelung im zweiten Jahr der Arbeitslosigkeit 1 200 DM mehr, als er bei voller Bedürftigkeit an Arbeitslosenhilfe erhalten hätte.
    Wir haben — das halten wir mal fest — die geringste Preissteigerungsrate seit 32 Jahren, die höchste Realeinkommenssteigerung seit 13 Jahren, den höchsten Realanstieg der Renten seit sieben Jahren, das geringste Zinsniveau seit acht Jahren. Das ist das Ergebnis mit dem wir vor die Wähler treten, ein Ergebnis, das handfest ist und sich nicht durch Ideologie bestimmt.
    Ich weiß, jetzt kommt die Ausrede: Früher, zu SPD-Zeiten, war an den schlechten Zuständen das Ausland schuld und daß es jetzt besser ist, verdanken wir auch dem Ausland. Auch dem kann abgeholfen werden: Die EG-Kommission hat eine Vergleichsliste für die zwölf Gemeinschaftsländer. 1982 lagen wir im Kreis der zwölf EG-Länder beim Bruttoinlandsprodukt auf Platz elf, bei der Entwicklung der Beschäftigung auf Platz zehn, bei der Reallohnentwicklung auf Platz zehn, bei der Inlandsnachfrage auf Platz elf. Anders ausgedrückt: Wir gehörten 1982 unter Helmut Schmidt zu den Schlußlichtern in der EG. Diesmal stehen wir in allen diesen Bereichen entweder auf Platz eins oder auf Platz zwei. Wir haben das Schlußlicht mit dem Spitzenreiter gewechselt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf von der SPD)

    - Die SPD verwechselt den 1. FC Köln mit Bayer Leverkusen.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Arbeit für alle — das war heute morgen auch schon das Thema. Über 2 Millionen Arbeitslose — damit niemand den Eindruck hat, wir könnten mit stolzgeschwellter Brust selbstzufrieden vor Sie treten —,

    (Mann [GRÜNE]: Sie tun aber so die ganze Zeit!)

    diese Zahl muß jeden beunruhigen: Arbeitgeber, Gewerkschaften, die Regierung; wir alle stehen in der Pflicht der Solidarität!
    Ich bleibe dabei: je mehr zusammenwirken, desto besser. Mit Zusammenwirken haben wir Deutschland wieder aufgebaut. Ich will allerdings auch sagen: Auch hier ebnet die Statistik ein. Die Betroffenheit ist höchst unterschiedlich: die Betroffenheit eines Arbeitslosen, der fünf Kinder zu ernähren hat und nur von einer Unterstützung lebt, ist sicher eine andere als diejenige eines Arbeitslosen, der nur für sich zu sorgen hat; die Betroffenheit in den Regionen ist unterschiedlich, die in den Sektoren ist unterschiedlich; Frauen sind mehr betroffen, Ungelernte sind mehr betroffen. Ältere sind länger arbeitslos. Mit Patentrezepten ist überhaupt nicht zu helfen. Nur eine differenzierte Politik, eine Politik des Schritt-für-Schritt hat Aussicht auf Erfolg.
    Ich weiß, daß die stille Reserve, Sie Frau Fuchs, auch jetzt wieder zu Höchstleistungen der Schwarzmalerei bringen wird. Darauf kann ich nur sagen:
    Die Bundesregierung wird diese stille Reserve für ihre arbeitsmarktpolitischen Aktivitäten nicht zugrunde legen können, weil sie davon ausgeht, daß sich jeder, der arbeiten will, beim Arbeitsamt meldet.

    (Günther [CDU/CSU]: Wie das immer war!)

    So Anke Fuchs am 10. April 1981 als Parlamentarische Staatssekretärin auf die Frage unseres Kollegen Stutzer.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich bestätige ausdrücklich: Wir sind in der Kontinuität dieser Meinung geblieben.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Wichtig ist, daß wir Beschäftigungsgewinne haben. Wissen Sie, das verstehe ich j a überhaupt nicht, Herr Dohnanyi. Die SPD-Position ist doch: Erstens. Es gibt keine Beschäftigungsgewinne. Zweitens. Die IG Metall hat sie zustande gebracht.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Sie müssen sich jetzt entscheiden: Gibt es keine, oder gibt es welche? Es gibt welche. Nachdem in den letzten Jahren der Regierung Schmidt eine Million Arbeitsplätze verlorengegangen, durch den Schornstein geraucht sind, haben wir in den letzten zwei Jahren wieder rund eine halbe Million gewonnen. Ja, das weiß ich auch: Aufwärts geht es natürlich langsamer, aus dem Tal heraus ist es schwieriger als in das Tal hinunter. Das weiß jeder Radfahrer, das weiß jedes Kind, das mal gerodelt ist. Runter geht's ganz schnell, hoch geht's langsam.
    Aber wir bleiben dabei: Die Wege, die ins Tal geführt haben, sind nicht die besten Wege, um aus dem Tal herauszukommen. 17 Beschäftigungsprogramme mit einem Investitionsvolumen von 50 Milliarden DM haben die Sozialdemokraten in den Sand gesetzt. 17 Beschäftigungsprogramme — und die Arbeitslosenzahl stieg millionenfach. Warum sollten wir das achtzehnte Mal probieren, was 17mal falsch war?

    (Kolb [CDU/CSU]: Die wollen „17 und 4" spielen!)

    Einen Arzt, der den Blinddarm 17mal an der falschen Seite gesucht hat, wird man zum achtzehnten Mal nicht an den Operationstisch lassen, oder?

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    In dem SPD-Programmentwurf „Die Zukunft gestalten" heißt es:
    Eine Finanzpolitik, die darauf zielt, die Steuerquote oder die sogenannte Staatsquote zu senken, schließt eine erfolgreiche Beschäftigungspolitik aus.
    Ich frage: Liegt in der Logik dieses Satzes: Bei
    100 % Staatsquote gibt's 100 % Beschäftigung? So
    einfach können doch die Rezepte nicht sein. Wir



    Bundesminister Dr. Blüm
    suchen eine Balance zwischen wirtschaftlicher Initiative, zwischen Markt und staatlichen Rahmenbedingungen. Arbeit muß für alle da sein; dabei bleibt es.
    Es gibt doch noch genug Aufgaben auf der Welt. Wir werden doch nicht mit dem Modell Robinson den Meeresboden urbar machen und die Wüsten bewässern. Wir brauchen neue Technik. Es gibt tausend lohnende Aufgaben für unsere Arbeit, weil es tausend Probleme gibt. Auch die Probleme im Zusammenhang mit Umwelt müssen durch Arbeit gelöst werden. Mit der GroßfeuerverordnungsAnlage — —

    (Zurufe von den GRÜNEN)

    — Mit der Großfeueranlagen-Verordnung — —

    (Zurufe von den GRÜNEN: Immer noch falsch!)

    — GroBfeueranlagen-Verordnung — —

    (Zurufe von den GRÜNEN: Großfeuerungsanlagen-Verordnung!)

    — Sie haben durch diese wiederholte Hilfe die Aufmerksamkeit auf eine weitere Leistung der Bundesregierung gelenkt. — Vielen Dank.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Also, mit der Großfeuerungsanlagen-Verordnung haben wir einen Investitionsschub von 5 Milliarden DM ausgelöst. Der DGB räumt immerhin ein, daß das die Arbeitsplätze von 295 000 Arbeitnehmern sichert. Wir haben das ERP-Programm für Umweltschutz um 1,6 Milliarden DM aufgestockt.
    Das Wirtschaftswachstum wird durch den Trend in die Dienstleistungsgesellschaft beschäftigungsintensiver. Wir sind ein Land, das bei Dienstleistungen noch einen Nachholbedarf hat. Auch in einer Freizeitgesellschaft wird es neue Bedürfnisse und neue Chancen für Arbeit geben. Laßt euch nicht miesmachen! Wir brauchen Unternehmer, die Mut haben. Wir brauchen Arbeitnehmer, die Mut haben. Wer nur auf der Stelle tritt, wird uns nicht aus dem Tal herausbringen.

    (Mann [GRÜNE]: Sie sind ein Gesundbeter!)

    Wir brauchen neue Formen der Arbeitszeit; neue Muster für Tages-, Wochen- und Lebensarbeit werden gesucht. Es muß nicht alles so stur und starr bleiben,

    (Bueb [GRÜNE]: Wie ihr seid!) wie wir es seit 200 Jahren gewohnt sind.

    Die starre Trennung der Lebensphasen zwischen Erwerbsarbeit und Ruhestand kann aufgelockert, aufgelöst werden. Zeitweises Ausscheiden aus der Erwerbsgesellschaft zugunsten von Erziehung ist mit Hilfe der modernen Technologie möglich. Kürzere Arbeitszeiten werden andere Arbeitszeiten sein.

    (Bueb [GRÜNE]: Ungeschützte Beschäftigungsverhältnisse!)

    Wir brauchen viel mehr Phantasie, um diese neuen Arbeitszeitmöglichkeiten zu nutzen.

    (Zurufe von den GRÜNEN)

    Ich glaube, der Name des Fortschritts heißt Vielfalt.

    (Mann [GRÜNE]: Vielfalt! Da haben Sie recht!)

    Er heißt nicht mehr Kolonne und Uniformierung.
    Wir sind auch für eine Individualisierung der Arbeitszeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von den GRÜNEN)

    — Herr Bueb, mir ist Arbeitszeit nach dem Maß des Menschen lieber als nach dem Takt von Maschinen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Bueb [GRÜNE]: Heuern und feuern!)

    Wer sich gegen Vielfalt sperrt, über den wird die Entwicklung hinweggehen. Das Leben richtet sich nicht nach Kommuniqués. Da lese ich in einem WDR-Interview vom 19. Juni die merkwürdige Begründung des Kollegen Hans Janßen — er ist Vorstandsmitglied der IG Metall —, warum er gegen Individualisierung ist:
    Wenn sich — so sagt er —
    viele Arbeitnehmer damit befreunden und das für richtig halten, dann irren diese Arbeitnehmer, und ich kriege mein Geld j a schließlich dafür, daß ich meinen Mitgliedern an der Basis sage, was für sie gut und richtig ist.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)

    Da kann ich nur sagen: die Gesellschaft als Kindergarten und der Funktionär als Tante. Das ist die Welt, die Ideologen sich offenbar erträumen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich bleibe dabei: Laßt uns doch Maß nehmen an den Sehnsüchten der Menschen, an ihren Wünschen. Das ist Maßstab, nicht aber das, was in den Lehrbüchern steht. Deshalb brauchen wir auch Pfadfinder, die Neues erkunden.

    (Lachen bei der SPD)

    — Ja, Pfadfinder. Das können die Tarifpartner und die Betriebspartner besser als der Gesetzgeber, der immer unter großem Zwang steht, alles zu verallgemeinern.

    (Mann [GRÜNE]: Und wie war das bisher?)

    Dennoch: Wir haben unseren Beitrag zur Arbeitszeitproblematik geleistet. Wir haben den Vorruhestand eingeführt. Das ist ein Beitrag zur Arbeitszeitverkürzung, zur Lebensarbeitszeitverkürzung und zu mehr Selbstbestimmung bei der Altersgrenze.
    Wir haben Erziehungsurlaub mit Arbeitsplatzgarantie eingeführt, was einen familienpolitischen Sinn hat, was auch eine Arbeitszeitverkürzung ist,



    Bundesminister Dr. Blüm
    nämlich die Möglichkeit, in der Mitte des Lebens ein Jahr mit staatlicher Unterstützung aus der Erwerbsarbeit auszuscheiden, um sich der Erziehungsarbeit zu widmen. Was ist das anderes als Arbeitszeitverkürzung? Das ist ein Beitrag, freilich nicht aus dem Laden der Kollektivisten, sondern aus dem Programm der Vielfalt, jeder nach seinen Bedürfnissen!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir haben Teilzeitarbeit, die von anderen madig gemacht wird, zum erstenmal arbeitsrechtlich geschützt. Auch das ist eine Arbeitszeitverkürzung. Sie ermöglicht neue Arbeitszeitformen. Wir haben das Jobsharing und die Abrufarbeit zum erstenmal gesetzlich gegen Mißtrauen abgesichert. Es hilft niemandem, das nur madig zu machen. Wir haben das gesetzlich gegen Mißbrauch geschützt.
    Wir haben den befristeten Arbeitsvertrag ermöglicht und damit auch dazu beigetragen, daß mehr Arbeitnehmer frühzeitig eingestellt werden. Hören Sie einmal, das Beschäftigungsförderungsgesetz ist jetzt 14 Monate in Geltung. Es ermöglicht befristete Arbeitsverträge von 18 Monaten. Wieso wissen Sie jetzt schon, daß die alle nach 18 Monaten entlassen werden? Offensichtlich sind Sie vorausschauender oder wie die SPD mit prophetischer Gabe ausgestattet, die schon nach 14 Monaten sagt: Alle werden entlassen. — Meiner Meinung nach wird der größere Teil in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis wechseln. So war es von uns gedacht: als Brücke zurück in die Erwerbsgesellschaft.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die OECD jedenfalls gibt diesem Beschäftigungsförderungsgesetz — den befristeten Arbeitsvertrag eingeschlossen — gute Noten. In jener Kommission, die die Ausarbeitung dazu geliefert hat, sitzen zwei international angesehene Gewerkschafter. Die Sozialisten in Spanien und die Sozialisten in Frankreich haben befristete Arbeitsverträge angeboten. Seien Sie vorsichtig, sie alle als Ausbeuter und Reaktionäre zu bezeichnen. Ich müßte sonst die spanischen Sozialisten gegen die deutschen in Schutz nehmen.
    Wir brauchen Modernisierung. Freilich: Mit Modernisierung meine ich keineswegs nur die Erneuerung des Maschinenparks, sondern auch Qualifizierung der Arbeitnehmer. Die schönste und modernste Maschine nutzt nichts, wenn der Arbeitnehmer sie nicht beherrschen kann. Investitionen müssen vorausschauend geplant werden, Qualifizierung muß vorausschauend ermöglicht werden. Wenn heute über Facharbeitermangel geklagt wird, so kann das zu einer Bumerangbeschwerde werden. Facharbeiter fallen nicht vom Himmel, werden nicht durch Jammern hergestellt, die müssen in den Betrieben ausgebildet werden — es sind zu wenig ausgebildet —,

    (Beifall des Abg. Dr. Dregger [CDU/CSU] — Mann [GRÜNE]: Sehr wahr!)

    und zwar vorausschauend ausgebildet, auch den Bedürfnissen entsprechend, wobei ich glaube, daß es
    nicht nur um Lehrlingsausbildung, sondern auch um Weiterbildung geht.

    (Mann [GRÜNE]: Und was geschieht?)

    — „Was geschieht"? Beispielsweise haben wir in der Siebten Novelle ein Programm von über 750 Millionen DM aufgelegt, das diese Weiterbildung ermöglichen soll. Aber die Hauptaufgabe bleibt in den Betrieben; wir wollen keine Verstaatlichung der beruflichen Bildung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich wende mich auch dagegen, Weiterbildung nur auf das erste Drittel des Lebens zu reduzieren, ich wende mich gegen die Unmenschlichkeit einer Gesellschaft, die für die Älteren keinen Platz mehr hat; ich wende mich gegen diese Abschreibungsmentalität, als könnten wir auf die Erfahrungen der Älteren verzichten. Jene Stellenanzeigen: Chemiker, berufserfahren, 30 Jahre; qualifizierte Ingenieure, höchstens 35 Jahre alt; dynamische Techniker unter 40 Jahren halte ich für menschenverachtend. Wir brauchen die älteren Arbeitnehmer, und deshalb brauchen wir auch Weiterbildung im fortgeschrittenen Alter.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Mann [GRÜNE]: Die Realität ist leider anders!)

    Der 40jährige von heute ist im Jahre 2000 54 Jahre alt. Den brauchen wir dann noch. In der gleichen Zeit werden wir 300 000 weniger Lehrlinge haben. Wer jetzt nicht die 40-, 50jährigen weiterbildet, wird noch Jahre und Jahrzehnte über Facharbeitermangel klagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    32 Milliarden DM gibt die deutsche Industrie für Aus- und Weiterbildung aus; das sind 5 % der Lohn- und Gehaltssumme und 10 % der Anlageninvestitionen. Das ist zu wenig, wir brauchen einen Aufbruch in Sachen Qualifizierung, um der Arbeitnehmer willen, um der Arbeitsplätze willen, um unseres Standes in der Weltwirtschaft willen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, ich will auch zu einem Lieblingsthema — ich bekenne es — Stellung nehmen. Die Rentenversicherung — ich will es unumwunden sagen — gehört zu meinen Lieblingskindern der Sozialversicherung. Sie verdient auch alle Zuneigung, denn sie steht in der Pflicht, in der die Jungen zu jeder Zeit gegenüber ihren Eltern und den Älteren gestanden haben. Die Rentenversicherung vollzieht nur das, was in früheren Jahren die Großfamilie geleistet hat: Die Alten werden von den Jungen mit versorgt. Auch die Jungen werden einmal alt. Sie haben dann nur so viel Anrecht auf Sorge, wie sie selber aufgebracht haben, als sie jung waren. In der Nähe dieses familiären Zusammenhanges, in dieser Generationensolidarität muß die Rentenversicherung immer bleiben; sie darf nicht in einem Sozialstaatsapparat in der Anonymität versinken. An der Generationensolidarität läßt sich auch die Höhe einer Kultur messen.





Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Bueb?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Norbert Blüm


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Bitte schön.