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ID1022802500

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    Plenarprotokoll 10/228 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 228. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 10. September 1986 Inhalt: Wahl des Abg. Hiller (Lübeck) zum Schriftführer als Nachfolger des Abg. Heyenn . 17659A Begrüßung des Außenministers der Republik Malta 17727 D Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1987 (Haushaltsgesetz 1987) — Drucksache 10/5900 — in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1986 bis 1990 — Drucksache 10/5901 — Dr. Dregger CDU/CSU 17659 B Schmidt (Hamburg) SPD 17668 B Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 17685 B Dr. Kohl, Bundeskanzler 17692 B Frau Hönes GRÜNE 17703A Dr. Waigel CDU/CSU 17707 A Dr. Ehmke (Bonn) SPD 17715B Dr. Barzel CDU/CSU 17721A Genscher, Bundesminister AA 17727 D Frau Borgmann GRÜNE 17731 D Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD . 17734 A Dr. Wörner, Bundesminister BMVg . . 17738 C Gansel SPD 17742 A Frau Seiler-Albring FDP 17745 B Lange GRÜNE 17747 D Dr. von Bülow SPD (Erklärung nach § 30 GO) 17751 C Vizepräsident Cronenberg 17721 A Vizepräsident Westphal 17742 A Nächste Sitzung 17751 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 17753* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 17753* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 228. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. September 1986 17659 228. Sitzung Bonn, den 10. September 1986 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 226. Sitzung, Seite 17578* C: In der Anlage 32 ist die Vorlage Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zum Abschluß des Verfahrens der Konsultation des Europäischen Parlaments zum Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat für einen Entwurf einer Entschließung betreffend ein mittelfristiges Programm der Gemeinschaft (1986-1990) zur Chancengleichheit der Frauen (Drucksache 10/5627) zuständig: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit (federführend) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung zu streichen. Einzufügen ist: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über die Entwicklung der mit den Verkaufserlösen und Betriebsausgaben in der Land- und Forstwirtschaft anfallenden Umsatzsteuer (Vorsteuerbelastung) (Drucksache 10/5631) zuständig: Finanzausschuß (federführend) Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 227. Sitzung, Seite 17585 D, Zeile 3: Statt „Zuruf von der CDU/CSU:" ist „Zuruf von der SPD:" zu lesen. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 12. 9. Antretter * 11. 9. Büchner (Speyer) * 11. 9. Dr. Bugl 10. 9. Eigen 12. 9. Dr. Emmerlich 12. 9. Frau Fischer * 11. 9. Dr. Götz 12. 9. Dr. Haack 10. 9. Hanz (Dahlen) 12. 9. Heimann 10. 9. Jahn (Marburg) 10. 9. Klein (München) 10. 9. Dr. Klejdzinski * 11. 9. Dr. Köhler (Wolfsburg) 10. 9. Dr. Kreile 12. 9. Dr. Kronenberg 12. 9. Dr. Kübler 10. 9. Landré 11. 9. Lenzer * 11. 9. Dr. Mitzscherling 12. 9. Dr. Müller * 12. 9. Nagel 12. 9. Frau Pack * 11. 9. Pöppl 12. 9. Reddemann * 10. 9. Dr. Riedl (München) 12. 9. Schlaga 10. 9. Dr. Schmude 10. 9. Sielaff 10. 9. Dr. Soell 12. 9. Voigt (Sonthofen) 12. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 27. Juni 1986 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz zur Entlastung landwirtschaftlicher Unternehmer von Beiträgen zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung (Sozialversicherungs-Beitragsentlastungsgesetz - SVBEG) Gesetz zu dem Übereinkommen von 1976 über die Beschränkung der Haftung für Seeforderungen Gesetz zur Änderung des Handelsgesetzbuchs und anderer Gesetze (Zweites Seerechtsänderungsgesetz) Gesetz über das Verfahren bei der Errichtung und Verteilung eines Fonds zur Beschränkung der Haftung für Seeforderungen (Seerechtliche Verteilungsordnung) Erstes Gesetz zur Änderung des Tierschutzgesetzes Zu dem letztgenannten Gesetz hat der Bundesrat folgende Entschließung gefaßt: Anlagen zum Stenographischen Bericht Der Bundesrat geht bei seiner Zustimmung davon aus, daß im Vollzug des § 8 des Tierschutzgesetzes an die wissenschaftlich begründete Darlegung der Genehmigungsvoraussetzungen strenge Anforderungen gestellt werden. Die wissenschaftliche Darlegung muß den Verwaltungsbehörden die Grundlage für einen zuverlässigen Schluß auf das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen liefern. Die Verwaltungsbehörde darf sich selbst nicht auf die bloße formelle Prüfung, etwa ob der Genehmigungsantrag durch wissenschaftliche Gutachten belegt ist, beschränken. Sie hat sich vielmehr mit aller Gewissenhaftigkeit und unter Heranziehung der ihr zugänglichen Erkenntnisquellen zu überzeugen, daß die materiellen Voraussetzungen für den Tierversuch vorliegen. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 11. Juli 1986 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Erstes Gesetz zur Änderung des Schwerbehindertengesetzes Zweites Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes Fünftes Gesetz zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes Drittes Gesetz zur Änderung der Bundeshaushaltsordnung Gesetz zu dem Übereinkommen vom 19. Juni 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts Gesetz zu den Haager Übereinkommen vom 2. Oktober 1973 über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen sowie über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht Gesetz zur Ausführung des Haager Übereinkommens vom 2. Oktober 1973 über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen (Unterhaltsvollstreckungs-Übereinkommens-Ausführungsgesetz ) Gesetz zur Änderung des Gebrauchsmustergesetzes Gesetz zur Änderung tarifrechtlicher Bestimmungen im Seehafenhinterlandverkehr Fünftes Gesetz zur Änderung des Textilkennzeichnungsgesetzes Gesetz über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERPSondervermögens für das Jahr 1987 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1987) Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen Gesetz zu dem Abkommen vom 7. Januar 1986 zur Änderung des Abkommens vom 17. Dezember 1973 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über Soziale Sicherheit Gesetz über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1986 (Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1986 - BBVAnpG '86) Gesetz über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen (Abfallgesetz - AbfG) Gesetz zur Änderung wirtschafts-, verbraucher-, arbeits- und sozialrechtlicher Vorschriften Zu den drei letztgenannten Gesetzen hat der Bundesrat folgende Entschließungen gefaßt: 1. Der Bundesrat hält eine Erhöhung der Stundensätze der Zulage für Dienst zu ungünstigen Zeiten für Polizeibeamte allgemein für gerechtfertigt. Er bittet die Bundesregierung, die Erschwerniszulagenverordnung alsbald entsprechend zu ändern. 2. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die nach § 14 Abs. 2 des Abfallgesetzes zur Vermeidung oder Verringerung von Abfallmengen der Wirtschaft zu setzenden Frist möglichst kurz zu bemessen, zumal sich die Wirtschaft auf Grund der bereits geführten Gespräche hierauf einstellen konnte. Er geht davon aus, daß im Falle einer erkennbaren fehlenden Bereitschaft der Wirtschaft oder Teilen davon zur Reduzie- 17754* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 228. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 10. September 1986 rung der Abfallmengen aus Einwegverpackungen die Bundesregierung auch ohne Fristsetzung von den Ermächtigungen des § 14 Abs. 2 Gebrauch macht. Die Bundesregierung wird gebeten, für solche Fälle umgehend entsprechende Rechtsverordnungen vorzubereiten. 3. Im Hinblick auf die in der Anhörung im Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages zum Ausdruck gekommenen Bedenken gegen einzelne Bestimmungen des Gesetzentwurfs bittet der Bundesrat die Bundesregierung, bis zum 1. Januar 1989 einen Bericht über die praktischen Erfahrungen mit den novellierten Vorschriften vorzulegen. Dies gilt insbesondere für die neuen Regelungen im UWG über das Verbot der öffentlichen Werbung mit mengenmäßiger Beschränkung, das Verbot der öffentlichen Werbung mit Preisgegenüberstellungen sowie das nunmehr durchweg zivilrechtlich ausgestaltete Verfahren bei Räumungsverkäufen. Die in Drucksache 10/5706 unter Nummer 28 aufgeführte EGVorlage Vorschlag für eine Empfehlung des Rates über die koordinierte Einführung des dienstintegrierenden digitalen Fernmeldenetzes (ISDN) in der Europäischen Gemeinschaft — auf dem Weg zu einem europaweiten Telematikmarkt — KOM (86) 205 endg. — Rats-Dok. Nr. 7308/86 ist als Drucksache 10/5933 verteilt.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
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    Ich möchte jetzt weitermachen. Ich habe wenig Zeit und möchte allen nachfolgenden Rednern Gelegenheit geben, ihre Rede hier zu halten. Der Herr Bundeskanzler a. D. Schmidt hat zwar sicherlich mit Recht zwei Stunden gesprochen — ich kritisiere das nicht —, aber er bringt alle nachfolgenden Redner in Schwierigkeiten. Ich bitte deswegen um Nachsicht, wenn ich jetzt keine Zwischenfragen mehr zulassen kann.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich einige Bemerkungen zur Wirtschaftslage machen. Das ist nicht mehr umfangreich notwendig, nachdem wir gestern nachmittag darüber diskutiert haben. Aber, meine Damen und Herren, eines ist trotz aller Rechnungen — und man kann, je nachdem, welche



    Bundesminister Dr. Bangemann
    Zeiträume man wählt, je nachdem, welche Erscheinungen man herausnimmt, unterschiedliche Rechnungen anstellen —, wenn nicht hier in diesem Haus, so doch außerhalb und bei den Bürgern, die im Januar ihre Entscheidung über den Erfolg dieser Regierung in der Wirtschaftspolitik zu treffen haben, klar: Die wirtschaftliche Lage hat sich erheblich verbessert,

    (Kittelmann [CDU/CSU]: So ist es!)

    seitdem diese Regierung die Wirtschaftspolitik bestimmt.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wir hatten seit Beginn der 80er Jahre eine stagnierende Wirtschaft, sinkende Beschäftigung, rasch wachsende Arbeitslosigkeit. Wir hatten eine Inflationsmentalität. Das ist z. B. ein Punkt, in dem ich mit Herrn Schmidt überhaupt nicht übereinstimme. Der berühmte Satz „5 % Inflation sind mir lieber als 5 % Arbeitslosigkeit" zeigt die ganze Fehlorientierung der Wirtschaftspolitik früherer Regierungen.

    (Lebhafter Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Wer war denn da Wirtschaftsminister? — Weitere Zurufe von der SPD)

    Deswegen, meine Damen und Herren, gab es eine resignierende Stimmung, die ein schleichendes Gift für jedes wirtschaftliche Wachstum ist. Das haben wir überwunden. Denn was haben wir erreicht? Das Sozialprodukt ist seit Ende 1982 um 11% gestiegen, hat sich also in den vier Jahren bis 1986 gegenüber 1982 real um rund 160 Milliarden DM erhöht. Dagegen war das Sozialprodukt 1981 und 1982 zusammengenommen um 14 Milliarden DM gesunken. Die Ausrüstungsinvestitionen haben um 25 % zugenommen. Wenn Sie dieses Jahr mit in die Rechnung einbeziehen, werden Sie auch insgesamt zu einer Steigerung der Ausrüstungsinvestitionen kommen.
    Von der Konsolidierung des Staatshaushalts ist bereits gesprochen worden. Hier muß sich die Opposition mal einigen, ob das stimmt, was Herr Schmidt sagte, daß die Konsolidierung zu rasch vorangegangen sei, oder ob das andere stimmt, daß man sich hoch verschuldet habe, was gestern die ganze Debatte beherrscht hat. Was ist denn nun richtig? Was ist Ihr Vorwurf? Haben wir zu rasch oder zu wenig konsolidiert? Was ist denn nun eigentlich wahr?

    (Dr. Vogel [SPD]: Sie waren anscheinend wieder nicht da! — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Sie müssen zuhören! — Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ich weise nur ganz bescheiden darauf hin, daß zwischen dem, was Herr Apel gestern gesagt hat, und dem, was Herr Schmidt heute morgen zur Haushaltskonsolidierung ausgeführt hat, ein fundamentaler Unterschied besteht.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zuruf von der SPD)

    Der Rückgang der Beschäftigung ist gestoppt. Ich
    weise es zurück, meine Damen und Herren, wenn
    diejenigen, die immer wieder die Arbeitslosigkeit
    als das Problem Nummer eins bezeichnen — worin sie recht haben —, gleichzeitig sagen:

    (Zuruf von der SPD: Es ist das Problem!)

    Jetzt macht die Bundesregierung eine vergebliche Anstrengung, das über neue Beschäftigungszahlen zu verdecken.
    600 000 Arbeitsplätze mehr bis Ende des Jahres und 900 000 mehr bis Ende des nächsten Jahres! Meine Damen und Herren, das sind 900 000 Arbeitslose weniger!

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Waigel [CDU/CSU]: Sehr richtig! — Dr. Vogel [SPD]: Reine Phantasie! Die haben Sie selbst korrigiert!)

    Das wird j a auch deutlich, die Menschen haben wieder Zutrauen.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Zu Ihnen?)

    Schauen Sie sich an, was die Institute, die wahrhaftig nicht immer die Meinung der Bundesregierung vertreten, über Investitionsbereitschaft, über die Zukunftshoffnungen der Menschen, über die Bereitschaft ihre wirtschaftliche Zukunft besser zu sehen, sagen.

    (Zuruf der Abg. Frau Fuchs [Köln] [SPD] — Weiterer Zuruf von der SPD: Reden Sie vom Bölkow-Institut?)

    Diese Zuversicht ist auch gerechtfertigt, weil sie sich auf die Fortsetzung dieser Politik in den nächsten vier Jahren verlassen können.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Habt ihr wieder das falsche Gutachten bestellt?)

    Meine Damen und Herren, auch das ist vielleicht ein Grund, warum Herr Rau hier zitieren läßt und nicht erscheint.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Ich vermittle Ihnen gern einen Termin bei Herrn Rau!)

    Da ist der Hinweis auf die anderen zehn Ministerpräsidenten natürlich peinlich. Ich dachte immer, der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen sei der Kanzlerkandidat der SPD. Das scheint in Vergessenheit geraten zu sein.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Wir haben hier doch keinen Wahlkampf! — Zuruf von der CDU/CSU: Er will Ministerpräsident bleiben!)

    Es ist ja ganz interessant, warum er nicht hierher kommt. Denn er würde dann gefragt werden, was seine Konzeption ist und wie sie mit der Konzeption seiner Partei zu wirtschaftlichen Fragen übereinstimmt.

    (Widerspruch bei der SPD)

    Es spricht doch Bände, daß der finanzpolitische und
    der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion zwei Anläufe brauchen, um auch



    Bundesminister Dr. Bangemann
    nur in den Bundesvorstand der SPD gewählt zu werden.

    (Dr. Vogel [SPD]: Wie viele Anläufe brauchen Sie denn? Was ist mit Ihren Anläufen? Sie laufen ja noch gar nicht!)

    Meine Damen und Herren, in welcher Welt befinden wir uns eigentlich? In China führt man Elemente der Marktwirtschaft ein. Die Sowjetunion versucht, ihre Betriebe mit marktwirtschaftlichen Elementen effizienter zu machen.

    (Zuruf von den GRÜNEN)

    Heute morgen konnten Sie nachlesen, daß die chinesische Regierung ein Arbeitsrecht beschlossen hat, das wir hier überhaupt nicht anwenden könnten, weil wir mit diesem Arbeitsrecht hinter den Stand, den wir heute erreicht haben, zurückfallen würden.

    (Zuruf der Abg. Frau Hönes [GRÜNE])

    Überall in der Welt, meine Damen und Herren, in sozialistischen und kommunistischen Ländern erkennt man den Wert des Marktes, weil der Markt effizienter wirtschaftet und damit für jeden Bürger Kosten vermeidet. Nur die SPD hat ihre Bedenken gegenüber dem Markt neu ausgegraben. Sie sind die einzige politische Kraft auf der ganzen Welt, die die Marktwirtschaft nicht akzeptiert.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Roth [SPD] — Weiterer Zuruf von der SPD: Blablabla!)

    — Daß Ihnen das nicht paßt, ist ja klar. Holen Sie doch den Herrn Rau hierher, dann werden wir ihn fragen, was er wirtschaftspolitisch und sicherheitspolitisch machen will.

    (Zuruf von der SPD: Doch nicht wegen Ihrer schwachen Rede!)

    Es trifft doch auch zu, was bei der Wandinschrift des SPD-Parteitages, von einem SPD-Mitglied gefertigt, über Rau gesagt worden ist. „Rau: Mir nach, Genossen! Ich folge euch!"

    (Heiterkeit bei der FDP und der CDU/ CSU)

    Das ist Ihr Problem, und weil das Ihr Problem ist, wissen Sie auch ganz genau, daß es im Grunde genommen mehr als Pfeifen im dunklen Wald ist, wenn Sie glauben, eine absolute Mehrheit erreichen zu können.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Und sie pfeifen aus dem letzten Loch! — Dr. Vogel [SPD]: Besser als Pfeifen am Rednerpult!)

    Das ist Vortäuschung einer Wirklichkeit, die überhaupt nicht besteht. Und das wissen Sie im Grunde ganz genau. Ihre Hände sind ja gebunden. Der Wahlkampf, den Sie führen werden, beruht auf so utopischen Voraussetzungen, daß Sie selber jede Bedingung geschaffen haben, keinen Erfolg zu bekommen.

    (Zuruf von der SPD: Sie müssen die Hände ringen! — Roth [SPD]: Alle paar Minuten bekommen wir ein paar Prozent dazu! Das geht nämlich über das Fernsehen! Weiter so!)

    — Ja, wir werden das so weitermachen,

    (Lachen bei der SPD — Rusche [GRÜNE]: Armes Deutschland!)

    weil wir wissen, daß wir damit Erfolge erzielt haben, von denen Sie nur träumen können.

    (Roth [SPD]: Alpträume! — Zuruf von der SPD: Armes Deutschland!)

    Ich sage hier: Das, was Herr Dregger gesagt hat, trifft zu. Diese Erfolge sind in einer Koalition erreicht worden, die viel mehr Geschlossenheit und viel mehr gemeinsamen Willen hat, als das vielleicht in früheren Koalitionen der Fall war.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Er zitiert den „Bayernkurier"!)

    Das wird notwendig sein. Denn, meine Damen und Herren, was ist denn eigentlich die Auseinandersetzung, um die es in diesem Wahlkampf geht?

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Bangemann als Strahlemann!)

    — Dann seien Sie ein bißchen ruhig, damit Sie wegen Ihres eigenen Geschreis nichts verpassen. Besonders Sie, Herr Ehmke, möchte ich jetzt mal aufklären.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU — Kolb [CDU/CSU]: Das schaffen Sie nie! Von Wirtschaft versteht der nichts! — Dr. Waigel [CDU/CSU]: Das kommt darauf an, wo! — Gansel [SPD]: Die Alternative Bangemann — Möllemann! — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Möllemann — Bangemann — Haussmann!)

    Wir hatten — darauf hat Herr Schmidt mit Recht hingewiesen — in der Bundesrepublik eine Reihe von grundlegenden Entscheidungen zu treffen, wir alle, die Bürger. Das war nach 1945 die Frage: Wie sieht die Zukunft der Bundesrepublik aus? Werden wir in einem westlichen Bündnis zusammen mit Freunden leben, die ähnliche politische Ziele verfolgen, und werden wir das mit einer Wirtschaftspolitik untermauern können, die marktwirtschaftliche Prinzipien umsetzt? Das war die entscheidende Frage. Deswegen gab es damals die Koalition zwischen CDU, CSU und FDP. Die SPD, die heute Herrn Wehner und Herrn Schmidt gefeiert hat, sollte sich einmal überlegen, wie weit sie inzwischen von dem abgekommen ist, was Wehner auf dem Godesberger Parteitag und im Anschluß an seine Rede zur NATO im Bundestag durchgesetzt hat.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Das sollten Sie sich einmal überlegen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Sie sollten sich einmal die Freiburger Thesen überlegen!)

    Wir hatten eine sozialliberale Koalition, meine Damen und Herren — ich sage das hier auch ganz



    Bundesminister Dr. Bangemann
    deutlich —, die nicht ein Betriebsunfall politischen Liberalismus' in der Bundesrepublik war.

    (Bühler [Bruchsal] [CDU/CSU]: Aber fast!)

    — Nein. Damals war die wichtige Aufgabe zu lösen, nach der Aussöhnung mit dem Westen, nach der Schaffung von Freunden und Freundschaften ein einigermaßen vernünftiges Lebensverhältnis mit unserem östlichen Nachbarn zu schaffen. Deswegen war diese Koalition auch notwendig. Aber, meine Damen und Herren, die Koalition, in der wir jetzt leben, war notwendig, weil sich die Situation von 1945 wiederholt, weil es Zweifel gibt, ob die SPD noch so zu dem Atlantischen Bündnis steht, wie das damals Herbert Wehner durchgesetzt hat,

    (Dr. Vogel [SPD]: Wer zweifelt denn da?)

    weil es mehr als Zweifel gibt, schon fast eine Gewißheit, daß die SPD auf dem Marsch weg von der Marktwirtschaft ist,

    (Beifall des Abg. Kolb [CDU/CSU] — Dr. Vogel [SPD]: Wir marschieren nicht, wir sitzen hier doch!)

    daß sie das einführen will, von dem andere Länder Abschied nehmen. Weil das so ist, wird meine Partei diese Koalition mit CDU und CSU fortsetzen. Wir werden noch mehr Erfolg haben, als wir in den vergangenen vier Jahren hatten.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat jetzt der Herr Bundeskanzler.

(Roth [SPD]: Uns bleibt nichts erspart!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte zum Haushalt 1987 ist natürlicherweise eine Generalaussprache für die ganze Legislaturperiode von 1983 bis 1987. Es ergibt sich auch zwingend aus dem nahen Termin der Bundestagswahl am 25. Januar — das ist in knapp vier Monaten —, daß bei dieser parlamentarischen Auseinandersetzung nicht nur Rechenschaft gefordert und Kritik geübt wird, sondern auch Perspektiven für die Zukunft erwartet werden.

    (Kühbacher [SPD]: Da sind wir aber gespannt!)

    Wir haben, meine Damen und Herren, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, eben die eindrucksvolle Abschiedsrede von Helmut Schmidt gehört. Es waren die Erfahrungen und die Reflexionen eines der großen Parlamentarier und politischen Gestalten in der Geschichte unserer Bundesrepublik.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD)

    Ich stehe nicht an, Herr Kollege Schmidt, gerade auch im Sinne der Worte, die die Frau Präsidentin gefunden hat, in diesem Augenblick meinen persönlichen Respekt zu bekunden vor einer Lebensleistung im Dienste der Republik.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD)

    Wenn ich dies sage, Herr Kollege Schmidt, denke ich natürlich dabei auch — und wer versteht das besser als Sie selbst? — an manche harte parlamentarische Auseinandersetzung — Sie sprachen davon — der letzten Jahre, an manche heftige Kontroverse. Parlamentarische Auseinandersetzung, das heißt ja nicht, daß man sich gegenseitig Freundlichkeiten sagt, aber daß man sich gegenseitig, wie ich denke, wie sicher auch Sie denken, unterstellt, daß auch der andere, der politisch eine andere Perspektive und Meinung vertritt, das Beste für das Land will. Und unter diesem Gesichtspunkt will ich Ihnen, auch gerne zu vielem zustimmend, ein Wort zu dem sagen, was Sie ausgeführt haben. Vor allem will ich einen Satz aufgreifen. Ich will es in meinen Worten sagen: Sie haben Stellung bezogen gegen ein Freund-Feind-Verhältnis in der parlamentarischen Demokratie. Ich halte das für einen wichtigen Satz; denn ich glaube, daß der erste große demokratische Versuch der Deutschen, nämlich die Weimarer Republik, nicht zuletzt daran zugrunde gegangen ist, daß man den Graben zwischen politischen Meinungen auch unter Demokraten hatte zu tief werden lassen. Sie verstehen natürlich auch, daß ich vieles von dem, was Sie dann noch gesagt haben, überhaupt nicht akzeptiere. Dazu gehörten Ihre Worte als Oppositionsredner. Insofern waren Sie der erste Oppositionsredner.
    Ich habe auch bemerkt — das ist eben schon von Martin Bangemann mit Recht gesagt worden —, daß Sie oft Ihren Kanzlerkandidaten zitiert haben. Herr Kollege Schmidt, wir haben uns ja einmal in der umgekehrten Funktion gegenübergestanden. Ich stelle Ihnen einfach die Frage: Wie hätten Sie es damals, 1976, kommentiert, wenn ich als einer neben zehn anderen, wie Sie zu sagen beliebten, der parlamentarischen Auseinandersetzung im Deutschen Bundestag aus dem Weg gegangen wäre?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Bei dem, was Sie aus der Vergangenheit gesagt haben — und das räume ich gerne ein —, hat sicherlich der Blick zurück manches verklärt, und manches ist auch durch die Brille Ihres Temperaments gesehen worden.

    (Roth [SPD]: Das Bild könnte glücklicher nicht sein!)

    Für eines wäre ich Ihnen allerdings dankbar gewesen: wenn Sie heute bei dieser Abschiedsrede auch noch einmal zu den Punkten Position bezogen hätten, von denen ich sicher bin, daß Sie in entscheidenden Teilen den Regierungsfraktionen des Hauses näher stehen als Ihrer eigenen Partei.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Bei allem Respekt, Herr Kollege Schmidt — und dafür habe ich auch viel Sympathie —, für die Solidarität zur eigenen Partei, die ja in Jahrzehnten nicht nur irgendeine Interessengemeinschaft ist, sondern ein Stück persönlicher Heimat, glaube ich schon, daß Sie der deutschen Öffentlichkeit auch ein Wort darüber schulden, welche Wege Ihre eigene Partei heute geht in der Außen-, in der Sicherheitspolitik, in der Wirtschafts-, in der Energiepolitik.



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Und Sie haben mit sehr viel Wärme von der Einheit unserer Nation gesprochen. Sie wissen, Herr Kollege Schmidt, daß starke Kräfte Ihrer Partei aufgebrochen sind, die Präambel des Grundgesetzes zu ändern.

    (Dr. Vogel [SPD]: Das ist eine Unwahrheit! Das ist eine unglaubliche Unwahrheit!)

    Das verträgt sich überhaupt nicht miteinander.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Und ein letztes, Herr Kollege Schmidt: Ich glaube, es wäre auch richtig — ob dies heute oder anderswo geschieht —, daß Helmut Schmidt, den ich eben in meiner Weise anzusprechen versucht habe, der deutschen Öffentlichkeit sagt, was er von einem Bündnis der traditionsreichen deutschen Sozialdemokraten mit der Gruppe der GRÜNEN hält. Auch das ist eine Frage, die zur Beantwortung ansteht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Becker [Nienberge] [SPD]: Die ist beantwortet!)

    Herr Kollege Schmidt, Sie haben in der Vorbereitung — und das ist ja auch ganz verständlich — zum heutigen Tag manches nachgelesen. Sie haben daraus zitiert. Auch ich habe mir erlaubt, das zu tun, und zitiere einen Satz vom 24. November 1980 — aus Ihrer Regierungserklärung nach der Wahl —:
    Wir sind nicht Objekt der Geschichte. Wir sind handlungsfähig — und wir sind handlungswillig. Je nachdem, wie wir uns politisch entscheiden, kann unser Land in zehn oder zwanzig Jahren sehr verschieden aussehen.
    Ich stimme diesem Satz voll und ganz zu. Meine Damen und Herren, weil dies so ist, ergibt sich für die Wahl am 25. Januar, daß es eine Richtungswahl für die Zukunft der Bundesrepublik Deutschland ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Richtig!)

    Und weil dies so ist, muß klargestellt werden, auf welcher Seite jeder Bewerber um einen Wahlkreis, um ein Mandat im Deutschen Bundestag in den Kernfragen der Republik steht.
    Herr Kollege Schmidt, Sie haben dann einiges zum Thema Arbeitslosigkeit gesagt. Ich will nur noch mit einer Lesefrucht — dann will ich Sie nämlich verschonen — daran erinnern, daß Sie im Juni 1982, zu einem Zeitpunkt, wo von Kennern der Verhältnisse in Bonn die Frage des Fortbestandes Ihrer Regierung schon sehr diskutiert wurde, vor Ihrer Fraktion eine bemerkenswerte Rede gehalten haben; eine Rede, die es gerade jetzt im Blick auf die kommende Richtungswahl im Januar nächsten Jahres lohnt nachzulesen. Sie haben dabei gesagt — ich zitiere: „In diesen zwölf Jahren — gemeint ist die Zeit zwischen 1970 und Anfang 1982 — ist die Zahl der Arbeitsplätze von 26,7 Millionen auf 25,4 Millionen gefallen, also um 1,3 Millionen; gleichzeitig ist die Arbeitslosigkeit von 0 auf 1,8 Millionen gestiegen."
    Herr Kollege Schmidt, daraus ergibt sich doch zwingend, daß das, was an Arbeitslosigkeit von der von mir geführten Regierung übernommen wurde, in der Tat eine Erblast Ihrer Zeit ist. Daran führt doch gar kein Weg vorbei.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wenn Sie dieses Zitat zugrunde legen — ich sagte schon, es war im Juni 1982 —, dann wissen Sie, daß im Oktober 1982 die saisonbereinigte Arbeitslosenzahl bereits die 2-Millionen-Grenze überschritten hatte. Genau waren es 2 040 000 Arbeitslose.
    Sie wissen auch, Herr Kollege Schmidt, denn daran führt auch kein Weg vorbei: Die Bundesrepublik Deutschland stand am Ende Ihrer Amtszeit mitten in der tiefsten Krise der Nachkriegszeit. Meine Damen und Herren, die Gründe waren vielfältig. Darüber kann man durchaus reden. Aber eines hat Martin Bangemann eben zu Recht gesagt: Am Ende der von einem Sozialdemokraten geführten Regierung stand in diesem Land eine depressive Stimmung, standen Pessimismus und Zukunftsangst. Das sind Tatsachen, die unbestreitbar sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Sie haben viel Beherzigenswertes zum Thema Außen- und Sicherheitspolitik gesagt. Aber auch hierzu muß ich doch als Nachtrag erwidern: Das Problem für die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik im Oktober 1982 bestand doch nicht in den politischen Meinungsäußerungen der FDP, Ihres damaligen Koalitionspartners, und der CDU/CSU, der damaligen Opposition. Im Herbst 1982 standen die Bündnistreue und die Verläßlichkeit der Bundesrepublik Deutschland als Partner wegen der Entwicklung in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands auf dem Spiel. Das ist doch die Wahrheit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es gab damals die Abwendung der deutschen Sozialdemokratie unter Führung von Willy Brandt und vielen anderen von Ihrer Sicherheits- und Außenpolitik, wie Sie sie in jener Zeit vertreten haben. Sie haben in den letzten Monaten Ihrer Regierungszeit von der Opposition, der CDU/CSU, und von Ihrem Koalitionspartner FDP weit mehr Unterstützung erfahren als von Ihrer eigenen Partei.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Sehen Sie, Herr Kollege Schmidt, wir haben seit 1982 das Notwendige getan, um die Verteidigungsbereitschaft der Allianz zu sichern. Wir haben wichtige Initiativen ergriffen und unterstützt. Wir haben das vor allem auch im Blick auf den Dialog mit dem Osten auf dem Feld der Abrüstung und der Rüstungskontrolle getan.
    Meine Damen und Herren, die konventionelle Verteidigungsleistung der Bundesrepublik Deutschland stellt im Zusammenhang Mit den amerikanischen Potentialen und Garantien — Sie haben das heute wiederholt; ich unterstreiche das — den Kern der Sicherheit Westeuropas und damit selbstverständlich immer auch der Bundesrepublik Deutschland dar. Wir, diese Koalition von FDP, CSU und



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    CDU und diese Bundesregierung, haben die Strukturen und die Einsatzbereitschaft unserer Streitkräfte verbessert. Wir haben die Deckung des Personalbedarfs durch die Verlängerung der Wehrpflicht und durch die gleichzeitige Erhöhung der Wehrgerechtigkeit sichergestellt.
    Herr Kollege Schmidt, muß es Sie nicht nachdenklich machen, daß in der Zeit von 1969 bis zum Ende Ihrer Amtszeit 1982 wenigstens — wenn ich die Zahl richtig im Kopf habe — in der Hälfte der Jahre der Verteidigungsetat hier im Deutschen Bundestag einstimmig beschlossen wurde — wenn ich von den paar Stimmen innerhalb der SPD absehe, die immer dagegen abgegeben wurden?
    Wir haben eine solche Haltung seitens der Opposition nicht erfahren. Der NATO-Doppelbeschluß ist aus gutem Grund von Ihnen und anderen in einer richtigen Erkenntnis der weltpolitischen Lage und der sowjetischen Rüstungspolitik innerhalb der NATO herbeigeführt worden. Sie haben in den damaligen Debatten im Deutschen Bundestag eine breite Zustimmung dafür erfahren, nicht zuletzt deswegen, weil Ihr damaliger Koalitionspartner, die FDP, und die jetzige Regierungspartei CDU/CSU Ihnen Unterstützung gewährt haben. Sie konnten zu jeder internationalen Konferenz — das gilt übrigens auch für EG-Besprechungen — immer mit der Gewißheit fahren, daß in der Außen- und Sicherheitspoiitik ein breiter Konsens im Haus bestand. Ich war nie, zu keiner Stunde meiner Amtszeit, in der glücklichen Lage, die Zustimmung der großen Oppositionspartei SPD zu einer Konferenz mitnehmen zu können.
    Meine Damen und Herren, wir haben den NATODoppelbeschluß ja dann durchgeführt. Sehen Sie, Herr Kollege Schmidt, das Problem ist doch, daß viele Äußerungen — etwa das Ja zur NATO, die Freundschaft zu den Amerikanern oder die Partnerschaft mit den Amerikanern — deswegen nicht überzeugend sind, weil, während Herr Rau das in Washington sagt, führende Leute Ihrer eigenen Partei — das ist nicht irgendwer, sondern das sind wesentliche politische Kräfte Ihrer Partei — überall draußen im Lande, wenn es darum geht, gegen die Amerikaner zu demonstrieren, in der ersten Reihe marschieren und Antiamerikanismus fördern.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Herr Kollege Schmidt, wir haben doch nicht aus Lust und Freude am Beschluß die schwierige Entscheidung getroffen, die Wehrpflicht auf Grund der demographischen Grundlagen von 15 auf 18 Monate zu verlängern. Das war doch in der Tat wieder einmal eine Chance, Gemeinsamkeit in der Sicherheitspolitik zu demonstrieren. Ich bin ganz sicher, daß, wenn unter den gegebenen Verhältnissen anstelle von Manfred Wörner Helmut Schmidt Bundesverteidigungsminister gewesen wäre, Sie zu dem gleichen Ergebnis gekommen wären, nämlich daß die Wehrpflicht verlängert werden mußte. Ihre Partei hat sich dieser Pflicht entzogen, und deswegen verdient sie kein Vertrauen in Sachen Verteidigung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich sage es noch einmal: Die Sozialdemokratie bekennt sich zwar öffentlich zum Bündnis

    (Kühbacher [SPD]: Sie meint das auch so!)

    und zur Freundschaft mit den USA, aber die Entfremdung von der Allianz und die Verstrickung in ein wertneutrales Äquidistanzdenken, die völlig neue und den einstigen Konsenz verleugnende außenpolitische Grundorientierung rühren natürlich an den Grundfesten des Bündnisses. Meine Damen und Herren — auch davon hat Martin Bangemann im Zusammenhang mit der Wirtschaftspolitik zu Recht gesprochen —, Sie brauchen sich doch nur in Europa umzusehen. Sprechen Sie mit Ihren sozialistischen Freunden in Frankreich, sprechen Sie mit Ihren sozialistischen Freunden in Spanien, sprechen Sie mit Ihren sozialistischen Freunden in Italien — ich meine jetzt nicht mit den Feunden von der KPI, mit denen Sie sich neuerdings treffen, ich meine die Sozialisten Craxis.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Wenn Sie mit all jenen sprechen, dann werden Sie doch feststellen, daß diese sozialistischen Parteien und die aus diesem Lager kommenden regierungsverantwortlichen Persönlichkeiten froh und dankbar dafür sind, daß wir als Bundesregierung und damit als Bundesrepublik Deutschland in Sachen Verteidigung eine so klare und damit natürlich auch berechenbare Position vertreten und vertreten haben, auch dann, wenn dies Stimmen gekostet hat. Die Entscheidung beispielsweise vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen, das damals notwendige Gesetz zur Verbesserung der Altersstruktur in der Bundeswehr durchzusetzen, war eine bittere Notwendigkeit, hat aber der Demagogie in Ihren Kreisen Tür und Tor geöffnet.
    Meine Damen und Herren, noch ein Wort zum Verhältnis zu den Amerikanern. Herr Kollege Schmidt, Sie waren viele Jahre Regierungschef. Ich verstehe, daß Sie als Oppositionsredner die Dinge etwas salopp formuliert haben, aber Sie wissen doch auf Grund Ihrer über hundert Besuche in den Vereinigten Staaten, von denen Sie sprachen, daß diese Bundesregierung und vor allem ich in einer Fülle von Kontakten und Konsultationen mit der amerikanischen Regierung selbstverständlich deutsche Politik vertreten haben,

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    daß doch überhaupt gar keine Rede davon sein kann, daß wir nicht nachdrücklich unsere Interessen vertreten, daß also — —

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Nennen Sie mal ein Beispiel!)

    — Ich brauche Ihnen nur ein Beispiel zu nennen, das sogar Ihre Zustimmung gefunden hat.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: SDI!)

    Wir haben ganz konkret, als es um die Vorgänge in Libyen ging, eine Position bezogen, die nicht die Zustimmung der Amerikaner gefunden hat. Das war doch erst vor ein paar Monaten. Ich kann die Liste beliebig erweitern.



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Herr Kollege Schmidt, Sie wissen auch so gut wie ich, daß all das, was Sie zum Thema SDI gesagt haben, einfach so nicht stimmt.

    (Dr. Vogel [SPD]: Viel schlimmer! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Im übrigen, denke ich, werden wir noch sehr viel Gelegenheit haben, hoffentlich auch mit Ihnen — dann in anderer Eigenschaft —, über dieses Thema zu diskutieren. Wenn Sie die jüngste japanische Entscheidung in Sachen SDI zur Kenntnis nehmen, dann können Sie sehen, daß der Hintergrund dessen, was Sie gesagt habe, so einfach nicht stimmt.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wir legen großen Wert darauf, daß die traditionelle Freundschaft und die enge Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten von uns wie von den Amerikanern pfleglich behandelt wird. Wir legen aber selbstverständlich auch Wert darauf, daß wir, die wir die Souveränität unseres Landes und unsere wohlverstandenen Interessen zu vertreten haben, dafür den nötigen Respekt und die nötige Anerkennung finden, und das ist ja auch der Fall.
    Wenn es jetzt — ich werde gleich darauf zu sprechen kommen — nach all den Indikatoren, die wir sehen, mit großer Wahrscheinlichkeit zu dem nächsten Treffen zwischen Generalsekretär Gorbatschow und Präsident Reagen kommt, finden Sie bei den Vorschlägen, die dort unterbreitet werden, vieles von dem wieder, was wir über Konsultationen mit in die Entscheidung eingebracht haben.
    Nicht nur uns, sondern allen Europäern, meine Damen und Herren, sind Aufgaben in diesem Feld gestellt, und wir müssen glaube ich, gemeinsam der Gefahr begegnen, daß die Öffentlichkeit eines auch in seinem Selbstbewußtsein wiedererstarkten Amerika immer mehr zur Skepsis gegenüber Europa neigt und daß das Selbstmitleid, das manche Europäer deutlichmachen, dort immer weniger verstanden wird.
    Damit bin ich beim Stichwort „Europa". Sie haben dazu sehr viel Beherzigenswertes gesagt, was ich absolut akzeptiere. Sie haben aber im Blick zurück auch vieles verdrängt. Nahezu alles, Herr Kollege Schmidt, was Sie zur europäischen Agrarpolitik aus Ihrer Zeit gesagt haben, ist schlicht und einfach historisch falsch. Ich muß es noch einmal deutlich sagen: Wenn es eine Erblast gab

    (Zurufe von der SPD: „Wenn"!)

    — ich sage das übrigens ohne Vorwurf —, dann gab es sicherlich in diesem Feld eine Erblast; denn Sie wissen so gut wie ich, Herr Kollege Schmidt, daß das Konzept der Römischen Verträge von einer schnellen Einführung europäischer Politiken in vielen Feldern ausging, daß dies dann nicht eintrat, daß sich das dann durch viele Jahre, ja Jahrzehnte, in der Agrarpolitik fixierte. Sie wissen, daß man in allen europäischen Staaten — das gilt auch für die Bundesrepublik, und daran sind alle politischen Kräfte beteiligt, das muß man auch sagen — den Bauern die Lösung der Überproduktion anbot. Herr Kollege Schmidt, ich verstehe nicht, daß Sie, der Sie gern von Solidarität sprechen, in diesem Zusammenhang den Vorwurf machen — ich rede nicht von dem, was Herr Apel gestern sagte, das hat sich in sich selbst disqualifiziert — —

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP — Zurufe von der SPD)

    — Meine Damen und Herren, wer so wie Herr Apel gestern von Solidarität spricht und dann so zynisch über die Bauern spricht, der hat für mich das Recht verwirkt, über Bauern und von Solidarität zu sprechen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Herr Kollege Schmidt, wir haben die Agrarpolitik übernommen, und wir sind jetzt dabei — und das wissen Sie wiederum so gut wie ich —, Stück für Stück, in einem Moment, wo die Dinge nach dem Beitritt von Spanien und Portugal nicht leichter, sondern schwerer geworden und mit den Problemen des Mittelmerraumes noch angereichert sind, die Dinge in eine vernünftige Richtung zu bringen.
    Wir haben 1985 beim Europäischen Rat in Mailand zusammen mit Frankreich — wie Sie es mit Recht hier angemahnt haben — den Entwurf eines Vertrages über die außenpolitische Zusammenarbeit eingebracht und zum Bestandteil einer europäischen Akte weiterentwickelt. Aber, meine Damen und Herren, diese europäische Außenpolitik steht natürlich in Wahrheit am Anfang. Wir müssen alle zusammen in Europa ein stärkeres Bewußtsein für eine gemeinsame europäische Interessenlage in der Welt entwickeln. Dabei geht es mir nicht um eine unabhängige Rolle Europas zwischen den Blöcken, sondern darum, den europäischen Pfeiler im Bündnis zu stärken.
    Herr Kollege Schmidt, die Luxemburger Beschlüsse mit — ich will nur einen wichtigen Teilpunkt nennen — der Öffnung zum Binnenmarkt in den nächsten Jahren sind ja schließlich eine beachtliche Leistung. Wenn Sie schon anmahnen, dann kann ich doch zurückgebend sagen: Warum haben Sie das nicht zu Ihrer Zeit mit Präsident Giscard d'Estaing entwickelt. Ich kann fortführen, ich kann sagen: Warum ist die militärpolitische Zusammenarbeit zu Ihrer Zeit nicht weiter gediehen? Wir haben jetzt ganz entscheidende und — wie ich denke — bahnbrechende Entscheidungen für die Zukunft getroffen. Deswegen läßt sich die Europa-Politik dieser Regierung sehr wohl sehen.
    Um Europa voranzubringen, müssen vor allem — und da sind wir einer Meinung — die Bundesrepublik Deutschland und die Französische Republik zusammenwirken. Daß auch wir engste Beziehungen zu Frankreich haben — so wie das zu Ihrer Zeit auch der Fall war —, mit dem Präsidenten der Republik, mit dem Premierminister, das steht doch außer Frage.
    Diese Zusammenarbeit findet ihren Ausdruck in Abstimmung und Zusammenarbeit in allen Fragen der europäischen Integration und im Bereich der Zusammenarbeit bei den neuen Technologien. Ich kann Sie also beruhigen: Herr Chirac und ich, wir



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    haben gerade gestern abend über den Hubschrauber gesprochen. Wir werden hier gemeinsam tätig werden.

    (Zuruf des Abg. Schulte [Menden] [GRÜNE])

    Aber, Herr Kollege Schmidt, Sie wissen so gut wie ich, daß man, wenn Militärs die Dispositionen über die Machbarkeit und die Einsetzbarkeit eines Gerätes vorlegen, nicht einfach sagen kann, daß das so entschieden werde, sondern das muß mühsam im Detail durchgesprochen werden.
    Ich sage noch einmal: Wir haben auf dem Gebiet der Verteidigung und der Sicherheitspolitik kräftige Schritte in die Zukunft gemacht.
    Es ist das Werk aller demokratischen Parteien seit 1949, daß die deutsch-französische Freundschaft ein Kernstück jeder deutschen Politik ist. Darauf sollten wir auch gemeinsam stolz sein und uns nicht gegenseitig nachrechnen, wer da möglicherweise um ein Gramm mehr getan hat.
    Meine Damen und Herren, es ist auch wahr — und das ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Politik gewesen; und wir dürfen auch sagen, wir haben Anteil an der Entwicklung —, daß die WestOst-Beziehungen in Bewegung geraten sind. Wenn Sie nur die Summe der Vorschläge — ob man sie immer akzeptieren mag oder nicht, ist jetzt gar nicht die Frage —, die jetzt für die Besprechung Reagan-Gorbatschow auf dem Tisch liegen, im Blick auf Abrüstung und Entspannung vor sich sehen und sich vorstellen, wir hätten vor zwei Jahren hier über dieses Thema bei der Haushaltsdebatte gesprochen, dann spüren Sie: Damals hätten die wenigsten diese Entwicklung für möglich gehalten. Die Dinge sind in Bewegung geraten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich bin sicher: Wenn dieses Treffen zustande-kommt, werden davon neue Anstöße für die Zukunft für eine wirkliche Entspannung ausgehen. Dabei weiß ich auch — wir bleiben realistisch — , daß das nur kleine Schritte sind. Aber es werden Schritte in die richtige Richtung sein, etwa in Richtung auf ein weltweites Verbot chemischer Waffen, in der Frage eines Zwischenabkommens, das die Zahl der Mittelstreckenwaffen in West und Ost verringert, beim Problem der Verbesserung der Verifikation eines Teststoppabkommens, hinsichtlich einer Vereinbarung über die Errichtung von Zentren zur Verhinderung nuklearer Risiken und auf dem Gebiet der von der Stockholmer Konferenz behandelten sicherheits- und vertrauensbildenen Maßnahmen und Abrüstungsfragen in Europa.
    In den Rüstungskontrollverhandlungen, meine Damen und Herren, ist auf Grund der Vorschläge von beiden Seiten eine Lage entstanden, in der bei Verhandlungswillen und Kompromißbereitschaft konkrete Ergebnisse erzielt werden können. Ich gehe davon aus, daß heute dieser Wille auf beiden Seiten vorhanden ist. Wir haben dazu als Bundesregierung wichtige Beiträge und Anstöße geliefert.

    (Gansel [SPD]: Zu was denn?)

    — Ja, wenn Sie nicht einmal die Tageszeitung lesen, kann ich Ihnen auch nicht helfen, meine Damen und Herren.

    (Dr. Vogel [SPD]: Warum reden Sie dann über Tageszeitungsmeldungen?)

    Wenn Sie morgens nur den neuen „Vorwärts" zur Hand nehmen, soweit Sie den wenigstens noch lesen, kann Ihre Information natürlich nicht umfassend sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Waigel [CDU/CSU]: Solange es ihn noch gibt!)

    — Solange es ihn noch gibt, ja.
    Wir haben im Rahmen der Konsultation mit den USA und im Bündnis Beiträge zu den amerikanischen Rüstungskontrollvorschlägen und zum Fortgang der Verhandlungen erarbeitet. Wir sind überzeugt, daß unsere Mitwirkung dazu beigetragen hat, daß die amerikanische Antwort auf den sowjetischen Vorschlag vom 11. Juni dieses Jahres weiterführend war.

    (Abg. Gansel [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)