Rede:
ID1022701200

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Dr.: 1
    7. Müller: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/227 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 227. Sitzung Bonn, Dienstag, den 9. September 1986 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen des Abg. Dr. Hupka und des Vizepräsidenten Stücklen 17579 D Verzicht des Abg. Schröder (Hannover) auf die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag 17580 B Eintritt des Abg. Möhring in den Deutschen Bundestag 17580 B Eröffnung Präsident Dr. Jenninger 17579 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1987 (Haushaltsgesetz 1987) — Drucksache 10/5900 — in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1986 bis 1990 — Drucksache 10/5901 — Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . . 17580 B, 17620 D Dr. Apel SPD 17594 D Carstens (Emstek) CDU/CSU 17610 D Dr. Müller (Bremen) GRÜNE 17612 D Dr. Weng (Gerlingen) FDP 17616 C Dr. Spöri SPD 17628 B Spilker CDU/CSU 17631 D Suhr GRÜNE 17635 A Dr. Graf Lambsdorff FDP 17637 D Frau Simonis SPD 17644 B Echternach CDU/CSU 17646 D Dr. von Wartenberg CDU/CSU 17649 D Roth (Gießen) CDU/CSU 17652 A Kraus CDU/CSU 17654 A Nächste Sitzung 17656 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 17657* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 227. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 9. September 1986 17579 227. Sitzung Bonn, den 9. September 1986 Beginn: 11.02 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 12. 9. Antretter* 11. 9. Bastian 9. 9. Frau Borgmann 9. 9. Büchler (Hof) 9. 9. Büchner (Speyer) * 11. 9. Curdt 9. 9. Dr. Emmerlich 12. 9. Frau Fischer * 11. 9. Dr. Haack 10. 9. Haehser 9. 9. Handlos 11. 9. Hanz (Dahlen) 12. 9. Heimann 10. 9. Hiller (Lübeck) 9. 9. Klein (München) 9. 9. Dr. Klejdzinski * 11. 9. Dr. Köhler (Wolfsburg) 10. 9. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Kreile 12. 9. Lenzer * 11. 9. Matthöfer 9. 9. Dr. Mitzscherling 12. 9. Dr. Müller * 12. 9. Frau Pack * 11. 9. Pöppl 12. 9. Reddemann * 10. 9. Dr. Riedl (München) 12. 9. Schlaga 10. 9. Dr. Schmude 10. 9. Sielaff 10. 9. Dr. Soell 12. 9. Voigt (Frankfurt) 10. 9. Vosen 9. 9. Dr. Warnke 9. 9. Wissmann 12. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Manfred Carstens


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Kollege Apel, ich würde da nicht so unterscheiden, wie Sie es jetzt versuchen zu tun. Sie haben, wenn ich richtig erinnere, 18 oder 19 Konjunkturprogramme aufgelegt. Und das Ergebnis dieser Konjunkturprogramme ist das gewesen, was ich hier vorgetragen habe: je mehr Programme, desto mehr Schulden und je mehr Schulden, desto mehr Arbeitslose. Hören Sie auf mit dieser Politik.

    (Zuruf von der SPD: Sie antworten ja gar nicht, Kollege!)

    Sie haben nicht recht mit Ihrer Behauptung. Und ich sage Ihnen: Wenn dieses auch die zukünftige Politik wäre, bei Ihnen oder bei anderen, würde es immer in die Irre führen, in mehr Schulden und mehr Arbeitslosigkeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf von der SPD: Kollege Carstens, Sie haben keine Antwort gegeben!)

    Ich bin der Meinung, daß die Politik der letzten Jahre, unsere Haushaltspolitik, bewiesen hat,

    (Suhr [GRÜNE]: Daß Sie Schulden machen können!)

    daß das Konsolidieren und Neuen-Spielraum-Bekommen für Familien- und Sozialpolitik kein Widerspruch sind. Das ist kein Widerspruch, sondern



    Carstens
    sie bedingen sich geradezu. Man kann das ablesen an all dem, was wir in den letzten Jahren für die Familien beschlossen haben, an Mutterschaftsgeld, an Steuersenkungen, an weiteren Einzelmaßnahmen, die wir durchgesetzt haben. Und das Schöne ist, daß sich diese Maßnahmen nun auch alle real niederschlagen.
    Wenn heute jemand drei, vier Prozent Lohnerhöhung bekommt, dann ist das auch eine reale Lohnerhöhung. Wenn jemand etwas an Wohngeld mehr bekommt oder an Sozialhilfe, dann ist das immer auch eine reale Erhöhung. Und das kann man ganz deutlich nachweisen an Hand eines Einkommensbeispiels eines Durchschnittsarbeitnehmers, der verheiratet ist und zwei Kinder hat. Wenn der noch 1982 bei einer höheren Inflationsrate 4% Lohnerhöhung bekommen hat und im Jahre 1986 dann nur 3,5%, dann ist das Endergebnis, daß jetzt, in diesem Jahr, einschließlich der Steuern eine reale Lohnerhöhung von 136 DM im Monat zu verzeichnen ist, während die damalige 4 %ige Erhöhung einschließlich der Inflationsrate eine Reallohnminderung von 70 DM oder 3% im Monat war. Und man kann an Hand dieser Fakten durchaus die Aussage wagen: Wenn die SPD bis heute weiterregiert hätte, ginge es keinem Bürger in unserem Lande besser als heute, aber es würde vielen Bürgern schlechter gehen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist das!)

    Das ist die eindeutige Prämisse unserer Politik, die sich herausgebildet hat.

    (Dr. Apel [SPD]: Mein Gott! — Zuruf von der SPD: Ärmliche Argumentation!)

    Wir sind durch unsere Politik in der Lage, einen Teil dessen, was die Wirtschaft erarbeitet, der privaten Seite zu überlassen. Wir nehmen nur etwa 3% pro Jahr von dem in Anspruch, was die Wirtschaft erarbeitet hat. Damit verzichtet der Staat auf einen gewissen Anteil. Und dies macht das ganze Geheimnis unserer Politik aus.

    (Suhr [GRÜNE]: Das macht das Geheimnis der Umweltzerstörung aus!)

    Wir können dadurch nämlich zweierlei tun: einmal die Neuverschuldung zurückführen oder die Steuern senken, entweder gleichzeitig oder in jährlichen Abständen, so, wie wir es machen. Dies hat eine ungeheure Wirkung auf die Entwicklung der Wirtschaft; denn wenn man die Neuverschuldung zurückführt, dann sinken die Zinsen und die Inflationsrate, und wenn die Zinsen sinken, so belebt dies die privaten Investitionen. Das wiederum belebt die Wirtschaft und sorgt für weniger Kosten. Alles zusammen erbringt mehr Beschäftigung. Bei der Inflationsrate haben wir eine ähnliche, unwahrscheinlich soziale Auswirkung.

    (Suhr [GRÜNE]: Läppisch ist das!)

    Wenn man die Steuern senkt, steigert man die Reallöhne, aber auch die Realeinkommen der Unternehmer, und wenn die Realeinkommen der Unternehmer steigen, so haben diese mehr Geld für Investitionen. Über Investitionen kommt es zu einer Belebung der Wirtschaft und damit wiederum zu mehr Beschäftigung.
    Diese Politik haben wir nun über einige Jahre mit Erfolg durchgezogen. Dabei wirkt sich der Erfolg eben nicht nur zugunsten der Unternehmer oder irgendwelcher imaginärer Gestalten aus,

    (Lachen bei der SPD und den GRÜNEN)

    sondern er wirkt sich genauso günstig für die Beschäftigten, für die Arbeitnehmer in unserem Lande aus.

    (Suhr [GRÜNE]: Für die imaginären Arbeitslosen!)

    Was z. B. durch niedrigere Zinsen an sozialen Wohltaten zustandekommt, und zwar beim ganz normalen Bürger, ist schon frappierend. Das macht beim einzelnen Bürger unwahrscheinlich viel aus. Sie brauchen sich nur einmal als Beispiel vor Augen zu führen, daß jemand auf seinem Wohnhaus 80 000 DM Schulden lasten hat. Wenn er zu Ihrer Regierungszeit noch 12% zahlen mußte und jetzt nur noch 7 % zahlt, so sind das 5% weniger. Das macht 4 000 DM netto im Jahr aus. Und im Zusammenhang mit unserer Politik sprechen Sie von einer Umverteilung von unten nach oben! Meine Damen und Herren, zu keiner Zeit ist in der Bundesrepublik so viel von unten nach oben umverteilt worden wie in der Zeit, in der Sie regiert haben und als wir die hohen Zinssätze hatten.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Das glauben Sie ja selbst nicht! Das geht jetzt zu weit!)

    Meine verehrten Damen und Herren, wir werden in der nächsten Zeit bis November sehr damit zu tun haben, die Haushaltsberatungen durchzuführen. Das wird nicht leicht sein und ein starkes Stück Arbeit abverlangen. Wir haben einen Haushalt vor uns, der uns wiederum ein großes Stück in der Konsolidierung nach vorne bringt, auch wenn es zunächst nicht so aussehen mag, weil die Neuverschuldung im Jahre 1987 nicht weiter sinkt. Bedenken Sie aber bitte, daß die Bundesbankgewinne um über 51/2 Milliarden DM zurückgehen! Gleichwohl steigt die Neuverschuldung nur geringfügig an; das heißt, die Finanzierungslücke, die durch Neuverschuldung und durch Bundesbankgewinne ausgefüllt wird, wird sich im nächsten Jahr um 5 bis 6 Milliarden DM verringern.
    Wir werden uns an die Arbeit machen, um durch Kürzungen und durch Umschichtungen — dazu wird Herr Kollege Echternach heute nachmittag noch Ausführungen machen —

    (Dr. Apel [SPD]: Das ist wohl der Schattenfinanzminister!)

    auch noch die im Entwurf vorgesehene leichte Steigerung der Neuverschuldung unnötig zu machen. Wenn das gelänge — ich bin überzeugt, daß wir das mit Hilfe der Fraktion hinkriegen —, dann werden wir bei der zweiten und dritten Lesung einen Haushalt vorlegen, der trotz des Rückganges der Bundesbankgewinne keine erhöhte Neuverschuldung fordert. Das ist Konsolidierungspolitik à la Koalition und à la Gerhard Stoltenberg.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Diese Politik werden wir fortführen.




    Carstens
    Wir stellen alle Ausgaben auf den Prüfstand, auch die Subventionen. Wenn man meint, wir hätten bei den Finanzleistungen, den Subventionen im Haushalt in den letzten Jahren wenig gekürzt, dann mag das stimmen.

    (Suhr [GRÜNE]: Da kommt doch nichts raus!)

    Aber in jedem Jahr haben wir die Subventionen ein Stück weit beschneiden und ihren prozentualen Anteil am Bruttosozialprodukt und am Haushalt zurückführen können. Dies wird auch bei unseren Beratungen, die wir jetzt bis zum Dezember durchführen, unser Ziel sein.
    Möglicherweise werden wir noch zu Umschichtungen kommen können, die auf Grund der Dollarveränderung notwendig geworden sind. Das aber wird, wie gesagt, im Laufe des Nachmittags noch erläutert werden.

    (Suhr [GRÜNE]: Schichtet doch mal bei der Atomenergie um!)

    Die Bevölkerung und alle in der Wirtschaft Tätigen können sich darauf verlassen, daß wir unseren Kurs beibehalten werden. Wir werden die Ausgaben Jahr für Jahr nicht über 3 % hinaus steigen lassen. In der Vergangenheit waren es Prozentsätze zwischen 1 und 3%.
    Die Auswirkungen sind fast als phänomenal zu bezeichnen. Das hat uns noch 1982 niemand zugetraut, und trotzdem ist es wahr geworden. Wenn man diese Politik macht, dann hat man auch den Freiraum, weiterhin regelmäßig Steuern zu senken und wichtige sozialpolitische Beschlüsse durchzusetzen. Gleichzeitig können wir auch die Neuverschuldung Stück um Stück weiter abbauen, um zu dem Ziel zu kommen, daß wir irgendwann einmal keinen steigenden Anteil der Zinsen am Gesamthaushalt mehr haben, sondern daß sich auch dieser eigentlich schlimmste Einzelplan im Rahmen unseres gesamten Haushalts stabilisiert.
    Das ist ein schönes Stück Arbeit. Aber ich darf auch mitteilen, daß diese Arbeit trotz aller Erschwernisse Spaß macht, Freude macht, weil man davon überzeugt sein kann, an einer guten Arbeit beteiligt zu sein und mithelfen zu können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, ich freue mich, hier mitteilen zu können, daß alle Fraktionen vereinbart haben, dafür Sorge zu tragen, noch in diesem Jahr mit den Beratungen fertig zu werden, so rechtzeitig, daß wir, wie gesagt, noch im November abschließen können. Das wäre dann schon der fünfte Haushalt in Folge, der noch rechtzeitig mit Beratung des Bundesrates zum 1. Januar gültig geworden wäre. Das hat es zu SPD-Zeiten überhaupt nicht gegeben. Auch das gehört zu einer derartigen Stabilitätspolitik, wie wir sie betreiben und für richtig halten. Ich darf mich bei allen Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen dafür bedanken, daß wir zu dieser Vereinbarung kommen konnten. Wir alle werden ein Zeichen für eine solide und stetige Haushaltspolitik setzen.
    Ich darf noch eines abschließend sagen — ich nehme an, Sie alle haben dafür Verständnis —: Ich hoffe, daß unser Kollege Dr. Erich Riedl bis November wieder bei uns sein kann, dem ich in Abstimmung mit dem Ausschußvorsitzenden, dem Kollegen Walther, herzliche Genesungswünsche von allen Ausschußmitgliedern ins Krankenhaus übermitteln möchte.

    (Beifall)

    Meine Damen und Herren, wir werden in den nächsten drei Monaten arbeitsreiche Beratungen im Haushaltsausschuß vor uns haben, aber wir werden sie — dessen bis ich sicher — in kollegialem Geist absolvieren.
    Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Müller (Bremen).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Joachim Müller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der letzten Woche hat es einmal mehr einen deprimierenden Einblick in das Innenleben dieser Bundesregierung gegeben. Eine Staatssekretärsrunde beschließt zwei Gutachten zum Ausstieg aus der Atomenergie. Dabei sollten diesmal erstmalig — wir begrüßen das natürlich
    — auch Kritiker als Gutachter beteiligt werden. Ich halte das für eine Selbstverständlichkeit. Weil man dann Glaubwürdigkeitsverluste befürchtete, hat man auch gleich ein anderes Institut beauftragt. Und was passiert? Statt eines Gutachtens kamen zwei Gutachten heraus, die die Politik der Bundesregierung in Sachen Kernenergie eindeutig diskreditieren, die deutlich machen: Der Ausstieg aus der Atomenergie ist möglich. Die Lichter werden nicht ausgehen. Er ist finanzierbar, er ist machbar, und
    — was für uns ganz entscheidend ist — er würde uns — so die Gutachten — einen Weg in eine ökologische, moderne Energiezukunft eröffnen.

    (von Hammerstein [CDU/CSU]: Kohle!) Soweit die beiden Gutachten.

    Doch wie war die Reaktion der Bundesregierung auf diese beiden Gutachten? Sie sucht einen Schuldigen, verteilt Verantwortung, statt in eine Sachdiskussion — die wir begrüßt haben — über diese Gutachten einzusteigen. Der Schwarze Peter liegt jetzt bei dem Wirtschaftsminister Bangemann, der eingezwängt ist zwischen den Beschlüssen des Kabinetts, den Beschlüssen der FDP und dem, was in diesen Gutachten zu lesen ist. Ja, was soll er machen? Er wird einen Formelkompromiß finden müssen. Mehr wird dabei nicht herauskommen.
    Ich finde es deswegen bedauerlich, weil wir mit diesen Gutachten erstmalig die Möglichkeit gehabt hätten, hier sehr sachlich über den Ausstieg aus der Atomenergie zu diskutieren. In dieser Debatte wäre auch sehr deutlich geworden, welche Chancen für uns in diesem Ausstieg eigentlich zu finden sind. Wir GRÜNEN betonen in dieser Haushaltsdebatte deswegen noch einmal: Je schneller dieser Ausstieg, desto schneller die Risikominimierung. Deswegen werden wir in diesen Haushaltsberatungen eine



    Dr. Müller (Bremen)

    Umwidmung aller der Mittel beantragen, die der Atomenergie zufließen, um umweltfreundliche Energieträger zu fördern und zu entwickeln

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    und insbesondere, damit das auch einmal dem Verbraucher zugute kommt, Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur Energieeinsparung dienen.
    Zu Ihrer Finanzpolitik, Herr Stoltenberg. Konsolidierung und Kontinuität nennen Sie das, was Sie in den letzten vier Jahren vorgelegt haben. In einem Punkt haben Sie recht: Sie haben die Neuverschuldung im Vergleich zu 1981 um 12 Milliarden DM gesenkt. Mit der unsozialen Ausnahme der Streichung von Sozialleistungen haben Sie allerdings zu diesen 12 Milliarden DM nichts Eigenständiges beigetragen. Ab 1983 bis 1986 lag der Bundesbankgewinn bei über 11 Milliarden DM pro Jahr gegenüber 0 DM für 1980 und 2,3 Milliarden DM für 1981. Gleichzeitig wurden von Ihnen die Sozialleistungsansprüche drastisch gekürzt, bei vorsichtiger Schätzung jeweils um über 8 Milliarden DM 1983, zusätzlich 12,5 Milliarden DM 1984 und knapp 8 Milliarden DM im Jahre 1985.

    (Hört! Hört! bei den GRÜNEN)

    Die finanzielle Konsolidierung beruht also auf dem unkeuschen Griff in die Taschen der Ärmsten, der Plünderung der Bundesbankgewinne und insbesondere natürlich auch dem Exportboom wegen des zeitweilig hohen Dollarkurses. All das ist weder Ruhmesblatt noch Eigenleistung, und bei der Inflationsbekämpfung sind Sie auch nur Kriegsgewinnler der OPEC-Auseinandersetzung geworden, zumindest was die letzten drei Jahre betrifft.
    Sie sind so stolz darauf, eine massive Steuerentlastung durchgesetzt zu haben. 1986 wird der Bundeshaushalt erstmals um rund 20 Milliarden DM belastet, nachdem die frühere Inflation etwa den gleichen Betrag über die reine Preissteigerung hinaus in die Bundeskassen gespült hatte.
    Nachdem zunächst die Armen geschröpft wurden, soll nun den Wohlhabenderen gegeben werden. „Leistung muß sich wieder lohnen" ist Ihr Kampfruf, als ob es so wäre, daß der Zahnarzt einen Zahn mehr ziehen würde, wenn er pro Stunde an Stelle von 400 DM 426 DM verdienen würde. Dies entspräche ungefähr einem Rückgang des Spitzensteuersatzes von 56 % auf 50 %.
    Wenn aber Leistungsorientierung, wie Sie immer so schön sagen, im Vordergrund der Steuerpolitik stehen soll, warum, Herr Stoltenberg, bekämpfen Sie dann die Quellensteuer, also die Besteuerung des Zinseinkommens an der Quelle der Entstehung, ebenso wie die Löhne an der Arbeitsstelle besteuert werden? Das ist einfach die Frage. Das wäre konsequent, das wäre der nächste Schritt, und den erwarten wir natürlich.
    Ein weiterer Beitrag zur Steuergerechtigkeit und Vereinheitlichung der Wettbewerbsbedingungen wird von Ihnen ebenso hartnäckig bekämpft, nämlich eine ausreichende Zahl von Betriebsprüfungen, indem genügend Betriebsprüfer eingestellt werden und ein angemessener Prüfungszyklus zur Regel wird. Jede Prüfung des Finanzamtes bringt im Durchschnitt 200 000 DM zusätzliche Steuereinnahmen.

    (Bohl [CDU/CSU]: Bei Ihnen aber nicht!)

    — Bei mir nicht. So viel verdiene ich nicht, Herr Bohl, das ist bedauerlich. Aber es ist einfach so. — Jede Prüfung bringt im Durchschnitt 200 000 DM zusätzliche Steuereinnahmen. Das heißt, es wird nichts anderes getan, als einen Rechtsanspruch des Finanzministeriums bzw. des Bundes gegenüber dem Steuerzahler einzutreiben, und ich finde das richtig. Die Ausfälle, die durch Verzicht auf Besteuerung der Zinseinkommen herbeigeführt werden, betragen ungefähr 7 Milliarden DM und die durch ausgefallene Betriebsprüfungen rund 3 Milliarden DM. Soweit zumindest die Schätzungen. 3 Milliarden DM wiederum wollen Sie durch den Verkauf von öffentlichen Unternehmen einnehmen. Sie hätten es viel leichter, wenn Sie anständig besteuern würden. Das macht, glaube ich, Ihre Politik sehr deutlich.
    Mit Ihrer Wirtschafts- und Haushaltspolitik haben Sie weder die alten noch die neuen Probleme der Industriegesellschaft angegangen, geschweige denn gelöst. Wären Sie Okonom und nicht nur Kassenwart der Nation, dann hätten Sie die Steuergelder so investiert, daß die Schäden, die jährlich am Volksvermögen angerichtet werden, minimiert werden. Nehmen wir ein altes Problem der Industriegesellschaft, die Arbeitslosigkeit. Dabei begnügen Sie sich mit dem billigen Trick: Statt auf die Zahl der Arbeitslosen abzustellen, um die es doch hoffentlich gehen sollte, nennen Sie unentwegt die Zahl der Beschäftigten und vergleichen diese mit der Vor-j ahreszahl. Demgegenüber muß festgestellt werden: Selbst wenn die Beschäftigtenzahl mit der von Ihnen angegebenen Rate von 1 % pro Jahr wächst — ich bezweifle das —, werden wir erst 1990 den Beschäftigungsstand von 1980 erreicht haben. Auf Grund der demographischen Entwicklung wird damit die derzeitig hohe Arbeitslosigkeit praktisch für mehr als ein Jahrzehnt akzeptiert. Das ist die Wahrheit Ihrer Politik in Sachen Arbeitslosigkeit. Sie haben diese Arbeitslosigkeit, die übrigens im wesentlichen eine wachsende Jugendarbeitslosigkeit sein wird, akzeptiert.
    Wir wissen, wie schlimm die Folgen der Dauerarbeitslosigkeit sind. Millionen von Menschen werden abgeschrieben, sie werden angesichts Ihrer Politik keine Chancen erhalten, ins Erwerbsleben integriert zu werden, sich eine selbständige Existenz aufzubauen.

    (Glos [CDU/CSU]: Sie können Bundessprecher bei den GRÜNEN werden!)

    Schauen Sie sich die Zahlen der Arbeitslosigkeit endlich einmal genauer an! Das Schlimme ist doch die Zusammensetzung. Die Anzahl der Dauerarbeitslosen steigt überproportional. Ich fordere Sie auf, endlich eine Politik zu entwickeln, die diesen Umstand berücksichtigt, statt immer wieder eine



    Dr. Müller (Bremen)

    Strohfeuerpolitik zu machen, die nur Arbeitslosigkeit allgemein sieht.

    (Beifall bei den GRÜNEN — von Hammerstein [CDU/CSU]: Herr Müller, hat der Beckmann 40 000 Mark gekriegt?)

    Die einseitige Orientierung auf milliardenschwere Steuerentlastung für die Bezieher höherer Einkommen engt den finanziellen Spielraum für alle anderen wichtigen Aufgabenbereiche massiv ein. Sie betreiben eine Finanzpolitik ausschließlich im Dienste der Einkommensumverteilung, und zwar von unten nach oben. Der hierdurch erzwungene Rückzug des Staates, den Sie hier noch positiv genannt haben, Herr Stoltenberg, ist ein Rückzug aus einer gesamtgesellschaftlichen und gesamtwirtschaftlichen Verantwortung. Er geht weit über das hinaus, was Sie hier als Privatisierung bezeichnen. Hier werden nicht nur einzelne Bundesunternehmen verkauft oder Aufgabenbereiche ausgelagert, sondern hier wird auf Handlungsspielraum in ökologischen und sozialpolitischen Problembereichen freiwillig ohne Not verzichtet. Statt Arbeitslosigkeit, Armut und Umweltzerstörung als ernsthafte Herausforderung zu begreifen, verharren Sie in der Untätigkeit und verkaufen dies überdies auch noch als Programm.
    Der zweite ungedeckte Wechsel auf die Zukunft, der die Kassenwartmentalität dieser Bundesregierung verdeutlicht, sind die Ausgaben im Bereich des Umweltschutzes. Es liegen jetzt Zahlen vor, wie hoch die Umweltvernichtung pro Jahr zu kalkulieren ist. Das heißt, es gibt jetzt Schätzungen, wie teuer die Bundesrepublik die Umweltverschmutzung kommt. Professor Wicke, übrigens CDU-Mitglied, hat errechnet, daß durch Umweltschäden jährlich 103 Milliarden DM an Volksvermögen vernichtet werden. Das ist natürlich nur der rechenbare Teil. Sehr viel ist nicht erfaßbar, sehr viel ist monetär nicht erfaßbar.

    (Suhr [GRÜNE]: Die Umweltvernichtung ist denen doch scheißegal! — Glos [CDU/ CSU]: Da sind die saarländischen Fische dabei!)

    Nehmen wir dieses Datum einmal ernst, wenigstens in einer Haushaltsdebatte. Es setzt sich wie folgt zusammen: 48 Milliarden DM Kosten der Luftverschmutzung, 17 Milliarden DM Kosten der Gewässerverschmutzung, 5 Milliarden DM Kosten der Bodenvergiftung, 29 Milliarden DM Kosten des Wohnwertverlustes, 3 Milliarden Kosten durch Gesundheitsschäden bei den Beschäftigten und mindestens 32,7 Milliarden DM Kosten durch Lärm.

    (von Hammerstein [CDU/CSU]: Wer hat das ausgerechnet?)

    Also 103 Milliarden DM vernichtetes Volksvermögen durch Umweltverschmutzung. Das sind übrigens 6% des Bruttosozialprodukts, also dessen, was pro Jahr erwirtschaftet bzw. erarbeitet wird. Das heißt, jede Wachstumszahl, die Sie hier prognostisch nennen, 3% oder was auch immer, ist Lug und Trug, ist nicht das Blatt wert, auf das sie gedruckt ist, wenn Sie nicht mit berechnen, was gleichzeitig vernichtet wird.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Wenn Sie das nicht irgendwann in Ihre Kalkulationen einbeziehen, solange Sie das nicht einbeziehen, ist nicht von einer ernsthaften wirtschaftlich orientierten Umweltpolitik dieser Bundesregierung oder überhaupt einer Partei zu reden. Das sind die Daten, die bezüglich der gesamten Umweltdebatte zum Ausgang genommen werden müssen.
    Nun gut, 103 Milliarden DM rechenbare Umweltschäden pro Jahr, 6 % des Bruttosozialprodukts durch Ihre, auch durch Ihre Politik vernichtet. Was haben Sie diesem Werteverlust entgegenzusetzen? Was investieren Sie, um diesen Werteverlust, wie es ein Ökonom machen müßte und nicht ein Kassenwart, wenigstens zu verringern?

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Sie haben ein Umweltministerium geschaffen, das Sie mit lächerlichen 430 Millionen DM und ohne jede Kompetenz, ausgestattet haben. Das sind lächerliche 0,2 % des Bundeshaushalts.

    (Bohl [CDU/CSU]: Ganze drei SPD-Leute sind noch anwesend!)

    Nur 0,2 % des Bundeshaushalts setzen Sie für ein Umweltministerium ein, das wirklich nicht den Namen verdient, den es hat. Ich frage mich, wo bei dieser Debatte eigentlich Herr Wallmann geblieben ist. Sitzt er im alten Saal und schämt sich, hier aufzutreten, weil er einen so kleinen Etat hat?

    (Bohl [CDU/CSU]: Fragen Sie, weshalb die SPD nur noch drei hier hat!)

    — Daß die SPD beim Umwelt-Thema nicht dabei ist, ist bekannt. Darüber brauche ich hier nicht zu diskutieren. Aber Herr Wallmann, der heißt wenigstens Umweltminister und ist nicht da und verteidigt hier nicht seinen niedrigen Haushalt. 430 Millionen: Das ist sehr wenig.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ich bin gern bereit, Ihnen das auch noch weiter zu berechnen, indem man die Wirklichkeit in diese Haushaltsdebatte mal einführt, weil das einfach notwendig ist, wenn es um Geld geht.
    103 Milliarden DM Schäden ist übrigens eine Schätzung am unteren Rand.

    (von Hammerstein [CDU/CSU]: Wer hat denn das geschätzt?)

    Dem stellen Sie in Ihrem Umweltetat nur 0,4 % dieser Schadenssumme entgegen. Das ist die Relation, die Ihre Umweltpolitik deutlich macht.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Milchmädchenrechnung!)

    Wären Sie nicht Kassenwart, Herr Stoltenberg, sondern Ökonom,

    (von Hammerstein [CDU/CSU]: Er ist nicht Kassenwart, sondern Bundesfinanzminister!)




    Dr. Müller (Bremen)

    Sie hätten wesentlich mehr in den Bereich der Umweltpolitik investiert, um diesen immensen Schaden von 103 Milliarden DM zu minimieren.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Nun werden Sie einwenden — ich nehme den Einwand gern vorweg —, daß j a in anderen Etats noch Ausgaben für Umweltschutz stehen. — Das ist natürlich im Grunde genommen eine Beleidigung für den Umweltminister. Aber davon sehe ich jetzt mal ab. — Wir haben es ausgerechnet. Es sind nach Ihren Daten 1,7 Milliarden DM. Das sind wie letztes Jahr nur lächerliche 0,6 % des Bundesetats für Umweltschutz — von Ihren Daten ausgehend! —.

    (Suhr [GRÜNE]: 0,3 %!)

    Ich würde viel davon noch bestreiten. Ich nehme Ihre Daten ernst. 0,6 %, — das ist Umweltpolitik, die diesen Namen wirklich nicht verdient.
    Wie gesagt: Auch dies ist, Herr Stoltenberg, ein ungedeckter Wechsel auf die Zukunft; es ist in gleicher Art und Weise ein ungedeckter Wechsel wie die Arbeitslosigkeit. Sie haben den Haushalt, den Sie hier vorgelegt haben, auf Kosten der Zukunft gemacht: auf Kosten der Zukunft unserer Kinder. Denn wer im Umweltschutz nicht investiert, vernichtet etwas, was später nicht zur Verfügung steht.

    (Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Es ist selbstverständlich, daß wir GRÜNEN für die ökologische und soziale Zukunftsvorsorge eine radikale Umverteilung der Steuerlasten brauchen, selbstverständlich auch — das betone ich noch einmal — gerade angesichts der großen ökologischen und sozialen Probleme, die wir in der Bundesrepublik haben, eine Umverteilung und eine radikale Senkung der Rüstungsausgaben, damit aggressive Waffensysteme den Frieden nicht zusätzlich unsicher machen.
    Ihr Haushaltsentwurf, Herr Stoltenberg — und da hat er eine Tradition; es ist wirklich der fünfte —, ist ein Verrat an der Zukunft. Von Konsolidierung kann nicht die Rede sein. Volkswirtschaftlich gesehen, haben Sie einen Schuldenberg auf sich geladen, auf die Bundesrepublik geladen, der alles übertrifft, was Regierungen vorher verschwendet haben.

    (Beifall des Abg. Suhr [GRÜNE])

    Ihr Sparen, meine Damen und Herren von der CDU, ist, volkswirtschaftlich gesehen, eine Verschwendung.
    Zurück zu den 103 Milliarden DM Schäden, die Sie mit Ihrer Untätigkeit u. a. hervorrufen. Nehmen wir den Etat des Forschungsministers. Hier wäre ja die Möglichkeit gegeben, Vorsorge zu treffen, Vorsorge für eine ökologische Zukunft. Aber auch dort ist eigentlich eine Weichenstellung erfolgt, daß all das, was zur Beseitigung von Luftverschmutzung, Gewässerverschmutzung und Bodenvergiftung an Forschungsmitteln investiert werden müßte, nicht passiert, beispielsweise Altlastsanierung. Tatsächlich werden die freiwerdenden Mittel aus dem Bereich der Investitionsruinen Hochtemperaturreaktor und Schneller Brüter dazu verwendet, die Weltraumforschung und die Hochenergiephysik auszubauen.
    Bei allem Respekt vor den dort erbrachten wissenschaftlichen Leistungen der Wissenschaftler: Wer wollte im Ernst behaupten, daß dies die überlebenswichtigen Forschungsbereiche unserer Zeit sind? Hier gibt es doch wirklich Bereiche, in denen Forschungstätigkeit notwendig wäre. Bedenken Sie nur vom Umweltschutz den ganzen Bereich der Chemie! Wie nötig wäre eine Forschung im Bereich der Chemie, die uns sanfte Verfahren überhaupt erst mal zur Verfügung stellt! Demokratie ist immer auch eine Frage der Alternativentscheidung. Nur wenn man zwischen Alternativen entscheiden kann — und da spielt die Forschungspolitik eine immense Rolle —, liegt auch Demokratie vor und hat man die Freiheit der Wahl.
    Die Freiheit der Wahl haben Sie auch bei der gesamten Frage der Atomenergie fast zugeschüttet. Warum ist denn in den letzten zehn Jahren verschludert worden, in andere Energieverfahren zu investieren? Hier wäre doch — auch nach Tschernobyl — eine Möglichkeit gegeben gewesen, viel schneller zu sagen: Ja, wir haben die Freiheit der Wahl, wir haben eine Demokratie, weil wir in die Zukunft investiert haben. Genau dies passiert auch diesmal wieder nicht. Diese Forschungspolitik, meine Damen und Herren von der CDU, ist rückwärtsgewandt, nicht vorwärtsgewandt.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Wir stimmen nicht nur in der Analyse in vielen Bereichen mit Professor Wicke überein, sondern auch seine Forderungen unterscheiden sich im Konkreten wenig von dem, was wir uns erwarten. Stellvertretend für vieles, was wir vorgelegt haben, möchte ich hier unseren Energiewendehaushalt und unseren ökologischen Nachtragshaushalt nennen, wo wir immer deutlich gemacht haben, daß wesentlich mehr Mittel in den Bereich des Umweltschutzes investiert werden müssen.
    Was uns von Professor Wicke sicherlich unterscheidet, ist eine gewisse Marktgläubigkeit, die seinen Vorschlag durchzieht, aber selbst hier gibt es erstaunlicherweise mehr Übereinstimmung, als wir erwartet haben; denn wo es um so wichtige Funktionen wie die Umweltabgaben oder um die Notwendigkeit geht, umweltpolitisches Fehlverhalten auf Grund eines umfassenden Netzes von Meßstationen ahnden zu können, stimmen wir mit diesen Vorschlägen eindeutig überein.
    Auch die Kernargumentation des CDU-Mitgliedes Professor Wicke, daß ökologische Investitionen weitaus rentabler als viele andere staatliche Ausgaben sind, können wir nur unterschreiben. Seit Jahren bekämpfen wir umweltzerstörerische Projekte wie den Bau des Rhein-Main-Donau-Kanals, den Saar-Ausbau, den Ems-Dollart-Hafen, den weiteren Autobahnbau usw. usf. Wir bekämpfen auch den geplanten Mittelweser-Ausbau.

    (Gerstein [CDU/CSU]: Das sind Zukunftsinvestitionen!)




    Dr. Müller (Bremen)

    Bei all diesen Projekten liegt die Nutzen-KostenRelation unter 1, während bei Umweltschutzinvestitionen eine Relation von 3 bis 15 errechnet werden kann; der Nutzen liegt um den Faktor 3 bis 15 höher als die Kosten für die öffentlichen Hände.
    Es ist wichtig, das zu betonen, und zwar deswegen, weil es wirklich beweist, daß wir mit Umweltinvestitionen nicht nur notwendige ökologische Maßnahmen treffen, sondern auch eine Chance für eine beschäftigungsfördernde Politik haben, die qualitativ orientiert ist und nicht einzig und allein mit der Gießkanne Beschäftigungsprogramme entwickelt, wie sie j a in der Vergangenheit wahrlich vorgelegt worden sind, übrigens auch von den Sozialdemokraten, von denen ich nur noch drei sehe,

    (Roth [SPD]: Sagen Sie es früher, wenn Sie uns ansprechen!)

    Beschäftigungsprogramme, die ja auch gescheitert sind.
    Meine Damen und Herren, Sie benutzen das Beschäftigungsargument immer wieder als Totschläger, um Ihre Pro-Atom-Politik zu verkaufen. Gerade in der Energiepolitik wurde aber schon vielfach nachgewiesen, daß der Ausbau von Energiespartechnologien und von regenerativen Energiequellen eine wesentlich höhere positive Beschäftigungswirkung hat als die maximal 20 000 bis 50 000 Arbeitsplätze, die es in der Atomindustrie gibt.
    Ich kann mir eine sozial abgefederte Weiterqualifizierung und Umschulung der betroffenen Beschäftigten bei allem Verständnis für die Sorgen der Betroffenen gut vorstellen. Wir GRÜNEN stehen dafür, daß dieser notwendige ökologische Strukturwandel, der uns von dem Risiko der Atomenergie befreit, sozial verantwortbar bleibt. Das ist unsere Programmatik; das haben wir in allen unseren Schriften und Programmen deutlich gemacht.
    Deswegen ist es pure Polemik, wenn Sie, meine Damen und Herren von der CDU, ganz plötzlich Ihr Herz für die Beschäftigten in der Atomindustrie entdecken. Ich halte das für eine Polemik, die nichts mit der Sache zu tun hat und auf alle Fälle nur dazu dient, die Diskussion um die Atomenergie abzuwürgen.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Gerstein [CDU/CSU]: Wir denken an alle Beschäftigten!)

    Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Dieser Haushaltsentwurf schreibt die unsoziale und unökologische Politik der Bundesregierung fort. Eine wirkliche Konsolidierung würde entscheidend mehr volkswirtschaftliche Vorsorge erfordern, d. h. mehr Geld für ökologische Investitionen bereitstellen müssen als bisher. Diese Investitionen würden auch Arbeitsplätze schaffen.
    Gegenüber der Zukunft, die ökologisch und sozial sein sollte, bedeutet Ihr Entwurf, Herr Stoltenberg, Verantwortungslosigkeit, und er steht damit in der Tradition dieser Bundesregierung.
    Danke schön.

    (Beifall bei den GRÜNEN)