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ID1022203200

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    Plenarprotokoll 10/222 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 222. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1986 Inhalt: Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung 17123A, 17204C Begrüßung einer Delegation der konstituierenden Volksversammlung der Jemenitischen Arabischen Republik 17667 B Beratung des Antrags der Abgeordneten Verheugen, Dr. Ehmke (Bonn), Voigt (Frankfurt), Toetemeyer, Dr. Hauchler, Dr. Kübler, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD Erklärung des Deutschen Bundestages zur Lage in Südafrika — Drucksache 10/5662 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Lage in Südafrika — Drucksache 10/5672 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Borgmann, Frau Eid und der Fraktion DIE GRÜNEN Abberufung des südafrikanischen Militärattachés — Drucksache 10/5202 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Borgmann, Frau Eid, Volmer und der Fraktion DIE GRÜNEN Beendigung der polizeilichen Zusammenarbeit mit Südafrika — Drucksache 10/5203 — Dr. Ehmke (Bonn) SPD 17124A Klein (München) CDU/CSU 17126 B Frau Borgmann GRÜNE 17127 C Schäfer (Mainz) FDP 17129B Genscher, Bundesminister AA 17131 B Verheugen SPD 17132 D Dr. Hornhues CDU/CSU 17135D Beratung des Berichts des Petitionsausschusses Bitten und Beschwerden an den Deutschen Bundestag Die Tätigkeit des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages im Jahre 1985 — Drucksache 10/5504 — in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 145 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 10/5335 — in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 149 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 10/5503 - II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1986 in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 150 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 10/5606 — in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 151 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 10/5607 — Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 17138 D Meininghaus SPD 17141 B Frau Dr. Segall FDP 17143 C Fritsch GRÜNE 17146 B Schlottmann CDU/CSU 17148 B Kühbacher SPD 17149 C Hornung CDU/CSU 17151 C Mann GRÜNE 17152 B Pöppl CDU/CSU 17153 B Hansen (Hamburg) SPD 17154 B Dr. Göhner CDU/CSU 17156 D Peter (Kassel) SPD 17159A Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung der Bundeshaushaltsordnung — Drucksache 10/5247 — Beschlußempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses — Drucksache 10/5506 — Roth (Gießen) CDU/CSU 17161 C Dr. Müller (Bremen) GRÜNE 17163A Dr. Weng (Gerlingen) FDP . . . . ... 17165 B Esters SPD 17167 C Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung des Bundesrechnungshofes Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 1985 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung (einschließlich der Bemerkungen zur Jahresrechnung des Bundes 1983) — Drucksachen 10/4367, 10/5619 — in Verbindung mit Beratung des Antrags des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Rechnung des Bundesrechnungshofes für das Haushaltsjahr 1985 — Einzelplan 20 —— Drucksache 10/5470 — Kühbacher SPD 17169D, 17186 D Rossmanith CDU/CSU 17173 A Suhr GRÜNE 17174 B Frau Seiler-Albring FDP 17175 D Deres CDU/CSU 17178 D Waltemathe SPD 17181 B Dr. Friedmann CDU/CSU 17183 C Dr. Voss, Parl. Staatssekretär BMF . . 17185C Vizepräsident Westphal 17167 B Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Textilkennzeichnungsgesetzes — Drucksache 10/5151 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksache 10/5510 — 17188 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 28. November 1984 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen eder schweren Unglücksfällen — Drucksache 10/5534 — in Verbindung mit Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung des Umweltschutzes in der Raumordnung und im Fernstraßenbau — Drucksache 10/5347 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 7. Januar. 1986 zur Änderung des Abkommens vom 17. Dezember 1973 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über soziale Sicherheit — Drucksache 10/5526 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 16. März 1985 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und St. Lucia über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen — Drucksache 10/5407 — Deutscher Bundestag.— 10. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1986 III in Verbindung mit Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. November 1983 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Panama über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen — Drucksache 10/5408 — 17189A Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministers der Finanzen Veräußerung von bundeseigenen Grundstücken in Berlin-Kreuzberg — Drucksachen 10/5244, 10/5505 — . . . 17189 A Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen Einwilligung in die Veräußerung des bundeseigenen Grundstücks in Helsinki, Kaivopuisto/Östra Brunnsparken Nr. 8, gemäß § 64 Abs. 2 BHO — Drucksache 10/5546 — 17189 B Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Ersten Gesetz zur Änderung des Tierschutzgesetzes — Drucksache 10/5617 — Dr. Emmerlich SPD 17204 D Dr. Langner CDU/CSU 17205 B Sander SPD 17206 B Bredehorn FDP 17206 D Werner (Dierstorf) GRÜNE 17207 C Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Kittelmann, Wissmann, Klein (München), Dr. Pinger, Lenzer, Höffkes, Echternach, Graf Huyn, Frau Geiger, Lattmann, Dr. Schwörer, Schwarz, Clemens, Dr. Unland, Kolb, Dr. Kunz (Weiden), Dr. Jobst, Repnik, Weiß, Hornung, Hinrichs, Frau Roitzsch (Quickborn), Frau Dr. Hellwig, Jagoda, Dr. Stercken, Dr. Schroeder (Freiburg), Lowack, Hedrich, Kraus, Dr. Lammert, Reddemann, Magin, Ruf, Müller (Wadern) und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Graf Lambsdorff, Dr. Haussmann, Beckmann, Frau Seiler-Albring, Dr. Weng (Gerlingen), Dr. Feldmann, Dr. Solms, Frau Dr. Segall, Dr. Rumpf, Dr.-Ing. Laermann, Kohn und der Fraktion der FDP Wettbewerbschancen der deutschen Wirtschaft im pazifischen Raum — Drucksachen 10/3995, 10/5133 — Kittelmann CDU/CSU 17208 D Dr. Mitzscherling SPD 17211A Dr. Solms FDP 17214 B Frau Eid GRÜNE 17216A Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär BMWi 17217 C Dr. Jens SPD 17220 A Dr. Unland CDU/CSU 17222 B Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN Rekommunalisierung und Demokratisierung der Energieversorgung (Neuordnung der Energiewirtschaft und Novellierung des Energierechts) — Drucksache 10/5010 — Tatge GRÜNE 17224 B Dr. Freiherr Spies von Büllesheim CDU/ CSU 17226 A Wolfram (Recklinghausen) SPD . . . 17228 A Beckmann FDP 17229 D Beratung der Unterrichtung durch das Europäische Parlament Entschließung zum Technologietransfer — Drucksache 10/5197 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Vosen, Roth, Dr. Hauff, Dr. Ehmke (Bonn), Catenhusen, Fischer (Homburg), Grunenberg, Hansen (Hamburg), Dr. Kübler, Nagel, Stahl (Kempen), Stockleben, Vahlberg, Frau Blunck, Wolfram (Recklinghausen), Kuhlwein, Reuter, Antretter, Brück, Dr. Hauchler, Dr. Holtz, Ibrügger, Jungmann, Dr. Klejdzinski, Schanz, Voigt (Frankfurt), Dr. Vogel und der Fraktion der SPD zur Erklärung der Bundesregierung zu EUREKA — Drucksachen 10/4139, 10/5404 — Vosen SPD 17232 B Lenzer CDU/CSU 17233 D Dr. Schierholz GRÜNE 17236 D Dr.-Ing. Laermann FDP 17238A Hansen (Hamburg) SPD 17239 D Dr. Probst, Parl. Staatssekretär BMFT 17241 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung IV Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1986 Bericht des Bundesministers für Verkehr über Maßnahmen auf dem Gebiet der Unfallverhütung im Straßenverkehr für die Jahre 1984 und 1985 — Unfallverhütungsbericht Straßenverkehr 1985 — Übersicht Rettungswesen — Drucksachen 10/5030, 10/5431 — . . . 17243 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Statistik für Bundeszwecke (Bundesstatistikgesetz) — Drucksache 10/5345 — Broll CDU/CSU 17243 D Ströbele GRÜNE 17244 C Dr. Wernitz SPD 17245 B Wolfgramm (Göttingen) FDP 17245 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Abwasserabgabengesetzes — Drucksache 10/5533 — 17246 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Rechtsbereinigungsgesetzes — Drucksache 10/5532 — 17246 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der kassenärztlichen Bedarfsplanung — Drucksache 10/5630 — 17247 A Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts — Drucksache 10/504 — Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses — Drucksache 10/5632 — in Verbindung mit Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 19. Juni 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht — Drucksache 10/503 — Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses — Drucksache 10/5632 — in Verbindung mit Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Haager Übereinkommen vom 2. Oktober 1973 über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen sowie über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht — Drucksache 10/258 — Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses — Drucksache 10/5633 — in Verbindung mit Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Haager Übereinkommens vom 2. Oktober 1973 über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen (Unterhaltsvollstreckungs-Übereinkommens- Ausführungsgesetz) — Drucksache 10/241 — Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses — Drucksache 10/5633 — 17247 C Fragestunde — Drucksache 10/5655 vom 13. Juni 1986 — Verhinderung der Trennung von Ehepartnern in Altenheimen MdlAnfr 35 13.06.86 Drs 10/5655 Kroll-Schlüter CDU/CSU Antw PStSekr Frau Karwatzki BMJFFG 17189 D Änderung der Zielgruppen beim Benachteiligtenprogramm MdlAnfr 58, 59 13.06.86 Drs 10/5655 Reimann SPD Antw StSekr Piazolo BMBW 17190A ZusFr Reimann SPD 17190 B ZusFr Sielaff SPD 17190 C Änderung der Arbeitserlaubnisverordnung in dieser Legislaturperiode entsprechend dem Beschluß des Bundestages MdlAnfr 27, 28 13.06.86 Drs 10/5655 Dreßler SPD Antw PStSekr Vogt BMA 17191 C ZusFr Dreßler SPD 17191 D ZusFr Peter (Kassel) SPD 17192 B ZusFr Scharrenbroich CDU/CSU . . . 17192C Erhöhung der indirekten Steuern zur Finanzierung der Brutto- und der Nettosteuersenkung Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1986 V MdlAnfr 9 13.06.86 Drs 10/5655 Dr. Spöri SPD Antw PStSekr Dr. Häfele BMF 17192 D ZusFr Dr. Spöri SPD 17192 D Konsequenzen aus der Verurteilung von Managern des Rheinmetall-Konzerns wegen der Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz; weitere Möglichkeiten der Umgehung der gesetzlichen Bestimmungen MdlAnfr 10, 11 13.06.86 Drs 10/5655 Frau Dr. Hamm-Brücher FDP Antw PStSekr Grüner BMWi 17193 B ZusFr Frau Dr. Hamm-Brücher FDP . 17193 B ZusFr Dr. Hirsch FDP 17193C ZusFr Gansel SPD 17193 D Anerkennung der „halbherzigen Kontrolle" beim Rüstungsexport als mildernde Umstände in einer Urteilsbegründung des Düsseldorfer Landgerichts MdlAnfr 12, 13 13.06.86 Drs 10/5655 Dr. Hirsch FDP Antw PStSekr Grüner BMWi 17195 B ZusFr Dr. Hirsch FDP 17195C ZusFr Gansel SPD 17196 B ZusFr Frau Dr. Hamm-Brücher FDP . 17196 D Endverbleibsregelung für an Argentinien gelieferte Kriegswaffen, insbesondere U-Boote und Fregatten MdlAnfr 14, 15 13.06.86 Drs 10/5655 Gansel SPD Antw PStSekr Grüner BMWi 17197 B ZusFr Gansel SPD 17197C ZusFr Frau Dr. Hamm-Brücher FDP . 17198 B ZusFr Dr. Hirsch FDP 17198C ZusFr Vogel (München) GRÜNE . . . 17198 D ZusFr Dr. Kübler SPD ,17199A ZusFr Brück SPD 17199A Entlastung der Verbraucher durch den Rückgang der Ölpreise; Reduzierung der Preissteigerungsrate MdlAnfr 16 13.06.86 Drs 10/5655 Dr. Kübler SPD Antw PStSekr Grüner BMWi 17199 B ZusFr Dr. Kübler SPD 17199 C ZusFr Uldall CDU/CSU 17200A ZusFr Brück SPD 17200A Übertragung unausgenutzter Referenzmengen von Milch auf spätere Jahre MdlAnfr 17 13.06.86 Drs 10/5655 Jäger (Wangen) CDU/CSU Antw PStSekr Gallus BML 17200 B ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . 17200 C ZusFr Oostergetelo SPD 17200 D Herstellung von Milchimitaten (Butter, Margarine) in Dänemark; Verhinderung des Imports dieser Produkte; Senkung der dänischen Milchquote innerhalb der EG MdlAnfr 18, 19 13.06.86 Drs 10/5655 Eigen CDU/CSU Antw PStSekr Gallus BML 17201 B ZusFr Eigen CDU/CSU 17201 C ZusFr Oostergetelo SPD 17202 A ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . 17202 C Bau eines Dienstgebäudes für die Bundeswehr in Saarbrücken MdlAnfr 31 13.06.86 Drs 10/5655 Brück SPD Antw PStSekr Würzbach BMVg . . . 17202 D ZusFr Brück SPD 17202 D Unzuträglichkeiten beim Anwählen des Börsenansagedienstes der Bundespost MdlAnfr 54, 55 13.06.86 Drs 10/5655 Uldall CDU/CSU Antw PStSekr Rawe BMP 17203 B ZusFr Uldall CDU/CSU 17203 C Postgebührenschulden von SAT 1; Erstellung wahlkreisbezogener Breitbandverkabelungsstatistiken MdlAnfr 56, 57 13.06.86 Drs 10/5655 Paterna SPD Antw PStSekr Rawe BMP 17203 C ZusFr Paterna SPD 17203 C ZusFr Oostergetelo SPD 17204 B Nächste Sitzung 17248 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 17249* A Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Hans-Jürgen Stutzer (CDU/CSU) nach § 31 Abs. 1 GO zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Ersten Gesetz zur Änderung des Tierschutzgesetzes (Drucksache 10/5617) 17249* B VI Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1986 Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Dr. Erich Riedl (München) (CDU/CSU) gemäß § 31 Abs. 1 GO zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes zu dem Ersten Gesetz zur Änderung des Tierschutzgesetzes (Drucksache 10/5617) 17249* D Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zu Punkt 20 der Tagesordnung (Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Abwasserabgabengesetzes) (Dr. Wallmann, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Dr. Göhner [CDU/CSU], Frau Hönes [GRÜNE]) 17250* A Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zu Punkt 22 der Tagesordnung (Entwurf eines Zweiten Rechtsbereinigungsgesetzes) (Dr. Nöbel [SPD], Dr. Hirsch [FDP]) . . 17252* C Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zu Punkt 23 der Tagesordnung (Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der kassenärztlichen Bedarfsplanung) (Dr. Becker [Frankfurt] [CDU/CSU], Cronenberg [Arnsberg] [FDP]) 17254*A Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Rede zu Punkt 19 a der Tagesordnung (Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts) (Mann [GRÜNE]) 17255* C Anlage 8 Äußerungen von Bundesminister Dr. Schneider und Bundeskanzler Dr. Kohl über die Entwicklung des Wohnungsmarktes MdlAnfr 4, 5 13.06.86 Drs 10/5655 Dr. Sperling SPD SchrAntw PStSekr Dr. Jahn BMBau . 17256*A Anlage 9 Intensivierung der deutschen Grenzkontrollen durch Lesegeräte für Personalausweise und Europapässe MdlAnfr 6 13.06.86 Drs 10/5655 Brück SPD SchrAntw StSekr Neusel BMI . . . . 17256* B Anlage 10 Erkenntnisse der sportmedizinischen Forschung über die Bedeutung des Sports in der Arbeitswelt; Förderung von Modellversuchen MdlAnfr 20 13.06.86 Drs 10/5655 Frau Steinhauer SPD SchrAntw PStSekr Vogt BMA . . . . 17256* D Anlage 11 Genehmigung von ABM-Stellen für das Kurdische Institut e. V. MdlAnfr 21 13.06.86 Drs 10/5655 Immer (Altenkirchen) SPD SchrAntw PStSekr Vogt BMA . . . . 17257* A Anlage 12 Beeinflussung der Arbeitslosenquote durch Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld gem. § 105 c des Arbeitsförderungsgesetzes durch über 58jährige Arbeitnehmer; Streichung von Arbeitslosen aus der Arbeitslosenstatistik wegen des Bezugs von Erziehungsgeld; Auswirkung auf die Arbeitsmarktstatistik MdlAnfr 22, 23 13.06.86 Drs 10/5655 Stiegler SPD SchrAntw PStSekr Vogt BMA . . . . 17257* D Anlage 13 Verteilung der Informationsbroschüre „Nach Tschernobyl" in Niedersachsen MdlAnfr 34 13.06.86 Drs 10/5655 Frau Simonis SPD SchrAntw PStSekr Frau Karwatzki BMJFFG 17257* D Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1986 17123 222. Sitzung Bonn, den 19. Juni 1986 Beginn: 8.02 Uhr
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    Berichtigung 216. Sitzung, Seite 16734 B, 4. Zeile: Statt „Das Gebrauchsmuster-Urheberrecht" ist „Das Gebrauchsmuster- und das Urheberrecht" zu lesen. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bahr 20. 6. Brandt 20. 6. Berger ** 20. 6. Dr. Corterier *** 20. 6. Dr. Dollinger 19. 6. Egert 19. 6. Engelhard 20. 6. Francke (Hamburg) 20. 6. Gallus 20. 6. Gerstl (Passau) ** 20. 6. Glos 20. 6. Hauck 20.6. Dr. Hupka *** 20. 6. Ibrügger *** 20. 6. Jansen 20. 6. Jungmann 20. 6. Kittelmann ** 20. 6. Dr. Klejdzinski 20. 6. Klose 19. 6. Lange 20. 6. Dr. Müller * 20. 6. Pauli 20. 6. Pesch 19. 6. Pfeifer 20. 6. Pohlmeier 20. 6. Reuschenbach 20. 6. Frau Roitzsch (Quickborn) 20. 6. Dr. Rumpf ** 20. 6. Schmidt (Hamburg) 20.6. von Schmude 20. 6. Schröder (Hannover) 20. 6. Schröer (Mülheim) 19. 6. Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd). 20. 6. Schwarz 20. 6. Stobbe 20. 6. Tischer 20. 6. Dr. Todenhöfer 20. 6. Voigt (Sonthofen) 20. 6. Dr. Wieczorek 20. 6. Wieczorek (Duisburg) 19. 6. Wischnewski 20. 6. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Hans-Jürgen Stutzer (CDU/CSU) nach § 31 Abs. 1 GO zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes zu dem Ersten Gesetz zur Änderung des Tierschutzgesetzes (Drucksache 10/5617) Anlagen zum Stenographischen Bericht Ich lehne die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses aus folgenden Gründen ab: Zu Anrufungsgrund 2: Während der Regierungsentwurf vorsah, daß der Antragsteller das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 und 3 - u. a. die ethische Vertretbarkeit des Vorhabens - wissenschaftlich begründet darzulegen hatte, verschärfte der Bundestag die Bestimmung dahin, daß der Antragsteller das Vorliegen der Voraussetzungen glaubhaft zu machen hatte. Der Vorschlag des Vermittlungsausschusses kehrt in § 8 Abs. 2 zum wissenschaftlich begründeten Darlegen zurück und beschränkt es auf ein formelles Antragserfordernis (zu § 8 Abs. 3 Nr. 1). Nach § 8 Abs. 3 obliegt jedoch der Behörde nicht nur eine formelle, sondern auch eine materielle Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis. Aus diesem Grunde verlangte der Bundestag vom Antragsteller in § 8 Abs. 3 Nr. 1 eine Glaubhaftmachung, während der Vermittlungsausschuß das wieder abschwächt, indem nur noch eine wissenschaftlich begründete Darlegung vom Antragsteller gefordert werden soll. Jeder Antragsteller wird sein Versuchsvorhaben wissenschaftlich begründet darlegen können - wenn er es nicht mehr glaubhaft zu machen braucht -, so daß sich dann in der Praxis für die Behörde weniger eine materielle als vielmehr nur noch eine formelle Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis ergibt. Die vom Vermittlungsausschuß vorgeschlagene Fassung ist m. E. gegenüber dem Gesetzesbeschluß des Bundestages ein Rückschritt im Sinne des ethischen Tierschutzes. Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Dr. Erich Riedl (München) (CDU/CSU) gemäß § 31 Abs. 1 GO zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes zu dem Ersten Gesetz zur Änderung des Tierschutzgesetzes (Drucksache 10/5617) Ich lehne die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses (Drucksache 10/5617) ab und schließe mich der Begründung an, die mein Kollege Hans-Jürgen Stutzer hierzu zu Protokoll des Deutschen Bundestages gegeben hat. Diese Beschlußempfehlung stellt eine eindeutige Verschlechterung des Gesetzesbeschlusses des deutschen Bundestages dar und widerspricht auch dem erklärten Ziel der Bundesregierung, den Tierschutz zu verbessern. Den Beschlüssen des Bundesrates, über die sich der Vermittlungasausschuß hinweggesetzt hat, hätte ich zugestimmt. Dies ist ein bedauerliches Beispiel für unlogische Gesetzesarbeit, die am Mehrheitswillen unserer Bevölkerung völlig vorbeigeht. 17250* Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1986 Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zu Punkt 20 der Tagesordnung (Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Abwasserabgabengesetzes) Dr. Wallmann, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Zur nachhaltigen Verbesserung des Schutzes unserer Gewässer hat die Bundesregierung eine umfassende Novellierung der Wassergesetze eingeleitet. Die Bundesregierung hat damit auch im Gewässerschutz weittragende Initiativen für eine konsequente Umweltvorsorge ergriffen. Gesetzentwürfe zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes, des Abwasserabgabengesetzes und des Waschmittelgesetzes liegen dem Deutschen Bundestag vor. Unser Ziel ist es, die Belastung unserer Gewässer durch Schadstoffe soweit wie möglich zu verringern. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Novellierung des Wasserhaushaltsgesetzes hat im wesentlichen die Fortschreibung des klassischen ordnungsrechtlichen Instrumentariums zum Inhalt. Die Bundesregierung hat damit die Konsequenzen aus der Tatsache gezogen, daß die Belastung der Gewässer, insbesondere durch gefährliche Stoffe, immer noch Anlaß zur Sorge gibt. So gefährden Schwermetalle nicht nur die Oberflächengewässer, sie führen auch zu erheblichen Problemen bei der Beseitigung von Sedimenten und Klärschlämmen. Organische Halogenverbindungen bedeuten ein nicht zu unterschätzendes Risiko vor allem für das Grundwasser. Abwasser mit gefährlichen Inhaltsstoffen soll daher künftig nach dem fortschrittlichen Stand der Technik gereinigt werden. Die Bundesrepublik Deutschland wird damit im europäischen Vergleich eine Spitzenstellung einnehmen. Mit der im Januar dieses Jahres von der Bundesregierung beschlossenen Novelle zum Waschmittelgesetz wird der produktbezogene Teil des wasserrechtlichen Instrumentariums verschärft. Anforderungen an Wasch- und Reinigungsmittel wie auch an Anlagen zum Waschen und Reinigen werden die Belastung der Gewässer weiter nachhaltig verringern. Heute steht die Beratung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Abwasserabgabengesetzes an. Die Bundesregierung verfolgt mit der Novellierung dieses Gesetzes das Ziel, komplementär zur Verbesserung des Ordnungsrechts die Wirkung der Abwasserabgabe als Anreiz zu besseren Reinigungsleistungen und weiteren Investitionen im Gewässerschutz spürbar zu erhöhen und den Verwaltungsvollzug weitgehend zu vereinfachen. Abwasserabgabengesetz und Wasserhaushaltsgesetz stellen eine einzigartige Verknüpfung von ökonomischen und ordnungsrechtlichen Mitteln zur wirksameren Reinhaltung unserer Gewässer dar. Die Abwasserabgabe als flankierendes Instrument zur Durchsetzung des Ordnungsrechts hat sich eindeutig bewährt. Die Einleiter haben erkannt, daß sich Investitionen in Gewässerschutzmaßnahmen infolge der damit verknüpften Senkung der Abwasserabgabe auch finanziell lohnen. Die Abgabe wirkt als fühlbarer Anreiz, weitere Maßnahmen zur Verminderung und zur qualitativen Verbesserung von Abwassereinleitungen zu treffen. Hierzu müssen die Abwasserreinigungstechniken fortentwickelt und bereits im Produktionsbereich möglichst abwasserfreie Produktionsverfahren eingeführt werden. Die bisher erreichten Ergebnisse dürfen uns allerdings noch nicht zufriedenstellen. Die Novelle zum Abwasserabgabengesetz stellt neben den bereits jetzt erfaßten Schwermetallen Quecksilber und Cadmium zusätzlich die Metalle Chrom, Nickel, Blei und Kupfer unter die Abgabepflicht. Außerdem wird die auch für die Trinkwasserversorgung gefährliche Stoffgruppe der organischen Halogenverbindungen in die Abgabenbewertung aufgenommen. Ein zusätzlicher Anreiz, Gewässerschutzmaßnahmen bei Abwasser mit gefährlichen Stoffen durchzuführen, wird dadurch bewirkt, daß der Abgabesatz, sich auf 20 % ermäßigt, wenn Abwasser nach dem modernen Stand der Technik gereinigt wird. Bei weniger gefährlichen Abwasserinhaltsstoffen kann der Einleiter künftig sogar eine Verminderung des Abgabesatzes bis hin zur Abgabefreiheit erreichen. Hält der Einleiter die vorgeschriebenen Grenzwerte allerdings nicht ein, muß er einen überproportionalen Anstieg der Abwasserabgabe in Kauf nehmen. Ein solches Verhalten führt also zu deutlich negativen finanziellen Konsequenzen. Dieses Konzept wird das Eigeninteresse der Wirtschaft und der Kommunen am Umweltschutz verstärken. Wir haben nicht das Auffüllen öffentlicher Kassen im Sinn, sondern eine nachhaltige Erhöhung der Gewässerschutzinvestitionen durch eigenverantwortliche Entscheidung. Damit werden auch Schubkraft und Mechanismen des Marktes verstärkt für den Umweltschutz genutzt. Mit der Anbindung der Abgabe an die ordnungsrechtlichen Bescheide als Grundlage der Abgabenerhebung wird — auch ohne Anhebung der Abgabesätze — insgesamt eine Erhöhung der effektiv zu zahlenden Abwasserabgabe verbunden sein. Sie kann durchaus deutlich ausfallen, wenn der Abwassereinleiter nicht fortschrittlichere Reinigungsmaßnahmen als bisher durchführt. Die Bundesregierung hat durch ihre Vorlagen für eine umfassende Novellierung der Wassergesetze erneut unter Beweis gestellt, welchen Stellenwert der vorsorgende Schutz der Gewässer als Bestandteil des Naturhaushalts wie auch zur Sicherung der Wasserversorgung hat. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zu diesem Gesetzentwurf der Konzeption der Bundesregierung zugestimmt. Auch die kommunalen Spitzenverbände und die beteiligten Industrieverbände sind als Betroffene in die Vorbereitung der Novelle einbezogen worden. Ich bin der festen Überzeugung, daß mit diesem Gesetzentwurf ein weiterer wichtiger Schritt zu einer nachhaltigen Verbesserung des Gewässerschutzes getan wird. Die Bundesregierung mißt daher einer Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs als ei- Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1986 17251* nem Baustein modernen Gewässerschutzes noch in dieser Legislaturperiode wesentliche Bedeutung bei. Dr. Göhner (CDU/CSU): Mit der Novellierung des Abwasserabgabengesetzes leisten wir neben den Verschärfungen des Wasserhaushalts- und des Waschmittelgesetzes einen weiteren Beitrag für einen verbesserten Wasserschutz. Das Abwasserabgabengesetz hat sich im Grundsatz in den vergangenen Jahren bewährt. Die ökonomischen Anreize für mehr Umweltschutz, die von der Abwasserabgabe ausgehen, sollen mit der Novellierung des Gesetzes verstärkt werden. Zum einen geht es dabei darum, künftig auch Schwermetalle und organische Halogenverbindungen abgaberechtlich zu erfassen. Damit stellt das neue Abwasserabgabengesetz eine abgaberechtliche Flankierung des Wasserhaushaltsgesetzes dar, wo für diese Stoffe der verschärfte Maßstab des Standes der Technik vorgeschrieben wird. Mit der Novellierung des Abwasserabgabengesetzes ist eine drastische Verschärfung der Abwasserabgabe verbunden. Falls in bestimmten Industriebereichen keine neuen Umweltschutzinvestitionen zur Abwasserreinigung erfolgen, würde sich infolge der Novellierung die Abwasserabgabe vervielfachen, so z. B. für die Zellstoffherstellung oder die Eisen-, Stahl- und sonstige Metallerzeugung mit einer Verfünffachung der Abgabenlast, für die chemische Industrie mit einer Verdrei- oder -vierfachung der Abgabe. Die Abgabenlast vermindert sich allerdings auch in diesen Industriebereichen, wenn die betroffenen Betriebe ihren Umweltschutz durch eine verbesserte Abwasserreinigung erhöhen. Wird nämlich der verschärfte Stand der Technik bei der Abwasserreinigung eingeführt, werden also alle Anstrengungen durch Umweltschutzinvestitionen vorgenommen, so verringert sich die Abgabe. Das ist ein gewollter Effekt: Wer nichts tut, zahlt mehr als bisher; wer dagegen die Abwässerreinigung erheblich verbessert, soll weniger zahlen als bisher. Die Novellierung des Abwasserabgabengesetzes verschärft im Sinne eines verbesserten Anreizes für mehr Umweltschutz das Bonus-Malus-Prinzip: Wir wollen nicht höhere Abgaben kassieren, wir wollen im Gegenteil durch mehr Umweltschutz weniger Abgabenbelastung! Neben einer Reihe von schwierigen Fachfragen wird es bei der Beratung des Abwasserabgabengesetzes im neuen Umweltausschuß vor allem um drei grundsätzliche Fragen gehen: 1. Der Bundesrat fordert die Abschaffung des Fischtestes. Die Frage ist aber, ob ein anderes biologisches Testverfahren mit gleicher Effektivität zur Verfügung steht. Die Berücksichtigung des Tierschutzes gegenüber den in Testverfahren eingesetzten Fischen ist von großer Bedeutung; von noch größerer Bedeutung aber ist der Schutz unserer Fische in den natürlichen Gewässern. Falls andere biologische Verfahren gleicher Wirksamkeit gefunden werden können — aber auch nur dann! —, wird der Fischtest ersetzt werden können. 2. Ein besonders schwieriger Komplex betrifft die Einführung von Ammoniumstickstoff und Phosphat als Schadstoffparameter im Abwasserabgabengesetz. Das betrifft vor allem die kommunalen Kläranlagen. Beide Schadstoffe sind von großer Bedeutung. Zweifellos wäre es wünschenswert, sowohl in den Verwaltungsvorschriften zum Wasserhaushaltsgesetz als auch durch eine abgabenrechtliche Begleitung im Abwasserabgabengesetz eine Nitrifikation und Denitrifikation sowie eine Phosphatfällung bei kommunalen Kläranlagen zu erreichen. Inwieweit diese im Rahmen dieser Gesetzesnovellierung möglich sein wird, werden wir intensiv prüfen und mit den Ländern abzustimmen haben. 3. Wir werden uns ebenfalls die Frage stellen müssen, ob die Kleineinleiterabgabe noch eine Existenzberechtigung hat. Ein Kleineinleiter, der seine häusliche Kläranlage auf den modernsten Stand der Technik mit hohen Kosten bringt, muß gleichwohl noch eine Abgabe zahlen. Das ergibt umweltpolitisch keinen Sinn. Wer das Optimale für den Umweltschutz tut, sollte nicht durch Abgaben bestraft werden. Frau Hönes (GRÜNE): Das Abwasserabgabengesetz, von Ihnen, Herr Zimmermann, vorgestellt als ökonomischer Anreiz zur Gewässerreinhaltung, ist — kurz zusammengefaßt — ein Ablaßhandel zu Billigstpreisen. Die Abwasserabgabe macht selbst in ihrer 1986 erreichten Höchststufe von 40 DM pro Schadeinheit beim Unterlassen jeglicher Reinigung häuslichen Abwassers noch nicht einmal die Hälfte der üblichen Kanalbenutzungsgebühren aus. Bei abwasserintensiven Branchen der Industrie dürfte sie nicht einmal 0,01 % des Umsatzes erreichen. Nach dem vorliegenden Entwurf wird sich die Abgabe durch den geänderten Berechnungsmodus und zusätzliche Schadstoffparameter zwar erhöhen, zu einem ökonomischen Hebel wird sie damit noch lange nicht. Schon 1975 berechnete der Sachverständigenrat für Umweltfragen, daß die Abgabe pro Schadeinheit 60 bis 80 DM betragen müßte, um den Reinigungskosten zu entsprechen. Heute müßte der Abgabensatz, um den Kosten für eine 90%ige Reinigung zu entsprechen (bezogen auf die anerkannten Regeln der Technik) ca. 120 DM betragen. Doch auch bei dieser Abgabenhöhe wird bei einer ganzen Anzahl von Problemstoffen die Reinigung teurer bleiben als das Bezahlen der Abgabe. Hier läßt sich der Umweltschutz nur durch Produktions- und Anwendungsverbote verwirklichen. Derartige Produktions- und Anwendungsverbote wären allerdings im WHG bzw. in entsprechenden Produktgesetzen wie dem Waschmittelgesetz zu verankern. Als begleitende Maßnahme könnte das Abwasserabgabengesetz bei entsprechender Abgabenhöhe die Entwicklung umweltverträglicher Ersatzstoffe wesentlich beschleunigen. Weitere Gründe, warum das Abwasserabgabengesetz nicht tauglich ist, die Gewässerbelastung zu verringern: 17252* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1986 Wer die nach dem WHG zwingend vorgeschriebenen Ableitungen einhält, bekommt Rabatt bei der Abwasserabgabe für den restlichen Dreck. Nach der WHG-Novelle kann die Entfernung von gefährlichen Schadstoffen bereits am Ort des Entstehens verlangt werden. Der vorliegende Entwurf des Abwasserabgabengesetzes sieht vor, die Gebühr an der Einleitungsstelle ins Gewässer festzusetzen. Dies ist nichts anderes als eine weitere Reduzierung der Abgabe. Denn Untersuchungen über die Einleitung von CKW in kommunale Kläranlagen haben gezeigt, daß nur noch 1 % der ursprünglichen Emission am Kläranlagenauslauf gemessen werden kann. Der Rest gelangt in die Luft, ins Grundwasser und in den Klärschlamm und kehrt von dort in den Wasserhaushalt zurück. Bei Schwermetallen ist ebenfalls eine hohe Verlagerungsquote in andere Umweltmedien nachweisbar. Im kommunalen Bereich zahlen nur wenige Einleiter eine Abgabe, da der Schwellenwert unterschritten wird. Verdünnen statt Reinigen ist die Philosophie! Und ein letzter Punkt: In dem Gesetzentwurf fehlen als wichtige Schadstoffparameter: Stickstoff als Nitrat und Ammonium, Phosphorverbindungen, Abwärme. Dabei kann die Aufnahme dieser Schadstoffe nur Flickwerk sein, solange für die Reduzierung dieser Schadstoffe im WHG keine Mindestanforderungen festgelegt sind. Zusammenfassend möchte ich feststellen: Das Abwasserabgabengesetz in der vorliegenden Form wird nicht in der Lage sein, einen Anreiz zur Gewässerreinhaltung über die vom WHG vorgeschriebenen Mindestanforderungen hinaus zu schaffen: Das Zahlen der Abgabe ist kostengünstiger als das Reinigen der Abwässer. Dies gilt besonders bei kritischen Abwässern, die nach dem Stand der Technik zu reinigen sind. Die Abwasserabgabe hat keine lenkende Funktion in dem Sinne, daß eine Umorientierung der Produktion hin zu umweltverträglichen Produkten eingeleitet wird. Stickstoff, Phosphor, Abwärme fehlen als Parameter. Durch die Erhebung der Schadstoffabgabe am Kläranlagenauslauf wird nur ein Bruchteil der emittierten Schadstoffe erfaßt. Die Schwellenwerte, unterhalb derer keine Abgabe zu zahlen ist, sind zu gering. Eine wirkliche Verbesserung des Gewässerschutzes kann nur erreicht werden, wenn der politische Wille zum Vollzug des WHG vorhanden ist und wenn die Bereitschaft besteht, die wirtschaftlichen Aktivitäten den Umweltgegebenheiten unterzuordnen. Damit meine ich die Bereitschaft, bisherige Produktionsweisen und Produkte auf ihre Umweltverträglichkeit in der Herstellung, Anwendung und Entsorgung hin zu untersuchen, auf ihren Nutzen hin zu hinterfragen und bei negativem Ergebnis bereit zu sein, auf dieses Produkt oder auf dieses Produktionsverfahren zu verzichten. Voraussetzung für diese Bereitschaft zur Umorientierung ist aber wohl die Unabhängigkeit von der Industrie, die es noch immer wieder geschafft hat, ihre Interessen zum vermeintlichen oder tatsächlichen Interesse der Bundesregierung zu machen. Anlage 5 Zu Protkoll gegebene Reden zu Punkt 22 der Tagesordnung (Entwurf eines Zweiten Rechtsbereinigungsgesetzes) Dr. Nöbel (SPD): Die Regierungschefs von Bund und Ländern haben sich schon 1979 darauf verständigt, der Überreglementierung und Perfektionierung im Bereich der Gesetzgebung und der Verwaltungsregelungen entgegenzuwirken. Sie wollen darauf achten, daß folgende Grundsätze stärker verwirklicht werden: Die Rechts- und Verwaltungsvorschriften sollen auf das zur Erreichung der politischen Zielsetzung unbedingt notwendige Maß beschränkt werden. Die Regelungsbefugnis soll stets dort den Ländern überlassen bleiben, wo eine bundesgesetzliche Regelung nicht zwingend geboten ist. Regelungen sollen bürgernah, einfach und verständlich abgefaßt und so sparsam, leicht und bürgernah durchführbar wie möglich gestaltet werden. Statistiken sollen nachhaltig eingeschränkt und gestrafft werden. Beim Erlaß von EG-Vorschriften sollen diese Grundsätze ebenfalls möglichst weitgehend verwirklicht werden. Diesen Grundsätzen stimmt die SPD-Bundestagsfraktion nach wie vor uneingeschränkt zu. Wir unterstützen dementsprechend auch die Bemühungen der Bundesregierung, mit dem Zweiten Rechtsbereinigungsgesetz Vorschriften zu vereinfachen oder dort, wo sie überflüssig sind, zu streichen. Inwieweit wir den Gesetzesvorschlägen im einzelnen zustimmen können, wird sich im Laufe der Beratungen zeigen. Meine Damen und Herren, CDU und CSU hatten die „Entbürokratisierung" während ihrer Opposition zum „Markenzeichen" ihrer Politik gewählt. Geißler, Generalsekretär der CDU, schrieb beispielsweise in der „Welt der Arbeit" vom 28. Juni 1979: Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit bleibt nach wie vor eine der zentralen Aufgaben der Politik. Sie kann nicht gelingen ohne Abbau der Bürokratisierung, die sich zunehmend wie ein engmaschiges Netz über unsere gesamte Gesellschaft legt und ihre Initiative lähmt. Wer die Arbeitslosigkeit bekämpfen will, muß Wirtschaft und Gesellschaft von ihren bürokratischen Fesseln befreien. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1986 17253* Daran hält die CDU — und neuerdings hat sich auch die FDP angeschlossen — auch weiterhin fest. Die sogenannte Entbürokratisierung ist nach gleichbleibenden Aussagen aus ihren Reihen zumindest ein wesentliches Element zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Wie aber die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen zeigt, bleiben Erfolge aus. Ich würde es begrüßen, wenn die Bundesregierung oder Vertreter der Koalitionsparteien endlich einmal darlegten, welche Maßnahmen der Entbürokratisierung das Ziel der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit verfolgen und worin sie den Erfolg dieser Maßnahmen sehen. Geißler fuhr in dem genannten Artikel u. a. wie folgt fort: Täglich neue Gesetze, Erlasse, Verfügungen, Verordnungen und Ausführungsbestimmungen ersticken die freien Entfaltungsmöglichkeiten der Menschen. Wir haben diesen Angriffen auf die Gesetzgebung unter der Überschrift „Gesetzesflut" stets skeptisch bis ablehnend gegenübergestanden, weil es eben nicht möglich ist, die politische Zukunftsgestaltung im demokratischen und sozialen Rechtsstaat unter den komplexen Bedingungen einer hochindustrialisierten Gesellschaft mit den Gesetzen und der Bürokratie des 19. Jahrhunderts zu bewältigen. Wir werfen Ihnen vor, daß Sie dies einerseits ignorieren und Illusionen über die Möglichkeiten zur Reduzierung und Vereinfachung von Vorschriften wecken, andererseits aber ein gerütteltes Maß dazu beitragen, daß Bürger und Bedienstete der öffentlichen Verwaltungen mit neuen Vorschriften belastet wurden. Ich darf die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 5. Februar 1985 zitieren: Auf Hochtouren kommt die Gesetzesmaschinerie ... dadurch, daß immer mehr geregelt wird. Das steht im krassen Widerspruch zu der Ankündigung der Bundesregierung, Vorschriften zu streichen und zu vereinfachen ... Entrümpelung beim Staat bringt daher gar nichts, wenn zur gleichen Zeit mehr Vorschriften neu gemacht als gestrichen werden. Der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft schrieb Ihnen im Dezember 1985 ins Stammbuch: Nicht nur eine abreißende Normenflut des Bundesgesetzgebers, sondern auch wesentliche Bereiche der Tarifreform von Bundesfinanzminister Gerhard Stoltenberg (CDU) führten dazu, daß sowohl die Steuerzahler als auch die Angehörigen der Steuerverwaltung mit weiteren drastischen Arbeitserschwernissen belastet wurden. Auf einen kurzen Nenner gebracht kann man sagen: Nach der Wende gibt es noch mehr Bürokratie. Die alten Vorschläge der CDU zur Entbürokratisierung wurden zu den Akten gelegt. Was der Oppositionsführer Kohl an Entbürokratisierung durchsetzen wollte, wird vom Regierungschef Kohl als nicht praktikabel und zu aufwendig abgelehnt. Das Markenzeichen der CDU/CSU und neuerdings auch der FDP, das mit „Entbürokratisierung" umschrieben wurde und wird, ist nach all dem verblaßt und hat sich letztlich als Falschgeld herausgestellt. Dr. Hirsch (FDP): Rechtsbereinigungsgesetze geben immer zu amüsierten Bemerkungen Anlaß, weil in ihnen Gesetze oder Regelungen auftauchen, von denen man keine Ahnung hatte und die nun berechtigterweise geändert werden sollen. Davon macht auch dieses Gesetz keine Ausnahme. Man möge sich also z. B. den Art. 19 des Gasölverwendungsgesetzes — Landwirtschaft ansehen, in dem zunächst jetzt neu vorgesehen wird, daß das Gasölverwendungsgesetz — Landwirtschaft in Zukunft Landwirtschaftsgasölverwendungsgesetz heißen soll. Das ist sicherlich ein enormer Schritt zur Rechtsbereinigung und Vereinfachung. Oder man sehe sich den Art. 21 — Renn-, Wett- und Lotteriewesen — an, in dem in 13 Ziffern in geradezu liebevoller Weise akribisch alles mögliche geregelt wird, was alles geschehen soll, z. B. daß das Wort „Tintenstift" durch die Worte „nicht löschbarem Schreibmittel" zu ersetzen sei. Man ist versucht zu sagen, nun gut, wenn's der Rechtsfindung dient. Aber zur Sache selbst: Wir begrüßen die Vorlegung des Zweiten Rechtsbereinigungsgesetzes. Ich stelle zu meiner Zufriedenheit auch fest, daß es sich durchweg auf Gesetze bezieht, so daß wir davon ausgehen können, daß die zu bereinigenden Verordnungen auch im Verordnungswege zügig bereinigt werden, und wir stellen auch fest, daß dieses Gesetz eine ganze Vielzahl vernünftiger und berechtigter Vorschläge enthält. Die Rechtsbereinigung ist ein sehr mühsames Geschäft. Es ist außerordentlich schwer, Fachressorts von Einzelregelungen loszulösen, es ist sehr schwer, Fachbehörden klarzumachen, wieviel delegiert werden kann, und es ist im übrigen auch sehr schwer, auf den vielen unterschiedlichen Rechts- und Verwaltungsgebieten bis ins letzte Detail zu übersehen, daß eine Regelung, die sich zunächst als Vereinfachung darbietet, nicht in Wirklichkeit eine Erschwerung ist. Insofern möchte ich nicht anstehen, allen zu danken, die sich mit dieser mühsamen und schwierigen Materie beschäftigen, bei der man normalerweise mehr Ärger als Lob erntet. Trotzdem möchte ich eine kritische Bemerkung anschließen. Bei vielen dieser Vorschläge steht ganz offensichtlich die Überlegung der Verwaltungsvereinfachung im Vordergrund. Verwaltungsvereinfachung kann aber bedeuten Vereinfachung für die Verwaltung, ohne daß der nicht in der Verwaltung tätige Bürger davon etwas merkt. Der Ausgangspunkt der Rechtsbereinigung ist aber nicht, nur der Verwaltung das Leben einfach zu machen, sondern wir wollen nach Möglichkeit dem Bürger das Leben einfacher machen, d. h. das Schwergewicht solcher Regelungen sollte nicht nur auf verwaltungsinternen Verbesserungen beruhen, sondern wir sollten dabei das Ziel im Auge behalten, die Verwaltung insgesamt bedienungsfreundlicher zu machen. Der Bürger muß von vielen Einzelregelungen befreit sein. Man macht in der Wirklichkeit 17254* Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1986 immer wieder die Erfahrung, daß eine ganze Reihe von Einzelregelungen überflüssig sind und die Welt nicht zusammenbricht, wenn man auf sie verzichtet. Wir möchten also die Vorlage und die erste Beratung dieses Gesetzes dazu benutzen, die Bundesregierung darin zu ermutigen, nicht nur in dieser Arbeit fortzufahren und die eine oder andere Bestimmung zu verändern, sondern vor allem die Frage zu prüfen, welche Gesetze und Verordnungen eigentlich ersatzlos aufgehoben werden können, um den Freiraum zu vergrößern, den wir in einer immer mehr verwalteten Gesellschaft brauchen und ersehnen. In diesem Sinne hoffen wir, daß auch dieses Gesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden und in Kraft treten kann. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zu Punkt 23 der Tagesordnung (Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der kassenärztlichen Bedarfsplanung) Dr. Becker (Frankfurt) (CDU/CSU): Die Bundesregierung legt heute den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der kassenärztlichen Bedarfsplanung vor. Damit soll ein Instrument geschaffen werden, das hilft, Wirtschaftlichkeit und Qualität der kassenärztlichen Versorgung auch bei steigenden Arztzahlen zu sichern. Im Falle einer Unterversorgung von regionalen Gebieten ist in der Reichsversicherungsordnung bereits eine Regelung getroffen. Jetzt soll eine Regelung im Falle einer Überversorgung eintreten. 1984 gab es 156 000 berufstätige Ärzte, d. h. auf 402 Einwohner kam 1 Arzt: eine Spitzenstellung in der Welt. Die jährlichen hohen Zugangszahlen von ca. 12 000 Medizinstudenten zum Studium ergeben realistische Prognosen mit Arztzahlen für das Jahr 1990 von 177 000 und für das Jahr 2 000 von 216 000 Ärzten in der Bundesrepublik. Eine Stellenausweitung im Krankenhausbereich ist unrealistisch. Somit besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, daß vor allem in den Ballungsgebieten eine Überversorgung an niedergelassenen Ärzten eintritt. Eine Überversorgung birgt jedoch u. a. auch die Gefahr, daß die jetzt schon in manchen Gegenden bei 13 und 14 % liegenden Krankenkassenbeitragssätze weiter ansteigen werden. Denn die üblichen Marktmechanismen und der Wettbewerb bewirken in dem System der gesetzlichen Krankenversicherung keine finanzielle Entlastung der Krankenkassen. Vielmehr ist zu befürchten, daß bei wohl niedrigeren Patienten-Fallzahlen und größerer Konkurrenz die wirtschaftliche Versorgungsweise vernachlässigt wird und die medizinische Notwendigkeit einer Leistung außer acht gelassen wird. So kann es zu großzügigen Ausweitungen in den ärztlichen Leistungen, aber auch bei den veranlaßten Leistungen wie z. B. bei Arzneimitteln, bei Heil- und Hilfsmitteln kommen. Untersuchungen der Ortskrankenkassen und auch Gegenüberstellungen von Ausgaben je Mitglied in jetzt schon überversorgten und normal versorgten Gebieten sprechen dafür. Viele — vor allem mit weniger Durchblick bei der schwierigen Materie — glauben, durch Begrenzung der Honorare oder Einführung von Pauschalen sei dieses Problem leichter zu regeln. Jedoch müssen sie sich entgegenhalten lassen, daß gerade dann die Gefahr des Qualitätsverlustes und vor allem die Gefahr des Überhandnehmens von Überweisungen zu anderen kostenträchtigeren Leistungsbereichen, z. B. in das Krankenhaus, droht. Dem verfassungsrechtlichen Gebot des Schutzes der Berufsfreiheit in Art. 12 des Grundgesetzes kommt der Gesetzentwurf entgegen, da es keine durchgehende Zulassungssperre für neue Ärzte gibt, was z. B. die Krankenkassen bedauern. Die Begrenzung ist vielmehr regional und arztgruppenbezogen und auch zeitlich begrenzt und darf nicht mehr als 50 % des betroffenen Gebietes umfassen. Bei der im Grundgesetz geschützten Berufsfreiheit ist aber auch zu bedenken, daß dieses Grundrecht dann eingeschränkt werden kann, wenn der Schutz wichtiger Gemeinwohlbelange dies gebietet. Die Gefahr der Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung mit ihrem Auftrag einer gleichmäßigen bedarfs- und sachgerechten sowie wirtschaftlichen Versorgung ist ein solcher Gemeinwohlbelang. Daher begrüßt meine Fraktion alle Bemühungen, die Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung zu erhalten und wird bei der Beratung des Gesetzentwurfes zügig mitwirken. Cronenberg (Arnsberg) (FDP): Es kann keinen Zweifel daran geben, daß dieses Gesetz zu den schwierigsten Materien im Gesundheitswesen gehört. Dies zeigt auch die heutige Diskussion. Um so mehr haben wir Anlaß, vordergründiges parteipolitisches Gerangel in den Hintergrund zu stellen. Die Sache verdient besondere Aufmerksamkeit, Fingerspitzengefühl und sorgfältige Prüfung. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will Ihnen nicht verschweigen, daß die Liberalen mit jeder Form der Einschränkung der Berufsfreiheit und Berufstätigkeit große Probleme haben. In der Begründung zum Gesetzentwurf ist deshalb den Voraussetzungen für die geplante Regelung besonders breiter Raum gewidmet. Ich gebe gern zu, daß eine wachsende Zahl von Kassenärzten am ehesten dort praktizieren soll, wo der „medizinische Nutzen" — was immer dies sei — vergleichsweise größer ist als in Regionen, in denen Ärzte auf Grund geringer Patientenzahlen bereits um ihre Existenz kämpfen. Ich verstehe aber die Krankenkassen, die aus Sorge um die Beitragssatzentwicklung den ungehinderten Zustrom junger Mediziner in die kassenärztliche Versorgung äu-Berst kritisch beurteilen. Und in der Tat kann uns Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1986 17255* die Entwicklung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht unberührt lassen. Dennoch werden wir in den kommenden Ausschußberatungen auch noch einmal Alternativen auf Selbstverwaltungsebene diskutieren müssen. Ich denke hierbei z. B. an Regelungen im Honorarverteilungsmaßstab der kassenärztlichen Vereinigungen, die von den kassenärztlichen Vereinigungen selbst beschlossen werden können. Ich denke aber auch daran, ob der jetzige gesetzliche Rahmen der Bedarfsplanung ausreichend ausgeschöpft wird. In diesem verfassungsrechtlich und ordnungspolitisch äußerst sensiblen Bereich dürfen wir nichts unversucht lassen, die Einschränkung der Berufsfreiheit auf das unbedingt erforderliche Minimum zu begrenzen. Eines sehe ich allerdings für die Zukunft ganz deutlich: Wir müssen angesichts steigender Arztzahlen und der zunehmend begrenzten Kapazität der Krankenhäuser und des öffentlichen Gesundheitsdienstes verhindern, daß die Kassenärzte in einen Konkurrenzkampf um den Patienten gedrängt werden, der sich vor allem auf der Ebene der veranlaßten Leistungen — und dies ist ein Vielfaches des ärztlichen Honorars — getrieben werden. Halten wir uns nur einmal den Bereich der Krankschreibungen oder den der Gefälligkeitsrezepte vor Augen. Für die wirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik könnte dies verheerende Folgen haben. Hier ist nicht nur der Gesetzgeber, hier sind auch die Selbstverwaltungen bzw. die Sozialpartner gefordert. Aus diesem Grunde begrüßen wir uneingeschränkt die sogenannte „Vorruhestandsregelung" im vorliegenden Gesetzentwurf. Wir begrüßen darin zweierlei: Erstens, die Selbstverwaltung wird gestärkt. Sie erhält nun im Wege des Satzungsrechts ausdrücklich die Kompetenz, entsprechende Maßnahmen einzuführen. Die positiven Beispiele aus Schleswig-Holstein und Hessen bekommen damit eine gesetzliche Grundlage. Wir erwarten, daß auch die anderen kassenärztlichen Vereinigungen hiervon Gebrauch machen. Zweitens begrüßen wir den Aspekt der Freiwilligkeit für den einzelnen Kassenarzt. Dies entspricht liberalem Gedankengut. Staatlicher Zwang ist auch hier ungeeignet, strukturelle Probleme zu lösen. Hier unterschieden wir uns fundamental von der Haltung der Sozialdemokraten zur Freiberuflichkeit in der ambulanten kassenärztlichen Versorgung. Ich bitte Sie herzlich, meine Damen und Herren von der Opposition, sich den Unterschied zwischen freiberuflicher Struktur im Gesundheitswesen und öffentlichem Dienst klarzumachen. Insgesamt stimmen die Liberalen der Überweisung an die Ausschüsse zu. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Rede zu Punkt 19 a der Tagesordnung (Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts) Mann (GRÜNE): Die heute zu verabschiedende Neuregelung des Internationalen Privatrechts versucht, die seit 1900 geltenden Vorschriften des EGBGB den heutigen Anforderungen anzupassen und u. a. dem Verfassungsgrundsatz der Gleichberechtigung Rechnung zu tragen. Die Fraktion DIE GRÜNEN stimmt diesem Anliegen und deshalb den vorliegenden Gesetzentwürfen zu. Ich bin zuversichtlich, daß die Neuregelung wenigstens einen Teil des gegenwärtig in der Rechtspraxis herrschenden Anknüpfungschaos, z. B. durch die Beseitigung der Bevorzugung des Mannesrechtes, abbaut. Von einem Anknüpfungschaos sprach Murad Ferid in seinen Vorlesungen zum Internationalen Privatrecht vor etwa 20 Jahren an der Universität München, und daran hat sich bis heute leider wenig geändert. Befaßt man sich mit der Vorgeschichte des vorliegenden Entwurfs, so handelt es sich vor allem hinsichtlich der Bestimmungen zum internationalen Familienrecht um eine lange überfällige Reform. Die Vielzahl der seit Anfang der 50er Jahre entwikkelten Reformvorschläge ist nur noch für international-privatrechtliche Experten überschaubar. Wir sind jedoch inzwischen von den Zeiten Savignys weit entfernt. Dennoch sollte das von Savigny formulierte Postulat einer „völkerrechtlichen Gemeinschaft der miteinander verkehrenden Nationen und das Ziel einer internationalen Entscheidungsharmonie" auch heute Ausgangspunkt von Neuregelungen des Internationalen Privatrechts sein. Insofern hat autonomes deutsches Internationales Privatrecht in neuerer Zeit durch die Zunahme völkerrechtlicher Vereinbarungen an Bedeutung verloren. Lassen Sie mich zum Abschluß dieses kurzen Beitrags noch auf einen aus unserer Sicht bedeutsamen Aspekt grundsätzlicher Art hinweisen. Die Kollision von ausländischem und deutschem Privatrecht, welche durch das Internationale Privatrecht geklärt werden soll, hängt auch in Zukunft in vielen Fällen wesentlich von der Staatsangehörigkeit der Beteiligten ab. Die Fraktion DIE GRÜNEN hat in ihrem Entwurf eines Niederlassungsgesetzes (Drucksache 10/1356) für die in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländerinnen und Ausländer versucht, Vorschläge zum Abbau der Diskriminierung dieser Teile unserer Bevölkerung zu entwickeln. Wir Deutsche sollten gerade im Bewußtsein unserer jüngsten Geschichte den unseligen Tendenzen zur Ausländerfeindlichkeit durch ein fortschrittliches und im internationalen Bereich beispielgebendes Niederlassungsrecht entgegenwirken! 17256* Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1986 Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Jahn auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Sperling (SPD) (Drucksache 10/5655 Fragen 4 und 5): Teilt die Bundesregierung die Auffassung von Bundesminister Dr. Schneider, daß Wohnungsleerstände kein allgemeines Problem sind und daß die Nachfrage nach Wohnungen wieder deutlich zunehmen wird (Pressemitteilung 4. Juni 1986)? Teilt die Bundesregierung die Auffassung von Bundeskanzler Kohl, daß uns auf dem Wohnungsmarkt nach Engpässen ein Überangebot erwartet (Bulletin 5. Juni 1986)? Bundesminister Dr. Schneider hat bei einer aktuellen fachpolitischen Themen gewidmeten Podiumsdiskussion erklärt, angesichts der gegenwärtigen Altersstruktur unserer Bevölkerung und der mit dem gegenwärtigen Konjunkturaufschwung verbundenen positiven Einkommenserwartungen sei in den nächsten 10 Jahren eine Zunahme der Haushalte von rund 800 000 zu erwarten: dies sei für die Wohnungsnachfrage in der zweiten Hälfte der 80er Jahre entscheidend. Er hat aber zugleich auf den sich abzeichnenden Bevölkerungsrückgang aufmerksam gemacht. Mit dessen Folgen hat sich der Bundeskanzler in einer längerfristigen Perspektiven gewidmeten Rede vor der Konrad-Adenauer-Stiftung auseinandergesetzt. Er hat an Hand verschiedener Beispiele die ernsten Konsequenzen der Bevölkerungsentwicklung in unserem Lande dargestellt und dabei darauf hingewiesen, daß uns auf dem Wohnungsmarkt nach Engpässen ein Überangebot erwartet. Zwischen beiden Äußerungen besteht, wenn man sie nicht aus dem Zusammenhang reißt, kein Widerspruch. Es ist die Auffassung der Bundesregierung, daß der langfristig zu erwartende Bevölkerungsrückgang in der Bundesrepublik Deutschland auch Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt haben wird, Auswirkungen, auf die sich die Wohnungspolitik rechtzeitig einstellen muß. Anlage 9 Antwort des Staatssekretärs Neusel auf die Frage des Abgeordneten Brück (SPD) (Drucksache 10/5655 Frage 6): Trifft es zu, daß die Bundesregierung durch die zusätzliche Aufstellung von Lesegeräten für die Bearbeitung maschinenlesbarer Personalausweise und Europapässe an den Binnengrenzen der EG-Nachbarstaaten beabsichtigt, die Kontrolle der EG-Grenzen zu intensivieren, und widerspricht dies nicht den Plänen der Bundesregierung, in einem Europa der Bürger innergemeinschaftliche Grenzen allmählich abzubauen? Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, die Personenkontrollen an den Binnengrenzen der Europäischen Gemeinschaft zu verstärken. Sie hat vielmehr Abkommen mit den angrenzenden EG-Staaten geschlossen, die auf die Erleichterung der Grenzkontrollen abzielen. Die Aufstellung von automatischen Lesegeräten steht dieser Zielsetzung nicht entgegen. Durch das maschinelle Lesen wird die Kontrolle des Grenzübertrittspapiers der einzelnen Reisenden beschleunigt. Die Lesezone ist auch angesichts der Erleichterungen bei den Grenzkontrollen im Verkehr mit einigen unserer Nachbarstaaten von Vorteil. Abgesehen davon, daß diese Maßnahmen durch intensivere Kontrollen an den Außengrenzen der EG — dazu gehören auch die Flughäfen und die Seehäfen — ausgeglichen werden müssen, kann auch an den Binnengrenzen aus Gründen der inneren Sicherheit auf Schwerpunktkontrollen aus besonderem Anlaß nicht verzichtet werden. Es hat sich gezeigt, daß die Wartezeiten an den Grenzen bei Schwerpunktfahndungen nach Terroranschlägen mit Hilfe maschinell lesbarer Identitätspapiere zum Vorteil der Bürger erheblich verkürzt werden können. Dies gilt insbesondere für die schon im Interesse der Sicherheit der Fluggäste gebotene lückenlose Personenkontrolle auf den Flugplätzen. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Vogt auf die Frage der Abgeordneten Frau Steinhauer (SPD) (Drucksache 10/5655 Frage 20): Ist der Bundesregierung bekannt, daß die sportmedizinische Forschung neueste Erkenntnisse über die Bedeutung des Sports in der Arbeitswelt hat, und ist die Bundesregierung bereit, Modellversuche zu unterstützen und finanziell zu fördern, um für die konkrete Umsetzung im Arbeitsschutz und in der Arbeitsmedizin entsprechende Erkenntnisse zu erhalten? Der Bundesregierung liegt der Abschlußbericht einer empirischen Studie zum Thema „Sport im Betrieb — ein Beitrag zur Humanisierung des Arbeitslebens" vor. Dieser Bericht enthält auch Aussagen zur gesundheitlichen Bedeutung des Sports in der Arbeitswelt, u. a. Aussagen zur arbeitsphysiologischen Begründung der Bewegungspause und über deren nachgewiesene physiologische Effekte. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die in den Betrieben und Verwaltungen verantwortlichen Stellen die in diesem Gutachten dargestellten Erkenntnisse und Empfehlungen für den Arbeitsschutz nutzen sollten. Nach § 1 Arbeitssicherheitsgesetz sind die Betriebsärzte verpflichtet, die Unternehmer darin zu unterstützen, medizinische Erkenntnisse zur Verbesserung des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung in die betriebliche Praxis umzusetzen. Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1986 17257* Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Vogt auf die Frage des Abgeordneten Immer (Altenkirchen) (SPD) (Drucksache 10/5655 Frage 21): Mit welcher Begründung verweigert die Bundesregierung dem Kurdischen Institut e. V. die Genehmigung von ABM-Stellen? Es trifft nicht zu, daß die Bundesregierung dem Kurdischen Institut die Genehmigung von ABM-Stellen verweigert hat. Die Förderung von Allgemeinen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ist nach dem Arbeitsförderungsgesetz eine Selbstverwaltungsaufgabe der Arbeitsverwaltung. Der Bundesregierung ist bekannt, daß der Verwaltungsausschuß des Arbeitsamtes Köln zu dem dort gestellten ABM-Antrag des Kurdischen Instituts Anfang des Jahres ablehnend votiert und daß das Arbeitsamt den Antrag abgelehnt hat. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat — auf Anfrage der Bundesanstalt für Arbeit — nur zu der Frage Stellung genommen, ob durch eine ABM-Förderung des Kurdischen Instituts übergeordnete Gesichtspunkte berührt werden. Die Auffassung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung dazu wird in einem Schreiben von Bundesminister Dr. Blüm an die Zweite Vorsitzende des Kurdischen Instituts Deutsche Sektion e. V., Frau Bundestagsabgeordnete Ruth Zutt, vom März 1986 wie folgt dargestellt: Die von der Bundesanstalt für Arbeit erbetene Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung hat sich vornehmlich mit der Frage des öffentlichen Interesses gemäß § 91 Abs. 2 AFG befaßt. Hierzu hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung zunächst auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion „Menschenrechte in der Türkei" verwiesen, wonach die Bundesregierung Aktivitäten kurdischer Gruppen nicht mit Bundesmitteln fördert. Dieser Aussage liegt der Gedanke zugrunde, daß die Förderung gesonderter Maßnahmen für Kurden als Parteinahme in innertürkischen Angelegenheiten verstanden werden könnte und das deutsch-türkische Verhältnis belasten würde. Bei dieser Bewertung geht es also nicht um die Rechtsnatur des Trägers bzw. um die Nationalität seiner Mitglieder, sondern um die Inhalte und Auswirkungen der zu fördernden Programme. In diesem Zusammenhang ist auch die Frage bedeutsam, ob eine etwaige ABM-Förderung der Arbeiten des Kurdischen Instituts integrationshemmende Wirkungen hat. Die Stellungnahme hat diese Frage bewußt nicht beantwortet, sondern der Bundesanstalt für Arbeit lediglich als zu prüfenden Gesichtspunkt empfohlen. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Vogt auf die Fragen des Abgeordneten Stiegler (SPD) (Drucksache 10/5655 Fragen 22 und 23): Wie viele Arbeitnehmer über 58 Jahre haben inzwischen von der Möglichkeit, Arbeitslosengeld zu beziehen, ohne sich arbeitssuchend zu melden (§ 105c AFG), Gebrauch gemacht, und in welchen Regionen (Arbeitsamtsbezirke/Landesarbeitsamtsbezirke) beeinflußt diese Regelung die Arbeitslosenquote überdurchschnittlich? Wie viele Frauen (Männer) sind bisher wegen des Bezuges von Erziehungsgeld aus der Arbeitslosenstatistik gestrichen worden, und wie wirkt sich diese Streichung auf die Arbeitsmarktstatistik aus? Nach dem letzten monatlichen Arbeitsmarktbericht der Bundesanstalt für Arbeit hatten im Mai 1986 insgesamt 38 535 Arbeitslose von dem Angebot des § 105c AFG Gebrauch gemacht. Ohne die gesetzliche Möglichkeit des § 105c AFG hätten die Arbeitslosenquoten zwischen 0,1 und 0,2 Prozentpunkten über den ausgewiesenen Quoten gelegen, auf Arbeitsamtsebene zwischen 0 und + 0,8 Prozentpunkten. Im Mai 1986 gab es insgesamt 105 Männer und Frauen, die Arbeitslosenhilfe nach § 2 Abs. 2 Satz 3 Bundeserziehungsgeldgesetz bezogen. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Frau Karwatzki auf die Frage der Abgeordneten Frau Simonis (SPD) (Drucksache 10/5655 Frage 34): Trifft es zu, daß die Informationsbroschüre „Nach Tschernobyl" Antworten auf 21 Fragen, zu mehr als 50 v. H. in Niedersachsen verteilt wurde, und wann ist diese in anderen Bundesländern zur Verteilung ausgeliefert worden? Das Faltblatt „Nach Tschernobyl — Antworten auf 21 Fragen" ist ab 3. Juni 1986 bundesweit gestreut worden, und zwar gleichzeitig an die zuständigen Ministerien in den Ländern, die Landeszentralen für Gesundheitserziehung, Gesundheitsämter, Verbraucherzentralen und Verbraucherberatungsstellen, landwirtschaftliche Beratungsstellen und Ämter für Landwirtschaft sowie Ernährungsberatungsstellen und Lebensmittelüberwachungsämter. Parallel dazu erfolgte der Versand aufgrund der zahlreich eingegangenen Bestellungen. über die regionale Verteilung wurde zwar keine Statistik geführt. Wir schätzen aber insbesondere aufgrund der Angaben des bei der Versendung eingeschalteten Verlages bzw. der Druckerei, daß ca. 20 % der Gesamtauflage nach Niedersachsen gegangen sind.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Inge Segall


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Gestatten Sie mir trotz der relativ kurzen Zeit meiner Tätigkeit als Petitionsausschußmitglied und trotz der Tatsache, daß Kollege Neuhausen und Kollege Professor Rumpf den wesentlichen Teil der hier zur Debatte stehenden Arbeit des Petitionsausschusses mitgestaltet und mitverantwortet haben, einige spezielle Anmerkungen zum vorliegenden Bericht und den Stellungnahmen der Fraktionen.
    Auffallend sind gewisse Besonderheiten des Petitionsausschusses, die ihn ganz erheblich von der Arbeit der anderen Ausschüsse unterscheiden. Das läßt sich gerade auch am Bericht für das Jahr 1985 deutlich machen. Ich denke dabei weniger daran, daß der Ausschuß in der Regel seinen Beratungen zu besonders frühen Zeiten nachzugehen pflegt — eine Tatsache, die immerhin erwähnenswert ist und die Kollege Neuhausen einmal treffend als „trotz aller Mißhelligkeiten pädagogisch und im Interesse einer wachen Aufmerksamkeit durchaus sinnvolle Maßnahme" bezeichnet hat. Hoffentlich hat er recht damit.
    Lassen Sie mich aber zu den ernsthaften Besonderheiten der Arbeit des Petitionsausschusses kommen. Wenn man den Bericht des Ausschusses liest, so hat man den Eindruck, ein Spiegelbild all derjenigen ungelösten politischen und sozialen Probleme vorzufinden, die uns gerade aktuell betreffen, ein Eindruck, der in letzter Zeit durch die weitere Zunahme der politischen Massenpetitionen noch verstärkt wird.

    (Hornung [CDU/CSU]: So ist es!)

    Insoweit bieten der Petitionsausschuß und der vorliegende Bericht einen guten Überblick über die politisch brisanten Fragen und die rechtlichen Probleme, die viele einzelne Bürger auf Grund von Gesetzen, die wir hier verabschieden oder verabschiedet haben, ganz individuell erleben und erleiden.
    Der Jahresbericht gibt aber auch gleichzeitig einen Überblick darüber, was viele Bürger politisch bewegt. Auffallend ist, daß von den im Zuständig-

    Frau Dr. Segall
    keitsbereich des Bundes eingegangenen Petitionen die meisten wie schon in den vergangenen Jahren den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung betreffen, nämlich mit ca. 32 % der Petitionen. Gerade in diesem Bereich zeigt sich, daß Bürger, die sich individuell an den Petitionsausschuß wenden, oft unmittelbar existentiell betroffen sind. Ob es etwa um die Ablehnung beantragter Renten durch die Versicherungsträger oder um die Anrechnung weiterer Versicherungszeiten geht, immer wird deutlich, wie Entscheidungen des Gesetzgebers einschneidend in den individuellen Bereich der Bürger einwirken können.
    Meine Damen und Herren, der Einblick in die unbeabsichtigten, aber auch manchmal beabsichtigten Folgen politischen Handelns, den die Beschäftigung mit diesen Einzelfällen vermittelt, schärft die Erkenntnis über den Zusammenhang zwischen politischer Entscheidung und den unmittelbaren Auswirkungen auf die Bürger und bietet uns Ausschußmitgliedern die ständige Chance, unsere Entscheidung und die unserer Kollegen aus dem Blickwinkel der Rechtsanwendung und der individuellen Wirklichkeit heraus zu überdenken. Die Konfrontation mit dieser individuellen Wirklichkeit kann sich im Hinblick darauf, daß Politiker immer der Gefahr unterliegen, abzuheben und in die Bonner Scheinwelt zu entschweben, nur positiv auswirken.

    (Zustimmung bei den GRÜNEN)

    Wir werden dadurch gezwungen, unsere eigenen Gesetze zu überprüfen.
    So zeigt der Bericht am Beispiel der Frauen, die vor 1921 geboren worden sind und die daher nicht in den Genuß der rentensteigernden Einbeziehung der Kindererziehungszeiten kommen, da ihr Eintritt ins Rentenalter vor dem 1. Januar 1986 lag, wie sich politisch brisante Themen der Bundespolitik in der Arbeit des Petitionsausschusses widerspiegeln. Sehr viele der betroffenen Frauen haben die derzeit gültige Regelung scharf kritisiert. Die vielen Proteste gegen die Nichteinbeziehung der älteren Frauen haben sehr deutlich gemacht, daß man dieser Kritik nicht allein mit finanzpolitischen Erwägungen und Stichtagsargumenten begegnen kann.

    (Sehr wahr! bei der SPD — Zustimmung des Abg. Mann [GRÜNE])

    Sozialpolitische Maßnahmen sollten immer einen besonders hohen Anspruch an sozialer Gerechtigkeit erfüllen.
    Man sollte aber auch bedenken, daß wir mit der Einführung von Kindererziehungszeiten sozialpolitisches Neuland betreten haben und daß daher die administrativen und finanziellen Schwierigkeiten sehr viel größer sind als z. B. bei der Fortschreibung bestehender sozialer Gesetze. Sie wissen, die FDP hat auf ihrem Bundesparteitag beschlossen, hier Abhilfe zu schaffen.
    Ich bewundere allerdings das kurze Gedächtnis der SPD.

    (Dr. Göhner [CDU/CSU]: Das ist wohl wahr!)

    Darum möchte ich der guten Ordnung halber hier nachtragen,

    (Zuruf von der SPD: Ihr habt uns angesteckt!)

    daß auch ihr Gesetzentwurf von 1972 vorsah, daß nur die Frauen, die ab 1. Januar 1973 ins Rentenalter kommen würden, Kindererziehungszeiten angerechnet bekommen sollten. Dies sage ich nur der guten Ordnung halber.

    (Beifall bei der FDP — Kirschner [SPD]: Das war aber schon 13 Jahre zuvor!)

    An dem vorher dargestellten Beispiel läßt sich deutlich ablesen, wie das verstärkte Auftreten bestimmter Petitionen schon frühzeitig ein Indikator für Ungerechtigkeiten oder Fehlentscheidungen sein kann. Wir Ausschußmitglieder haben daher die Möglichkeit, schon früh Fehlentwicklungen zu erkennen und über die Fraktionen oder über andere Ausschüsse entsprechende Initiativen zu ergreifen.
    Meine Damen und Herren, es ist natürlich klar, daß sich Petitionen immer dann häufen, wenn in den Besitzstand bestimmter Gruppen eingegriffen werden muß, sei es, um Mißstände oder Auswüchse zu beseitigen, sei es, weil die finanzpolitische Situation es verlangt. Ich nenne etwa die Erhöhung der Eigenbeteiligung der Rentner an den Aufwendungen für ihre Krankenversicherung, die den öffentlichen Dienst betreffenden Maßnahmen der erweiterten Rentenanrechnung auf Versorgungsbezüge nach dem 2. Haushaltsstrukturgesetz und die im Haushaltsbegleitgesetz 1984 beschlossene Absenkung der Eingangsbesoldung für den gehobenen und den höheren Dienst, allesamt Maßnahmen, die unpopulär waren und relativ große Gruppen unserer Bevölkerung betreffen. Mich persönlich hat es betroffen gemacht, zu sehen, wie sich gerade in den letztgenannten Fällen teilweise eine erschreckende Besitzstandsabsicherungsmentalität etablierter gesellschaftlicher Gruppen offenbart, die wenig Rücksicht darauf nimmt, wie sich das auf andere, z. B. auf diejenigen, die keine Arbeit haben, auswirkt.
    So zeigt die Arbeit des Petitionsausschusses auch, daß viele die Wahrung des eigenen Besitzstandes vor die Solidarität mit denjenigen stellen, die weniger am allgemeinen Wohlstand partizipieren können.

    (Zustimmung bei Abgeordneten der SPD)

    Doch nun zu den in letzter Zeit immer häufiger auftretenden Massenpetitionen. Art. 17 des Grundgesetzes gibt jedermann das Recht, „sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden ... an die Volksvertretung zu wenden". Es ist daher sicher richtig, daß auch der Einsender einer politischen Petition wie derjenige, der ein privates Anliegen vorträgt, einen Anspruch auf „sachliche Prüfung" hat. Das bedeutet jedoch nicht — insoweit zitiere ich den vorliegenden Bericht —, „daß sich der Petitionsausschuß im Rahmen seiner Behandlungskompetenz mit jedem politischen Vorbringen inhaltlich auseinandersetzen müßte". Es ist daher richtig, daß der Petitionsausschuß dann von einer eigenen Entscheidung und Abwägung des Für und Wider einzelner Forderun-



    Frau Dr. Segall
    gen absieht, wenn der Standpunkt des Parlaments bereits durch die öffentliche Diskussion eines Themas in Plenardebatten oder durch Ausschußberatungen bekannt ist.
    Hier stoßen wir an die Grenzen des Selbstverständnisses des Petitionsausschusses; denn der Petitionsausschuß ist kein Überausschuß, der einzelnen Gruppen die Chance zur politischen Profilierung eröffnen soll.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Das Forum für allgemeinpolitische Themen sind die zuständigen Ausschüsse und das Plenum des Bundestages. Die FDP scheut nie die politische Auseinandersetzung, lehnt aber das Petitionsrecht als Möglichkeit der Fortsetzung der politischen Auseinandersetzung mit anderen Mitteln einer Fortsetzung also, die sonst an Mehrheiten gescheitert ist — entschieden ab.
    Sinn des Petitionsausschusses ist es, sich mit solchen Vorgängen zu befassen, bei denen der Bürger persönlich betroffen und der Auffassung ist, falsch oder ungerecht von Behörden oder anderen Institutionen behandelt worden zu sein. Es ist nicht Aufgabe des Petitionsausschusses sich mit Hunderten von gleichlautenden Petitionen zu beschäftigen, die allgemeine politische Themen aufgreifen.

    (Zuruf von der SPD: Warum nicht?)

    Ein klassisches Beispiel hierfür ist die Petition 149. Das Ziel dieser Massenpetition ist eine Änderung des Grundgesetzes. Es soll ein Grundrecht auf gesunde Umwelt verankert werden. Über einen entsprechenden Antrag der GRÜNEN wurde am 16. Januar 1986 hier im Plenum entschieden. Gleichzeitig mit der ausgiebigen Beratung im Plenum und in den Ausschüssen wurde der Petitionsausschuß mit diesen Massenpetitionen überflutet — ein massiver Versuch, die politische Auseinandersetzung, die einer Entscheidung in den dafür vorgesehenen Gremien entgegenreifte, zu beeinflussen und, falls diese Entscheidung nicht nach dem Gusto der Petenten ausfallen sollte, es via Petitionsausschuß erneut zu versuchen.

    (Mann [GRÜNE]: Die Petenten wollen nur FDP-Parteitagsbeschlüsse durchsetzen!)

    Die Entscheidung seinerzeit hier in diesem Haus sah so aus, daß sich CDU/CSU und SPD mit uns einig waren, daß ein solches Grundrecht des einzelnen auf Umweltschutz nicht in Betracht kommt,

    (Mann [GRÜNE]: Da sieht man mal wieder, wer Umweltschutz wirklich will!)

    da die Rechtsfolgen eines derartigen Grundrechts unabsehbar sein und den Gesetzgeber in seiner Entscheidungsfreiheit auf untragbare Weise einschränken würden, wie es sich überhaupt empfiehlt, als subjektive Anspruchsberechtigungen formulierte Individualrechte, insbesondere soziale Grundrechte, nicht in das Grundgesetz aufzunehmen. Das gilt eben auch für andere soziale Grundrechte.
    Nun noch ein weiteres Beispiel für den Versuch, Politik über den Petitionsausschuß zu machen. Bei der Petitionssammelübersicht 145 — Bremer Abrüstungspetition — richtet sich die Kritik der Petenten im wesentlichen auf zwei Bereiche: erstens, daß die Petitionen, die als Hauptforderung bezeichnet wurden, entgegen dem Beschluß des Petitionsausschusses nicht „erledigt" seien, weil — so wörtlich — „Abrüstung ist nicht erledigt"; zweitens, daß Verfahrensfehler des Ausschusses vorliegen, weil die sogenannten Nebenforderungen nicht erledigt, nicht behandelt, ja, nicht einmal zur Kenntnis genommen worden seien.
    In der Sache gipfelt der Vorwurf in der Behauptung, der Bundestag habe — teilweise in Unkenntnis wichtiger Fakten — seine Entscheidung zur Nachrüstung gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung getroffen.

    (Beifall des Abg. Mann [GRÜNE])

    Jetzt lehne aber diese uneinsichtige elitäre Minderheit von Abgeordneten auch noch den Versuch von Bürgern ab, vom Grundrecht der Petition Gebrauch zu machen. Der Wille der Mehrheit wird unterstellt und durch massenhafte Zuschriften und Meinungsumfragen belegt. Ich zweifle auch nicht an der Richtigkeit dieser Unterstellung. Ich zweifle auch nicht daran, daß eine Meinungsumfrage „Sind Sie für oder gegen die Gefahren der Kernenergie?" eine überwältigende Mehrheit dagegen erfassen würde. Ich zweifle nicht daran, daß eine Umfrage „Sind Sie für oder gegen die Gefahren der atomaren Aufrüstung?" ebenfalls mit einem solchen Ergebnis aufwarten könnte. Ich zweifle aber auch nicht daran, daß sich bei Umfragen „Sind Sie für oder gegen den Verlust internationaler Wettbewerbsfähigkeit?", ,,... für oder gegen höhere Strompreise?", ,,.. . für oder gegen Waldsterben durch Kohlekraftwerke?" ebenfalls eine überwältigende Mehrheit für die jeweils letztere Alternative aussprechen würde.

    (Zurufe von den GRÜNEN)

    Es ist die Absicht — eine gute Absicht — des Verfassungsgebers gewesen, Parteien um die Zustimmung für ihre Konzepte und Programme werben zu lassen, und zur Abstimmung in Wahlen zu stellen. Diese Konzepte werden in demokratischen Prozessen aus einzelnen Bereichen zusammengefügt, abgewogen,

    (Mann [GRÜNE]: Ja, mit Fraktionszwang! Das ist ganz demokratisch!)

    aufeinander abgestimmt: auf die postulierte Interessenlage, das Wohl des Ganzen. Dann kommen sie auf den Prüfstand der Öffentlichkeit, der Wähler. Auch der Wähler wird damit gezwungen, Schwerpunkte zu setzen, das Ganze zu sehen, sich zu entscheiden, und die Repräsentanten seiner gewünschten Politik zu wählen.

    (Zurufe von der SPD)

    Genau daran hat der Sprecher der GRÜNEN, Herr Beckmann, in der Nachwahlrunde der Parteivorsitzenden Kritik geübt, indem er das Defizit zwischen Volksmeinung und Wahlentscheidung in Niedersachsen beklagte, daß nämlich 80 % der Bürger gegen Atomenergie seien, dies aber nicht im Wahlverhalten zugunsten der GRÜNEN umsetzten. Das ist genau die Verfassungskritik, die Kritik an der
    17146 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 222. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Juni 1986
    Frau Dr. Segall
    repräsentativen Demokratie, an der auch die Petenten ansetzen.
    In ihrem Schreiben vom 14. Mai 1985 heißt es wörtlich — ich zitiere -:
    Im Idealfall stellt sich Art. 17 als die legitime Demoskopie in der repräsentativen Demokratie dar.

    (Zustimmung des Abg. Mann [GRÜNE])

    Das Fehlen direktdemokratischer Elemente im Grundgesetz kann durch das Petitionsverfahren in gewisser Weise ausgeglichen werden.

    (Dr. Schierholz [GRÜNE]: Schön wär's!) Ein paar Sätze weiter heißt es:

    Unsere Beschwerde über das Verfahren mit der „Bremer Abrüstungspetition" verfolgt erstens das Ziel, die faktisch noch unerledigten Petitionen ernsthaft zu behandeln, zweitens dem Art. 17 als Mittel politischer Teilhabe zwischen den Bundestagswahlen zum ,Durchbruch zu verhelfen.
    Wir sind durchaus der Auffassung, daß der Petitionsrecht als Grundrecht gewahrt bleiben muß, daß ernsthaften Anliegen ernsthaft nachgegangen werden muß.

    (Peter [Kassel] [SPD]: Aber was ernsthaft ist, bestimmt die FDP!)

    Aber keine der ernsthaft vorgebrachten sogenannten Haupt- und Nebenforderungen sind einem Mitglied dieses Hauses unbekannt. Sie sind in der Sitzung vom 18. April 1985 auf Empfehlung des Ausschusses als erledigt beschlossen worden. Natürlich sind sie nicht erledigt im Sinne der Erfüllung des Wunschzettels, aber im Sinne des Petitionsrechts. Das Parlament hat sich in der Vergangenheit in seinem Bemühen um den Frieden immer wieder mit diesen Fragen der Abrüstung und der Rüstungskontrolle befaßt und wird dies auch in Zukunft tun.

    (Mann [GRÜNE]: Und mit welchem Erfolg, Frau Kollegin?)

    — Nicht mit dem Erfolg, den Sie sich versprechen; das ist ja ganz logisch.

    (Peter [Kassel] [SPD]: Aber Sie kannten den Inhalt der Petition doch auch nicht!)

    Das gilt ebenso für die anderen Themenbereiche. Wir sind allerdings nicht der Meinung, daß über den Weg der Massenpetition bestimmten Gruppen die Möglichkeit eröffnet werden darf, ein hochrangiges demokratisches Grundrecht zur technischen Überforderung des Petitionsrechts zu mißbrauchen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Fritsch.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Horst Fritsch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Die heutige Debatte über den Jahresbericht 1985 des Petitionsausschusses ist zuallererst ein Anlaß, den
    Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschußbüros für ihre Arbeit zu danken.

    (Beifall bei der GRÜNEN und der SPD)

    Die sorgfältige Bearbeitung von über 12 000 Eingaben erfordert ein hohes Maß an Sachverstand und Zeit, auch wenn sicherlich manch eine Petition mit einer aus langjähriger Erfahrung resultierenden Routine behandelt werden kann.
    Ich möchte hier, Frau Kollegin Berger, eines in aller Deutlichkeit hinzufügen: Bemühungen um eine Ausweitung des Stellenplans oder um eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen werden stets unsere volle Unterstützung haben.
    Im Petitionsausschuß liegen die Sorgen und die Anregungen der Bürgerinnen und Bürger auf dem Tisch des Hauses, und an diesem Tisch müssen die Arbeitsbedingungen so beschaffen sein, daß Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gern an ihm Platz nehmen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Ich möchte mich in meinem Beitrag auf zwei Punkte konzentrieren: erstens auf die Anzahl der Petitionen im Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung

    (Dr. Schierholz [GRÜNE]: Wo ist er denn?)

    und zweitens auf einige grundsätzliche Bemerkungen zum gegenwärtigen Petitionsrecht und seiner Weiterentwicklung.
    Meine Damen und Herren, wiederum stammt ein Drittel aller Bitten und Beschwerden aus dem Bereich Arbeit und Soziales. Daraus lassen sich mindestens zwei Schlüsse ziehen:
    Erstens. Wir sind in der Bundesrepublik Deutschland von sozialer Gerechtigkeit in einer Weise entfernt, die für den sozialen Rechtsstaat nur sehr schwer erträglich ist.

    (Dr. Göhner [CDU/CSU]: Ei, ei, ei!)

    Da sind nämlich diejenigen, die nach einem arbeits-und entbehrungsreichen Leben, nach den Wechselfällen ihres Lebens und der Geschichte, die sie in der Regel nicht zu verantworten haben, das Sozialamt zum ständigen Begleiter wählen mußten. Da sind noch zu viele, die sich resigniert und mit großer Bitterkeit im Herzen darum sorgen müssen, ob es denn bis zum Monatsende reichen wird.
    Beheben läßt sich dieser Zustand allerdings wohl nur durch die Einführung eines garantierten Grundeinkommens. Ich bin sehr froh, daß dieser Gedanke auch in anderen Parteien in der Bundesrepublik eine gewisse politische Relevanz bekommen hat. Die Einführung eines garantierten Grundeinkommens wäre in diesem Zusammenhang wahrlich ein würdiger Schritt zu mehr sozialer Freiheit.

    (Beifall bei den GRÜNEN Hornung [CDU/CSU]: Für die, die Einkommen wollen, sicherlich bevor sie mit dem Arbeiten angefangen haben! — Gegenruf des Abg. Dr. Schierholz [GRÜNE]: Argumentieren Sie mal, Herr Hornung!)




    Fritsch
    Zweitens. Das System der sozialen Sicherung hat ein Ausmaß von Undurchschaubarkeit erreicht, das für den demokratischen Rechtsstaat nur sehr schwer erträglich ist.

    (Dr. Schierholz [GRÜNE]: Richtig!)

    Das gilt sowohl für das System der sozialen Sicherung in seiner Gesamtheit als auch für die einzelnen Teilsysteme. Die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes sehen sich in einem schier undurchdringlichen Dschungel von Gesetzen, Rechtsverordnungen und Anweisungen, der ihnen vor allem ein Gefühl der Unwissenheit und der Ohnmacht in ihrem Verhältnis zur Sozialbürokratie vermittelt.

    (Hornung [CDU/CSU]: Und Sie wollen noch mehr haben!)

    Beheben läßt sich dieser Zustand allerdings wohl nur in einer großen gemeinsamen Anstrengung aller Sozialpolitikerinnen und Sozialpolitiker. Denn die Zurechtstutzung auch der Macht der Sozialbürokratie auf ein angemessenes MØ wird wohl nur gegen ihren Widerstand möglich sein.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Lassen Sie mich nun zu einigen grundsätzlichen Bemerkungen zum gegenwärtigen Petitionsrecht und den Möglichkeiten seiner Weiterentwicklung kommen.
    Dazu eine Vorbemerkung. Wer über Möglichkeiten der Weiterentwicklung des Petitionsrechts nachdenkt, sollte Art. 20 Abs. 2 des Grundgesetzes:
    Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen ... ausgeübt,
    in seine Überlegungen einbeziehen. Die volle Verwirklichung dieses Verfassungsauftrags steht nämlich noch aus. Das bedeutet am Beispiel der Initiative Bremer Abrüstungspetition, daß dieses Anliegen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht auf dem Weg einer Petition, sondern auf dem einer Abstimmung, also eines Volksbegehrens und Volksentscheids, transportiert worden wäre,

    (Hornung [CDU/CSU]: In Moskau!)

    auf einem Weg also, den wir in der Bundesrepublik Deutschland noch nicht haben. Ich sage deshalb „noch nicht haben", weil das Unbehagen an diesem unerfüllten Verfassungsauftrag wächst und ich die Hoffnung habe, daß sich hier in absehbarer Zeit etwas ändern läßt.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

    Die Zeit ist reif für eine Anreicherung der repräsentativen Demokratie mit plebiszitären Elementen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Allerdings — und das sage ich mit gleicher Deutlichkeit — ist der Petitionsausschuß für uns keine Hintertür, Frau Dr. Segall, für die Einschleusung von Formen direkter Demokratie ins Parlament.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Da gehen wir mit unseren Überlegungen und der Bereitschaft zum Dialog durch das Hauptportal.

    (Mann [GRÜNE]: Sehr gut! — Zuruf des Abg. Dr. Schierholz [GRÜNE])

    Auf der Grundlage dieser Vorbemerkung und der Tatsache, daß der Petitionsausschuß natürlich auch Spiegelbild der Mehrheitsverhältnisse im Parlament ist,

    (Frau Berger [Berlin] [CDU/CSU]: Da lachen sogar Ihre eigenen Leute!)

    das heißt, daß seine Mitglieder auch der Rollenverteilung zwischen Regierungs- und Oppositionsfraktionen erliegen — das macht ja die relativ geringe Zahl der zur Berücksichtigung überwiesenen Petitionen sehr deutlich —,

    (Abg. Mann [GRÜNE]: Sehr wahre scheint mir folgende maßvolle Weiterentwicklung des Petitionsrechts bzw. der Anwendung bereits bestehender Regelungen sinnvoll zu sein: Erstens. Für Petitionen mit einem Anliegen von besonderem öffentlichen Interesse wird von jeder Fraktion, die dies wünscht, ein Berichterstatter oder eine Berichterstatterin benannt. Dabei liegt ein besonderes öffentliches Interesse dann vor, wenn ein Viertel der Mitglieder des Ausschusses dies feststellt. Zweitens. Petenten mit Anliegen von besonderem öffentlichen Interesse sollen angehört werden. Drittens. Zu Petitionen mit einem Anliegen von besonderem öffentlichen Interesse sollen Sachverständige gehört werden. Viertens. Auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder soll der Petitionsausschuß von den Möglichkeiten des Befugnisgesetzes Gebrauch machen. Schließlich fünftens: Die Antwort des Petitionsausschusses soll Minderheitenvoten enthalten, wenn die Minderheit oder Teile von ihr dieses wünschen. Lassen Sie mich noch ein Wort zu einer Forderung sagen, die im Zusammenhang mit der Diskussion über die Behandlung von Bitten und Beschwerden immer einmal wieder erhoben wird: der Einrichtung eines Ombudsmannes oder einer Ombudsfrau. Ich stehe dieser Forderung mit großer Reserve gegenüber; denn ich befürchte, daß eine solche Einrichtung zu einer weiteren Entfremdung zwischen Bürgerinnen und Bürgern und ihren Abgeordneten führen könnte. Begrüßen würde ich jedoch die Berufung eines oder einer Beauftragten für Kinderund Jugendfragen, (Hornung [CDU/CSU]: Um die Jugend vor Sex zu schützen?!)


    (Zuruf des Abg. Dr. Schierholz [GRÜNE])


    (Beifall des Abg. Dr. Schierholz [GRÜNE])


    (Beifall bei den GRÜNEN)

    eine Forderung, die schon seit längerem von in diesem Bereich tätigen Verbänden erhoben wird.



    Fritsch
    Ich darf sagen, daß ich mich für meine Fraktion den Bitten und Beschwerden von Kindern und Jugendlichen in besonderer Weise zuwenden werde.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Ich möchte abschließend für den Rest der Legislaturperiode, der ja unter den besonderen Bedingungen des Wahlkampfes stehen wird, die Hoffnung ausdrücken, daß Petitionen nicht in die parteipolitische Auseinandersetzung geraten.

    (Dr. Göhner [CDU/CSU]: Ja, reißen Sie sich einmal zusammen! — Frau Berger [Berlin] [CDU/CSU]: Das wünsche auch ich mir!)

    Das täte weder dem Arbeitsklima im Ausschuß noch den Petenten gut.

    (Dr. Göhner [CDU/CSU]: Sehr wahr! — Frau Dempwolf [CDU/CSU]: Ab sofort unter Beweis stellen!)

    Aber, Herr Dr. Göhner, die Tatsache, daß wir mehr Petitionen zu bearbeiten haben, die von öffentlichen Interesse sind, zeigt,

    (Schlottmann [CDU/CSU]: Was heißt öffentliches Interesse, Herr Kollege?)

    daß die Bevölkerung politischer geworden ist. Das ist für meine Fraktion ein gutes Zeichen.
    Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)