Rede von
Roland
Kohn
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit einiger Verwunderung ist festzustellen, daß SPD und GRÜNE in den letzten Monaten die Bundespost verstärkt zur Zielscheibe ihrer Kritik gemacht haben.
Dies ist ein ziemlich durchsichtiges Spiel. Sie wollen die Treibjagd gegen den Bundespostminister fortsetzen, und da Ihnen der Stoff für persönliche Angriffe ausgegangen ist, scheuen Sie nun nicht davor zurück, das Dienstleistungsunternehmen Deutsche Bundespost als Vehikel für Ihre Kritik zu mißbrauchen.
Dabei hat die Bundespost in dieser Legislaturperiode so erfolgreich wie seit langem nicht mehr gearbeitet. Erstmals ist es gelungen, in einer gesamten Legislaturperiode Gebührenerhöhungen der Deutschen Bundespost entbehrlich zu machen, und dies trotz eines Milliardenprogramms an Investitionen, das in seiner Anfangsphase natürlich mit erheblichen Anlaufverlusten verbunden ist.
Unter sozialdemokratischen Postministern hat es derartige Investitionen, die Arbeitsplätze schaffen und sichern, nicht gegeben, dafür aber ständige und sehr drastische Gebührenerhöhungen.
Die Post ist auch nicht länger — was sie einmal unter sozialdemokratischen Ministern war — ein ausgesprochener Fortschritts- und Wachstumsbremser. Der Verkabelungsstopp, den die Sozialdemokraten der Post in ihrer Regierungszeit aufgenötigt hatten, schadete nicht nur der Post, sondern behinderte die Weiterentwicklung der deutschen Kommunikations- und Technologieindustrie insgesamt. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit dieses Wirtschaftszweiges, der für jede moderne fortschrittliche Volkswirtschaft immer bedeutsamer wird, ja, ohne den technischer Fortschritt auf Dauer undenkbar ist, war damals nachhaltig gefährdet. Die Post betreibt deshalb heute nicht mehr — wie zu sozialdemokratischen Zeiten — eine Medienblockade, die in klarem Widerspruch zu der grundgesetzlich garantierten Informationsfreiheit der Bürger steht. Erst seitdem die Deutsche Bundespost den Ausbau der modernen Kommunikationstechniken aktiv vorantreibt, kommen immer mehr Bürger in, den Genuß zusätzlicher Informationsangebote. Erst seitdem wird der grundgesetzliche Auftrag, jedem Bürger soviel Information wie möglich zugänglich zu machen, auch von der Deutschen Bundespost erfüllt.
Natürlich, meine Damen und Herren, gibt es von seiten der FDP auch Wünsche an die Bundespost. Wir sehen für die überschaubare Zukunft auf Grund der hervorragenden Gewinnsituation der Bundespost keinen Anlaß für Gebührenerhöhungen. Insbesondere im Fernmeldebereich erwirtschaftet die Bundespost solch hohe Überschüsse, daß nach unserer Auffassung Spielraum für weitere Gebührensenkungen vorhanden ist.
Vor allem wünschen wir uns von der Bundespost mehr und schnellere Privatisierung, einen konsequenteren Verzicht auf staatliche Vorrechte und eine stärkere Öffnung hin zu einem gleichberechtigten Wettbewerb mit privaten Anbietern. Insbesondere im Bereich des Endgerätemarktes muß die Unternehmenspolitik der Bundespost weiter liberalisiert, muß mehr Wettbewerb und mehr Marktwirtschaft geschaffen werden. Der Sachverständigenrat, der sich in seinem letzten Jahresgutachten kritisch mit der Politik der Bundespost auseinandergesetzt hat, hat zu Recht darauf hingewiesen, daß an sich mögliche technische Innovationen durch mangelnde Flexibilität der Deutschen Bundespost behindert oder gar verhindert werden könnten. Dem gilt es zu wehren.
Völlig unverständlich ist es mir aber, daß die Opposition ausgerechnet Kritik an der Entscheidung des Bundespostministers übt, die Unternehmenspolitik durch unabhängige Gutachten überprüfen zu lassen. Die Post tut damit das, was man zu Recht von einem Großunternehmen erwartet, das seine Politik öffentlich rechtfertigen muß. Daß die Post neutrale Gutachter herangezogen hat, beweist, daß sie im Ergebnis nichts zu verbergen hat.
SPD und GRÜNE eifern offensichtlich nur deshalb so vehement gegen dieses Gutachten, weil damit ihrer irrationalen Kritik an der Post der Boden entzogen wird. Die SPD und vor allem der Deutsche Gewerkschaftsbund
sollten sich die Post in diesem Fall zum Vorbild nehmen und die Unternehmenspolitik der Neuen Heimat in gleicher Weise durch neutrale, unabhängige Gutachter überprüfen lassen.
Sie weigern sich gegenüber dieser nur zu berechtigten Forderung offenbar, weil es im Fall der Neuen Heimat, anders als bei der Bundespost, sehr viel zu verbergen gibt.
— Ich weiß, daß Ihnen dies unbequem ist, aber wir werden Ihnen dieses Thema nicht ersparen.
Die FDP-Bundestagsfraktion begrüßt die Einsetzung der hochrangigen Regierungskommission, die Vorschläge für ein modernes Unternehmenskonzept im Fernmeldebereich entwickeln soll. Die Post darf die Weiterentwicklung der modernen Kommunikations- und Informationstechniken nicht nur nicht behindern, sondern muß sie aktiv fördern. Die Post muß deshalb den alten Bürokratenkittel eines staatlichen Hoheitsträgers abstreifen und das mo-
16720 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 216. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 15. Mai 1986
Bundesminister Dr. Schwarz-Schilling
Ihr Ziel — das haben Sie gesagt — ein entsprechendes Tempolimit ist, d. h. eine Benachteiligung der Bundesrepublik bezüglich des technischen Fortschritts auf dem Gebiet der Kommunikation gegenüber der USA, gegenüber Japan, also gegenüber unseren Wettbewerbern, dann frage ich mich: Wo wollen Sie eigentlich noch das Sozialprodukt produzieren, das es Ihnen ermöglicht, auch noch Ihre „Sozialknete" zu bekommen, die Sie auch immer wieder anfordern? Woher soll das eigentlich kommen?
Mir scheint, daß Sie hier eine ganz andere Zielsetzung haben, die letztlich auf die Zerstörung der Industriegesellschaft abzielt; anders kann man es wohl nicht bezeichnen.
Nun, meine Damen und Herren, weiter wurde von Ihnen die Frage gestellt: Wie wird die Kommunikationstechnologie in der Bundesrepublik Deutschland ausgebaut, und welche Wirkungen hat sie? Eine Auswirkung haben wir mit Sicherheit festzustellen, nämlich die, dezentral Entscheidungsmöglichkeiten zu verstärken. Denn Kommunikation, die nicht mehr nur über Zentralen möglich ist — früher hatten wir z. B. große Datenverarbeitungsanlagen —, sondern heute auch mittels Verkabelung für jeden mittleren und kleinen Betrieb die Nutzung ermöglicht, bringt unsere Gesellschaft in die Lage, daß Tausende und Hunderttausende von Bürgern unabhängig von Zentralen Entscheidungen treffen können.
Aus diesem Grunde ist gerade Kommunikation die Voraussetzung für eine demokratische und gesellschaftspolitisch erwünschte Entwicklung.
Meine Damen und Herren, Sie haben natürlich recht: Man kann alles auch mißbräuchlich benutzen.
Aber wir sind ja Gott sei Dank in der Lage, solange wie wir einen Rechtsstaat haben, Mißbräuche zu minimieren, Korrekturen vorzunehmen, wo Mißbräuche entstehen, und nicht das System als solches in Frage stellen zu müssen. Diese Infragestellung müßte man überall dort vornehmen, wo es keinen Rechtsstaat gibt. Da könnten Sie sich entsprechend betätigen.
Keine Frage ist, daß die Verhinderung des technischen Fortschritts in dieser Frage für uns eher größere Risiken bringt, als sie etwa Risiken minimieren würde. Das müssen besonders jene sehen, die sowohl gegen den technischen Fortschritt als auch für den Ausbau des Sozialstaates sind. Unseren Wohlstand erhalten und das soziale Netz finanzieren können wir nur, wenn wir auch technologisch weiterhin an der Spitze bleiben.
Ich glaube, wir stimmen alle überein, daß wir bei der Atomenergie viele Fragen haben, die Sicherheit an die erste Stelle setzen müssen. Nun frage ich Sie:
Wo werden Sie überhaupt noch moderne Technologien einsatzbereit sehen, wenn nicht in einem Bereich, wo Sie praktisch keine Umweltschädigung haben, keine Geräuschkulisse — —
— Menschenschädigungen? — Da würde ich Ihnen erst einmal sagen: Lassen wir doch diejenigen, die Nachfragebedarf nach solchen Diensten haben, selber entscheiden und unter keinen Umständen die autoritative Entscheidungskompetenz gerade Ihrer Fraktion an die Stelle der Entscheidung des Bürgers setzen.
Sie haben ja scheinbar ein völlig anderes Demokratieverständnis, indem Sie nämlich wollen, daß Sie entscheiden, was Millionen von Menschen sehen, an Dienstleistungen ergreifen oder nicht dürfen. Das wollen wir verhindern.
Wenn es überhaupt irgendwo einen Bereich gibt, in dem man von einem qualitativen Wachstum sprechen kann — das war ja der Slogan, den die SPD in den 70er Jahren als den eigentlich entscheidenden angesehen hat —, kann man sich nur vorstellen,
daß es die Kommunikationstechnologie ist, wo es dieses Wachstum gibt, was dezentral sowohl in der Fläche als auch in Ballungsgebieten die Möglichkeiten und Freiräume für den einzelnen Bürger erweitert. Das wäre, wenn man es überhaupt definieren wollte, qualitatives Wachstum.
Sie sagen nun, Herr Paterna, soweit wie die GRÜNEN wollten Sie nicht gehen, daß Sie sagen: Das wollen wir alles abbremsen. Ich glaube, Sie werden sich in fünf bis zehn Jahren auf dem gleichen Dampfer befinden. Das haben wir ja in anderen Bereichen zur Genüge festgestellt.
Deswegen rate ich Ihnen, am Anfang darüber nachzudenken und nicht erst am Ende.