Rede von
Günter
Verheugen
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Problematik der Finanzierung des südafrikanischen Apartheidsystems durch deutsche Kreditinstitute führt in eine Tabuzone. Das hat der Kollege Hornhues gerade wunderbar vorgeführt, weil er zur Thematik nämlich nichts gesagt hat. Darüber wird auch deshalb nicht gern gesprochen, weil man das volle Ausmaß der deutschen Beteiligung an der Deckung des südafrikanischen Finanzbedarfs kennt und deshalb weiß, warum es
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den Betroffenen unangenehm ist, wenn darüber diskutiert wird.
Obwohl die Bundesregierung sich auch bei der Beantwortung dieser Großen Anfrage — wie immer, wenn es um Südafrika geht — um klare Positionen und Bewertungen herumdrückt, lassen die Antworten doch den Schluß zu, daß die Regierung der geistig-moralischen Erneuerung den Kapitalverkehr zwischen der Bundesrepublik und Südafrika für einen völlig normalen Vorgang hält. Sie beweist damit wieder einmal, daß ihr die Sensibilität für die Lage der unterdrückten Bevölkerungsmehrheit in Südafrika fehlt und daß sie vor allen Dingen die Augen fest zudrückt, wenn es um die deutsche Verstrickung in die fortgesetzten, millionenfachen Menschenrechtsverletzungen in Südafrika geht.
Obwohl der Widerstand gegen die Rassendiskriminierung in Südafrika im Lande selbst und in der ganzen Welt lawinenartig gewachsen ist, hat die weiße Minderheitsregierung in Pretoria die Bereitschaft fehlen lassen, einen grundsätzlichen Wandel herbeizuführen und die volle Gleichberechtigung aller Menschen in Südafrika zu schaffen.
Das sage ich nicht vom Hörensagen, das ist das erschütternde Ergebnis des traurigsten Gesprächs, daß ich in meiner ganzen politischen Laufbahn miterlebt habe, nämlich des Gesprächs mit dem südafrikanischen Präsidenten Botha vor wenigen Wochen in Kapstadt. Dieser Mann ist nicht bereit und nicht in der Lage — das ist das Schlimme, was dabei herausgekommen ist —, einen friedlichen Übergang in Südafrika herbeizuführen.
— Das haben wir ihm gesagt. Aber der neigt nicht zum Zuhören, genausowenig wie Sie oft.
Es ist der südafrikanischen Propaganda und den Zensurmaßnahmen der Regierung Botha zwar gelungen, den Eindruck zu vermitteln, das Land befinde sich in einem Reformprozeß und die Lage habe sich beruhigt. Aber die Wirklichkeit ist ganz anders. Die „Reformen" sind kosmetische Korrekturen. Kollege Hornhues, in dem neuen Paß, den die Leute kriegen, wird drinstehen: white, black oder coloured. Können Sie mir sagen, wo da der Fortschritt ist? In Wirklichkeit sieht es so aus, daß die Minderheit die politische Kontrolle über die Mehrheit behalten will. Jede Reformbereitschaft hört auf, wenn die Machtfrage gestellt ist.
Zweitens. Die Minderheit will an der ungerechten Verteilung des Wohlstands und der Lebenschancen in Südafrika festhalten; ihre Reformbereitschaft hört auf, wenn es um ihre wirtschaftlichen Privilegien geht.
Es ist eine Illusion zu glauben, diese Regierung in Pretoria werde den Teufelskreis der Gewalt durchbrechen können. Solange das Apartheid-System besteht, ist Gewalt die tägliche Wirklichkeit, und zwar deshalb, weil dieses System seiner Natur nach gewalttätig ist, und erst seine Abschaffung würde den
Weg zu einem gewaltfreien Wandel in Südafrika eröffnen.
Wenn die Bundesregierung ihre eigenen Worte von der Notwendigkeit des Dialogs, des Wandels und der Gewaltlosigkeit in Südafrika ernst nehmen würde, dann müßte sie alles ihr Mögliche tun, um zur Überwindung der Apartheid beizutragen;
aber sie tut genau das Gegenteil.
In voller Kenntnis der immer dringlicher vorgetragenen Appelle der Befreiungsbewegungen, der Kirchen, der Gewerkschaften, der Bürgerrechtsorganisationen in Südafrika, endlich wirksamen Druck auf Pretoria auszuüben, lehnt die Bundesregierung es ab, das einzig wirksame Instrument zu benutzen, nämlich die Reduzierung der Wirtschaftsbeziehungen.
Kollege Hornhues hat soeben einen neuen Akzent in diese Diskussion gebracht. Früher haben Sie immer gesagt, das sei prinzipiell nicht möglich. Jetzt sagen Sie: Prinzipiell geht es doch, aber im Falle Südafrika geht es nicht. Ich will Ihnen einmal ein interessantes neues Argument zitieren: „Selbst wenn wir die Wirksamkeit von Sanktionen in Zweifel ziehen, gibt es für ihre Verhängung bisweilen eine moralische Begründung. Möchten wir wirklich mit einer anderen Regierung zu tun haben, deren Verhalten wahrhaft verwerflich ist?" Jetzt dürfen Sie raten, wer das gesagt hat. Das hat der amerikanische Botschafter hier in Bonn, Burt, am 25. April dieses Jahres auf einer Veranstaltung in München gesagt. Ich kann Herrn Burt da wirklich nur zustimmen.
Der Widerspruch zwischen Worten und Taten in der Südafrika-Politik der Bundesregierung ist so massiv, daß ein solches Maß an Unredlichkeit schließlich doch auffallen muß. Ich möchte der Bundesregierung eines sehr ernst sagen: Was sie heute in Südafrika tut, wird für die Rolle entscheidend sein, die unser Land in einem befreiten Südafrika einmal spielen wird.
Die Führer der schwarzen Mehrheit sagen es jedem, der es hören will, daß sie sich dermaleinst daran erinnern werden, wer ihnen geholfen hat, frei zu werden, und wer auf der anderen Seite gestanden hat. Wir wollen hier rechtzeitig gewarnt haben.
Der Ruf der Bundesrepublik in der südafrikanischen Bevölkerungsmehrheit ist inzwischen verheerend, und nun gibt die Bundesregierung mit ihrer Antwort auf die Große Anfrage wiederum ein falsches, ein deprimierendes Signal. Die rechtlose Mehrheit in Südafrika und immer mehr Menschen bei uns in den Kirchen, in den Gewerkschaften und anderen Gruppen warten darauf, daß die Bundesregierung endlich einmal sagt, woher der hohe Finanzbedarf Südafrikas stammt, und daß die bereit-
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willige Deckung dieses Bedarfs durch deutsche Banken ökonomisch leichtsinnig, politisch instinktlos und moralisch verwerflich ist.
Die Bundesregierung schweigt sich aus, sie sagt nicht, was sie vom Geschäft mit der Apartheid hält, sie findet kein Wort der Kritik für Kreditinstitute, die mit der Finanzierung des Unterdrückungsapparats in Südafrika Geld verdienen wollen. Südafrika hat nämlich deshalb einen so hohen Finanzbedarf, weil es seinen eigenen Reichtum weitgehend dazu verwenden muß, die immensen Kosten des Apartheidsystems zu bezahlen. Die südafrikanische Regierung baut Polizei und Armee immer weiter aus, ihre staatlichen und halbstaatlichen Konzerne brauchen Geld, weil sie das Land in den strategisch wichtigen Bereichen von Auslandslieferungen unabhängig machen sollen. Unsummen verschlingt schließlich auch das auf der Rassentrennung beruhende hochkomplizierte und uneffektive Regierungs- und Verwaltungssystem.
Man könnte ja zu einem anderen Urteil kommen, wenn Anleihen und Kredite für Südafrika für arbeitsplatzschaffende Investitionen in der Privatwirtschaft hergegeben würden; aber das ist nicht der Fall. Kollegin Eid, die Zahlen sind noch viel schlimmer, als Sie sie hier zitiert haben; denn vom Juni 1982 bis zum April 1985 sind wertmäßig 92,1 aller südafrikanischen Anleihen mit Beteiligung deutscher Kreditinstitute entweder direkt an den südafrikanischen Staat oder von ihm kontrollierte Einrichtungen geflossen.
Die deutschen Banken haben eine zentrale Bedeutung für die Finanzierung des Apartheidsystems. Ich habe selbst im südafrikanischen Fernsehen nach der Verhängung des Ausnahmezustandes im vergangenen Jahr einen triumphierenden südafrikanischen Finanzminister erlebt, der noch auf dem Flughafen, aus Frankfurt zurückkommend, seinen Landsleuten erklärt hat, auf die Hilfe der deutschen Banken könnten sie auch weiterhin fest bauen.
Das Engagement der deutschen Banken in und für Südafrika ist genau in dem Umfang gewachsen, wie die internationale Kritik an Südafrika gewachsen ist. Die deutschen Banken haben den freiwilligen Rückzug zahlreicher amerikanischer Großbanken aus dem Südafrika-Geschäft dazu benutzt, ihr eigenes Geschäftsvolumen auszuweiten. Aber atlantische Solidarität darf man bei Banken wohl nicht erwarten.
Die deutschen Banken sind für Südafrika nicht nur als Kreditgeber bedeutsam. Ihre Hauptrolle besteht darin, die südafrikanischen Anleihen zu managen. Von Juni 1982 bis April 1985 haben deutsche Banken bei 18 Anleihen die Konsortialführung gehabt und damit 82,7 Prozent des Gesamtwerts aller öffentlichen Anleihen Südafrikas gemanagt.
Aber auch nach dem Zeitraum, für den mir verläßliche Unterlagen zur Verfügung stehen, haben deutsche Banken als Konsortialführer für südafrikanische Anleihen gewirkt, z. B. im Juni 1985 150
Millionen DM unter der Führung der Deutschen Bank und der Mitführung der Berliner Handels-und Frankfurter Bank, der Commerzbank, der Dresdner Bank, der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank und der Bayerischen Vereinsbank. Im Juli 1985 — also zum Zeitpunkt der Verhängung des Ausnahmezustands — waren es zwei Anleihen in Höhe von jeweils 100 Millionen DM, wiederum unter der Konsortialführung der Deutschen Bank und der Mitwirkung der Berliner Handels- und Frankfurter Bank, der Bayerischen Vereinsbank, der Commerzbank, der Dresdner Bank, der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank und der Bayerischen Landesbank Girozentrale.
Ich will Sie nicht mit Zahlen und Daten langweilen, aber eines möchte ich Ihnen nicht vorenthalten: Unter den 20 am stärksten an Südafrika-Anleihen beteiligten Banken sind allein sechs deutsche Kreditinstitute: die Bayerische Vereinsbank, die Dresdner Bank, die Berliner Handels- und Frankfurter Bank, die Bayerische Landesbank Girozentrale, die Westdeutsche Landesbank Girozentrale und die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank. Daran fällt zweierlei auf: erstens das starke Engagement in München beheimateter Kreditinstitute, zweitens die Mitwirkung von gleich zwei Landesbanken. Die Bayerische Vereinsbank steht nicht zufällig an erster Stelle der Liste. Der Freistaat Bayern ist nämlich — das ist bezeichnend — Miteigentümer dieser Bank. In ihrem Aufsichtsrat sitzt der bekannte Afrikaspezialist Franz Josef Strauß.
Das alles ist schlimm genug, aber die bis in die jüngste Zeit hinein erfolgte Mitwirkung öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute an der Finanzierung des Apartheid-Systems ist ein Skandal. Wir appellieren an alle deutschen Banken und an die öffentlich-rechtlichen ganz besonders, sich aus dem Südafrika-Geschäft zurückzuziehen und damit dem Beispiel zahlreicher amerikanischer Großbanken zu folgen. An dem Geld, das mit Anleihen und Krediten für Südafrika und mit dem Goldmünzen-Handel verdient wird, klebt Blut. Unsere Banken verdienen ja wahrhaftig nicht schlecht. Der Verzicht auf Gewinne aus den Geschäften mit Südafrika ist ihnen zuzumuten.