Rede von
Herbert
Werner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Auf welche Weise beabsichtigt die Bundesregierung angesichts der hohen Dunkelziffer von 200 000 Abtreibungen und der über die Krankenkassen offen abgerechneten 80 000 Abtreibungen im Jahre 1985, allen Bundesländern gegenüber nachdrücklich darzulegen, daß die Verwirklichung der Forderung des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Februar 1975, Schwangerschaftsberatung sei primär als Beratung zur Fortsetzung der Schwangerschaft durchzuführen, rasch sowohl organisatorische Veränderungen als auch zusätzliche finanzielle Leistungen im Beratungsbereich verlangt?
Bitte schön, Frau Staatssekretärin.
Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Werner, die Bundesregierung hat im Bericht der interministeriellen Arbeitsgruppe zum Programm „Schutz des ungeborenen Lebens", der im Dezember 1983 vorgelegt worden ist, dazu festgestellt:
Zeitpunkt, Inhalt und Form der Beratung sind für den Schutz des ungeborenen Lebens von großer Bedeutung. Dem suchen Beratungsrichtlinien bzw. Beratungsgesetze in unterschiedlicher Weise Rechnung zu tragen.
Als bisher einziges Bundesland sieht Bayern in seinem Schwangerschaftsberatungsgesetz vor, daß die soziale Beratung vor der Feststellung der Notlagenindikation durch den Arzt erfolgen soll. Darüber hinaus wird eine strikte Trennung zwischen Beratung und Indikation, die deshalb nicht in der Beratungsstelle festgestellt werden darf, vorgeschrieben. Die Beratung wird als Aufgabe der Beratungsstellen, die Indikationsfeststellung als Sache der Ärzte angesehen.
Mit dieser Regelung soll erreicht werden, daß die Schwangere in der Beratungsstelle alle Probleme offen ansprechen kann, ohne befürchten zu müssen, daß ihre Aussagen einen Einfluß
auf die Indikationsfeststellung haben. Die Beratungsstelle soll für die Lebenschancen des ungeborenen Kindes eintreten und nicht zugleich die Gründe, die einen Schwangerschaftsabbruch rechtfertigen, überprüfen und festlegen. Der Freiraum, der durch die Trennung zwischen Beratung und Indikationsfeststellung geschaffen wird, ermöglicht eine effektive Beratung.
Unter diesen Gesichtspunkten erscheint es angebracht, daß auch die anderen Bundesländer ähnliche Regelungen wie Bayern in ihren eigenen Beratungsrichtlinien bzw. -gesetzen übernehmen. Im Interesse einer einheitlichen Auslegung und Anwendung des Gesetzes und einer entsprechenden Bewußtseinsbildung in der Bevölkerung ist eine Vereinheitlichung der Ländervorschriften wünschenswert.
Mit Datum vom 9. Dezember 1985 hat zwischenzeitlich auch das Land Baden-Württemberg die für die Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen maßgebenden Anerkennungs- und Förderungsrichtlinien in diesem Sinne geändert.
Mit Schreiben vom 7. Juni 1985 hat der damalige Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit, Dr. Heiner Geißler, ein Schreiben an die zuständigen Ministerien der Länder gerichtet und sie aufgefordert, den im Zusammenhang mit der Errichtung der Bundesstiftung „Mutter und Kind — Schutz des ungeborenen Lebens" deutlich gewordenen Beratungsbedarf zum Anlaß zu nehmen, zu prüfen, ob eine zusätzliche Förderung der Beratungsstellen notwendig sei, und sie gebeten, gegebenenfalls für eine bedarfsgerechte personelle Ausstattung der Beratungsstellen Sorge zu tragen.
Schließlich geht die Bundesregierung davon aus, daß sich die Länder mit der Entschließung des Bundesrates vom 20. Dezember 1985 selbst in die Pflicht genommen haben, die Bemühungen um den Schutz des ungeborenen Lebens im Sinne der dort beschlossenen Vorschläge zu verstärken.