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ID1020101200

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    Plenarprotokoll 10/201 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 201. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 27. Februar 1986 Inhalt: Aktuelle Stunde betr. Verantwortung aller demokratischen Parteien gegenüber Anfängen antisemitischer Tendenzen Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 15413 B Klein (München) CDU/CSU 15414 C Frau Renger SPD 15415 B Gerster (Mainz) CDU/CSU 15416 B Dr. Müller (Bremen) GRÜNE 15417 B Dr. de With SPD 15418A Dr. Kohl, Bundeskanzler 15418 D Weirich CDU/CSU 15419 D Duve SPD 15421 B Lowack CDU/CSU 15422 B Fischer (Bad Hersfeld) GRÜNE 15423 B Waltemathe SPD 15423 D Schäfer (Mainz) FDP 15424 C Reddemann CDU/CSU 15425 B Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten und anderer Gesetze — Drucksache 10/2652 — Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses — Drucksache 10/5083 — Saurin CDU/CSU 15426 B Bachmaier SPD 15427 D Beckmann FDP 15429 C Mann GRÜNE 15430 D Engelhard, Bundesminister BMJ . . . 15432 D Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Schmidt (München), Bachmaier, Dr. Emmerlich, Fischer (Osthofen), Klein (Dieburg), Dr. Kübler, Lambinus, Schröder (Hannover), Stiegler, Dr. de With, Dr. Schwenk (Stade) und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität — Drucksache 10/119 —Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses — Drucksache 10/5058 — in Verbindung mit Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität — Drucksache 10/318 — Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses — Drucksache 10/5058 — Dr. Götz CDU/CSU 15434 B Schmidt (München) SPD 15437 B Kleinert (Hannover) FDP 15440 C Tatge GRÜNE 15442 D Engelhard, Bundesminister BMJ . . . 15443 D II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 201. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Februar 1986 Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz der Kulturpflanzen (Pflanzenschutzgesetz) — Drucksache 10/1262 —Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksache 10/4618 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 10/4718 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN Verbot von Lindan — Maßnahmen gegen den Borkenkäfer — Drucksachen 10/1578 (neu), 10/4472 — Bayha CDU/CSU 15445 C Frau Weyel SPD 15447 B Bredehorn FDP 15448 D Werner (Dierstorf) GRÜNE 15449 D Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär BML 15451A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes — Drucksache 10/5064 — in Verbindung mit Erste Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz) — Drucksache 10/3628 — Dr. von Geldern, Parl. Staatssekretär BML 15453 B Frau Blunck SPD 15455 B Sauter (Epfendorf) CDU/CSU 15457 A Werner (Dierstorf) GRÜNE 15458 D Paintner FDP 15460 D Schulte (Menden) GRÜNE (Erklärung nach § 30 GO) 15462 A Dr. Rumpf FDP (Erklärung nach § 30 GO) 15462 C Beratung des Antrags der Abgeordneten Kastning, Kuhlwein, Bernrath, Frau Odendahl, Peter (Kassel), Weisskirchen (Wiesloch), Vogelsang, Dr. Penner, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD Neue Informations- und Kommunikationstechnologien und Bildung — Drucksache 10/4580 — Kastning SPD 15462 D Schemken CDU/CSU 15464 B Frau Dann GRÜNE 15465 D Dr.-Ing. Laermann FDP 15466 D Pfeifer, Parl. Staatssekretär BMBW . . 15467 D Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Frau Dr. Hickel, Vogt (Kaiserslautern) und der Fraktion DIE GRÜNEN Umweltschutz und Bundeswehr — Drucksachen 10/2090, 10/3529 — in Verbindung mit Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Frau Dr. Hickel, Vogt (Kaiserslautern) und der Fraktion DIE GRÜNEN Naturbeeinträchtigung durch Rüstung und Militär in der Bundesrepublik Deutschland — Drucksachen 10/2221, 10/3530 — Frau Hönes GRÜNE 15469A Dr.-Ing. Oldenstädt CDU/CSU 15471A Dr. Klejdzinski SPD 15472 D Ronneburger FDP 15475 B Kolbow SPD 15477 C Frau Roitzsch (Quickborn) CDU/CSU . 15479 D Würzbach, Parl. Staatssekretär BMVg . 15481 D Beratung der Großen Anfrage des Abgeordneten Fischer (Frankfurt) und der Fraktion DIE GRÜNEN Zentrales Verkehrs-Informations-System (ZEVIS) beim Kraftfahrt-Bundesamt — Drucksachen 10/2226, 10/3761 — Mann GRÜNE 15484 D Broll CDU/CSU 15486 C Wartenberg (Berlin) SPD 15488 C Baum FDP 15490 C Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär BMV . 15492 A Beratung der Ubersicht 13 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht — Drucksache 10/4725 — Mann GRÜNE 15493 D Helmrich CDU/CSU 15494 D Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 201. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Februar 1986 III Dr. de With SPD 15495 D Kleinert (Hannover) FDP 15496 C Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem ... Strafrechtsänderungsgesetz — Strafaussetzung zur Bewährung — Drucksache 10/5061 — 15497 A Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Ersten Rechtsbereinigungsgesetz — Drucksache 10/5062 — 15497 B Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) zu dem Gesetz zur Änderung des Fleischbeschaugesetzes — Drucksache 10/5063 — 15497 B Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung der Bundesärzteordnung — Drucksache 10/3559 —Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit — Drucksache 10/4748 — Frau Augustin CDU/CSU 15497 D Delorme SPD 15498 D Eimer (Fürth) FDP 15500A Frau Wagner GRÜNE 15501A Frau Karwatzki, Parl. Staatssekretär BMJFG 15502 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes über den rechtlichen Status der Main- Donau-Wasserstraße — Drucksache 10/4632 — 15502 C Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministers für Wirtschaft Rechnungslegung über das Sondervermögen des Bundes „Ausgleichsfonds zur Sicherung des Steinkohleneinsatzes" —Wirtschaftsjahr 1983 — Drucksachen 10/2666, 10/3511 — . . . 15502 D Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen Veräußerung der ca. 26,6 ha großen bundeseigenen Liegenschaft in RheinstettenForchheim, Kutschenweg 10, an das Land Baden-Württemberg — Drucksache 10/4947 — 15502 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu dem von der Fraktion der SPD eingebrachten Entschließungsantrag zur dritten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 1986 hier: Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — Drucksache 10/4363, 10/4724 — . . . . 15503A Beratung der Sammelübersicht 136 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 10/5056 — 15503 C Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN Großversuch Tempo 100 — Drucksache 10/5050 (neu) — 15503 C Nächste Sitzung 15503 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 15505* A Anlage 2 Privatisierung des Reinigungsdienstes und der Kfz-Werkstätten der Bundespost; Kostenersparnis MdlAnfr 1 21.02.86 Drs 10/5081 Müller (Wesseling) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Rawe BMP . . . . 15505* B Anlage 3 Anteil von Firmengründungen an den Konkursen 1984 und 1985 MdlAnfr 83 21.02.86 Drs 10/5081 Austermann CDU/CSU SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . 15506*A Anlage 4 Vereinbarkeit der allgemeinen Auftragsbestimmungen für Messebeteiligungen des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit den Bestimmungen des AGB-Gesetzes MdlAnfr 88 21.02.86 Drs 10/5081 Stiegler SPD SchrAntw PStSekr Dr. von Geldern BML 15506* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 201. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Februar 1986 15413 201. Sitzung Bonn, den 27. Februar 1986 Beginn: 8.00 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 28. 2. Böhm (Melsungen) ** 28. 2. Clemens 28. 2. Dr. Corterier 28. 2. Ertl 27. 2. Gansel 28. 2. Gallus 27. 2. Gattermann 27. 2. Genscher 28. 2. Hauck 27. 2. Graf Huyn 28. 2. Dr. Jahn (Münster) 27. 2. Kohn 28. 2. Dr. Kreile 27. 2. Dr. Langner 28. 2. Lenzer ** 28. 2. Marschewski 28. 2. Dr. Meyer zu Bentrup 27. 2. Dr. Penner 28. 2. Poß 27. 2. Schlaga 28. 2. Dr. Schmidt (Gellersen) 28. 2. Schmidt (Hamburg) 28. 2. Schmidt (Hamburg-Neustadt) 28. 2. Schmidt (München) ** 28. 2. Schröder (Hannover) 28. 2. Schröer (Mülheim) 27. 2. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim ** 28. 2. Spilker 28. 2. Stockleben 28. 2. Dr. Stoltenberg 28. 2. Weisskirchen (Wiesloch) 27. 2. Dr. Wieczorek 28. 2. Wimmer (Neuss) 28. 2. Frau Zeitler 28. 2. Frau Zutt 28. 2. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Rawe auf die Frage des Abgeordneten Müller (Wesseling) (CDU/CSU) (Drucksache 10/5081 Frage 1): Trifft es zu, daß die Deutsche Bundespost den Reinigungsdienst und die Kraftfahrzeugwerkstätten privatisiert, und wenn ja, welche Kostenersparnis wird hierdurch erzielt? Im Bereich der Deutschen Bundespost werden viele Dienstgebäude schon seit Jahren durch Unternehmen gereinigt. Der Anteil der Fremdreinigung betrug am 1. Januar 1986 fast die Hälfte, nämlich 47 v. H. der Gesamtreinigungsfläche von rund 17 Millionen m2 in den Postobjekten. Die Deutsche Bundespost gibt jährlich mehr als eine halbe Milliarde DM für die Reinigung ihrer Gebäude aus. Der Grundsatz einer wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung zwingt zu Überlegungen, wie diese Dienstleistung für die Deutsche Bundespost am wirtschaftlichsten erbracht werden kann. In den letzten Jahren haben Landesrechnungshöfe und der Bundesrechnungshof übereinstimmend die Unwirtschaftlichkeit der Eigenreinigung festgestellt. Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen im Bereich der Deutschen Bundespost in zahlreichen Objekten unterschiedlicher Größe und Nutzung haben ergeben, daß die Eigenreinigung mehr als doppelt so teuer ist wie die Fremdreinigung. Die Postdienststellen sind daher mit Verfügung vom 28. Dezember 1984 angehalten worden, die Fremdreinigung in den Nichtsicherheitsbereichen im Rahmen des Möglichen auszuweiten. Die Sicherheitsbereiche - etwa 25 v. H. der Gesamtfläche - bleiben in Eigenreinigung. Aus Anlaß der im letzten Jahr begonnenen Umstellung wird keine Post-Reinigungskraft entlassen; auch die Wochenarbeitszeit wird nicht gekürzt. Deshalb können keine sozialen Härten aufkommen. Durch diese Maßnahme in der Gebäudereinigung wird die Deutsche Bundespost in dem vorgesehenen Umstellungszeitraum von 10 Jahren etwa 500 Millionen DM und in den Folgejahren nach Abschluß der Umstellung jährlich etwa 200 Millionen DM einsparen können. Anfang 1984 hat der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen die Unternehmensberatung Knight Wendling AG (KW) beauftragt, ein Strategisches Konzept für das Postwesen zu erstellen. Ein Teilbereich davon ist das Betriebskonzept Logistik und Werkstätten, in welchem unter anderem die Instandhaltung der Kfz und Anhängerfahrzeuge der Deutschen Bundespost begutachtet worden ist. Dieses Gutachten der Unternehmensberatung ist intern von einer Projektgruppe Werkstättendienst geprüft worden. In der Beurteilung des Gutachtens wird zusammenfassend festgestellt, daß die im Gutachten ausgewiesenen Rationalisierungspotentiale zwar nicht schlüssig nachvollziehbar sind, daß das Gutachten jedoch eine Reihe von Hinweisen und Anregungen enthält, die es wert sind, auch im Detail untersucht zu werden. Diese Prüfungen haben noch nicht stattgefunden. Weiterhin hat die Unternehmensberatung festgestellt, daß in den vergangenen Jahren schon eine beachtliche Steigerung der Produktivität erreicht werden konnte und dieser Anpassungsprozeß noch nicht abgeschlossen ist. Ausgehend vom Ist-Zustand und auf Grundlage des Gutachtens KW, sowie ergänzt durch gezielte Untersuchungen, wird das langfristige Konzept für die Fahrzeug-Instandhaltung fortentwickelt. Ungeachtet dessen ist in geeigneten Fällen eine Steigerung des vergabefähigen Anteils der Kfz-In- 15506* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 201. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Februar 1986 standhaltung an Privatwerkstätten künftig vorgesehen. Wesentlich dabei ist, daß außer dem selbstverständlich zu fordernden Gebot der Wirtschaftlichkeit und betrieblichen Zweckmäßigkeit auch Gesichtspunkte der Ordnungspolitik, des Arbeitsmarktes und der Sozialverträglichkeit angemessen zu berücksichtigen sind. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Frage des Abgeordneten Austermann (CDU/CSU) (Drucksache 10/5081 Frage 83): Können von der Bundesregierung Auskünfte darüber gegeben werden, wie hoch der Anteil von neuen Firmengründungen an den Firmenpleiten der Jahre 1984 und 1985 gewesen ist? Die amtliche Statistik unterscheidet bei den Insolvenzen nur zwischen Unternehmen, die jünger bzw. die älter als 8 Jahre sind; neugegründete Unternehmen werden nicht gesondert erhoben. Der Anteil von Unternehmen, die jünger als 8 Jahre waren, an den Insolvenzen lag 1980 mit 81,1 % am höchsten und ist seitdem kontinuierlich gesunken; 1984 betrug der Anteil junger Unternehmen an den Insolvenzen 75,4 %, 1985 lag er bei 74,8 %. Hier sollte aber beachtet werden, daß zwar 1985 rd. 10 200 junge Unternehmen durch Insolvenz aus dem Markt ausgeschieden sind, dies aber bezogen auf die Zahl der gleichzeitig neu gegründeten Unternehmen, nämlich 318 000 in 1985, nur rd. 3% ausmacht. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. von Geldern auf die Frage des Abgeordneten Stiegler (SPD) (Drucksache 10/5081 Frage 88): Sind die allgemeinen Auftragsbestimmungen für Messebeteiligungen des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AAB-BML) mit dem Bundesminister der Justiz im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit den Bestimmungen des AGB-Gesetzes abgestimmt worden, und hält es die Bundesregierung z. B. mit dem AGB-Gesetz vereinbar, in allgemeinen Auftragsbestimmungen Vertragsstrafenversprechen abzufordern (vgl. AAB-BML XIII Nr. 4)? Die „Allgemeinen Auftragsbestimmungen für Messebeteiligungen des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AABBML)" sind vom BML im Rahmen seiner eigenen Ressortkompetenz getroffen worden (Art. 65 Satz 2 GG). Der Bundesminister der Justiz wurde nicht eingeschaltet, weil eine rechtsförmliche Prüfung nicht in Betracht kam (§§ 38 und 67 Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien, Besonderer Teil — GGO II). Das Bundesjustizministerium hat dieses Vorgehen als richtig bestätigt. II. Die AAB-BML sind rechtlich nicht zu beanstanden. Sie sind insbesondere auch mit dem „Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz)" vereinbar. Die AAB dienen der zielgerechten, effizienten Durchführung einer staatlichen Aufgabe, die im Haushalt des BML wie folgt festgelegt ist: „Im Interesse der deutschen Land-, Ernährungs- und Forstwirtschaft (Agrarwirtschaft) beteiligt sich der Bund an Messen, Ausstellungen und Lehrschauen dieser Wirtschaftszweige mit eigenen Beiträgen." Seine eigene Verpflichtung, die öffentlichen Mittel zum größtmöglichen Nutzen der Agrarwirtschaft einzusetzen, hat der Bund in jedem Falle sicherzustellen, auch soweit er sich zur Durchführung seiner Messebeteiligungen privater Messegesellschaften bedient. Allein die Tatsache, daß das BML zur Einschaltung von Messegesellschaften das zivilrechtliche Institut eines Geschäftsbesorgungsvertrags (kurz Auftrag genannt) anwendet, führt nicht dazu, daß die AAB-BML an den Maßstäben privatrechtlicher Geschäftsbedingungen von Unternehmen zu messen seien. Selbst für diesen Fall enthalten die AABBML jedoch nichts, was dem AGB-Gesetz zuwiderlaufen könnte. Eine zutreffende Würdigung aller Bestimmungen der AAB-BML läßt deutlich erkennen, daß den Auftragnehmern Vorgehensregeln gegeben werden, — die dem ziel- und zweckgerechten sowie effizienten Einsatz der öffentlichen Mittel (Nutzen der Agrarwirtschaft) dienen — und die dem verantwortlichen BML die notwendige Mitwirkung bei den Vorbereitungen und der Durchführung der Messebeteiligungen ermöglichen. Auch Bestimmungen und Hinweise über Folgen nicht gehöriger Wahrnehmung der übernommenen Aufgaben gehören zum Wesen einer sachgerechten Verwendung der öffentlichen Mittel. Dies gilt auch für die in Ziffer XIII. Nr. 4 vorgesehene Vertragsstrafe. Hier handelt es sich um folgendes: Ein wesentliches Element der Messebeteiligungen des Bundes ist das gemeinsame Auftreten des Bundes mit „seiner Wirtschaft". Damit wird gegenüber dem Ausland die gemeinsame Verantwortung von Staat und Wirtschaft — das Einstehen des Staates für die Leistungsfähigkeit der Unternehmen — bewußt herausgestellt. Dies gilt insbesondere für Länder mit staatlich orientierter Wirtschaft, die im Staat ihren „richtigen Partner" sehen. Im Sinne der Zweckbestimmung der Messebeteiligung (Bund beteiligt sich im Interesse der Agrarwirtschaft) ist es deshalb geboten, daß der Bund als Träger der Ausstellung auftritt (entsprechende Be- Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 201. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Februar 1986 15507* schriftung des Messestandes und in Informationsschriften). Es gab Fälle, in denen Auftragnehmer sich trotz wiederholter Abmahnungen als Träger der Ausstellung deklarierten (vgl. Seite 11 oben AAB-BML). Um solchen Vorfällen nicht durch Ausschluß des betreffenden Auftragnehmers begegnen zu müssen, wurde das weniger einschneidende Mittel der Androhung einer Vertragsstrafe vorgesehen. Dieser Ausnahmefall kann korrekt handelnde Auftragnehmer nicht stören. Die gewählte Art der Sicherung der öffentlich-rechtlichen Ziele der staatlichen Messebeteiligungen ist keineswegs vergleichbar mit einer gemäß § 11 Nr. 6 AGB-Gesetz unzulässigen Vertragsstrafe. Dort sind völlig andere Fälle betroffen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans de With


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Fritz Bauer, der spätere Generalstaatsanwalt in den Aufbaujahren in Frankfurt sich als ABC-Schütze in einer Prügelei seiner Haut wehren mußte, wurde ihm verächtlich zugerufen:
    Du und deine Eltern, ihr habt Christus umgebracht!
    Das war vor dem Ersten Weltkrieg. Es hat zeitlebens tief in ihm gesessen und hat mit dazu beigetragen, daß er sich der Justiz zuwandte. Er, der Getroffene, wollte für mehr Gerechtigkeit sorgen. Er, der stets Unbequeme, ist, wie wir wissen, nur mit viel Glück Hitler, dem KZ, und damit dem Tod entronnen.
    Karl Jaspers hat im Wintersemester 1945/46 den Versuch unternommen, in eine Diskussion über die geistige Situation dieser Zeit zu kommen. Daraus ist das bekannte Bändchen „Die Schuldfrage" geworden. Dort findet sich der simple Satz:
    All die Jahre haben wir das Verächtlichmachen anderer Menschen mit angehört. Das wollen wir nicht fortsetzen.
    Das Verächtlichmachen haben wir — wir müssen es bekennen — nicht ausrotten können. Wir im Deutschen Bundestag haben erst jüngst mit der Gesetzesnovelle zur Auschwitz-Lüge — wenn auch in kontroverser Abstimmung, so doch einig in der Sache — versucht, juristisch die letzten Gesetzeslöcher zu stopfen. Wir haben dazu alles in allem immerhin von 1979, von Hans-Jochen Vogels erster diesbezüglicher Rede in Berlin bis 1985 benötigt; bis zur Verabschiedung in zweiter und dritter Lesung hier im Bundestag vor kaum einem Jahr.
    Heute stehen wir im Grunde wieder vor demselben Thema, wenn auch erstmals ohne Gesetzesantrag. Aus berechtigter Sorge. Ich sehe Sinn in dieser Veranstaltung;

    (Frau Dr. Hamm-Brücher [FDP]: Ich auch!)

    denn seit den Beratungen zur Auschwitz-Lüge ist einiges vorgefallen. Jeder weiß es.
    Verächtlichmachen heißt, dem anderen die Achtung, seine Würde nehmen. Jeder weiß auch, daß den Juden erst die Würde und dann das Leben genommen wurde.
    Insbesondere wir deutschen Politiker — es sollte unser Beruf sein — sind verpflichtet, immer und immer wieder schonungslos auf unsere Geschichte zu verweisen, um uns die Zukunft bewahren zu helfen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Sehr gut! — Beifall bei der SPD)

    Persönliche Schuld ist zu ahnden. Über kollektive Schuld, Schuld für alle und jeden, ist nicht mehr zu rechten. Scham jedoch müssen wir als Gesamtheit empfinden. Das Kainsmal des Holocausts lastet auf unserer Geschichte. Wir sollten unsere Verantwortung daraus begreifen, wann immer jeder von uns
    geboren ist und in welcher Stellung er sich befindet.
    Mit dem Wort begann es:
    „Knallt ab den Walther Rathenau ..."
    Ich möchte die zweite Strophe dieser tödlichen Verächtlichmachung nicht auch noch zitieren müssen. Wenig später lag dieser Außenminister der ersten Republik ermordet in seinem Blut.
    Denen, die Unbedachtes leicht auf die Schulter nehmen; die rüffeln, das sei doch alles nicht so schlimm, rufe ich zu:
    Nichts ist gleichgültig. Nichts geht verloren, alles, was wir tun oder nicht tun, kann unendliche Perspektiven haben. Keine Flucht kann auf die Dauer gelingen. Es kommt alles noch einmal zur Sprache.
    So Gustav Heinemann; und er mußte es wissen. Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Ich erteile das Wort dem Herrn Bundeskanzler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
    Die Verbrechen der Hitler-Barbarei, die Verhöhnung, j a die Zerstörung aller sittlichen Normen, die systematische Unmenschlichkeit der NS-Diktatur, wir dürfen und wir wollen sie niemals vergessen.
    Und:
    Es gehört zu den vordringlichen Aufgaben unseres Landes, Wissen darüber zu vermitteln und das Bewußtsein für das ganze Ausmaß, für die Dimension dieser geschichtlichen Erfahrung und Last wachzuhalten.
    Diese Sätze habe ich im April des vergangenen Jahres als Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland in einer Gedenkstunde des Zentralrats der Juden in Bergen-Belsen in Gegenwart von Überlebenden aus den Konzentrationslagern des Dritten Reichs an alle unsere Mitbürger und auch an die aus dem Ausland, die auf uns blickten, gerichtet.
    Ich erinnere gerade in dieser Stunde ganz bewußt daran, weil in dieser Herausforderung deutscher Geschichte alle Demokraten sich einig waren: seit Konrad Adenauer, Kurt Schumacher und Theodor Heuss. Wir treten entschieden all jenen entgegen, die die Lehre aus der Geschichte nicht ziehen wollen oder noch nicht begriffen haben: Den Ewiggestrigen — so es sie noch gibt —: Wir alle und vor allem die staatlichen Organe unserer Republik werden sie nicht aus den Augen lassen. Den Gedankenlosen: Sie müssen ihr Bewußtsein immer wieder schärfen gegenüber den unermeßlichen Leiden der Juden. Wir müssen, das ist wahr, unsere Taten, unser Denken und unsere Worte daran messen.



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Vor einigen Monaten habe ich in Berlin auf der Internationalen Historischen Konferenz zum Thema „Juden im nationalsozialistischen Deutschland" gesprochen. Ich habe aus gutem Grund in Gegenwart von vielen emigrierten jüdischen Mitbürgern, die aus der ganzen Welt nach Berlin gekommen waren, gesagt:
    Es muß uns darum gehen, daß wir gegenüber gefährlichen Strömungen unserer Zeit und auch unseren eigenen Anfälligkeiten gegenüber noch wachsamer werden.
    Daß es immer wieder Menschen gibt, die oberflächlich oder geschichtslos oder beides und manchmal auch unbelehrbar sind — das wollen wir nicht verharmlosen.
    Aber zur Wachsamkeit gehört auch der Blick für das Wesentliche, der Sinn für die Proportionen.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU)

    Da meine ich — und das sage ich mit vollem Bedacht —: Es geht entschieden zu weit, heute, wie es geschieht, ganz pauschal von wieder aufkeimenden antisemitischen Tendenzen in der Bundesrepublik Deutschland zu sprechen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es sind soeben in diesem Zusammenhang Zahlen vorgetragen worden, die ich schlicht als absurd bezeichnen möchte.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es ist wahr, es gab — ich sage bewußt: es gab — in den über 30 Jahren der Geschichte unserer Bundesrepublik und es gibt immer wieder unverantwortliche Äußerungen, die wir auch als solche deutlich ansprechen müssen. Aber es ist auch wahr, daß die riesige Mehrheit unserer Mitbürger in der Bundesrepublik Deutschland und insbesondere in der jungen Generation immun ist gegen Antisemitismus.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das hat viele Gründe. Das hat Gründe, die daraus zu begreifen sind, daß wir gemeinsam, vor allem die Gründergeneration unserer Republik, versucht haben, aus der Geschichte zu lernen, und daß diese Generation ihre eigene geschichtliche Erfahrung an uns und die nachfolgende Generation weitergegeben hat. Auch haben wir erfahren, daß es möglich ist, trotz Holocaust und all dem Entsetzlichen, was in deutschem Namen geschehen ist, mit unseren jüdischen Mitbürgern in Deutschland und mit dem Volk und dem Staate Israel nicht nur Beziehungen aufzunehmen, sondern Versöhnung, soweit dies in irdischem Maßstab möglich ist, zu finden.
    Ich will ausdrücklich in diesem Zusammenhang voller Dankbarkeit die Tätigkeit des Zentralrats der Juden in Deutschland, seines Vorsitzenden Werner Nachmann und der vielen, die daran mitgearbeitet haben, hervorheben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Versöhnung mit den Juden, Solidarität mit unseren jüdischen Mitbürgern, Verbundenheit mit dem Staat Israel, das liegt allen Demokraten am Herzen, und das wird auch weiterhin die Politik der Bundesrepublik Deutschland bestimmen. Niemand anders als der israelische Ministerpräsident Shimon Peres hat es in vielfältiger Weise in den allerletzten Wochen deutlich gemacht.
    Erlauben Sie mir — ganz gewiß nicht zur Verteidigung — noch ein kurzes Wort als Vorsitzender der CDU Deutschlands. Die Christlich Demokratische Union ist aus den großen Traditionsströmen und der geschichtlichen Erfahrung dieses Jahrhunderts, nicht zuletzt der Heimsuchung des Dritten Reichs, als eine neue politische Gruppierung entstanden. Die Männer und Frauen, die diese Union gründeten, kamen aus der Erfahrung des kaiserlichen Deutschlands, aus den Erfahrungen der Weimarer Republik, aus der inneren und äußeren Emigration, aus dem Widerstand, den Zuchthäusern und Konzentrationslagern Hitlers, von den Schlachtfeldern des Zweiten Weltkrieges. Sie haben versucht, und wir, die wir die Staffel weitertragen, werden das gleiche tun, in allen unseren Taten, in all unserem Denken aus Geschichte zu lernen.

    (Tatge [GRÜNE]: Herr Filbinger zum Beispiel! — Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Sie sind ein echter Historiker! — Dr. Waigl [CDU/CSU]: Mehr Widerstand als Sie hat er schon geleistet! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN und von der CDU/CSU)

    — Wir haben es als Christliche Demokraten und Christlich-Soziale ganz gewiß nicht nötig, uns in diesem Hause danach fragen zu lassen, wie wir es mit der Geschichte halten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Geschichtslosigkeit gehört weder zur Ideologie noch zur Philosophie meiner politischen Freunde und auch nicht zu der meinen.
    Nun noch eine Wort zum Schluß zu diesem Zitat: Es gehört zu den vielen Verfälschungen, die man in bestimmten Ämtern ertragen muß, aber wer diese Rede aus Israel korrekt zitieren will, muß sie zunächst einmal gelesen haben.

    (Dr. Müller [Bremen] [GRÜNE]: Das haben wir getan!)

    Dann wird er feststellen, daß dieses Zitat von der „Gnade der späten Geburt" etwas damit zu tun hat — und zu dieser Meinung bekenne ich mich auch zu dieser Stunde vor dem Hohen Haus —, daß wir nicht mit Selbstgerechtigkeit sagen, wir waren damals zu jung, sondern daß wir aus der Tatsache, daß wir zu jung waren, um selbst in eigene Schuld zu geraten, aber immerhin alt genug, um Schuld anderer zu beobachten, zu erfahren und begreifen zu können, eigene Erfahrungen an die nächste Generation weiterzugeben haben. Das verstehe ich unter dem Wort: aus der Geschichte lernen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)