Rede von
Dr.
Liesel
Hartenstein
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Schwarze-Peter-Spiel hilft in dieser Angelegenheit mit Sicherheit nicht weiter, und zwar weder in Richtung DDR noch in Richtung einzelner Bundesländer, wie Sie es versucht haben, Herr Olderog und Herr Weirich. Wenn Sie von Hamburg und Hessen sprechen, müssen Sie wahrheitsgemäß auch sagen, daß beispielsweise auch baden-württembergischer Giftmüll nach Schönberg gebracht wird.
Wer so verfährt wie Sie, lenkt nur vom eigentlichen Problem ab. Ich meine, das Problem liegt darin, daß, wie Herr Spranger es nennt, ein „Fehlbestand" vorhanden ist oder, anders gesagt, daß ein großes Vollzugsdefizit herrscht, was die schadlose Beseitigung von Giftmüll angeht. Hessen hat übrigens wenigstens Sondermüllverbrennungsanlagen gebaut. In Süddeutschland gibt es bis jetzt keine einzige. Ich stimme Ihnen zu, Herr Staatssekretär Spranger, daß die Vereinbarung der fünf süddeutschen Länder, zu denen übrigens auch Hessen und das Saarland gehören, eine gute Sache ist. Sie zeigt, daß das Problem erkannt ist. Damit ist das Problem aber nicht gelöst. Im übrigen muß man darauf hinweisen, daß diese Vereinbarung vom 8. November 1985 stammt, also erst einige Monate alt ist.
Es sind nun endlich bundesweite Anstrengungen nötig, um den Sonderabfall dort zu beseitigen, wo er erzeugt wird. So will es das Gesetz nämlich.
Meine Damen und Herren, aber selbst teure Verbrennungsanlagen können im Grunde nicht der Weisheit letzter Schluß sein. Noch besser wäre es, dafür Sorge zu tragen, daß der giftige Abfall überhaupt nicht entsteht.
Und wenn er entsteht, muß er durch Verwertung so weit wie möglich reduziert werden.
Wir fordern deshalb bei der Novellierung des Abfallbeseitigungsgesetzes dreierlei: Erstens ein Wiederverwertungsgebot, gerade auch für Sonderabfälle. Wir fordern zweitens die Einführung einer Schadstoffabgabe für Produkte, die besonders toxische Stoffe enthalten oder bei deren Beseitigung besonders toxische Stoffe entstehen. Wir fordern drittens ein Verbot derjenigen schädlichen Stoffe, für die heute bereits Ersatzstoffe vorhanden sind. Meine Damen und Herren, die Verwendung von Gift muß teuer werden. Es kann doch nicht weiterhin angehen, daß der Hersteller von Produkten den Gewinn einstreicht und die Entsorgung von Abfällen zum Nulltarif erfolgt und auf Kosten der Allgemeinheit geht. Das ist kein Dauerzustand.
— Doch, so ist es. Herstellung vermarktungsfähiger Produkte und Entsorgung müssen künftig eine Einheit bilden. Das heißt, daß die Entsorgungskosten im Produkt enthalten sein müssen.
Jeder Normalbürger mit gesundem Menschenverstand findet das übrigens in Ordnung. Redet man aber mit Ihnen darüber, dann saust sofort das Fallbeil mit der Aufschrift „Dirigismus" herunter, und es wird der schlimme Vorwurf „Bürokratie" hinterhergeschleudert. Meine Damen und Herren, Bürokratie kann man auch mit „Wahrnehmung staatlicher Verantwortung" übersetzen.
Sie ist nicht nur duldbar, sondern sie ist notwendig, wenn es um den Schutz der Gesundheit und der Umwelt geht.
Bei der Abfallbeseitigungsnovelle erleben wir übrigens ein seltsames Spektakel, sozusagen ein Spiel mit vertauschten Rollen. Der Bundesinnenminister hat im Innenausschuß eine Konzeption für eine TA Abfall vorgelegt, die das Gebot der Abfallvermeidung und Abfallverwertung ernst nimmt. Gut so! Aber nun gibt es Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen, in denen z. B. steht: „Die vorgesehene TA Abfall darf nicht über den gesetzlichen Rahmen hinausgehen. Das heißt, sie darf insbesondere weder ein Abfallvermeidungsgebot noch Produktions- oder Produktvorschriften enthalten."
— Aus dem Wirtschaftsausschuß. Man darf wohl gespannt sein, wer nun bei Ihnen letztlich Recht behält, ob sich im Regierungslager diejenigen durchsetzen, die einen Blick in die Zukunft werfen
— ich hoffe das auch, Herr Kollege Schmidbauer —, die an Rohstoffsparen und Umweltschonung denken, oder ob diejenigen Recht behalten, die nur die heilige Ideologie hochhalten, die Wirtschaft werde schon von selber alles richten.
Ein vernünftiges Abfallwirtschaftskonzept muß die schleichende Vergiftung unserer Umwelt stoppen, es muß der Rohstoffverschwendung Einhalt gebieten, und es muß auch dem Giftmülltourismus nach Schönberg baldmöglichst ein Ende setzen. Sonst taugt es nämlich nichts.
Noch haben Sie die Wahl, meine Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen, ob Sie vorwärts oder rückwärts gehen wollen. Für uns ist die Marschrichtung klar.
Danke schön.