Rede von
Dr.
Rolf
Olderog
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Jansen, diese Rede hätten Sie in Hamburg oder in Wiesbaden halten sollen, nicht aber im Deutschen Bundestag, denn dorthin gehört Ihre Kritik nicht.
— Ich bitte, etwas Rücksicht auf meine Stimme zu nehmen.
Um es ganz klar zu sagen: Es gibt niemanden in Schleswig-Holstein, der auch nur das geringste Interesse daran hätte, daß neben einer der schönsten deutschen Städte — das ist Lübeck — eines der häßlichsten „Bauwerke" unserer Zeit, nämlich ein Berg aus Müll und Dreck, entsteht. Wie konnte es geschehen,
daß dort binnen weniger Jahre die größte Müllkippe Europas entsteht? Die DDR kalkuliert nüchtern. Sie schlägt Profit aus der Unfähigkeit der Kapitalisten, wie sie uns verächtlich nennt, ihre Probleme zu lösen. Bei uns will niemand den Müll haben.
Ihre Vorstellungen, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, man solle den Müll gar nicht erst entstehen lassen, ist weitgehend Utopie und gefährlich, wenn damit die Möglichkeit der Abfallbeseitigung im eigenen Land verhindert wird. Auf Ihren Parteitagen halten Sie schöne Reden — das ist die Theorie —, und Ihr Kollege Joschka Fischer kippt seinen Dreck den Lübeckern vor die Füße: Das ist die Praxis, meine Damen und Herren.
Schleswig-Holstein hat sich seit Jahr und Tag bemüht, diesem Mülltourismus entgegenzuwirken,
aber es gibt kein rechtliches Instrumentarium; vielmehr entscheidet z. B. Wiesbaden oder Hamburg, ob diese Genehmigungen erteilt werden.
Wir begrüßen es deshalb ausdrücklich — auch wenn der schleswig-holsteinische Wahlkampf der Anlaß dafür ist —, daß hier einmal über dieses Problem Schleswig-Holsteins geredet wird. Das Land hat sich manchmal allein gefühlt, es hat sich auch ein bißchen von Bonn alleingelassen gefühlt.
Aber, verehrter Herr Jansen, was haben Sie von der SPD, die Sie sich neuerdings so sehr über Schönberg erregen, getan? Was haben Sie getan, um mitzuhelfen, das Problem zu lösen? Sie reden mit der DDR über alles mögliche, vorzugsweise über Weltpolitik. Mit Herrn Axen reden Sie über eine chemie- und atomwaffenfreie Zone entlang der Grenze.
Warum haben Sie nicht einmal eine müllfreie Zone bei Lübeck und anderswo gefordert? Das wäre vielleicht vernünftiger und konkreter gewesen!
Und was ist mit dem Kollegen Jansen, der eben geredet hat? Der hätte sich doch schon längst einmal um die Wakenitz kümmern können, jenes hübsche Flüßchen zwischen Lübeck und Schönberg. Bei allen Ihren beflissenen Kontakten mit der DDR haben Sie
statt dessen über die Gebietsabtretung auf der Elbe geredet, über nichts anderes.
Meine Damen und Herren, wie künstlich wirkt doch die ganze Aufregung,
die jetzt im Wahlkampf veranstaltet wird, gegenüber all dem demonstrativen Desinteresse, das Sie jahrelang gegenüber diesen Problemen gezeigt haben.