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ID1019601200

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    Plenarprotokoll 10/196 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 196. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 5. Februar 1986 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Vogel 15137A Erweiterung der Tagesordnung 15137 B Zur Geschäftsordnung Seiters CDU/CSU 15137 B Porzner SPD 15138 C Wolfgramm (Göttingen) FDP 15139A Bueb GRÜNE 15139 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung der Neutralität der Bundesanstalt für Arbeit bei Arbeitskämpfen — Drucksache 10/4989 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Sicherung der Tarifautonomie und Wahrung der Neutralität der Bundesanstalt für Arbeit in Arbeitskämpfen — Drucksache 10/4995 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN Erhaltung der Streikfähigkeit der Gewerkschaften — Drucksache 10/5004 — Dr. Blüm, Bundesminister BMA 15140D, 15175 D Dr. Vogel SPD 15146A Scharrenbroich CDU/CSU 15150 B Schmidt (Hamburg-Neustadt) GRÜNE 15152C Cronenberg (Arnsberg) FDP 15154 B Glombig SPD 15156 C Hauser (Krefeld) CDU/CSU 15159C Tischer GRÜNE 15161 B Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 15163A Dreßler SPD 15166 C Seehofer CDU/CSU 15169 B Kolb CDU/CSU 15171 D Brandt SPD 15173 B Frau Fuchs (Köln) SPD 15177 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und der Geldleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung im Jahre 1986 — Drucksache 10/4990 — Günther CDU/CSU 15179A Heyenn SPD 15180 D Frau Dr. Adam-Schwaetzer FDP . . . 15182 B Dr. Müller (Bremen) GRÜNE 15184C Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 15185 D Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung wirtschafts- und verbraucherrechtlicher Vorschriften — Drucksache 10/4741 — II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Februar 1986 in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Roth, Rapp (Göppingen), Ranker, Oostergetelo, Stiegler, Dr. Schwenk (Stade), Bachmaier, Curdt, Fischer (Homburg), Huonker, Meininghaus, Müller (Schweinfurt), Pfuhl, Reschke, Stahl (Kempen), Vosen, Frau Weyel, Wolfram (Recklinghausen), Dr. Vogel und der Fraktion der SPD Wettbewerb und Verbraucherschutz im Einzelhandel — Drucksache 10/5002 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Ladenschluß im Einzelhandel — Drucksache 10/5003 — Sauter (Ichenhausen) CDU/CSU . . . . 15188 B Dr. Schwenk (Stade) SPD 15189 D Dr. Graf Lambsdorff FDP 15191 C Auhagen GRÜNE 15193 C Erhard, Parl. Staatssekretär BMJ . . . 15195 C Senfft GRÜNE (Erklärung nach § 32 GO) 15196 A Nächste Sitzung 15196 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 15196 C Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 196. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 5. Februar 1986 15137 196. Sitzung Bonn, den 5. Februar 1986 Beginn: 11.00 Uhr
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    Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Dr. Martiny-Glotz 5. 2. Müller (Schweinfurt) 5. 2. Frau Pack * 5. 2. Pauli 5. 2. Rappe (Hildesheim) 5. 2. Reimann 5. 2. Roth (Gießen) 5. 2. Schäfer (Mainz) 5. 2. Schmidt (Hamburg) 5. 2. Schreiner 5. 2. Schröder (Hannover) 5. 2. Sielaff 5. 2. Stobbe 5. 2. Stücklen 5. 2. Frau Dr. Timm 5. 2. Verheugen 5. 2. Voigt (Frankfurt) 5. 2. Voigt (Sonthofen) 5. 2. Dr. Warnke 5. 2. Frau Dr. Wilms 5. 2. Wischnewski 5. 2. Frau Dr. Wisniewski 5. 2. Dr. de With 5. 2. * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
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    Rede von Dr. Hans-Jochen Vogel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Regierungserklärung, die wir soeben gehört haben, war wortreich und polemisch.

    (Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/CSU — Dr. Dregger [CDU/CSU]: Sie war sachlich! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Das stand im Konzept!)

    Die Regierungserklärung hat den schweren Sozialkonflikt, den diese Bundesregierung grundlos vom Zaun gebrochen hat, nicht gemildert; sie hat diesen Sozialkonflikt weiter verschärft.

    (Beifall bei der SPD)

    Es ist aber auch deutlich geworden: Was die Koalition, was die Bundesregierung für einen politischen Spaziergang hielt, ist zum politischen Spießrutenlaufen geworden — vor allem für Sie, Herr Kollege Blüm.

    (Beifall bei der SPD)

    Zum Spießrutenlaufen für den Gewerkschafter Blüm, den viele Arbeitnehmer einmal für ihren Sachwalter gehalten haben, für den Kollegen Blüm, dem sie vertrauten. Dieses Vertrauen, Herr Kollege Blüm, haben Sie in diesen Tagen und Wochen endgültig verloren.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Aus Vertrauen und Respekt sind bittere Enttäuschung und offene Ablehnung geworden, und zwar bis in Ihre eigenen Sozialausschüsse hinein.
    Worum geht es heute? Es geht nicht um die Rechtslage vor 1969; es geht nicht um die Vergangenheit; es geht um die Gegenwart. Es geht darum, wie sich Streik und Aussperrung, wie sich Arbeitskämpfe auf die Ansprüche auswirken, die Millionen von Arbeitnehmern durch ihre Beitragszahlungen gegen die Arbeitslosenversicherung erworben haben.
    Sie sagen, diese Frage sei offen; Sie sagen, diese Frage müsse geregelt werden; Sie sagen, es bestehe Handlungsbedarf. Das ist nicht nur abwegig, es ist falsch. In Wahrheit ist diese Frage durch das geltende Recht und die Neutralitätsanordnung klipp und klar geregelt.

    (Beifall bei der SPD)

    Diese Regelung, die seit Jahr und Tag gilt, besagt: Erstens. Wer streikt oder ausgesperrt worden ist, verliert seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Zweitens. Wer infolge eines Arbeitskampfes arbeitslos wird, ohne daß er selbst am Arbeitskampf beteiligt ist, verliert seinen Anspruch nur, wenn die Gewerkschaften für seinen Tarifbereich nach Art und Umfang gleiche Forderungen erhoben haben wie für die am Arbeitskampf Beteiligten.
    Diese Regelung hat sich bewährt. Sie ist bei allen bisherigen Arbeitskämpfen angewendet worden, auch bei dem großen Arbeitskampf in der Metallindustrie im Jahre 1978. Diese Regelung wollen Sie ändern. Sie wollen sie ändern zu Lasten der Arbeitnehmer — nicht zu Lasten einiger Funktionäre, sondern zu Lasten aller Arbeitnehmer;

    (Beifall bei der SPD)

    und nicht nur zu Lasten der Gewerkschaftsmitglieder, sondern auch und vor allem zu Lasten der nichtorganisierten Arbeitnehmer.

    (Beifall bei der SPD)

    Ihr Entwurf sagt: Arbeitnehmer, die selbst nicht streiken, die aber arbeitslos werden, weil ihre Unternehmensleitung den Betrieb im Zusammenhang mit einem Arbeitskampf stillegt, sollen ihre Ansprüche schon dann verlieren, wenn für sie eine Forderung erhoben worden ist, die einer Hauptforderung nach Art und Umfang annähernd gleich ist.
    Sie wollen damit die Zahl der Fälle, in denen versicherte Arbeitnehmer keine Leistungen erhalten, zehntausend-, ja hunderttausendfach vermehren.

    (Beifall bei der SPD)

    Zehntausende, ja, in großen Arbeitskämpfen Hunderttausende von Männern und Frauen, die nach der geltenden Regelung Arbeitslosengeld erhalten würden, sollen in Zukunft kein Arbeitslosengeld mehr bekommen; sie sollen schlechterstehen als bisher. Sie sollen — und dies ist ein Punkt, auf den man die Aufmerksamkeit der Arbeitnehmer mit besonderem Nachdruck lenken muß — nach Ablauf einer Karenzfrist auch den Krankenkassenschutz verlieren oder sich in einer Zeit, in der sie weder Lohn noch Leistungen erhalten, auf eigene Kosten bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse weiterversichern.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Dummes Zeug!)




    Dr. Vogel
    Die Arbeitnehmer sollen auf ihre Ersparnisse und — wenn diese aufgezehrt sind — auf das Sozialamt angewiesen sein. Das ist die Realität!

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Zuruf von der SPD: Unerhört!)

    Sie können sagen, was Sie wollen, Herr Kollege Blüm: Das, was ich soeben beschrieben habe, ist der Zweck der Übung. Denn es gibt doch zwangsläufig viel mehr Fälle, in denen eine Hauptforderung annähernd gleich ist, als Fälle, in denen die, also alle Forderungen nach Art und Umfang gleich sind.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Richtig!)

    Die Beunruhigung unter den Arbeitnehmern kommt nicht von irgendwelchen Flugblättern, sondern sie kommt daher, daß die Arbeitnehmer diese Wahrheit inzwischen begriffen haben.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Ihre Änderung bedeutet aber nicht nur eine massive Verschlechterung für den einzelnen Arbeitnehmer; sie bedeutet auch, daß viele Arbeitnehmer, die künftig den Verlust ihrer Ansprüche befürchten müssen, die Gewerkschaften bedrängen werden, für ihren Bereich keine Forderungen zu erheben oder es jedenfalls nicht zum Streik kommen zu lassen.
    Herr Kollege Blüm, wissen Sie übrigens noch, was Sie selbst dazu im Jahre 1979 in Ihrem Buch „Gewerkschaften zwischen Allmacht und Ohnmacht" geschrieben haben?

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Es lohnt sich, das heute zu lesen!)

    Dort heißt es z. B. auf Seite 105 wörtlich — nun Originalton Blüm —:

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Damals!)

    Unbeteiligte Arbeitnehmer dürfen nicht zum Mittel degradiert werden, den Streikwillen zu brechen.

    (Beifall bei der SPD — Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Gerade das, Kollege Blüm, tun Sie mit Ihrem Entwurf.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das hat er immer noch nicht kapiert! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Zwischen dem Blüm von 1979 und dem Blüm von heute liegen Welten. Der Blüm von heute degradiert, nein, der enteignet die Nichtorganisierten genauso wie die Gewerkschaftsmitglieder.

    (Beifall bei der SPD)

    Denn, Herr Kollege Blüm, mit Ihrem Entwurf nehmen Sie den Arbeitnehmern ihre durch eigene Beiträge wohlerworbenen Rechte, obwohl die Arbeitnehmer weder auf die Stillegung ihres Betriebes — die Unternehmensleitungen fragen die Arbeitnehmer nicht — noch auf die Forderungen der Gewerkschaften einen rechtlich relevanten Einfluß haben.

    (Bühler [Bruchsal] [CDU/CSU]: Er will es nicht verstehen! Sie kapieren das nicht!)

    Außerdem werden betroffene Gewerkschaftsmitglieder von ihrer Gewerkschaft auch materielle Unterstützung fordern. Das alles bedeutet natürlich eine Schwächung der Gewerkschaften. Es bedeutet eine Verschiebung der Gewichte, eine Verschiebung der Kräfteverhältnisse zuungunsten der Arbeitnehmer. Das ist das Motiv!

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Auch diese Folgen, Herr Kollege Blüm, sind gewollt und beabsichtigt. Sie versuchen, das wortreich zu vernebeln. Sie sagen — Sie haben es heute wieder getan —, dem einzelnen werde nichts genommen. Aber warum warnt dann der Deutsche Städtetag vor den zusätzlichen hohen Sozialhilfelasten, die er durch Ihren Entwurf auf die Städte zukommen sieht, und zwar mit den Stimmen der Unionsangehörigen im Deutschen Städtetag und seinem Präsidium?

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Sie sagen — Sie sagten es heute wieder —, es bestehe Rechtsunklarheit, die Sie beheben wollten. Wie eigentlich? Herr Kollege Blüm, ist „annähernd gleich" klarer als „nach Art und Umfang gleich"? Ist eine „Hauptforderung" klarer als „die Forderungen"? Wenn in einem Bezirk 4 % mehr Lohn verlangt werden und in einem anderen Bezirk 5 %, ist das dann „annähernd gleich"? Wo ist da die Rechtsklarheit? Herr Kollege Blüm, daß Sie sagen — das Schreiben selbst die konservativen Blätter —, Ihre Fassung erhöhe die Rechtssicherheit, ist ein Hohn; das paßt eher in eine Büttenrede als in einen Gesetzentwurf.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Zurufe von der CDU/CSU)

    Außerdem: Wenn etwas unklar ist, Herr Kollege Blüm, wenn wirklich etwas unklar wäre, warum lassen Sie dann eigentlich nicht die Gerichte entscheiden, warum setzen Sie sich an die Stelle der Gerichte? Ihre Behauptung, die Sie hier gerade vorgetragen haben, wir hätten 1973 das gleiche getan, ist falsch. Wir haben damals das Gesetz gerade nicht geändert, und Sie wollen das Gesetz ändern. Sie wissen doch, daß Ihre Darstellung falsch ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Außerdem hat das Bundesverfassungsgericht 1978 eine Verfassungsbeschwerde der Arbeitgeber als unzulässig zurückgewiesen. 1984 hingegen haben die Gerichte die Beschwerden der Gewerkschaft für begründet erklärt. Warum erläutern Sie diesen Unterschied nicht, wenn Sie von Rechtsklarheit sprechen?

    (Beifall bei der SPD)

    Sie sagen, es sei eine stärkere Verflechtung der Wirtschaft eingetreten, und die Gewerkschaften hätten eine neue Taktik. Herr Kollege Blüm — nun spreche ich den Metaller Blüm an —, was hat sich eigentlich gegenüber 1978 geändert? In Ihrem wirklich lesenswerten Buch, dem ich gerade jetzt eine besonders weite Verbreitung wünsche,

    (Immer [Altenkirchen] [SPD]: Sehr gut!)




    Dr. Vogel
    setzen Sie — Blüm — noch 1979 das Wort Schwerpunktstreik in Anführungszeichen und schreiben dann weiter, Schwerpunktstreik sei ein Begriff der Arbeitgeber, den Sie sich nicht zu eigen machen wollten. Herr Blüm, das war 1979.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Nein, lieber Kollege Blüm, nicht die Verhältnisse haben sich geändert, Sie, Herr Blüm, haben sich geändert.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD — Zustimmung des Abg. Schily [GRÜNE])

    Herr Kollege Blüm — ich sage das mit Bedauern —, Sie haben seit 1979 die Seite gewechselt. Sie machen sich jetzt nicht nur die Begriffe, sondern auch die Interessen der Arbeitgeberverbände zu eigen.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Sie reden immerzu davon, daß Sie die Neutralität wiederherstellen müssen, und sagen, die Arbeitgeber seien durch die gegenwärtige Rechtslage im Nachteil, die Gewerkschaften seien begünstigt. Das war doch der Kern Ihrer Aussage. Das hat der alte Blüm von 1979 auch anders gesehen. In diesem Buch, für das ich hier noch einmal ausdrücklich werbe, schrieben Sie — wieder wörtlich Blüm —:
    Die Finanzkraft der Gewerkschaften ist nicht so übermäßig groß, wie ihr unterstellt wird. Vom wirtschaftlichen Gewicht ihrer Tarifpartner jedenfalls wird sie übertroffen.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Na nu!) Dann wird er sehr konkret:

    Anhaltspunkt für diese Vermutung ist, daß der Jahresumsatz der Volkswagenwerke AG 28mal so groß ist, der der Daimler-Benz AG 18mal so groß wie der Jahresumsatz der IG Metall ist.

    (Kolb [CDU/CSU]: Umsatz ist kein Gewinn!)

    So sah der Herr Kollege Blüm die Kräfteverhältnisse damals.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Kollege Blüm, warum ist das denn heute nicht mehr richtig? Weil Sie Minister in einer konservativen Regierung sind und Herrn Bangemann gefällig sein müssen oder warum? Damals wußten Sie sogar noch Zahlen, Kollege Blüm. „Der Jahresbeitragsüberschuß der IG Metall" — das sagte der Metaller Blüm damals — „beträgt rund 40 Millionen DM." Dann fuhren Sie fort: „Zusammen mit Unterstützungsleistungen für Aussperrung zahlte die IG Metall 1978 130 Millionen DM." — Sie wissen, daß die Zahlen für 1984 nicht anders waren. Und da haben Sie den Mut, von einer Überlegenheit der Gewerkschaften gegenüber den Arbeitgeberverbänden zu reden!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD sowie Beifall bei den GRÜNEN)

    Hat denn der Gewerkschaftskollege Blüm eigentlich nicht präsent, daß 1984 50 000 Streikende fast
    180 000 im Arbeitskampf Ausgesperrte gegenüberstanden, daß also zwischen drei und vier Ausgesperrte auf einen Streikenden kamen? Ist dies die Untermauerung Ihrer Behauptung, die Gewerkschaften seien überlegen und im Angriff?
    Übrigens tritt doch der Verlust der Ansprüche gegen die Arbeitslosenversicherung — warum sagen Sie das nicht? — nicht nur dann ein, wenn ein Werk wegen Streiks stillgelegt wird; er tritt doch ebenso dann ein, wenn die Stillegung auf Aussperrungen im umkämpften Bezirk zurückzuführen ist.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Angesichts der eben von mir genannten Zahlen — ein Verhältnis von 3 oder 4 zu 1 — ist im Verlaufe des Arbeitskampfes die Stillegung infolge Aussperrung viel häufiger als die Stillegung infolge Streiks.
    Nein, das alles sind Ausflüchte und Vernebelungsversuche. Irreführend ist auch das Gerede, es handele sich bei den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit um Leistungen einer öffentlichen Kasse oder gar um Steuergelder. Herr Kollege Blüm, das ist Unfug! Es handelt sich nicht um öffentliche Gelder, es handelt sich nicht um Gnadengaben oder Almosen; es handelt sich um Versicherungsleistungen, für die die Arbeitnehmer jahre- und jahrzehntelang ihre Beiträge gezahlt haben.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD sowie Beifall bei den GRÜNEN)

    Sie greifen in das eigene Geld der Arbeitnehmer ein, und Sie wissen, daß die Steuerzuschüsse an die Bundesanstalt, die übrigens nahe bei Null veranschlagt sind, für versicherungsfremde Leistungen aufgebracht werden, nicht für Arbeitslosengeld.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Es handelt sich um das eigene Geld der Arbeitnehmer. Das sehen übrigens auch die Arbeitgeber so, die ihre Beiträge nicht ohne Grund bei jeder Gelegenheit als Lohnnebenkosten, also als Bestandteil des Lohns, deklarieren.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Das alles ist schlimm genug. Noch schlimmer aber ist, daß Sie den Sozialkonflikt, in den Sie unser Volk ohne Not gestürzt haben, immer noch weiter anheizen. Jetzt polemisieren Sie gegen die Gewerkschaften und werfen ihnen Lüge und Hetze vor. Das heißt doch die Dinge auf den Kopf stellen! Haben denn die Gewerkschaften verlangt, daß das Recht zu ihren Gunsten verändert wird, oder sind Sie angetreten, um das Recht zuungunsten der Arbeitnehmer und der Gewerkschaften zu verändern?

    (Lebhafter Beifall bei der SPD sowie Beifall bei den GRÜNEN — Zuruf von der CDU/CSU: Ein Schmieren-Komödiant! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Nicht die Gewerkschaften stören den sozialen Frieden; sie verteidigen sich doch nur. Wenn von Friedensstörung die Rede ist, muß ich sagen: Friedens-



    Dr. Vogel
    störer sind die, die diesen Konflikt grundlos und sinnlos Vom Zaun gebrochen haben.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN — Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren von dieser Koalition und von der Bundesregierung, Sie haben Wind gesät und wundern sich, daß Sie jetzt Sturm ernten.

    (Beifall bei der SPD)

    Jetzt gehen Sie, Kollege Blüm, ans Rednerpult und greifen Gewerkschafter als Desinformateure, als Lügner und Hetzer an.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Stimmt auch! — Ist j a auch wahr!)

    Lügner und Hetzer? Ich will Ihnen ein paar Fragen vorlegen, Herr Kollege Blüm.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie nehmen die Lügner in Schutz! — Weitere Zurufe)

    Herr Katzer, Ihr Vorgänger als Bundesarbeitsminister und als Vorsitzender der Sozialausschüsse, der Mann, den Sie einmal mit gutem Grund Ihren väterlichen Freund genannt haben, warnt öffentlich vor Ihrem Entwurf. Er sagt: Angesichts der Tatsache, daß die Tarifvertragsparteien bisher ihrer Verantwortung gerecht geworden sind — Hans Katzer steht noch auf Ihrem alten Standpunkt, er hat die Seiten nicht gewechselt! —,

    (Beifall bei der SPD)

    wirkt schon die peinliche Auseinandersetzung um das Arbeitsförderungsgesetz geradezu kleinkariert gefährlich. Ist Herr Katzer auch ein Lügner, auch ein Hetzer?
    Herr Benda, langjähriger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, erhebt öffentlich schwere verfassungsrechtliche Bedenken gegen Ihren Entwurf. Ist Herr Benda auch ein Hetzer?

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Lautete der Zwischenruf „Das kann sein!"? Dann sollte man ihn ins Protokoll aufnehmen.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN — Zurufe von der SPD: Pfui! — Schweinerei!)

    Herr Ministerialdirektor Hans-Horst Viehof, der von Ihnen selbst berufene Leiter der zuständigen Abteilung Ihres Ministeriums, stellvertretender Vorsitzender der CDU-Sozialausschüsse des Rheinlands, nennt den Entwurf rechtswidrig und schädlich und wird deshalb zwangspensioniert. Ist Herr Viehof auch ein Lügner oder ein Hetzer, Herr Blüm?

    (Lebhafter Beifall bei der SPD sowie beifall bei den GRÜNEN)

    Die CDU-Fraktion im saarländischen Landtag wendet sich öffentlich gegen den Entwurf und erklärt, es bestehe keinerlei Handlungsbedarf. Sie fordert den saarländischen Ministerpräsidenten auf, im Bundesrat mit Nein zu stimmen. Sind Ihre saarländischen CDU-Kolleginnen und -Kollegen alles Lügner und Hetzer?
    Herr Biedenkopf, der designierte Vorsitzende des neuen CDU-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen, immerhin nicht der kleinste unter Ihren Landesverbänden, sagte Ende vergangener Woche, der Entwurf sei weiß Gott nicht der Weisheit letzter Schluß. Offenbar auch ein Hetzer!
    Herr Oswald, langjähriges Vorstandsmitglied der Daimler-Benz AG schreibt wörtlich: „Die Einheitsgewerkschaft war der Garant für den wirtschaftlichen Aufschwung der Bundesrepublik. Es wäre kurzsichtig, die Gewerkschaften, die zur Zeit besondere Schwierigkeiten haben, schwächen zu wollen." Wörtlich sagt dieser Mann, der als Vorstandsmitglied von Daimler-Benz weiß, wovon er redet: „Es wäre Schwachsinn, sie weiter in die Defensive treiben zu wollen." Aber gerade das, was Herr Oswald als Schwachsinn bezeichnet, tun Sie, Herr Blüm!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD)

    Nein, diejenigen, die Sie da angreifen, und der Herr Katzer und der Herr Benda und der Herr Viehof und die saarländische CDU und der Herr Biedenkopf, das sind eben keine Lügner und keine Hetzer, ebensowenig wie Ernst Breit und all die anderen, die Ihnen Widerstand leisten. Das sind Männer und Frauen, die wissen, was auf dem Spiel steht, die sich um den sozialen Frieden und die soziale Stabilität unseres Landes sorgen. Das sind Männer und Frauen, die verantwortungsbewußt von unserem Volk Schaden abwenden wollen. Das ist die Wahrheit.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD)

    Schaden von unserem Volk abzuwenden wäre eigentlich die Aufgabe des Herrn Bundeskanzlers. Aber leider tut er das Gegenteil. Er gießt noch 01 ins Feuer. Er holt eigens den Bundestag zusammen — denn es war j a seine Entscheidung —, um dieses schlimme Gesetz ganze 14 Tage früher durch den Bundestag zu bringen. Warum eigentlich? Wem sind der Bundeskanzler und Herr Blüm und diese Koalition diese Hast, wem sind sie eigentlich dieses Gesetz schuldig? Wer drängt sie denn?

    (Zurufe bei der SPD: Sehr gut!)

    Was passiert denn, wenn dieses Gesetz erst im Herbst oder überhaupt nicht in Kraft tritt? Und warum schweigt der Bundeskanzler hier in einer Sache, die inzwischen unser ganzes Volk bewegt?

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Ich fordere den Bundeskanzler auf, doch von dieser Stelle aus zu sagen, was bislang an unserer Tarifautonomie, was bisher am System der Lohnfindung schlecht war? Warum lobt er die Gewerkschaften nur, wenn ein Gewerkschaftsvorsitzender in den Ruhestand tritt und nicht hier an dieser Stelle unter Wiederholung der Reden, die wir dort hören?

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Sind wir nicht das Land mit den verantwortungsbewußtesten Gewerkschaften? Sind wir nicht das Land mit den besten Arbeitsbeziehungen zwischen den Tarifparteien? Sind wir nicht das Land mit der geringsten Zahl von Streiktagen unter allen Indu-



    Dr. Vogel
    strienationen? Welcher Teufel reitet Sie eigentlich, daß Sie das alles aufs Spiel setzen und gefährden?

    (Lebhafter Beifall bei der SPD)

    Wir jedenfalls — darauf können Sie sich verlassen — werden nicht schweigen. Wir werden dem Entwurf jeden zulässigen Widerstand entgegensetzen. Wir werden immer wieder aufs neue darlegen — und da verwende ich die berühmt gewordene Äußerung des Bundeskanzlers —, wie dumm, wie absurd, wie töricht dieser Entwurf und dieser Vorstoß ist.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD sowie Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Wir werden uns jeder Beschränkung unserer Minderheitenrechte mit Entschiedenheit widersetzen. Denn das ist unsere feste Überzeugung: Wir stehen hier im Parlament zwar als Minderheit, aber in der Sache stehen wir nicht für die Minderheit, wir stehen für die Mehrheit unseres Volkes, für die Mehrheit, die den sozialen Frieden nicht gefährdet, sondern gesichert und gewährleistet wissen will.

    (Langanhaltender lebhafter Beifall bei der SPD sowie Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)



Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Scharrenbroich.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heribert Scharrenbroich


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Vogel, Sie haben hier bewiesen: Auf Mitglieder der ehemaligen Arbeiterpartei SPD wirkt Norbert Blüm wie ein rotes Tuch.

    (Beifall bei der SPD)

    Das hat Sie sogar dazu verführt, daß Sie kein einziges Wort zu Ihrer eigenen Entschließung gefunden haben. So haben Sie hier getobt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Nicht Norbert Blüm heizt das soziale Klima an, sondern Sie.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Lachen bei der SPD)

    Herr Dr. Vogel, meine Damen und Herren von der SPD, Sie haben ein ganz klares Wahlkampfkonzept.

    (Immer [Altenkirchen] [SPD]: Schämen Sie sich doch!)

    Es lautet: Die Glaubwürdigkeit dieses Mannes in der Arbeitnehmerschaft muß zerstört werden.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Das macht er selber!)

    Weil wir diese Wahlkampfkonzeption der SPD erkannt haben, werden wir alles tun, daß das nicht zum Ziele führt. Das Theaterstück, das Sie hier aufgeführt haben,

    (Dr. Klejdzinski [SPD]: Unerhört!) könnte man mit dem Titel überschreiben:


    (Feilcke [CDU/CSU]: „Schmierenkomödie"!)

    „Die Wut über den verlorenen Groschen". Denn diese Wahlkampfkonzeption ist jetzt keine zehn Pfennig mehr wert, weil wir nämlich schwarz auf weiß den deutschen Arbeitnehmern sagen werden, was wir wollen.

    (Lachen bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, es geht hier nicht nur um die Person des Arbeitsministers, des Vorsitzenden der Sozialausschüsse. Es geht vor allem um seine Politik.

    (Dreßler [SPD]: Du stehst nicht mehr zu deinen eigenen Beschlüssen!)

    Wenn er sich um der richtigen Sache willen mit einflußreichen Vereinen und Vereinigungen anlegen muß, dann kann er auf uns zählen, gleich, ob es gegen Arbeitgebervereinigungen, ob es gegen den Zahnärzteverband, ob es gegen den Hartmannbund geht.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Oder DGB!)

    oder ob man sich mit den Gewerkschaften anlegen muß. Das gilt auch heute. Um der Sache willen werden wir diese Politik bestätigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dreßler [SPD]: O wei, o wei! Traurig! Traurig! Traurig!)

    Um gleich eines klarzustellen: Wer in unseren Reihen noch immer meinte, man brauche dieses Gesetz nicht zu novellieren, der weiß seit diesen Tagen, daß das notwendig ist.

    (Lachen bei der SPD)

    Nach den Verdrehungen, Unwahrheiten, Tiefschlägen unter die Gürtellinie verlangt das geradezu die politische Hygiene.
    Meine Damen und Herren von der SPD, ich wiederhole praktisch meinen Kollegen Helmut Link: Nach der Rentenlüge, nach der Mietenlüge sind Sie dabei, eine Streiklüge aufzubauen. Nur so kann man das sagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich wiederhole einen Satz aus dem Sozialdemokratischen Pressedienst vom 30.:
    Als Auswirkung der Neuregelung werden künftig wesentlich weniger streikende Arbeitnehmer Kurzarbeitergeld erhalten als nach geltendem Recht. Meine Damen und Herren, wer den Arbeitnehmern solche Unwahrheiten serviert, dem sollten die Arbeitnehmer kein Wort mehr glauben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ihre Rede, Ihre schlimme Rede, Herr Dr. Vogel, macht eine sachliche Beratung im Parlament nicht einfacher.

    (Lachen bei der SPD)

    Und ich fürchte, es werden noch weitere Reden dieses Stils heute kommen.

    (Zurufe von der SPD: Was machst du denn?)




    Scharrenbroich
    Wir werden uns bemühen, schwarz auf weiß zu belegen, daß das Streikrecht

    (Unruhe bei der SPD)

    — hören Sie doch mal zu, meine Damen und Herren, auch wenn es schwierig ist, die Wahrheit zu ertragen —

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    und die Streikfähigkeit nicht in Gefahr gebracht werden. Wir werden belegen, daß die Demokratie nicht gerettet werden muß. Wir werden belegen, daß wir einen Weg finden, die Neutralität so zu sichern, daß das Arbeitskampfgleichgewicht nicht zu Lasten der Gewerkschaften verändert wird.
    Die Kampagne der IG Metall und der SPD hat bisher nur eines erreicht: Uns ist klargemacht worden, daß die begonnene Diskussion jetzt mit gesetzlichen Regelungen beendet werden muß.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Durch die heutige zusätzliche Sitzung des Bundestages ist es uns möglich — und mehr passiert nicht —, rechtzeitig die Sachverständigen zu dem Anhörungsverfahren einzuladen und dann mit der Beratung im ganz normalen Verfahren fortzufahren. Was ist daran eigentlich Aufregendes?
    Und wer meint, wir würden durchpeitschen, dem möchte ich sagen, daß der Bundestagsausschuß 1968 an drei ganzen Tagen diesen damaligen § 105 beraten hat. Und wie viele Tage werden wir jetzt zur Verfügung haben? Mindestens vier, wenn nicht sogar sechs Tage. Das ist die Relation. Wer hier von Durchpeitschen spricht, gefährdet den sozialen Frieden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Lachen bei der SPD)

    Der Bundesarbeitsminister hat klargemacht, daß wir hier ein Sozialversicherungsgesetz novellieren und kein Arbeitskampfrecht,

    (Kolb [CDU/CSU]: So ist es!)

    Sozialversicherungsrecht, das sich sowohl an die Gewerkschaften als auch an die Arbeitgeber richtet.
    Meine Damen und Herren, wenn die Arbeitgeber meinen, auf Grund der Beschäftigungslage jetzt das Rad der Geschichte zurückdrehen zu können, haben sie sich vertan. Die Regierung hat die Wünsche der Arbeitgeber zurückgewiesen, die bekanntlich lauteten — ich zitiere Herrn Stumpfe aus der „BildZeitung" —:
    Nürnberg zahlt grundsätzlich nicht, wenn als Folge eines Arbeitskampfes auch nicht bestreikte Betriebe kurzarbeiten oder vorübergehend dichtmachen müssen.
    Diese Forderung der Arbeitgeber ist ganz klar zurückgewiesen worden.
    Meine Damen und Herren von der Opposition, das, was die Gewerkschaften jetzt fordern, nämlich daß die Bundesanstalt immer zahlen soll, war die Forderung des Bundesrates gegenüber der Gesetzesvorlage der Großen Koalition. Und die ist eindeutig zurückgewiesen worden. Und wenn das damals zurückgewiesen worden ist, kann man doch heute nicht so tun, als hätte der Gesetzgeber das gewollt, was einige Gewerkschaften heute fordern. Nein, Adolf Müller (Remscheid) hat damals den Kompromiß eingebracht: Außerhalb der Branche wird immer gezahlt — das sagt die Regierungsvorlage jetzt übrigens im Klartext —, innerhalb des Fachbereichs wird nur in den Ausnahmefällen außerhalb des Tarifgebietes nicht gezahlt, wenn dadurch der Arbeitskampf beeinflußt würde oder wenn die mittelbar betroffenen Arbeitnehmer im Grunde gleiche Tarifforderungen stellen. Genau das wollen wir. Es geht darum — und ich wiederhole den FDP-Fraktionsvorsitzenden Mischnick —, daß das Anwendung findet, was der Gesetzgeber 1969 wollte — um nichts anderes.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Natürlich brauchten wir jetzt eigentlich ein Klima der sachlichen Beratung. Selbstverständlich stehen während der Parlamentsberatungen viele Fragen zur Prüfung an. Ich darf einige Fragen nennen, damit auch die Öffentlichkeit erfährt, daß wir den Gesetzentwurf — selbstverständlich — sehr sorgfältig beraten werden.
    Dazu zähle ich z. B. die Frage, die die Bundesregierung selbst aufgeworfen hat und die wohl noch nicht endgültig geklärt ist. Ich zitiere:
    Sind für den Fall, daß Betriebsstillegungen auf Aussperrungen zurückzuführen sind, spezielle Regelungen notwendig?
    Das ist eine Frage, die das Bundeskabinett nach dem Papier der fünf Minister formuliert hat.
    Eine weitere Frage: Können die Kontrollbefugnisse des Betriebsrates und der Bundesanstalt bei Betriebsstillegungen infolge von Arbeitskämpfen noch weiter konkretisiert werden? Hier hat die Bundesregierung bereits in ihrer Vorlage dem Betriebsrat mehr Rechte gegeben als bisher. Wir werden prüfen, ob das ausreicht.
    Oder: Ist es möglich bzw. notwendig, daß Folgen aus reinen Lohnarbeitskämpfen anders behandelt werden als Folgen aus Arbeitskämpfen um Veränderungen der Arbeitsbedingungen? Das ist sicher eine sehr schwierige Frage. Aber wir werden sie sorgfältig prüfen.
    Oder: Kann, wie in den letzten Tagen diskutiert worden ist, eine Schiedsstelle helfen? Wir werden hier jetzt keinen konkreten Vorschlag machen, weil wir dafür den Sachverstand der Sachverständigen brauchen. Und gehen Sie davon aus: Dann ist der Zeitpunkt gekommen, in dem wir unsere konkreten Vorschläge machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Im Mittelpunkt der parlamentarischen Beratungen wird natürlich vor allem die Frage stehen, ob der jetzt vorgeschlagene Gesetzestext die Absichten, die Ziele der Bundesregierung so umsetzt, wie sie in der Begründung des Gesetzestextes der Bundesregierung und heute vom Bundesarbeitsminister noch einmal genannt worden sind. Dazu gehört auch die Frage, ob der Gesetzestext — ich sagte es schon — den Absichten des Gesetzgebers von 1969



    Scharrenbroich
    entspricht. All das steht während der parlamentarischen Beratung auf dem Prüfstand.
    Ausdrücklich möchte ich hier begrüßen: erstens daß der Bundesarbeitsminister erneut betont hat: Diese Bundesregierung will und wird kein neues Arbeitskampfrecht schaffen; wir machen Sozialversicherungsrecht und kein Arbeitskampfrecht, zweitens daß der Bundesarbeitsminister die Tarifvertragsparteien aufgefordert hat, in der Praxis, in Praktizierung der Tarifautonomie selber Spielregeln für den Arbeitskampf auszuhandeln, die die jetzigen Probleme besser behandeln.
    Meine Damen und Herren, zum Schluß: Es ist die größte Selbstverständlichkeit der Welt, daß auch dieser Gesetzentwurf im Rahmen der parlamentarischen Beratung Veränderungen und Ergänzungen erfahren wird. So war es bisher bei jedem wichtigen Gesetzentwurf in der Geschichte dieses Parlaments. Von Durchpeitschen kann keine Rede sein, wenn wir mit den parlamentarischen Beratungen jetzt beginnen und für die Beratung dieses Gesetzentwurfs genauso viele Tage zur Verfügung haben, als wenn wir erst in 14 Tagen damit beginnen würden. Das ist die Sachlage. Wer etwas anderes behauptet, der gießt, Herr Dr. Vogel, wirklich 01 ins Feuer.

    (Dreßler [SPD]: Das ist Verdummdeubelung!)

    — Ach, das müssen Sie ertragen können, Herr Dreßler.
    Allen Freunden, aber nach den Gegnern der Sozialausschüsse und der CDU sage ich hier: Erstens. § 116 AFG wird verändert und den Bedingungen neuer Technologien angepaßt, damit die Neutralität der Bundesanstalt für Arbeit auch in Zukunft besser gesichert wird; daran gibt es keinen Zweifel.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Deshalb lade ich die Gewerkschaften ein, ihrer Verpflichtung als Arbeitnehmerorganisation gerecht zu werden und, nachdem sie das hoffentlich zur Kenntnis genommen haben, an den Beratungen endlich konstruktiv teilzunehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Und zweitens sage ich: Das Gesetz wird am Ende so formuliert sein, daß die christlich-demokratischen Arbeitnehmer, also die Sozialausschüsse, dieses Gesetz akzeptieren können. Das heißt, das Gesetz wird bestätigen: Das Arbeitskampfgleichgewicht wird nicht zu Lasten der Gewerkschaften verändert.
    Auch in diesen Fragen ist sich die Unionsfraktion völlig einig.
    Danke schön.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dreßler [SPD]: Das werden wir nachprüfen, mein Freund!)