Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Verbesserung der ambulanten und teilstationären Versorgung psychisch Kranker, die wir heute vornehmen wollen, ist die Diskussion um die Verbesserung der Situation der psychisch Kranken in der Bundesrepublik nicht abgeschlossen. Im Gegenteil: Es kann wirklich nur als ein Etappenschritt verstanden werden auf dem Weg hin zu einer umfassenden Veränderung und Absicherung der Versorgung psychisch Kranker, so wie sie uns die Enquete-Kommission bereits im Jahre 1975 vorgeschlagen hat.
Die Enquete-Kommission „Lage der psychisch Kranken in der Bundesrepublik Deutschland" hat in der Tat schwerwiegende Defizite in der Versorgung dieser Menschen festgestellt. Der Bericht, der dem Deutschen Bundestag 1975 vorgelegt worden ist, ging davon aus, daß diese Versorgung dann am besten gewährleistet sein könnte, wenn es ein Geflecht gäbe von klinischer Versorgung und teilstationärer Versorgung, die ergänzt wird durch eine Fülle von unterschiedlichen und nach unterschiedlichen Kriterien arbeitenden ergänzenden sogenannten komplementären Diensten.
Erst im Jahre 1980 konnte das Modellprogramm der Bundesregierung in Gang gesetzt werden. Fünf Jahre lagen dazwischen. Ich finde, diese fünf Jahre sind bedauerlich. Sie fehlen uns eigentlich heute noch.
Dieser Abstand von fünf Jahren kam maßgeblich dadurch zustande, daß die Bundesregierung immer noch versucht hatte, die damals CDU-regierten Länder dazu zu bewegen, bei diesem Modellprogramm mitzumachen. Es gelang nicht, mit Ausnahme des Saarlandes. Die Begründung der Länder war zwar einsichtig, auf der anderen Seite auch wieder ein wenig seltsam. Die CDU-regierten Länder zogen sich darauf zurück, daß die Versorgung psychisch Kranker eine Aufgabe der Länder sei, mit der die Bundesregierung nichts zu tun habe. Das ist zwar richtig; dennoch, meine ich, wäre es sinnvoll gewesen, hier gemeinsam etwas in Gang zu setzen, wie es dann mit dem Modellprogramm, an dem sich letzlich nur einige Länder beteiligten, tatsächlich geschehen ist.
In dem Modellprogramm ging es nicht mehr darum, einzelne institutionelle Einrichtungen, einzelne Programmteile zu fördern, sondern es ging darum, herauszufinden, wie die regionale Versorgung psychisch Kranker am besten durchgeführt werden könne.
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 185. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1985 14115
Frau Dr. Adam-Schwaetzer
Herr Kollege Schreiner, Ihr Beispiel, das Sie aus der Klinik Merzig gebracht haben, ist sicherlich sehr zu Herzen gehend. Ich glaube, man muß in diesem Zusammenhang aber eben auch bedenken, daß Sie diesen Vorwurf, der so unterschwellig mitschwang, wir würden daran nichts ändern, vielleicht an dieser Stelle nicht zu Recht erhoben haben; denn in der Tat ist es nach wie vor eine Aufgabe der Länder, dafür zu sorgen.
Ich halte überhaupt nichts davon, zu versuchen, sich gegenseitig den Schwarzen Peter zuzuschieben. Trotzdem muß auch auf die unterschiedlichen Finanzierungsverantwortungen einmal hingewiesen werden, gerade im Hinblick auf den Entwurf, den die Sozialdemokraten hier vorgelegt haben. Als Bundestag können wir jetzt darüber beschließen, ob wir in die Reichsversicherungsordnung bestimmte neue Leistungen, die für die Versorgung psychisch Kranker wichtig sind, aufnehmen wollen.
Das tun wir auch mit dem Gesetzentwurf, den wir hier vorlegen. Wir wollen, daß die teilstationäre Versorgung abgesichert wird, daß der Zugang dazu für die psychisch Kranken möglich wird, ohne daß Sie vorher einen Krankenhausaufenthalt hatten.
Wir wollen die Institutsambulanzen für diejenigen Patienten absichern, die dringend auf die Versorgung in diesen Institutsambulanzen angewiesen sind. Das sind Patienten, die sonst auf Grund ihrer speziellen psychischen Probleme nicht in der ambulanten Versorgung zu versorgen wären.
Wir meinen aber, daß alle weitergehenden Entscheidungen der Auswertung des Modellprogramms vorbehalten bleiben müssen, die uns erst Mitte 1986 vorliegen wird. Es ist in der Öffentlichkeit fälschlich der Eindruck entstanden, mit dem Auslaufen des Modellprogramms Ende Dezember 1985 sei die Finanzierung der komplementären Dienste, die in den Modellregionen aufgebaut wurden, nicht gesichert. Dieser Eindruck ist falsch. Die Länder, die sich 1985 an dem Modellprogramm beteiligt haben, haben damals die Zusage gegeben, daß sie nach dem Auslaufen des Programmes bis zur Auswertung des Modellversuches die Anschlußfinanzierung übernehmen wollen. Die Gespräche zwischen dem Bundesarbeitsministerium und den entsprechenden Ministerien der Länder sind im Gange und werden, wie wir hoffen, kurzfristig abgeschlossen, so daß hier wirklich nicht die Notwendigkeit besteht, im Vorgriff auf die Auswertung des Modellprogramms eventuell unüberlegte Schritte einzuleiten, die unter Umständen nicht durch das Modellprogramm gedeckt wären. Meine Damen und Herren, das ist der Grund, weshalb wir den Antrag der SPD-Fraktion heute ablehnen werden.
Die GRÜNEN haben zu dieser Debatte einen umfassenden Entschließungsantrag eingebracht, in dem sie ihre Vorstellungen zur Versorgung psychisch Kranker darlegen. Ich stelle fest, daß kein Kollege der GRÜNEN anwesend ist, um eine Einführung in diesen Antrag zu geben.
Ich denke, daß das Grund genug ist festzustellen, daß es die GRÜNEN entweder mit der parlamentarischen Arbeit offensichtlich nicht so ernst nehmen oder aber daß sie es mit der Versorgung psychisch Kranker nicht so ernst nehmen.
Ich bedaure das zutiefst, denn sie versuchen immer, in der Öffentlichkeit einen gegenteiligen Eindruck zu erwecken. Deshalb scheint es mir notwendig zu sein, einmal auf die sich hier im Hause ergebenden Realitäten hinzuweisen.
Meine Damen und Herren, wir haben lange darüber debattiert, ob wir in den Antrag der Koalition zur Absicherung der Finanzierung der Institutsambulanzen auch Schiedsstellen mit aufnehmen sollen, um so sicherzustellen, daß auf jeden Fall Verträge zwischen dem Krankenhausträger auf der einen Seite und der Kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen auf der anderen Seite zustandekommen. Die sich im Zusammenhang mit der Einrichtung solcher Schiedsstellen ergebenden Probleme waren in der Kürze der Zeit nicht zu lösen. Wir appellieren deshalb an alle Beteiligten, die am Zustandekommen solcher Verträge mitarbeiten müssen, nun zügig voranzukommen. Wir haben deshalb eine Übergangsvorschrift in unseren Gesetzentwurf aufgenommen. Wir behalten uns ausdrücklich vor: Sollten diese Verträge nicht zustandekommen, so werden wir auf die Frage der Schiedsstellen zurückkommen, denn wir denken, es ist absolut notwendig, die Institutsambulanzen in der von uns vorgesehenen Weise mit medizinischem Hilfspersonal, das von den Krankenkassen bezahlt werden muß, auszustatten.
Meine Damen und Herren, wir hoffen, daß mit diesem Gesetz ein kleiner, aber wichtiger Schritt zur Verbesserung und zur Absicherung der Behandlung psychisch Kranker in der Bundesrepublik getan ist. Wir werden uns in den nächsten Jahren noch häufig und ernsthaft mit dieser Frage auseinanderzusetzen haben. Die Defizite, die die Enquete-Kommission aufgezeigt hat, sind zwar nicht aufgearbeitet, aber ich denke, wir alle zusammen haben den Willen, daran zu arbeiten, und wir werden es auch tun.
Vielen Dank.