Rede von
Wolfgang
Mischnick
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das ist keine Bestätigung! Es ist eine Feststellung, daß die Bemühungen unsererseits, zu warnen und dazu zu mahnen, dies nicht fortzusetzen, nichts gefruchtet haben und daß dann der NATO-Doppelbeschluß umgesetzt werden mußte.
Das ist doch das Problem, und das haben Sie offensichtlich nicht erkannt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Freien Demokraten haben bereits vor längerer Zeit zu SDI-Fragen ausführlich Stellung genommen., Ich verhehle nicht — und sage das gleich zu Beginn in aller Offenheit —, daß unsere Beratungen nicht abgeschlossen sind; wir werden sie heute nachmittag weiterführen. Wir nehmen nämlich das Wort ernst, daß man über solche Dinge nachdenken soll und daß man sich nicht an vorgestanzten Formeln festhalten soll, wodurch man Entwicklungen, die im Gange sind, nicht berücksichtigt. Deshalb also beraten wir heute weiter darüber.
Wir können eines feststellen: Die Genfer Gespräche sind ein Hoffnungsschimmer. In den Genfer Gesprächen ist ja auch festgelegt worden, daß im Juni die nächste Runde stattfinden soll. Das bedeutet, daß über bestimmte Fragen, die man bisher noch nicht angepackt hat, zu diesem Zeitpunkt gesprochen werden wird. Das bedeutet gleichzeitig aber auch, daß wir nicht den Fehler machen dürfen, bis zur nächsten Verhandlungsphase auf diese oder jene Weise Positionen vorab so festzulegen, daß damit der Verhandlungsspielraum der einen oder der anderen Seite eingegrenzt würde.
Deshalb ist es unserer Meinung nach falsch, am heutigen Tage — wie die SPD oder die GRÜNEN es wollen — ein absolutes Nein auszusprechen, ohne auszuleuchten und durchzudeklinieren, was im Zeitraum bis Juni 1986 noch möglich und notwendig ist.
In unserem Hauptausschußbeschluß vom letzten Juni haben wir festgestellt, daß wir einen Alleingang für falsch halten, und zwar nicht aus Angst, sondern aus Sorge, daß dadurch innerhalb der Europäischen Gemeinschaft oder innerhalb des Bündnisses Schaden entstehen könnte. Das war der Grund, weshalb wir vor einem Alleingang gewarnt haben!
Wir stellen heute fest, daß England sich entschieden hat und daß Italien vor neuen Überlegungen steht, die noch nicht abgeschlossen sind, aber möglicherweise zum gleichen Ergebnis führen können.
Herr Kollege Ehmke, Sie haben in diesem Zusammenhang davon gesprochen, die FDP werfe zum Zwecke der Machterhaltung Überzeugungen über Bord, und Sie haben dann wieder die Vokabel „Umfallerpartei" gebraucht.
Wissen Sie, Herr Kollege Ehmke, einen Tag, nachdem der hessische Ministerpräsident in einer für alle Welt sichtbaren Form eigene Festlegungen über Bord geworfen
und dafür Sorge getragen hat, daß erstmals ein Sportschuhminister vereidigt werden konnte, wagen Sie das zu sagen! Das ist eine Selbstverleugnung Ihrerseits, die ganz erstaunlich ist, ganz erstaunlich!
Meine Damen und Herren, wir haben die Auswertung des Hearings noch nicht abgeschlossen. Wir sehen darin gewichtige Gesichtspunkte, die bei unseren Beratungen weiter behandelt und betrachtet werden müssen.
Wir sind sehr froh darüber, daß, nachdem eine gewisse Unklarheit über die Frage Einhaltung von ABM entstanden war, durch den amerikanischen Präsidenten klargestellt worden ist, daß sich die Vereinigten Staaten von Amerika an ABM halten.
Ich verhehle allerdings nicht, daß über die Auslegung von ABM offensichtlich auf sowjetischer Seite und auf amerikanischer Seite Unterschiede sichtbar werden. Bei unserem Gespräch in Moskau haben wir das gespürt.
Nur wer dann von dieser oder jener Seite meint, die Bundesrepublik Deutschland könne in dieser Frage der Auslegung des Vertrages eine Art Schiedsrichterrolle übernehmen, der täuscht sich. Das kann nicht unsere Aufgabe sein. Das müssen die Vertragspartner untereinander feststellen, wie sie ABM im Detail auszulegen haben.
— Entschuldigen Sie, dies habe ich genauso offen und deutlich, wie ich es jetzt hier sage, in Moskau in den Gesprächen auch mit Herrn Gromyko gesagt.
Für uns kommt es darauf an, daß die Grundsätze,
die im ABM-Vertrag enthalten sind, bei allen weiteren Entwicklungen auch Grundlage bleiben. Dazu
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 185. Sitzung. Bonn, Freitag, den 13. Dezember 1985 14099
Mischnick
stehen wir. Eines steht fest, und das war vor einem — —
— Lieber Herr Kollege Ehmke, wenn Sie noch einmal darauf zurückkommen wollen: Ich könnte Ihnen jetzt eine halbe Stunde lang nachweisen, wie oft Sie sich in Fragen, die Sie vorher ganz anders beurteilt haben, heute ganz anders verhalten.
— Lieber Herr Kollege Ehmke, Sie wollen j a doch nur von dem ablenken, daß die Feststellung, die ich jetzt treffe, absolut richtig ist:
Eine finanzielle Beteiligung durch die Bundesrepublik Deutschland, wie sie unterstellt worden ist, findet nämlich nicht statt.
Eine Mitwirkung deutscher Firmen an diesen Projekten — das ist von allen Seiten immer wieder festgestellt worden — ist möglich, ist für uns gar nicht verhinderbar.
Wenn dies aber auch Übereinstimmung ist, dann ist es doch für diejenigen, die Verantwortung in diesem Staat tragen,
nachdenkenswert, ob, wenn sich deutsche Firmen beteiligen wollen,
es notwendig ist, ihre Beteiligung in bestimmten Bereichen weiter abzusichern oder nicht.
Genau darüber nachzudenken wäre viel gewichtiger und viel besser, als pauschal ein Nein zu sagen und sich nicht der Mühe des Nachdenkens darüber zu unterziehen, ob es erforderlich ist. Genau das geschieht.
Wenn wir darüber nachdenken, ob eine Absicherung erfolgen kann, ob sie erfolgen muß, muß natürlich dabei geprüft werden, ob bei einer solchen Überlegung aus einer möglichen Einbahnstraße, nämlich nur aus der Lieferung von neuen technologischen Kenntnissen, eine Zweibahnstraße gemacht werden kann.
Dies aber in Gesprächen festzustellen und festzustellen, ob sich daraus eine Festlegung ergibt, ist eine Notwendigkeit im Interesse unserer Firmen,
im Interesse von uns allen. Wenn Sie daraus dann konstruieren, daß die Bundesrepublik Deutschland unmittelbar an SDI beteiligt sei, ist das eine Falschbehauptung. Denn die Amerikaner haben immer festgestellt,
sie machen dieses Projekt allein. Sie haben beispielsweise gegenüber England festgestellt, daß die Übertragung von Teilprojekten überhaupt nicht in Frage kommt.
Hier wird wieder einmal der Versuch gemacht, durch eine Verklammerung von Punkten, die nicht zusammengehören, durch die Vokabel „Krieg der Sterne" propagandistisch eine Frage, die nüchtern behandelt wird, in der Öffentlichkeit in eine Ecke hineinzustellen, in die sie nicht gehört.
Ich habe doch gar nicht gesagt, daß es Ihre Bezeichnung ist, sondern die Übernahme dieser Bezeichnung ist der entscheidende Punkt.
Wenn Sie sachlich sein wollten, müßten Sie bereit sein zu sagen: Wir erkennen zwar, daß hier für deutsche Firmen Probleme entstehen können; aber wir halten es für falsch, sie abzusichern, weil die politische Wirkung nach unserer Meinung negativ ist. Das ist eine Argumentation, über die man diskutieren kann. Aber auf Grund dessen zu sagen, die Bundesrepublik wolle sich auf diesem Weg am „Krieg der Sterne" beteiligen, ist eine Verfälschung der Fakten, eine Irreführung der Öffentlichkeit. Gegen die wehren wir uns.
Eine letzte Bemerkung. Weil wir all diese Fakten eben nüchtern behandeln wollen, weil wir es für notwendig halten, daß die Zeit bis zum nächsten Gipfeltreffen für beide Seiten nicht belastet oder vorbelastet wird, werden wir an diese Entscheidung mit der gebotenen Nüchternheit, aber nicht mit der Überlegung herangehen: Was könnte für die Innen-
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Mischnick
politik taktisch besser sein? Für uns steht ausschließlich die Sachentscheidung im Vordergrund.