Rede von
Dr.
Klaus
Kübler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es weihnachtet nicht übermäßig in Bayern, und es weihnachtet heute naturgemäß bei einer solchen Frage auch bei uns im Parlament nicht.
Lassen Sie mich hier auch sagen, daß die verdächtige Eile, wenn es zutrifft, daß heute mit Rodungen begonnen wurde, sicher nicht gerade dafür spricht, daß man ein übermäßig gutes sachliches Gewissen hat.
Ich sage auch mit Bedauern, daß der Forschungsminister, den der Staatssekretär Spranger vorhin angesprochen hat, heute ebensowenig wie sein Vertreter bei dieser wesentlichen Debatte anwesend ist.
Lassen Sie mich auch sehr, sehr klar sagen, daß, Herr Kollege Lenzer, man auch als Hesse — dies sage ich auch für die Öffentlichkeit — natürlich von
hier das deutsche Volk nicht nur ansprechen kann, sondern ansprechen sollte,
und zwar auch in Form von Aufrufen. Daran besteht gar kein Zweifel.
Ich stelle vier Punkte, weil sie angesprochen worden sind, noch einmal sehr klar heraus. Auch die Kollegen von der CDU/CSU und der FDP wissen doch letztlich sehr, sehr genau, daß, wenn man von der Ideologie herunterkommt, dies energiewirtschaftlich und volkswirtschaftlich ein sicher nicht sehr sinnvolles Projekt ist.
Vorhin wurde — ich glaube, von Ihnen, Herr Grünbeck — das Argument mit den Arbeitsplätzen gebraucht. 9 oder 10 oder 11 Milliarden kann man in diesem Zusammenhang sicher nicht in ein Verhältnis zu 400 oder 500 Arbeitsplätzen bringen. Hier ist dieses Argument mit Sicherheit falsch.
Als zweites sage ich: Die Frage der Uranreserven gibt zum heutigen Zeitpunkt keine Berechtigung, eine Wiederaufarbeitungsanlage zu bauen.
Ich sage drittens, daß eine Wiederaufarbeitungsanlage exportpolitisch überhaupt keine Relevanz und auch forschungspolitisch keine Relevanz hat.
Bei diesen Voraussetzungen, Herr Grünbeck, ist es unverantwortlich, die gesundheitlichen und sonstigen Risiken in Kauf zu nehmen. Ich betone bewußt: Bei diesen nicht gegebenen Voraussetzungen eines volkswirtschaftlichen und energiewirtschaftlichen Nutzens ist es unverantwortlich, aus gesundheitlichen Gründen unverantwortlich, dies hier zu machen.
Lassen Sie mich noch folgendes sagen: Alle relevanten Indikatoren — ich spreche j a öfter auch mit Leuten aus der Wirtschaft,
und die verhalten sich etwas anders, als in der Öffentlichkeit vielleicht gesagt wird —, wobei ich jetzt nicht über das Jahr 2000 oder 2010 spreche, lassen zur Zeit keine tragfähige politische Entscheidung zugunsten einer Wiederaufarbeitungsanlage erkennen.
Dies muß man ganz nüchtern zur Kenntnis nehmen. Wir müssen auch wissen — und Sie wissen dies auch —, daß die englische Anlage und auch die französische Anlage ursprünglich weitgehend wegen der Atombombenproduktion errichtet worden sind und deswegen sicherlich auch heute noch aufrechterhalten werden; dies muß man wissen.
Es ist heute leider noch nicht die Frage angesprochen worden, ob wir damit — ich will in diesem Zusammenhang einmal Weinzierl zitieren — nicht in der Tat den entscheidenden Schritt in eine Plu-
13952 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1985
Dr. Kübler
toniumwirtschaft machen. Ich will das zwar keiner jetzigen Regierung unterstellen, aber ich möchte objektiv verhindern, daß irgendeine Regierung — freiwillig oder aus einer gewissen Situation heraus — in der Lage ist, Zugriff auf Plutonium zu nehmen. Dies scheint mir ein ganz wesentlicher Punkt zu sein. Wir Sozialdemokraten wollen objektiv verhindern, daß irgendeine Regierung künftig in der Lage ist, an Plutonium heranzukommen.
Ich will hier zum Schluß folgendes sagen: Auch die Proliferations-Situation, die auch bei noch so guter Organisation einer Aufsichtsbehörde sicherlich gegeben ist, wollen wir objektiv verhindern. Dafür reicht eine subjektiv vorgeprägte Aufsicht nicht aus.
Zusammenfassend stelle ich fest: Eine Wiederaufarbeitungsanlage ist zur Zeit aus keinem relevanten Grund gerechtfertigt.
Ich danke Ihnen.