Rede von
Bernd
Reuter
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob gerade der Kollege Spranger der richtige Ratgeber ist, uns Nachhilfeunterricht in Sachen Demokratie zu geben.
Ich will zunächst sagen: Im Grunde genommen ist diese Aktuelle Stunde heute nachmittag nicht notwendig.
— Wir brauchen keine lautstarken Abgeordneten, Herr Kollege, wir brauchen starke Abgeordnete.
— Ja, das ist klar.
Ich will Ihnen auch sagen, warum ich hier gegen den Antrag gestimmt habe, den Minister herzuzitieren. Wir müssen an uns selbst die gleichen Maßstäbe anlegen. Da so wenige Abgeordnete hier sind, hätte ich etwas Hemmungen, einen Minister herzu-zitieren.
Ich will sehr deutlich sagen, daß mich die Art und Weise, wie die CDU/CSU die Probleme behandelt, sorgenvoll stimmt. Wenn irgendwo ein Konfliktpotential heranwächst, wenn sich die Leute irgendwo kritisch mit den Themen befassen, handeln Sie immer so nach dem Motto: Wir haben da noch die Polizei, wir können ja noch die Justiz damit befassen; wir haben den Apparat in der Hand, und wenn die nicht spuren, dann machen wir Gesetze mit Sofortvollzug und setzen das alles durch.
— Das ist kein Quatsch, das ist die Realität. — Sie haben keine Konfliktbereitschaft.
Sie können doch nicht mit einem Federstrich die Sorgen der Menschen vom Tisch nehmen.
Ich will die Gelegenheit nutzen, unseren Standpunkt noch einmal klarzumachen.
Wir Sozialdemokraten sind gegen die Wiederaufarbeitung — aus den verschiedensten Gründen, die wir hier schon einige Male dargelegt haben.
— Seit wir die Erkenntnis haben, daß es ein ökonomisch unsinniges Projekt ist, denn hier werden 8 Milliarden DM in den Sand gesetzt.
Wo haben Sie denn die Konzeption, wie Sie die Entsorgung lösen wollen? Eine einfache Wiederaufarbeitungsanlage mit 350 Jahrestonnen ist doch im Grunde genommen keine Entsorgung. Sagen Sie mir doch einmal, wie das mit Gorleben aussieht! Was wollen Sie mit dem Salzstock? Sie erklären der staunenden Öffentlichkeit, daß die Entsorgungsfrage gelöst ist.
Ihnen geht es aber im wesentlichen darum, hier für den bayerischen Raum etwas zu tun. Da sage ich einmal allen Ernstes: Es wäre doch auch denkbar gewesen, wenn Sie der Meinung sind, daß hier eine Strukturschwäche besteht, die Mittel so dahin zu geben, um die Strukturprobleme im bayerischen
13950 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1985
Reuter
Raum zu lösen. Dies sollte doch nicht nur dann gehen, wenn man diese Anlage baut.
Ich darf noch einmal feststellen, daß die Schwachstelle der Kernenergienutzung die Entsorgung ist. Da würde ich gerne einmal von Ihnen hören, wie Sie das Problem lösen wollen.
— Ich glaube immer an die Dinge, die ich nachvollziehen kann. Ich glaube auch an den Weihnachtsmann, wenn er uns schön beschert, Herr Kollege Mann.
Aber das, was hier heute abgehandelt wird, ist nach meinem Dafürhalten wieder einmal der Beweis dafür, daß hier lautstarke Auseinandersetzungen geführt werden, ohne daß die Bürger einen echten Nutzen davon haben.
— Herr Kollege, dies ist auch nicht der Ort, wo Sie Ihre Probleme zwischen den Fundis und den Realos lösen können. Da müssen Sie sich eine andere Ebene als den Deutschen Bundestag aussuchen.
Ich will Ihnen in der Kürze der mir zur Verfügung stehenden Zeit noch folgendes sagen. Das, was hier passiert, läuft nach folgendem Muster ab: Wir sind gegen diese Anlage, und wir wollen eine andere Politik. Dann wollen wir die Bürger in den vor uns liegenden Monaten davon überzeugen.
Dann können die Bürger bei der Wahl 1987 entscheiden, in welche Hände sie die Politik legen wollen. Dann werden wir einmal sehen, wer die Mehrheit hat. Wer dann die Mehrheit hat, kann entscheiden. Alles andere halte ich im Grunde genommen für Spiegelfechterei.
— Sie müssen sich einmal verständigen. Wollen Sie mit mir Krach, oder wollen Sie Unterhaltung? Was haben Sie hier eigentlich vor? Ich kann doch die ganzen Argumente gar nicht aufnehmen, wenn Sie so durcheinanderreden.
Ich glaube, daß wir im Ausschuß die Sache sehr ordentlich beraten haben.
Ich darf zum Schluß kommen und feststellen: Wir Sozialdemokraten lehnen mit Vehemenz eine Wiederaufarbeitung ab, bekennen uns aber zum Einsatz der Kernenergie im Grundlastbereich, weil wir zur Zeit keine Alternative dazu sehen.
Schönen Dank.