Rede von
Carl-Dieter
Spranger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige Aktuelle Stunde ist für die GRÜNEN — das ist nach dem ersten Beitrag hier offenkundig geworden — lediglich ein spektakulä-
13948 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 183. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Dezember 1985
Parl. Staatssekretär Spranger
rer Auftakt für eine Reihe von Aktionen, die nur bei dem ihnen eigenen Demokratieverständnis begreifbar sind.
Sie suchen den Konflikt wieder einmal auf der Straße. Seit langem ist eine Großdemonstration in Wackersdorf für den Fall des Rodungsbeginns angesetzt, die jetzt sogar mit einer Besetzung des Bauplatzes verbunden werden soll. Ziel ist, den Bau der Wiederaufarbeitungsanlage um jeden Preis zu verhindern, auch wenn dieser unter allen rechtsstaatlichen Aspekten zulässig und von den Mehrheiten in Bund und Land gewollt ist.
Gestern hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschieden, daß der Bebauungsplan nach dem Ergebnis der Prüfungen im vorläufigen Verfahren rechtmäßig ist. Das Gericht hat dabei hervorgehoben, daß es keine Rechtsfehler bei der Abwägung der schutzwürdigen Belange, insbesondere unter Berücksichtigung der Landwirtschaft und des Natur- und Landschaftsschutzes, gegeben hat. Der VGH hat daher den Erlaß einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.
Vorhin hat der Herr Abgeordnete Stiegler von „durchgebrannten Sicherungen" gesprochen. Ich muß sagen: Ihre rechtlichen Bewertungen kann ich nur unter diesem Aspekt verstehen.
Völlig unbeeindruckt von dieser eindeutigen Gerichtsentscheidung, die nach unserer Verfassungsordnung für alle verbindlich ist, hat der Bundesgeschäftsführer der GRÜNEN noch am gleichen Tag alle Mitglieder seiner Partei aufgerufen, sich massiv an den für das kommende Wochenende geplanten Protestaktionen gegen den Beginn der Rodungsarbeiten für die atomare Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf zu beteiligen.
— Klatschen Sie aber anschließend auch noch. — Der Rodungsbeginn sei das Startsignal, den Widerstand gegen den Einstieg in den Plutoniumstaat ebenso fröhlich wie entschlossen zu verwirklichen. Herr Weinzierl versteigt sich sogar zu der Äußerung, der Atomstaat binde die Gerichte mit ein.
Meine Damen und Herren, einen derartigen Umgang mit der dritten Gewalt halte ich für schlichtweg unerträglich. Herr Bueb, was Ihre Angriffe auf den bayerischen Ministerpräsidenten und gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof anbelangt, so kann ich nur sagen: Das ist unsinnig und ausgesprochen flegelhaft.
Den Kernenergiegegner sage ich mit aller Deutlichkeit: Das Demonstrationsrecht ist ein hohes Gut,
aber kein Freibrief für Gewalt, Herr Mann.
Die Bundesregierung begrüßt die getroffenen Maßnahmen zur Errichtung einer deutschen Wiederaufarbeitungsanlage als einen Markstein zur Verwirklichung des integrierten Entsorgungskonzepts.
Dazu gehört auch die Rodung des für die Anlagen notwendigen Geländes. Mit dem Bebauungsplan für den Taxöldener Forst hat der dafür zuständige Freistaat Bayern sichergestellt, daß bei der Errichtung alle vermeidbaren Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft unterbleiben.
Die Bundesregierung hält an der Wiederaufarbeitung aus atomrechtlichen, energie- und technologiepolitischen Überlegungen fest, wie dies der Kabinettsbeschluß vom 23. Januar 1985 eingehend dargestellt hat. Wer sich ernsthaft mit dem Stellenwert der Wiederaufarbeitungsanlage im deutschen Entsorgungskonzept auseinandersetzt, wird sehr schnell feststellen, daß es dazu zumindest aus heutiger technologischer Sicht keine sinnvolle Alternative gibt.
Die so oft propagierte direkte Endlagerung ist eben noch kein technologisch abgesicherter Entsorgungspf ad.
Da ihre Machbarkeit hier auch nicht mit bloßen Worten herbeigeredet werden kann, handelt jeder scheinheilig, der schon jetzt darauf setzen will.
Er zielt in Wahrheit darauf, die bestehenden Entsorgungsnachweise zu beseitigen, und offenbart so sein eigentliches Ziel: den Ausstieg aus der Kernenergie.
Auch die ständigen Behauptungen über die Unsicherheit und die Gefahren der Wiederaufarbeitung entbehren jeder sachlichen Grundlage. Die Mitarbeiter im Bundesministerium des Innern haben die Antragsunterlagen im Rahmen ihrer Zuständigkeit und ihrer Amtspflichten ebenso eingehend geprüft wie die Fachleute im bayerischen Umweltministerium.
Reaktorsicherheitskommission und Strahlenschutzkommission haben die sicherheitstechnische Machbarkeit bestätigt.
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Der Bundesminister des Innern hat in seiner bundesaufsichtlichen Stellungnahme vom 18. Dezember 1984 festgestellt,
daß aus der Sicht der kerntechnischen Sicherheit und des Strahlenschutzes gegen Standort und Konzept der Anlage keine Bedenken bestehen.
Meine Damen und Herren, es ist schon ein ungeheuerlicher Vorwurf, die Beamten, die sich mit ihrem Amtseid dem Wohl dieses Staates verpflichtet haben,
und die unabhängigen Sachverständigen im Genehmigungsverfahren des leichtfertigen Umgangs mit Leben und Gesundheit unserer Bürger zu bezichtigen, wie die GRÜNEN das tun.
Ebenso ungeheuerlich ist die Aussage, nur wer Atombomben wolle, brauche eine Wiederaufarbeitungsanlage.
Hiermit sollen Furcht und Schrecken verbreitet werden.
Aber damit noch nicht genug. Unsere Gesetze wollen die GRÜNEN offenbar dann nicht gelten lassen, wenn sie nicht ihren eigenen Vorstellungen entsprechen. Legal ist für sie nur das, was sie für legal erklären.
Hier, meine Damen und Herren, mißbraucht eine Minderheit unsere freiheitliche Grundordnung. Sie will demokratische Mehrheiten durch selbsternannte elitäre Minderheiten manipulieren. Aber das, meine Damen und Herren, werden wir nicht hinnehmen.