Rede von
Detlef
Kleinert
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Kollege, Sie sagen „teils, teils". Typisch liberale Antwort — höre ich auch schon. Dennoch ist es, wie Sie wissen, ein sehr komplexer Vorgang auch ohne parlamentarische Beteiligung, bis so ein Entwurf auf den Tisch kommt. Wenn ich von einer Bürokratie spreche, meine ich damit stichwortartig die Art des ganzen Prozesses, der nur von der Verwaltung angeregt, kontrolliert und betrieben werden kann und nicht so unmittelbar mit den künftigen Anwendern und Betroffenen rückgekoppelt ist, wie es hier in unserem Parlament der Fall ist, was gerade die Beratung dieses Gesetzes wieder gezeigt hat.
Es gibt in Europa eine Reihe von Verbänden — die will ich bei meiner Kritik gar nicht auslassen, Herr Roth —, die sich im Weg der Parthenogenese zusammensetzen und ergänzen und ihrerseits keine Beziehung zur Basis haben.
Es gibt ja einen Verbraucherrat. Fragen Sie mich nicht, wie der Verbraucherrat in Europa zustande kommt. Jedenfalls kommt er nicht so zustande, daß Einzelpersonen namhaft gemacht werden könnten, die zum Zustandekommen dieses Gremiums irgendwann das Geringste beigetragen hätten. Das ist als Beratung für diejenigen, die hinterher natürlich faktisch und dankenswerterweise die Arbeit tun, eben nicht ausreichend.
Deshalb ist meine Kritik keineswegs auschließliche Kritik an einer Verwaltung.
Ich kann jetzt nahtlos vom Undank zum Dank übergehen und an dieser Stelle genau das sagen, was meine Vorgänger mit Recht gesagt haben, nämlich wie hervorragend und wie dringend notwendig die Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium der Justiz und hier insbesondere mit Herrn Ministerialrat Biener gewesen ist. Er ist vorhin ja vom Vorsitzenden schon befördert worden. Das wird hoffentlich in absehbarer Zeit nachgetragen, nicht zuletzt auf Grund der enormen Leistung beim Zustandekommen dieses Gesetzes, die es uns ermöglicht hat, das, was wir an Politischem wollten, so umzusetzen, daß es uns nicht wegen einer Fülle fachlicher Unzulänglichkeiten um die Ohren geschlagen wird. Dafür also herzlichen Dank an das Bundesministerium der Justiz. Herrn Biener habe ich genannt. Herrn Dr. Krieger gilt der Dank genauso, ebenso allen anderen Mitarbeitern.
Dann komme ich genauso wie Herr Stiegler an dieser Stelle dazu, auch dem Vorsitzenden unseres Unterausschusses, der während unserer Beratungen auch noch Vorsitzender des Rechtsausschusses geworden ist, für seinen ganz ungewöhnlichen Einsatz beim Zustandekommen dieses Gesetzes sehr herzlichen Dank zu sagen.
Wir können es uns nach der Art des politisch-parlamentarischen Geschäfts einfach nicht erlauben, jedes Gesetz so im Detail durchzuberaten und so selbst bis in jede einzelne Bestimmung hinein mitzugestalten, wie das hier wieder einmal geschehen ist. Wir haben das gleiche enorm arbeitsaufwendige Verfahren bei der Beratung des GmbH-Gesetzes in fast der gleichen Besetzung — damals war statt Herrn Stiegler Herr Kollege Lambinus dabei — im übrigen schon einmal geübt, und wir hatten in beiden Fällen eigentlich nur einen Grund für dieses Verfahren vorzutragen, nämlich den, daß wir als Parlamentarier versuchen sollten, ein gutes Beispiel zu geben, wie man es eigentlich machen sollte, wie man versuchen sollte, die Vorschriften zu straffen, wie man auf Grund der erwähnten Praxiskontakte dazu kommen kann, das Gesetz für die Anwender handhabbarer und einleuchtender zu machen, wie man durch die Umstellung vom Einfachen hin zum Komplizierten, die wir hier vollzogen haben — der Entwurf war ursprünglich anders angelegt —, verhindern kann, daß sich später Fehldeutungen einschleichen. Das kann man nur gelegentlich machen, um ein Beispiel zu setzen. Wir können nur hoffen, daß sich die Arbeit, die hier von allen Beteiligten hineingesteckt worden ist, in diesem Sinne auch bezahlt macht.
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Kleinert
Ich möchte nicht auf die Dinge zu sprechen kommen, in denen wir einig sind und die schon sehr gut vorgetragen worden sind, sondern möchte zu einigen Punkten sprechen, in denen wir trotz aller Kollegialität in der Zusammenarbeit auseinander sind.
Das erste ist der Vorwurf, Herr Stiegler, daß wir hier ein Scheunentor offengelassen hätten, weil die GmbH & Co. KG so, wie es die Richtlinie erlaubt — Sie haben das selbst klargestellt —, außen vorbleibe.
Ich darf zu unseren Gründen noch einmal folgendes sagen.
Wenn man sich das Ziel der Gesetzgebung genau vorstellt und zu dem Ergebnis gelangt, daß sie nicht unbedingt erforderlich ist, dann ist die Einbeziehung jedes zusätzlichen Unternehmens mit den dadurch entstehenden Kosten und dem dadurch entstehenden Arbeitsaufwand falsch. Ich bin der Meinung, daß die Richtlinie dem Verbraucherschutz ohnehin nicht dient. Den Verbraucher wollte ich sehen, der sich eine solche Bilanz hernimmt, sie liest und dann entscheidet, ob er bei dem Unternehmen kauft oder nicht. Der Prozeß geht etwas anders vonstatten.
Die Bilanzrichtlinie wird auch nichts Wesentliches zum Gläubigerschutz beitragen, denn die Gläubiger, die die Zeit und die Sachkunde haben, sich zu informieren, tun das bereits heute. Insonderheit tun das die Banken, die ohne Rücksicht auf die Unternehmensform von ihren Kreditkunden weit mehr verlangen, als nach dieser Richtlinie oder jetzt nach dem Gesetz von den Kunden verlangt wird. Die machen sich selbst klug und brauchen dieses Gesetz nicht.
Der kleine Handwerker wird sich in Zukunft ebensowenig wie der Verbraucher in die Bilanz vertiefen, wenn er einen Auftrag bekommen hat, sondern er wird sich freuen, wird den Auftrag ausführen, wird Respekt haben vor den Damen und Herren, die er als Auftraggeber sieht, und wird denken, es werde schon gutgehen. Bilanzlesen ist da nicht zu erwarten. Das zu erwarten ist ein absoluter Aberglaube.
Wenn das so ist, dann bleibt hier lediglich eine für den engen Kreis der Rechtsanwender klarere Ordnung der Buchhaltungsvorschriften, der Bilanzvorschriften. Die ist nun allerdings zustande gekommen. Insoweit haben wir aus einem Vorwurf, will ich einmal sagen, nämlich aus dieser Bilanzrichtlinie, schließlich etwas gemacht, was tatsächlich der Vereinfachung und nicht der zusätzlichen Komplizierung unseres Rechtssystems dient; und das ist gut so. Da aber die anderen Gesichtspunkte alle nicht ziehen, müssen wir das Äußerste tun, um zu vermeiden, daß mehr als unbedingt erforderlich — ich sage mit allem Nachdruck: „überflüssigerweise erforderlich" — in diese Mühle hineingerät.
Wenn Sie von 20 000 Unternehmen gesprochen haben, die jetzt zusätzlich prüfungspflichtig werden, dann wissen Sie auch, Herr Stiegler, daß mindestens 60 000 weitere Unternehmen prüfungspflichtig würden, wenn die GmbH & Co. hier hineinfallen würde. Das heißt, daß sich u. a. der von Ihnen zutreffend gewürdigte Streit zwischen den beteiligten Berufen, den wir durch die „Wiederentdeckung" des vereidigten Buchprüfers, die Herrn Helmrich gelungen ist, glücklicherweise einigermaßen harmonisch aus der Welt schaffen konnten, vom Volumen des Streitgegenstandes her um das Dreifache verschärft hätte. Dann hätten wir ihn wahrscheinlich nicht so aus der Welt bekommen, wie wir ihn jetzt — im wesentlichen im Einverständnis mit den Verbänden — aus der Welt bekommen haben. Das ist auch ein Grund, warum wir die GmbH & Co. KG nicht mit hineinnehmen.
Im übrigen ist es nicht Sache des Parlaments, unserer Wirtschaft, von der wir alle leben — jeder! —, überflüssigerweise zusätzliche Kosten aufzubürden. Wenn man sieht, wie gering die Anteilnahme hier heute morgen ist, sollte man gar nicht glauben, daß hier ein Volumen von mindestens einer Milliarde DM allein bei den beteiligten Dienstleistenden zusätzlich umgesetzt werden dürfte — im weitesten Sinne, mit Veröffentlichung und mit allem, was damit zu tun hat. Über dieses Kostenvolumen reden wir, und dieses Kostenvolumen wollen wir Liberale jedenfalls nicht sehenden Auges verdreifachen, wenn man uns nicht viel genauer und viel überzeugender, als dies bisher geschehen ist, darlegen kann, welchen Sinn das haben soll.
Meine Damen und Herren, wir haben bei Gelegenheit dieses Gesetzes, ohne daß uns das aufgegeben worden wäre, auch einige Dinge angefaßt, die von erheblicher Bedeutung für unsere Ordnung im ganzen und auch für die Art sind, wie wir unserer Ordnung begegnen können. Ich meine jetzt zunächst die Kapitalbindung. Dieses Stichwort bedeutet den Grundsatz, daß Wirtschaftsprüfungs- oder Steuerberatungsgesellschaften, wenn sie in Form einer Kapitalgesellschaft betrieben werden, nur denjenigen gehören sollen, die in diesen als Prüfer oder Berater tätig sind. Man sollte glauben, daß das eine reine Selbstverständlichkeit ist; das ist es jedoch nicht.
Der Bundesrepublik Deutschland gehört die so bezeichnete Treuarbeit zu 45 %. Ich kann Ihnen auch sagen, warum der Bund nur 45 % hat. Es ist nämlich interessanterweise völlig unbemerkt geblieben, daß die Bilanz der Deutschen Lufthansa von 1973 vom Amtsgericht Köln für nichtig erklärt worden ist. Es ist weiter unbekannt geblieben, daß die Bilanz der Lufthansa auf die sofortige Beschwerde hin vom Landgericht Köln ebenfalls für nichtig erklärt worden ist, und zwar deshalb, weil sich die Treuarbeit, die die Lufthansa geprüft hat, mehrheitlich im Besitz des Bundes befand, so wie die Lufthansa auch. Sehr überzeugende Beschlüsse des Amtsgerichts und des Landgerichts Köln!
Zwischen den beiden Beschlüssen hat sich dann folgendes ereignet: Die gleichen Leute, die heute
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sagen, es sei so unheimlich gut, dankenswert und zweckmäßig, daß die Treuarbeit zu einem erheblichen Anteil dem Bund gehöre, die gleichen Leute, die sagen, dabei könne nie etwas passieren, sind damals ihrem schlechten Gewissen gefolgt und haben in der Zeit zwischen dem Beschluß des Amtsgerichts und dem des Landgerichts einen Teil ihrer Anteile an einige Bundesländer verkauft, damit — formal gesehen — die Trennung zum Bund hergestellt ist. Bloß, mit dem formalen Trennen geben wir uns nicht zufrieden. Wir möchten, daß die Trennung wirklich vollzogen ist. Wenn jemand einen anderen prüft, dann muß er dem fremd und völlig unabhängig gegenübertreten. Ich lasse mich auch nicht durch die Tatsache beruhigen, daß Vorsitzender des Aufsichtsrats der Präsident des Bundesrechnungshofs ist — ich halte das sogar für eine -etwas seltsame Vermischung ganz verschiedener Zuständigkeiten —, sondern ich bin der Meinung, hier muß eine wirkliche Trennung her.
Deshalb haben wir das zwar nur für die Zukunft regeln können. Wir werden aber nicht nachlassen, darauf zu bestehen, daß uns die Bundesregierung Vorschläge macht, wie auch für die angeblich hergebrachten Rechte dieser Art, die ich für sehr zweifelhaft halte, eine vernünftige Lösung gefunden werden kann.
Wir werden auch sehr sorgfältig darauf achten, daß man sich dieses Themas hinsichtlich der Steuerberater bei der anstehenden Beratung des Steuerberatungsgesetzes im Finanzausschuß, wo es sachlich, fachlich hingehört, genauso annimmt.
Wir lassen es nicht auf sich beruhen, schon gar nicht mit der einleuchtenden Begründung, die hierzu von seiten der Regierung zu hören war, es habe sich zwischen den zu Prüfenden und den Prüfern ein so gutes Vertrauensverhältnis entwickelt. Das halte ich für ein Mißverständnis.
Ich danke Ihnen.