Rede von
Dr.
Herbert
Ehrenberg
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Scharrenbroich, der nach dieser Rede sicher Ehrenmitglied im Wirtschaftsrat der CDU werden wird,
hat hier auf die ursprüngliche Fassung des Gesetzes hingewiesen.
Herr Kollege Scharrenbroich, es wäre gut gewesen, wenn Sie ein bißchen weiter gelesen, mit Ihrem Zitat nicht so früh aufgehört hätten. In demselben Absatz, den Sie zitiert haben, steht nämlich noch:
Der Ausschuß hat nach eingehender Beratung schließlich eine Lösung gefunden, von der er überzeugt ist, daß sie in einen seiner Ausgewogenheit optimalen Kompromiß zwischen den Interessen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber darstellt.
Also, wenn das ein optimaler Kompromiß ist: Wo wird jemand so töricht sein, eine optimale Lösung verändern zu wollen?
Herr Kollege Scharrenbroich und Herr Arbeitsminister Blüm: 16 Jahre lang hat diese Lösung gehalten. 16 Jahre lang haben die Bundesanstalt und die Tarifparteien gut damit leben können.
1978 beim Metallarbeiterstreik in Baden-Württemberg hatte Präsident Stingl eindeutig entschieden: In dem Tarifgebiet Baden-Württemberg darf nicht und in den anderen Gebieten müssen Kurzarbeitergeld und Arbeitslosenunterstützung gezahlt werden.
Bei derselben Rechtslage und vergleichbarer Tariflage hat Präsident Franke 1984 anders entschieden. Diese Fehlentscheidung des Präsidenten Franke ist durch Gerichte korrigiert worden. Sie wollen das Gesetz deshalb ändern, weil Herr Franke falsch entschieden hat.
Meine Damen und Herren, daß jetzt Teile der CDU — nach dem Beitrag von Herrn Scharrenbroich kann ich allerdings nicht mehr von Teilen reden, sondern wahrscheinlich ist es die gesamte CDU —
und die FDP die Änderung einer seit 16 Jahren bewährten Regelung anstreben, ist doch nur daraus zu erklären, daß die IG Metall einen Arbeitskonflikt um ein Thema, das der Bundeskanzler für dumm und töricht erklärt hat, gehabt und erfolgreich durchgestanden hat.
Sie hat einen Arbeitskampf geführt, dessen Folgewirkung war, daß mehr als 100 000 Arbeitnehmer eine zusätzliche Beschäftigung gefunden haben.
Und jetzt wollen Sie diese erfolgreiche Arbeitskampfstrategie für die Zukunft unmöglich machen.
Das, meine Damen und Herren, wird Ihnen nicht gelingen.
Ich bitte Sie — nicht Herrn Scharrenbroich, sondern die Kollegen vom CDU-Wirtschaftsrat —, einmal darüber nachzudenken, was geschieht, wenn § 116 AFG so geändert wird, wie es jetzt Ihre Absichten sind, in wie vielen tausend Fällen Sie dann Arbeitsgerichtsprozesse von Arbeitnehmern, die wegen Annahmeverzugs Anspruch auf Lohnzahlung haben, zu gewärtigen haben.
Oder aber — man kann ja bei diesem Arbeitsminister vor nichts sicher sein —:
Gehen Sie schon so weit bei Ihrer Vorliebe für eine Privatisierung der sozialen Risiken, daß Sie in Zukunft die Arbeitnehmer auch für die Lagerhaltung der Unternehmen verantwortlich machen wollen?
Das ist der zweite Schritt, der dem folgen würde, wenn sich Ihre Absichten durchsetzen.
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Dezember 1985 13689
Dr. Ehrenberg
Meine Damen und Herren, hier ist der Arbeitsminister gefordert, eine sehr vernünftige, ausgewogene, in der Großen Koalition als optimal angesehene Lösung weiterhin aufrechtzuerhalten.
Herr Bundesminister Blüm, heute und in den nächsten Tagen werden Sie beweisen müssen, ob Sie Bundesminister für oder Bundesminister gegen Arbeit sind. Das steht heute auf dem Prüfstand.
Herzlichen Dank.