Rede von
Heribert
Scharrenbroich
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir begrüßen die Aktuelle Stunde, sofern sie der Konsensbildung dient.
Herr Vogel, ich habe den Eindruck, daß es die SPD nicht vertragen kann, wenn das politische Süppchen, das auf diesem Konflikt gekocht werden soll, nicht gar wird.
Ich kann Ihnen sagen, wir werden versuchen, daß diese Aktuelle Stunde eine Hilfe bei der Konsensbildung ist.
Deshalb möchte ich für meine Fraktion noch einmal feststellen: Es gibt Rechtsunsicherheit über die Anwendung des § 116 des Arbeitsförderungsgesetzes.
Das ist doch dadurch bewiesen, daß es unterschiedliche Auslegungen durch den Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeit und durch die Sozialgerichte gibt.
Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis!
Wir müssen zweitens feststellen: Durch die neuen Technologien gibt es neue Möglichkeiten des Arbeitskampfes auf seiten der Arbeitnehmer wie auf seiten der Arbeitgeber. Es liegt daher im Interesse der Beitragszahler, auch der Tarifvertragsparteien, daß Klarheit geschaffen wird.
Da Sie anderen so leichtfertig unterstellen, man wolle die Streikfähigkeit mindern,
möchte ich Ihnen einmal sagen, wo Sie früher doch noch sehr viel Kontakte zu den Gewerkschaften hatten: Es ist für eine streik-, arbeitskampfplanende Gewerkschaft geradezu wichtig, daß sie genau weiß, wann gezahlt wird und wann nicht gezahlt wird.
Ich möchte bitten, daß wir wegen der schwierigen Materie die Polemik unterbinden. Wir sollten uns darauf einigen — Herr Vogel, vielleicht können wir uns darauf einigen —, daß es darum geht, „daß das, was im Gesetz steht und ... in den Debatten so gewollt war, in den Kommentaren so zum Ausdruck gebracht worden ist, auch so angewandt und nicht in eine falsche Richtung entwickelt wird". Darauf sollten wir uns einigen. Genau das, was ich gerade gesagt habe, war ein Zitat des FDP-Fraktionsvorsitzenden Mischnick in der Haushaltsdebatte. Ich glaube, das ist eine gute Basis.
Er sagte weiter — ich unterstreiche das —: „Hier geht es weder um eine Benachteiligung der Gewerkschaften noch um eine Bevorzugung der Arbeitgeber." Auch der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Alfred Dregger, hat vor unserer Fraktion mehrmals erklärt: Eine Arbeitgeberlösung scheidet für uns aus.
Helfen Sie bitte mit, daß die Sozialpartner diese Probe bestehen, die jetzt auf sie zukommt. Wenn wir sagen, wir wollen, daß das Anwendung findet, was der Gesetzgeber wollte, dann müssen wir den schriftlichen Bericht des Ausschusses aus dem Jahre 1969, der einmütig verfaßt worden ist, zu Rate ziehen. Da wurde nämlich der Vorschlag der Regierung zurückgewiesen. Der Bundesratsvorschlag wurde einmütig verabschiedet. Dazu heißt es im Bericht: „Dabei wird die Neutralitätspflicht der Bundesanstalt für Arbeit bei Arbeitskämpfen nach wie vor allgemein anerkannt ." Es heißt weiter: „Der Ausschuß teilt jedoch nicht die Auffassung der Bundesregierung (also der Großen Koalition), daß die Gewährung von Arbeitslosengeld an Arbeitnehmer, die durch einen Streik, an dem Sie nicht selbst beteiligt sind, arbeitslos geworden sind, im allgemeinen bereits den Arbeitskampf zugunsten der Arbeitnehmer beeinflussen würde und daher als Verletzung der Neutralitätspflicht anzusehen wäre." — Das ist die Basis, auf der wir einen Weg zu finden suchen sollten.
13686 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 180. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 4. Dezember 1985
Scharrenbroich
Deswegen steht die Sozialpartnerschaft jetzt vor einer großen Bewährungsprobe. Sie würde sie nicht bestehen, wenn man keine Einigung fände. Aber dazu gehört natürlich auch der Satz — und deswegen ist es keine Keule, wie der Kollege Rappe meinte —: Grundsätzlich besteht natürlich auch die Möglichkeit, daß hier der Gesetzgeber einschreitet.
Meine Damen und Herren, ich mache aber noch einmal deutlich: Es geht nicht darum, die Streikfähigkeit irgendwie einzuschränken. Es geht nicht darum, im Arbeitskampf das Gleichgewicht zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften zu verändern.
Danke schön.