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ID1017602300

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/176 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 176. Sitzung Bonn, Dienstag, den 26. November 1985 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg Ronneburger 13229 A Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1986 (Haushaltsgesetz 1986) — Drucksachen 10/3700, 10/4101 — Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes — Drucksachen 10/4154, 10/4180 — Dr. Vogel SPD 13229 B Dr. Dregger CDU/CSU 13241A Schmidt (Hamburg-Neustadt) GRÜNE 13248 D Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 13252 D Dr. Kohl, Bundeskanzler 13259 D Schröder (Hannover) SPD 13269 B Mischnick FDP 13275A Rühe CDU/CSU 13278 C Vizepräsident Stücklen . . . . 13279A, 13282A Namentliche Abstimmung 13282 A Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts — Drucksachen 10/4155, 10/4180 Voigt (Frankfurt) SPD 13284 A Dr. Stercken CDU/CSU 13287 C Frau Borgmann GRÜNE . . . . 13290A, 13307A Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 13292 B Genscher, Bundesminister AA 13294 D Gansel SPD 13299 D Dr. Rose CDU/CSU 13302 B Würtz SPD 13305 A Klein (München) CDU/CSU 13307 C Frau Huber SPD 13308 C Vizepräsident Stücklen 13286 A Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — Drucksachen 10/4164, 10/4180 — in Verbindung mit Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte — Drucksache 10/4175 — Kleinert (Marburg) GRÜNE (zur GO) . 13311C Löher CDU/CSU 13312 B Frau Traupe SPD 13313 B Frau Seiler-Albring FDP 13316 C Lange GRÜNE 13318 D Dr. Friedmann CDU/CSU 13321 B Kleinert (Marburg) GRÜNE 13324A Walther SPD 13325 A II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. November 1985 Dr. Dregger CDU/CSU 13327 B Dr. Wörner, Bundesminister BMVg . . 13328 B Jungmann SPD 13332 C Wimmer (Neuss) CDU/CSU 13334 C Namentliche Abstimmung 13335 D Ergebnis 13341 C Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit — Drucksachen 10/4170, 10/4180 — Esters SPD 13336 B Borchert CDU/CSU 13337 D Volmer GRÜNE 13339 C Frau Seiler-Albring FDP 13343 A Dr. Warnke, Bundesminister BMZ . . 13344 C Ströbele GRÜNE (Erklärung nach § 30 GO) 13347 C Dr. Warnke, Bundesminister BMZ (Erklärung nach § 30 GO) 13348 B Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen — Drucksachen 10/4170, 10/4180 — Dr. Diederich (Berlin) SPD 13348 D Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 13350 D Dr. Schierholz GRÜNE 13353 C Ronneburger FDP 13355 A Hiller (Lübeck) SPD 13357 B Windelen, Bundesminister BMB . . . 13358 D Dr. Vogel SPD 13361 C Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt — Drucksachen 10/4151, 10/4180 — . . . 13362 C Einzelplan 02 Deutscher Bundestag — Drucksachen 10/4152, 10/4180, 10/4327 — 13362 D Einzelplan 03 Bundesrat — Drucksachen 10/4153, 10/4180 — . . 13363A Nächste Sitzung 13363 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 13364* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. November 1985 13229 176. Sitzung Bonn, den 26. November 1985 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 28. 11. Böhm (Melsungen) 26. 11. Bueb 29. 11. Büchner (Speyer) * 29. 11. Collet 29. 11. Egert 26. 11. Frau Eid 29. 11. Ertl 29. 11. Gallus 26. 11. Dr. Haack 27. 11. Höffkes 27. 11. Dr. Hupka 26. 11. Jäger (Wangen) * 29. 11. Jung (Düsseldorf) 26. 11. Junghans 29. 11. Kalisch 26. 11. Kastning 26. 11. Kittelmann * 29. 11. Klose 29. 11. Dr. Kreile 29. 11. Leonhart 29. 11. Lutz 26. 11. Michels 26. 11. Dr. Müller * 29. 11. Nagel 29. 11. Dr. Olderog 29. 11. Oostergetelo 26. 11. Petersen 26. 11. Rappe (Hildesheim) 26. 11. Frau Rönsch 26. 11. Rühe 28. 11. Schlaga 29. 11. Frau Schmidt (Nürnberg) 29. 11. Schmidt (Wattenscheid) 29. 11. Dr. Schwenk (Stade) 27. 11. Dr. Todenhöfer 29. 11. Voigt (Sonthofen) 26. 11. Frau Wagner 28. 11. Werner (Dierstorf) 29. 11. Frau Dr. Wex 29. 11. Zierer 29. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
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    Rede von Gerhard Schröder


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Nein. Ich erlaube keine Zwischenfragen. Diese Herren — das beweist sich doch — wollen durch Zwischenfragen ja nichts klären, sondern stören, unterbrechen und mehr nicht.

    (Beifall bei der SPD — Link [Diepholz] [CDU/CSU]: Schwächer geht's wohl nicht?)

    Deswegen hat es wenig Sinn, Ihnen Zwischenfragen zu erlauben. Denn wenn Sie wirklich klären wollten, dann würden Sie doch nicht dazwischenbrüllen.

    (Link [Diepholz] [CDU/CSU]: Sie brüllen doch auch!)

    Halten Sie doch ein damit.

    (Zuruf des Abg. Link [Diepholz] [CDU/ CSU])

    So können wir doch keine Debatte miteinander führen, die auch nur einem einzigen Menschen im Land Aufklärung vermittelt. In der Weise, wie Sie es tun, geht es nicht.
    Ich sage Ihnen:

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    Die Zahl derer wächst, die Ihr Gebrüll nicht mehr hören können.

    (Beifall bei der SPD — Klein [München] [CDU/CSU]: Beste Juso-Schule!)

    die die Ohren zumachen, weil Sie sie nicht mehr erreichen. Diese Menschen, die Sie mit Ihrer abstrakten Diskussion nicht erreichen, wenden sich ab, ratlos und bisweilen schon resigniert und auch erbittert, weil Ihre Propaganda diese Menschen, die am unteren Ende der sozialen Skala arbeiten und leben,

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Arme SPD!)

    zu ihrem Schicksal auch noch diffamiert. Das ist das, was Sie betreiben.

    (Beifall bei der SPD)

    Gewiß, Sie haben das gar nicht ungeschickt eingefädelt. Sie, Herr Kohl, haben diese Politik der Wende in ein durchaus prächtiges Gewand gekleidet.

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Im Gegensatz zu euren Lumpen!)

    Sie haben Ihr Programm drapiert, um täuschen zu können. Sie haben es überhöht und mit dem Etikett von der geistig-moralischen Erneuerung versehen. In Wahrheit ist das Programm dieser Bundesregierung nicht ein Programm geistig-moralischer Erneuerung. Es ist ein Programm des Ungeistes und der Unmoral.

    (Beifall bei der SPD)

    Es ist eine Politik, die nur dem Stärkeren recht gibt.

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Mieser geht es nicht mehr!)

    Sie haben aus der Wahrheit, daß wir Menschen im Leben etwas leisten müssen und auch wollen, eine üble Halbwahrheit gemacht. Leistung, so sagen Sie, müsse sich wieder lohnen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Jawohl!)

    Für wen — so frage ich Sie —, für den, der die stärkeren Fäuste,

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Zum Beispiel Sie!)

    die rücksichtsloseren Ellenbogen hat, gedeckt von einer Politik, für die Leistung bei der Erfindung eines neuen Lasers beginnt und beim Nobelpreis aufhört. Ich frage Sie: Was ist denn bei Ihrer merkwürdigen Elitendebatte noch Leistung? Wie stehen Sie denn zur Leistung des Facharbeiters, der Krankenschwester, des Erziehers? Wie stehen Sie zur Leistung des Bauern und des Meisters?

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Das fragen Sie?)

    Wie stehen Sie zu diesen lebenslangen Leistungen,

    (Link [Diepholz] [CDU/CSU]: Üble Diffamierung! — Klein [München] [CDU/CSU]: Schämen Sie sich!)

    die nicht in den Zeitungen erwähnt werden, die doch aber die Basis für die Spitzenleistungen anderer sind? Das ist die Frage, die ich habe.

    (Beifall bei der SPD — Link [Diepholz] [CDU/CSU]: Die Frage schon ist eine üble Diffamierung! — Dr. Friedmann [CDU/ CSU]: Typisch Sozialist!)

    Ich sage: Im Unterschied zu anderen nehme ich Ihre Ideologie, die der Politik der Wende zugrunde liegt, durchaus ganz ernst. Ich stelle fest, daß diese Ideologie bereits Wirkungen zeigt. Die Wirkungen liegen in einem Verlust an sozialstaatlicher Substanz. Diese Ideologie diffamiert soziales Denken und Tun. In Ihrer Vorstellungswelt — das haben wir heute morgen wieder gehört — sind Menschen vor allem Egoisten. Wer sich nicht durchboxt, na ja, der hat eben Pech gehabt. Daß jemand aus Solidarität, aus Verantwortung für andere etwas tut, ist Ihrem Weltbild fremd.

    (Klein [München] [CDU/CSU]: 300 Milliarden DM Schulden aus Solidarität was?! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Immer nur die Hand aufhalten!)

    Die Kälte, ja die Unmenschlichkeit dieser Politik entsetzt mich. Mich erbittert es — ich sage das ganz



    Schröder (Hannover)

    offen —, das wieder und wieder zugedeckt zu sehen durch einen feixenden Kanzler, der in der Maske des Biedermannes die Brandstifter zwar deckt, aber durch öffentlich zur Schau gestellte Jovialitäten versucht, von der eigenen Mittäterschaft abzulenken.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Bötsch [CDU/ CSU]: Armes Niedersachsen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich frage Sie: Was halten Sie von Brüderlichkeit, vom Recht aller auf ein menschenwürdiges Leben, von der Freiheit, die nicht Egoismus heißt,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Na und?)

    und von der Einigkeit, die alle Bürger — alle, sage ich — einbezieht?
    Unnachsichtig, ja bisweilen gewaltsam gehen Sie im Sinne Ihrer Ideologie mit Minderheiten um, mit ethnischen ebenso wie mit politischen.

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Was sagen Sie da? Es ist ja unglaublich, was Sie da erklären!)

    — Ja, fragen Sie nicht so erstaunt. Wie anders soll man denn die Ausländerpolitik Ihres Innenministers nennen?

    (Beifall bei der SPD — Klein [München] [CDU/CSU]: Gesetzlich ist die!)

    Wie anders soll man ein Vorhaben nennen, sechsjährige Kinder nicht mehr zu ihren Eltern in die Bundesrepublik zu lassen, nur weil sie sechs Jahre geworden sind?

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Unglaublich!)

    Wer nackte Angst in diesem Land erleben will, der muß nur einmal hinschauen, was diese Regierung mit Menschen macht, die bei uns um Asyl nachsuchen.

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Pfui! — Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Das ist Hetze, übelste Hetze, was Sie da treiben! Widerliche Hetze!)

    Ist das Brüderlichkeit, von der Sie reden und von der Sie singen lassen auf Ihren Veranstaltungen?

    (Link [Diepholz] [CDU/CSU]: So bleiben Sie unter 40 %! Ganz schlimm! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Aber diese Politik, die Sie machen, richtet sich nicht nur gegen Minderheiten.

    (Link [Diepholz] [CDU/CSU]: Herr Schröder sagt die gröbsten Gemeinheiten lächelnd! — Klein [München] [CDU/CSU]: Sie sind schamunfähig!)

    Unter dem feinen Begriff der Flexibilität machen Sie Arbeitnehmer zur Verfügungsmasse. Sie nehmen Ihnen die Sicherheit eines Dauerarbeitsplatzes, und Sie nehmen ihnen damit ein gutes Stück ihres Selbstbewußtseins.

    (Beifall bei der SPD)

    Ihr Ziel ist klar, es ist sonnenklar: Arbeit, die auf Dauer vorhanden ist, soll nur noch auf Zeit vergeben werden.

    (Link [Diepholz] [CDU/CSU]: Ganz schlimm!)

    Das macht gefügig, und das wollen Sie; denn es betrifft natürlich zuerst die,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie sagen die Unwahrheit!)

    die arbeiten wollen, aber keine Arbeit haben.

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Sie würden nach Kuba passen!)

    Aber dabei bleibt es nicht. Es betrifft auch diejenigen, die noch Arbeit haben. Sie werden erpreßbar und erpreßbarer. Es soll Druck ausgeübt werden von denjenigen, die nicht wissen, was nach sechs Monaten ist, auf diejenigen, die das noch wissen.

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Gnade uns Gott vor Ihresgleichen!)

    Ich nenne das nicht Recht, ich nenne das Recht des Stärkeren.

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Sie nehmen sich das Recht des Lauteren!)

    Sie verweisen auf Ihre Sozialpolitik, auf die zu erwartende Steuerreform, und Sie reden in diesem Zusammenhang — zynisch, behaupte ich —, von Gerechtigkeit.

    (Beifall bei der SPD)

    Aber wer hat denn etwas zu erwarten von dieser Steuerreform? Diese Reform wird z. B. dazu führen, daß in Zukunft ein Ehepaar ohne Kind, das 35 000 DM im Jahr verdient, auf eine Entlastung in Höhe von 144 DM im Jahr rechnen kann. Ein Ehepaar indessen, das über 200 000 DM verdient, kann auf eine Entlastung von 6 445 DM rechnen. Das ist das Vierundvierzigfache. Was, so frage ich Sie, ist daran gerecht, was, so frage ich Sie, ist daran sozial?

    (Beifall bei der SPD)

    An dieser Steuerreform erweist sich, wohin Sie weiterwollen. Gewiß, Sie versuchen Alibis zu schaffen. Eines davon ist Ihre neue Familienministerin. Frau Süssmuth, die ich als eine engagierte Frau kenne, wird nur dann glaubwürdig bleiben können, wenn es ihr z. B. gelingt, dem Kabinett dieses Bundeskanzlers noch in dieser Legislaturperiode eine Vorlage auf den Tisch zu legen und die auch durchzubringen, in der das gleiche Kindergeld für alle Kinder wiederhergestellt wird

    (Beifall bei der SPD)

    und die Steuerfreibeträge, die Sie begünstigen, abgeschafft werden.
    Oder, um ein anderes Beispiel zu nennen, was ist sozial an Ihrer Politik, die es nicht zuläßt, daß junge Menschen auch nur annähernd gleiche Startchancen bekommen? Was ist in Ihren Augen gerecht an einer Bildungspolitik, die wenigen den Königsweg öffnet und die viele auf den Trampelpfad verweist? Denn warum haben Sie das BAföG abgeschafft, das doch die finanzielle Basis dafür war, daß Kinder



    Schröder (Hannover)

    aus Arbeitnehmerfamilien endlich auch Deutschlands hohe und höhere Schulen besuchen konnten?

    (Beifall bei der SPD — Reddemann [CDU/ CSU]: Sie sind ein klassischer Reaktionär!)

    Aber wir wissen — und Sie wissen das auch —, Ihre Politik, Ihre unsoziale Politik weckt Widerstand. Dieser Widerstand äußert sich auch auf der Straße. Er äußert sich vor allen Dingen aber bei Wahlen. Sie haben das im letzten Jahr gemerkt. Er äußert sich in den Betrieben ebenso wie in den Verwaltungen. Widerstand ist das, der Ihnen sehr zu schaffen macht.

    (Frau Hürland [CDU/CSU]: Wo denn?)

    Dieser Entwicklung von Gegenmacht aus der Gesellschaft heraus wollen Sie Fesseln anlegen, rechtliche Fesseln. Denn auf die Legitimation Ihres Machtanspruches durch Gesetze wollen Sie nicht verzichten.

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Sie wollen es ohne Gesetze, was?)

    Hier genau liegt der Grund für die durchgezogenen Veränderungen beim Demonstrationsstrafrecht, wo Sie erst das Bundesverfassungsgericht stoppen mußte. Hier liegt auch der Grund für die vorgesehenen und von den Liberalen leider nicht aufhaltbaren Verdichtungen der Kontrollmöglichkeiten der Staatsorgane. Sie wollen Widerstand gegen unsoziale Politik in einen harten Griff nehmen. Das ist Ihr Ziel.

    (Beifall bei der SPD)

    Hier liegt aber auch der Grund für Ihren erklärten Willen, jenen Paragraphen zu ändern, von dem heute schon viel die Rede war, den § 116 des Arbeitsförderungsgesetzes. Sie wollen diejenigen, die mittelbar von einem Streik betroffen sind, rausschmeißen aus der Arbeitslosenversicherung, zum Sozialamt schicken. Das ist Ihr Ziel, das ist das Ergebnis Ihrer Vorschläge.

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Sind Sie als Rechtsanwalt zugelassen?)

    Der Grund dafür ist, daß Sie nicht wollen, daß die weiter selbstbewußt eintreten für die Verbesserung ihrer Lebens- und Arbeitsbedingungen. Sie wollen auch die verfügbarer machen. Das ist Ihr Ziel.

    (Beifall bei der SPD)

    Ist Ihnen, so frage ich Sie, eigentlich klar, was Sie da aufs Spiel setzen wollen? Gehört das nicht — und wir reden ja hier heute morgen über Geschichte — zu den ganz unabänderlichen und unaufhebbaren Erfahrungen unserer jüngeren Geschichte, daß die Gesellschaft jeweils so frei war, wie es die Gewerkschaften waren? Kapieren Sie das endlich.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Aber so, wie Sie ausschließlich auf den Egoismus und die Innenpolitik setzen,

    (Klein [München] [CDU/CSU]: So setzt ihr auf den Neid!)

    so setzen Sie auf den Egoismus, auf die Stärke in der Außenpolitik. Das zeigt sich an Ihrer Haltung zu SDI. Wir haben ja heute morgen erfahren, daß es offenbar in Genf einen Geist gegeben hat, der unsichtbar die Fäden gezogen hat und dem der Erfolg des Gipfels zu danken ist. Dieser Geist war Helmut Kohl. Ich habe das seit heute morgen, 12 Uhr, kapiert.

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Sie haben spät kapiert!)

    Er war es, der den Gipfel gemacht hat und der die beiden Staatsmänner der westlichen und der östlichen Welt an der Hand zum Erfolg hin geführt hat. Nun gut, wer es glauben will, mag es glauben. Eines ist jedenfalls gewiß:

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Sie waren es jedenfalls nicht!)

    Wenn Sie SDI weiterverfolgen, gefährden Sie die Ergebnisse des Gipfels, weil Sie nicht auf Entspannung, sondern wieder mal auf militärische Stärke setzen.

    (Beifall bei der SPD)

    Ihre Entscheidungsgründe zu SDI offenbaren aber noch ein anderes Merkmal, eines der ökonomischen Unvernunft. Denn eines ist doch wohl klar: Wenn man versucht, Rüstungsforschung zu finanzieren, um daraus zivil nutzbare Technologien zu entwickeln, geht man immer einen Umweg.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie sind j a sehr schnell dabei, uns das japanische Beispiel buntgemalt vor Augen zu führen. Aber warum reden Sie denn nicht mal darüber, daß die Japaner, auch aus historischen Gründen, in der Entwicklung ihres Rüstungshaushalts beschränkt sind und daß das vermutlich einer der wichtigsten Gründe dafür ist, daß sie wirtschaftlich Erfolg haben — mehr als Sie, im übrigen?

    (Beifall bei der SPD)

    Warum reden Sie nicht über diesen Zusammenhang,

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Die sind nicht zur Hälfte von den Sowjets besetzt!)

    daß derjenige, der auf immer weitere Forschung in Rüstung setzt, nicht nur sicherheitspolitisch zweifelhaft handelt, sondern auch ökonomisch unzulänglich?

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Herr Rechtsanwalt, ich schenke Ihnen mal einen Globus! — Weiterer Zuruf des Abg. Reddemann [CDU/CSU])

    Seit geraumer Zeit — meine Damen und Herren, Sie werden das mitverfolgt haben, auch Sie — beschließen die Fernsehanstalten ihre Programme bekanntlich mit der Nationalhymne.

    (Reddemann [CDU/CSU]: Das stört Sie!)

    Wir hören die Hymne, sehen die Fahnen wehen und
    lesen den Text. Der Text handelt von Einigkeit und



    Schröder (Hannover)

    von Recht und Freiheit und von „brüderlich mit Herz und Hand".

    (Dr. Waigel [CDU/CSU]: Das ist schon schöner als die Internationale!)

    Doch die Politik dieser Bundesregierung wird dieser Hymne nicht mehr gerecht;

    (Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/CSU — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Unverschämt!)

    denn Sie einigen nicht unser Volk, Sie spalten die Arbeitnehmerschaft. Und Sie tun das bewußt.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Demagoge!)

    Ihre Politik verteidigt nicht gleiches Recht für alle, sondern Sie legitimieren das Recht des Stärkeren.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ganz übel!)

    Und die Freiheit, die Sie meinen, erschöpft sich in Gewerbefreiheit, ist die Freiheit dessen, der Geld genug hat, sie auch zu nutzen.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Das ist der Gipfel der Dreistigkeit! Schlimmer geht es nicht! — Dr. Waigel [CDU/CSU]: Sie genießen die Freiheit des Hetzens! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    Und es geht nicht brüderlich zu, weil solidarisches Verhalten von Ihnen heruntergemacht, ja, verhöhnt wird.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Volksfrontmanier! — Zuruf von rechts: Mieser Demagoge!)

    Ich denke, für diese Regierung müßte eine neue Hymne geschrieben werden. Ich habe Ihnen einige Begriffe genannt, die dafür in Frage kommen: Egoismus und Zwietracht und Spaltung. Über die Freiheit jenseits sozialer Verantwortung wäre darin zu spielen, wenn es Ihre Hymne wäre — auch von der Leistung, die alle erbringen müssen, damit es sich für wenige besonders lohnt. Da klänge nichts in Ihrer Hymne von Brüderlichkeit.

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Das ist nicht Ihre Hymne, das ist nur unsere Hymne, was?)

    Es wäre eine von geradezu synthetischer Kälte, eben so, wie Ihre Politik in Wahrheit beschaffen ist.

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Ihre Hymne ist die Internationale, was?)

    In der Mitte des letzten Jahrzehnts haben Sie den Kampf um die politischen Begriffe begonnen. Ihr Ziel war in Wirklichkeit die Zerstörung von Werten, für die wir stehen.

    (Beifall bei der SPD)

    Gleichheit haben sie Gleichmacherei genannt. Die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit war und ist Ihnen Anspruchsdenken. Entspannung, Sich-Vertragen nannten Sie Schwäche und Ausverkauf nationaler Interessen. — Diese Umwertung von Werten — das sage ich ganz deutlich — verstößt gegen Geist und Inhalt unserer Verfassung.

    (Beifall bei der SPD — Link [Diepholz] [CDU/CSU]: Sie sind noch schlimmer als Ravens, Herr Schröder!)

    Wir gehen davon aus, daß eine Gesellschaft auf Dauer nur dann friedlich bleibt, wenn es auch das Recht des Schwachen und nicht nur das des Starken gibt,

    (Beifall bei der SPD)

    wenn die Chancen nicht von vornherein nach Geburt und Vermögen verteilt sind.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Pfui Teufel!)

    Wir haben die Erfahrung gemacht, nicht zuletzt in den 70er Jahren, daß eine Gesellschaft, die über Schritte zur sozialen Gerechtigkeit sozialen Frieden herstellt, hoch produktiv, weil hoch motiviert sein kann.

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Das haben wir an der Staatsverschuldung und am Wirtschaftsrückgang gemerkt!)

    Ungeachtet Ihres Krakeelens, Herr Klein,

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Sie krakeelen schon seit einer halben Stunde!)

    sage ich Ihnen: Die Menschen in unserem Lande beginnen gegen den Ungeist Ihrer Politik aufzustehen,

    (Beifall bei der SPD)

    in den Gewerkschaften und in den Kirchen, in der Friedensbewegung und in den Bürgerinitiativen.

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Und bei den Kommunisten!)

    Ich weiß: Ohne dieses neue Engagement dort gibt es keine neue Politik. Aber alle müssen wissen: Ohne die Veränderung von Mehrheiten zerbricht dieser andere Geist an Ihrer Macht.

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Gott sei Dank! — Zuruf von der SPD: Unglaublich! „Gott sei Dank" hat er gesagt!)

    Doch der Prozeß der Veränderung — Sie wissen es gut — hat bereits begonnen. Er hat im Saarland begonnen, hat sich bei den Kommunalwahlen in Hessen fortgesetzt und hat in Nordrhein-Westfalen zunächst seinen Abschluß gefunden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wie war es in Berlin?)

    Eines sage ich Ihnen: In Niedersachsen wird sich am 15. Juni nächsten Jahres eine Sache glasklar entscheiden, nämlich die, ob es gelingt, den sozialstaatlichen Geist unserer Verfassung auf Dauer zu erhalten, oder ob eben der Ihnen ausgeliefert bleibt.
    Denjenigen, die mir zugehört haben — bei Ihnen von der CDU/CSU waren das sehr wenige —, sage ich sehr herzlichen Dank und denen, die es nicht getan haben: Machen Sie so weiter mit Ihrer Störe-



    Schröder (Hannover)

    rei; die Bürger werden Ihnen schon die Quittung geben.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD — Reddemann [CDU/CSU]: Die SPD ist auf den Schröder gekommen!)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mischnick.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Mischnick


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schröder, ich bin sehr froh darüber, daß Sie hier gesprochen haben. Denn das macht es mir leichter, mich schon jetzt auf das einzustellen, was Sie offensichtlich im Wahlkampf in Niedersachsen Tag für Tag von sich geben wollen. Dies zeigt aber auch, daß Sie, nachdem Sie beklagt haben, man würde Ihnen vorwerfen schwarzzumalen, der Schwarzmaler in Person gewesen sind.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Denn alles, was Sie hier gesagt haben, war an der Grenze dessen, was Le Bon demagogisch genannt hätte.

    (Duve [SPD]: Lesen Sie mal genau nach! — Zuruf von der CDU/CSU: Das war auf der anderen Seite!)

    — Doch, doch, doch. Ich habe es bewußt so ausgedrückt, weil ich seit Jahrzehnten in diesem Hause bin und weiß, wie weit ich gehen kann mit einer Bemerkung und wie weit ich nicht gehen kann. Sie können doch erwarten, daß ich diese Grenzen einhalte.

    (Duve [SPD]: Wessen Wahlkampf wollen Sie denn machen? — Zander [SPD]: Das werden wir sehen!)

    — Einen sachlichen; das ist der Unterschied zu Ihnen.
    Wenn ich mir Ihre einzelnen Punkte vornehme, dann kann ich nur sagen: Ich bedaure sehr, daß mit dem Hinweis, da seien die Deutschnationalen, da sei der Stahlhelm wieder aufgetaucht,

    (Zander [SPD]: Der Geist ist wieder da!)

    das, was wir vor fünf, vor zehn Jahren hier im Hause beklagt haben — daß nach der anderen Seite kommunistische Vergangenheit vorgeworfen würde —, hier aufgewärmt werden soll. Wer so handelt, der setzt die Einigkeit aufs Spiel, der spaltet, der treibt auseinander und führt nicht zusammen, was hier in diesem Lande an Demokraten zusammenhalten sollte.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wenn Sie mit Recht davon sprechen, daß wir heute, 1985, in Europa leider mehr Waffen haben — das stimmt —, dann müssen Sie bitte auch hinzufügen: Trotz dieser mehr Waffen in Europa ist es gelungen, in Europa Frieden zu erhalten. Hat nicht vielleicht das Gleichgewicht — ja, es hat — die entscheidende Voraussetzung dafür geschaffen, daß wir den Frieden erhalten konnten? Das haben Sie mit uns gemeinsam über ein Jahrzehnt lang vertreten. Warum entfernen Sie sich von allen Grundlagen, die Sie gestern noch für richtig gehalten haben?

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zander [SPD]: Hatten wir nun eine Wende, oder hatten wir keine Wende?)

    Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, daß es noch eine hohe Arbeitslosigkeit gibt. Das bestreitet niemand von uns. Nur, warum verschweigen Sie, daß eben — im Gegensatz zu einer Politik ständiger Arbeitsbeschaffungsprogramme — die Politik, die wir seit drei Jahren durchgeführt haben, die Zahl der Arbeitsplätze systematisch erhöht hat? Bereits zu Beginn dieses Jahres hatten wir mehr Arbeitsplätze als 1969. Das zeigt doch, daß dieser Weg erfolgreich und nicht, wie Sie behaupten, ein falscher Weg gewesen ist.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Nun sagen Sie, Herr Kollege Vogel, wir würden die Beschäftigungsprogramme, die doch bestimmte Arbeitsplatzsicherungen mit sich gebracht haben, verleugnen. Wir verleugnen sie nicht! Wir haben sie nie verleugnet. Wir haben nur festgestellt, daß die Wirkung dieser Programme begrenzt war, daß Arbeitsplätze nur für eine gewisse Zeit gerettet wurden. Die strukturellen Veränderungen aber, die notwendig waren, sind eben nicht bewirkt worden, und das hat dazu geführt, daß danach die Arbeitslosigkeit um so größer gewesen ist.

    (Zander [SPD]: „Größer" ist eine Behauptung!)

    Deshalb wollen wir diesen Fehler nicht noch einmal machen.
    Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von der SPD, genau das ist damals doch auch von Ihrem Kanzler, von Ihren Mitgliedern des Kabinetts und von Ihren Fraktionsvorständen erkannt worden. Die Umkehr von diesem Weg begann doch bereits in den Jahren 1980/81. Das war sehr mühselig. Mitten auf diesem Weg war es Ihnen dann zu mühselig geworden; da waren Sie müde geworden, diesen Weg mitzugehen. Wir gehen ihn jetzt in dieser Koalition gemeinsam zu dem guten Ende, das wir damals schon vor Augen hatten, während Sie nicht den Mut und auch nicht die Tapferkeit gegenüber den eigenen Reihen aufbrachten, das durchzusetzen, was im Interesse der Menschen notwendig war. Das ist doch der wahre Sachverhalt!

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wenn Sie jetzt davon sprechen, wir würden den sozialen Konsens in Frage stellen, wenn Sie, Herr Schröder, fragen, wo die Leistung des Bauern oder des Meisters bleibt, sage ich Ihnen: Sehen Sie sich doch einmal die Weiterentwicklung der Agrarsozialpolitik an, die wir gerade vor wenigen Tagen beschlossen haben. Da ist die Leistung des Bauern durch Verbesserungen bestätigt und anerkannt worden. Oder nehmen wir die Leistung des Meisters: Ist Ihnen denn entgangen, daß jede zuverdiente Mark heute bereits zu 40 oder 50 % weggesteuert wird? Wir wollen doch die Steuerreform gerade, damit die Mehrleistung des Meisters nicht gleich in die höchste Progression hineinführt. Es



    Mischnick
    soll mehr für ihn bleiben, damit sich eben die Leistung lohnt. Vergessen Sie das alles?

    (Zander [SPD]: Die Welt fängt für Sie beim Meister an! — Weitere Zurufe von der SPD)

    — Verehrter Herr Kollege, Sie sagen, der Erfolg lohne sich nicht? Da kann ich mich nur wundern, wieso Sie bereit waren, mit uns ähnliche Entscheidungen zu treffen, wenn diese auch nicht den Umfang hatten, den wir uns jetzt vorgenommen haben. Sie waren doch mit uns der Meinung, daß die Proportionalzone erweitert werden muß und daß die Progression später beginnen soll. Haben Sie auch das alles vergessen?
    Deshalb, wenn Sie diese Punkte schon ansprechen, dann bitte mit etwas mehr Nüchternheit und mehr Redlichkeit, nicht mit so vielen Verdächtigungen und Unterstellungen, die der Sache überhaupt nicht gerecht werden.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)