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ID1017601600

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/176 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 176. Sitzung Bonn, Dienstag, den 26. November 1985 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg Ronneburger 13229 A Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1986 (Haushaltsgesetz 1986) — Drucksachen 10/3700, 10/4101 — Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes — Drucksachen 10/4154, 10/4180 — Dr. Vogel SPD 13229 B Dr. Dregger CDU/CSU 13241A Schmidt (Hamburg-Neustadt) GRÜNE 13248 D Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 13252 D Dr. Kohl, Bundeskanzler 13259 D Schröder (Hannover) SPD 13269 B Mischnick FDP 13275A Rühe CDU/CSU 13278 C Vizepräsident Stücklen . . . . 13279A, 13282A Namentliche Abstimmung 13282 A Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts — Drucksachen 10/4155, 10/4180 Voigt (Frankfurt) SPD 13284 A Dr. Stercken CDU/CSU 13287 C Frau Borgmann GRÜNE . . . . 13290A, 13307A Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 13292 B Genscher, Bundesminister AA 13294 D Gansel SPD 13299 D Dr. Rose CDU/CSU 13302 B Würtz SPD 13305 A Klein (München) CDU/CSU 13307 C Frau Huber SPD 13308 C Vizepräsident Stücklen 13286 A Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — Drucksachen 10/4164, 10/4180 — in Verbindung mit Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte — Drucksache 10/4175 — Kleinert (Marburg) GRÜNE (zur GO) . 13311C Löher CDU/CSU 13312 B Frau Traupe SPD 13313 B Frau Seiler-Albring FDP 13316 C Lange GRÜNE 13318 D Dr. Friedmann CDU/CSU 13321 B Kleinert (Marburg) GRÜNE 13324A Walther SPD 13325 A II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. November 1985 Dr. Dregger CDU/CSU 13327 B Dr. Wörner, Bundesminister BMVg . . 13328 B Jungmann SPD 13332 C Wimmer (Neuss) CDU/CSU 13334 C Namentliche Abstimmung 13335 D Ergebnis 13341 C Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit — Drucksachen 10/4170, 10/4180 — Esters SPD 13336 B Borchert CDU/CSU 13337 D Volmer GRÜNE 13339 C Frau Seiler-Albring FDP 13343 A Dr. Warnke, Bundesminister BMZ . . 13344 C Ströbele GRÜNE (Erklärung nach § 30 GO) 13347 C Dr. Warnke, Bundesminister BMZ (Erklärung nach § 30 GO) 13348 B Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen — Drucksachen 10/4170, 10/4180 — Dr. Diederich (Berlin) SPD 13348 D Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 13350 D Dr. Schierholz GRÜNE 13353 C Ronneburger FDP 13355 A Hiller (Lübeck) SPD 13357 B Windelen, Bundesminister BMB . . . 13358 D Dr. Vogel SPD 13361 C Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt — Drucksachen 10/4151, 10/4180 — . . . 13362 C Einzelplan 02 Deutscher Bundestag — Drucksachen 10/4152, 10/4180, 10/4327 — 13362 D Einzelplan 03 Bundesrat — Drucksachen 10/4153, 10/4180 — . . 13363A Nächste Sitzung 13363 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 13364* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. November 1985 13229 176. Sitzung Bonn, den 26. November 1985 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 28. 11. Böhm (Melsungen) 26. 11. Bueb 29. 11. Büchner (Speyer) * 29. 11. Collet 29. 11. Egert 26. 11. Frau Eid 29. 11. Ertl 29. 11. Gallus 26. 11. Dr. Haack 27. 11. Höffkes 27. 11. Dr. Hupka 26. 11. Jäger (Wangen) * 29. 11. Jung (Düsseldorf) 26. 11. Junghans 29. 11. Kalisch 26. 11. Kastning 26. 11. Kittelmann * 29. 11. Klose 29. 11. Dr. Kreile 29. 11. Leonhart 29. 11. Lutz 26. 11. Michels 26. 11. Dr. Müller * 29. 11. Nagel 29. 11. Dr. Olderog 29. 11. Oostergetelo 26. 11. Petersen 26. 11. Rappe (Hildesheim) 26. 11. Frau Rönsch 26. 11. Rühe 28. 11. Schlaga 29. 11. Frau Schmidt (Nürnberg) 29. 11. Schmidt (Wattenscheid) 29. 11. Dr. Schwenk (Stade) 27. 11. Dr. Todenhöfer 29. 11. Voigt (Sonthofen) 26. 11. Frau Wagner 28. 11. Werner (Dierstorf) 29. 11. Frau Dr. Wex 29. 11. Zierer 29. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, das, was der Kollege Bangemann zum Schluß hier gesagt hat, gibt eigentlich den Eindruck richtig wieder, den die Rede des Sprechers der SPD-Fraktion, des Kollegen Dr. Vogel, hinterlassen hat: Nach drei Jahren Opposition sind Sie schlicht und einfach gescheitert.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Tatge [GRÜNE]: Da haben Sie viel gemeinsam!)

    Es gibt nicht eine einzige Prognose von Ihnen in diesen drei Jahren, die nicht von der Entwicklung überholt und widerlegt wurde. Ich nenne in diesem Augenblick nur zwei Beispiele.

    (Mann [GRÜNE]: Sie aber sind Hoffnungsträger!)

    In den letzten Tagen waren es zwei Jahre, daß hier die Abstimmung über die Resolution zur Stationierung der amerikanischen Mittelstreckenwaffen stattfand. Wer sich die Mühe macht — und ich denke, die Nachdenklichen unter Ihnen tun das vielleicht doch —, heute noch einmal Ihre Reden in dieser Debatte vor zwei Jahren nachzulesen, muß doch einfach zugeben: Sie haben sich in allen Punkten getäuscht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Nichts von dem, was Sie vor genau zwei Jahren vorausgesagt haben, ist eingetreten.

    (Ströbele [GRÜNE]: Die Raketen stehen!)

    Und was noch viel schlimmer ist: Sie haben ja damals nicht nur hier so gesprochen, sondern Sie haben draußen im Land in einer groß angelegten Kampagne Angst und Kriegsfurcht verbreitet. Sie haben den Menschen eine tiefe Depression eingeredet.

    (Mann [GRÜNE]: Sie sind ein Verdrehungskünstler ersten Ranges!)

    Die Wahrheit ist, daß nach zwei Jahren die Politik und die Geschichte über Sie hinweggegangen sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Mann [GRÜNE]: Das werden wir noch sehen, über wen die Geschichte hinweggeht!)

    Das, was mein Amtsvorgänger Helmut Schmidt der NATO zugesagt hatte — Stichwort: NATO-Doppelbeschluß —, was wir nach wahrlich intensiven, manchmal auch bitteren Diskussionen in den eigenen Reihen für richtig und notwendig gehalten und durchgesetzt haben, haben Sie in einer kritischen Stunde der Geschichte unseres Landes als falsch verworfen. Sie bestehen mit diesem Urteil vor der Geschichte nicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Lachen bei der SPD — Zuruf der Abg. Frau Fuchs [Köln] [SPD] — Rusche [GRÜNE]: Die Geschichte ist noch nicht zu Ende!)

    Dieses erste Beispiel finde ich für Sie besonders nachdenkenswert, weil es — ich komme auf Ihren Begriff der Geschichte noch zu sprechen — in einen Bereich der Politik hineinführt, in dem Schäden sehr leicht irreparabel sind. Daß Sie sich im Bereich der Wirtschafts-, der Sozial- und der Finanzpolitik getäuscht haben, wundert mich nicht. Sozialisten verstehen von diesen Dingen nirgendwo etwas, auch nicht hier bei uns in der Bundesrepublik Deutschland.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD — Mann [GRÜNE]: Penetrant!)

    Herr Abgeordneter Vogel, das einzige, was Sie anzubieten haben, ist Sozialneid, ist ein blanker sozialistischer Egoismus,

    (Zuruf der Abg. Frau Fuchs [Köln] [SPD] — Mann [GRÜNE]: So was Dummes! Solche Sprüche!)

    aber nicht die Fähigkeit,

    (Dr. Vogel [SPD]: Was wollen Sie denn? Nächstenliebe!)

    Menschen in einem Land zusammenzubringen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe des Abg. Dr. Soell [SPD] und des Abg. Gansel [SPD])

    Sie dürfen versichert sein, daß das, was Sie uns als
    Ihre Erblast hinterlassen haben, am Ende dieser
    Legislaturperiode mit dem verglichen werden wird,
    was wir gemeinsam mit vielen, die guten Willens sind, in diesen vier Jahren leisten konnten.

    (Zuruf des Abg. Dr. Soell [SPD])

    Herr Abgeordneter Vogel, Sie begannen in der Ihnen eigenen Weise mit einem Appell an die Fairneß. Dann haben Sie sich plötzlich mit ganz erstaunlichen Aspekten der Geschichte der Weimarer Republik zugewandt. Sie haben Friedrich Ebert in diese Debatte einbezogen. Ich gehe davon aus, daß es überhaupt kein Mitglied dieses Hohen Hauses gibt, das nicht mit höchstem Respekt des ersten Reichspräsidenten der deutschen Republik gedenkt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich verstehe überhaupt nicht — oder ich will es schärfer formulieren: Wie erbärmlich muß eigentlich Ihre intellektuelle Grundposition sein in einer solchen Debatte, wenn Sie jetzt den Streit, den Rechts- und Linksradikale in der Weimarer Zeit gegen Ebert geführt haben, in diesen Saal hineinziehen?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: „Verzichtspolitiker"!)

    Ich stehe hier auch als Vorsitzender der Christlich Demokratischen Union Deutschlands. Die Christlich Demokratische Union Deutschlands ist die Nachfolgepartei von einer ganzen Reihe Parteien der Weimarer Zeit.

    (Zuruf von der SPD: Auch der Deutschnationalen?)

    — Entschuldigung, auch von Teilen der Deutschnationalen Volkspartei. Wenn Sie zu einem differenzierten Urteil nicht fähig sind, dann lernen Sie erst einmal etwas aus der Geschichte von Weimar,

    (Dr. Vogel [SPD]: Das müssen Sie sagen!)

    von dem Grafen Westarp und vielen anderen, die die Gefahr Hitlers lange vor vielen erkannt hatten, die auf dem linken Flügel herumgeisterten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Und von Hugenberg?!)

    Was mich so betroffen macht, Herr Abgeordneter Vogel, ist,

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Das ist unglaublich!)

    daß Sie ausgerechnet am heutigen Tag so etwas in die Debatte einführen; denn heute ist ja der hundertste Geburtstag von Heinrich Brüning. Heute ist eigentlich ein Tag, an dem man für einen Augenblick in die Geschichte unseres Landes zurückblikken und versuchen sollte, aus Geschichte zu lernen. Das, was wir daraus gelernt haben — ich hoffe, das kann ich wenigstens auch für die Sozialdemokraten sagen; solche Zustimmung von Ihnen, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, zu erwarten, hat wahrscheinlich keinen Sinn —, ist doch die Erkenntnis, daß Bonn nicht Weimar ist und niemals Weimar werden darf.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Richtig!)




    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Aber wenn das so ist, lassen Sie uns doch um Gottes willen auch darauf verzichten, Vergleiche in die Debatte einzuführen, die historisch falsch, abwegig, töricht sind

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: „Und dumm!")

    und die im übrigen vor allem jene verwirren, die sich nie mit der Geschichte der Weimarer Zeit beschäftigt haben.

    (Rusche [GRÜNE]: Haben Sie das denn?)

    Herr Abgeordneter Vogel, was soll es, wenn Sie im Zusammenhang mit meinem Vorschlag, ein Museum der deutschen Geschichte in Berlin zu begründen, ein Haus der Geschichte der Bundesrepublik in Bonn zu begründen, endlich ein Mahnmal für die Opfer von Krieg und Gewalt in Bonn zu errichten, vom Flaggenstreit der Weimarer Zeit — schwarz-rot-gold, schwarz-weiß-rot — sprechen?

    (Dr. Vogel [SPD]: Konsens habe ich verlangt! Das haben Sie genau gehört!)

    — Herr Vogel, es geht Ihnen doch nicht um den Konsens. Es geht Ihnen hier doch um die Darstellung eines Sachverhalts, die rundum falsch ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Verdrehungen!)

    Sie wollen doch ganz bewußt, und zwar ganz polemisch,

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Wer ist denn polemisch?)

    einen Vorgang in eine bestimmte ideologische Ecke bringen, in die er überhaupt nicht gehört.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Unglaublich! Amoklauf! — Zuruf von den GRÜNEN: Vielleicht gehören Sie in die Ecke!)

    Im übrigen, Herr Abgeordneter Vogel, hätten Sie besser einmal die Frage beantwortet, warum Sie in den Jahren von 1969 bis 1982 nicht selbst vergleichbare Vorschläge gemacht haben, wenn Ihr Bekenntnis zur Geschichte so ernsthaft ist, wie Sie behaupten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Das haben wir doch gemacht! Sie bauen doch darauf auf!)

    Warum haben Sie und die von Ihnen geführten Regierungen nicht Vergleichbares getan?

    (Dr. Vogel [SPD]: Jetzt kommen wieder die „vaterlandslosen Gesellen"!)

    Es ist doch schlicht und einfach so, daß Sie daran überhaupt nicht gedacht haben. Es hatte j a auch gute Gründe, warum Sie nicht daran gedacht haben.

    (Gansel [SPD]: Das haben Sie in der Provinz nicht mitgekriegt! — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Da waren Sie doch in Mainz, Herr Bundeskanzler!)

    Herr Abgeordneter Vogel, wenn Sie davon sprechen, daß Sie einen Konsens in Fragen der Geschichte herbeiführen wollen, kann ich Sie nur fragen: Warum sagen Sie das heute? Warum haben Sie beispielsweise im Bundesland Hessen, das Sie damals zu einem sozialistischen Bundesland machen wollten und jetzt zu einem Prototyp des Zusammengehens mit den GRÜNEN machen wollen,

    (Sehr gut! bei den GRÜNEN)

    in den 70er Jahren zugelassen — damals waren Sie doch schon ein führender Repräsentant sozialdemokratischer Politik —, daß in den Oberstufen der Gymnasien Geschichte als Fach abgeschafft wurde,

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    daß es mit Gemeinschaftskunde und Geographie zusammengelegt wurde. Sie, der sie sich doch immer gern auf Subsidiarität beziehen, mußten erst von den hessischen Eltern vor dem Hessischen Staatsgerichtshof dazu gezwungen werden, diesen geschichtslosen Blödsinn aufzugeben.
    Das heißt, Herr Abgeordneter Vogel, in Sachen Geschichte brauchen wir keine Nachhilfe von Ihnen. Sorgen Sie lieber dafür, daß der Wähler 1987 verbindlich die Wahrheit erfährt, ob Sie die Präambel des Grundgesetzes ändern wollen oder nicht. Das ist die Frage, die ich Ihnen zu stellen habe.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Mann Oggersheim!)


    (GRÜNE): Geschichtsschreibung à la

    Reden Sie nicht von Konsens in Fragen der deutschen Geschichte, wenn Sie offensichtlich in der eigenen Partei nicht in der Lage sind, eine übereinstimmende Meinung herbeizuführen.
    Meine Damen und Herren, wir haben heute hier in der Generaldebatte über den Haushalt selbstverständlich auch zu sprechen über das sehr wichtige Ereignis der vergangenen Woche, die Gipfelbegegnung zwischen Präsident Reagan und Generalsekretär Gorbatschow. Die Ergebnisse dieses Treffens werden unseren Erwartungen in hohem Maße gerecht. Sie stellen einen wichtigen Beitrag zur Sicherung des Friedens in der Welt dar. Der vorsichtige Optimismus, den ich in vielen Monaten immer wieder erklärt habe — und den Sie so gerne verspottet haben, Herr Abgeordneter Vogel —, hat sich bewährt, hat sich als richtig erwiesen. Die Ergebnisse waren nur möglich, weil beide Seiten bereit waren, miteinander zu sprechen. Sie waren möglich durch das persönliche Engagement des amerikanischen Präsidenten und seine Entschlossenheit, diesen Gipfel zum Erfolg zu führen. Wir danken dem Präsidenten dafür, weil dies für uns eine wichtige Entscheidung war und ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich möchte in diesem Zusammenhang auch deutlich machen, daß wir als Bundesregierung die konstruktive Rolle von Generalsekretär Gorbatschow in Genf sehr wohl zu würdigen wissen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Hört! Hört! bei den GRÜNEN — Mann [GRÜNE]: Ganz neue Töne!)




    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Der Genfer Gipfel ist in mehrfacher Hinsicht ein beachtlicher Erfolg. Er hat bereits im Vorfeld konkrete positive Wirkungen gehabt. Schon vor der Gipfelbegegnung ist eine neue Dynamik in den West-Ost-Beziehungen entstanden, weil beide Seiten gehalten waren, die Probleme neu zu durchdenken und sich über Verhandlungsziele klarzuwerden. Bereits die Vorbereitung hat dazu geführt, daß die Sowjetunion weitreichende Vorschläge für die Genfer Abrüstungsverhandlungen eingeführt hat. Zum erstenmal in der Geschichte der Rüstungskontrolle ist die Sowjetunion bereit, drastische Reduzierungen von 50 % in ihre Überlegungen einzubeziehen. Diese sowjetischen Vorschläge, meine Damen und Herren, und die weiterführenden amerikanischen Gegenvorschläge sind gute Ausgangspositionen für die weiteren Verhandlungen.
    Der Gipfel hat das Verstehen und das Kennenlernen der beiden Verhandlungspartner gefördert. Das ist auch ein Stück Vertrauensbildung zwischen den Weltmächten. Der Präsident der Vereinigten Staaten und der Generalsekretär der Sowjetunion haben vereinbart, den Dialog kontinuierlich auf allen Ebenen fortzuführen. Bereits für das kommende Jahr wurde ein Treffen in den USA und für das Jahr darauf ein weiteres in der UdSSR vereinbart.
    Meine Damen und Herren, das ist der von uns immer gewünschte Einstieg in eine neue Phase der Ost-West-Beziehungen. Damit ist auch die Absicht der beiden Verhandlungsführer der Weltmächte klar erkennbar, diesen ersten Gipfel als den Beginn eines Prozesses zur Verbesserung der Beziehungen zu begreifen. Dieser Gipfel hat schließlich — und Sie haben auch dies nicht erwartet — in Form einer Erklärung ein Schlußdokument zustandegebracht, in dem ganz wesentliche Punkte in unserem Sinne aufgegriffen und diskutiert werden. Der Text enthält vor allem — natürlich trotz fortbestehender Meinungsunterschiede — eine Reihe von Punkten, auf die man sich einigen konnte: Dazu gehören ein Bekenntnis zur Zusammenarbeit und selbst Hinweise auf Gesprächsfähigkeit im Bereich der Menschenrechte. Dieses Ergebnis war möglich, weil der Präsident der Vereinigten Staaten — und das habe ich aus nächster Nähe beobachten können — diesen Gipfel in einer sehr entschiedenen Weise mit vorbereitet hat.

    (Mann [GRÜNE]: Diese Nähe ist Ihnen immer besonders wichtig! — Gansel [SPD]: Sie hätten nicht zugucken, sondern etwas tun sollen, Herr Bundeskanzler!)

    — Wenn ich mir vorstelle, was Sie in den ganzen Jahren getan haben: Sechs Jahre gab es keine Gipfelbegegnungen. Drei Jahre bin ich im Amt. Was haben Sie eigentlich in den drei Jahren davor getan?

    (Beifall bei der CDU/CSU — Lachen und Zurufe von der SPD)

    Sie haben doch in Wahrheit außer parteiinternem
    Streit, ob Sie den NATO-Doppelbeschluß durchführen oder nicht, nichts zu der Entwicklung beigetragen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Widerspruch bei der SPD)

    Die Entscheidung für die Stationierung, die mein Amtsvorgänger angekündigt und versprochen hatte — und Sie haben das Wort gebrochen —, die Entscheidung zur Verbesserung der Lage unserer Bundeswehr, die Stärkung der Allianz, das alles war unser Beitrag, der es möglich gemacht hat, daß Genf zustande kam.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Gansel [SPD]: Drei Jahre Aufrüstung für ein Abrüstungsgespräch!)

    Ich weiß, es lohnt sich nicht, meine Damen und Herren, Ihre Reden im Bundestag nachzulesen. Aber als ich im Sommer 1983 aus Moskau zurückkam, hier einen Bericht erstattet und darauf hingewiesen hatte, daß ich es für nützlich hielte — damals war noch Generalsekretär Andropow im Amt —, daß der Präsident der Vereinigten Staaten und der Generalsekretär möglichst bald zusammenkämen, waren Sie von dieser Ansicht nicht nur nicht angetan, sondern haben den Ihnen zur Verfügung stehenden Spott und Hohn angewandt, um ein solches Unterfangen möglichst lächerlich zu machen.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Das stimmt nicht!)

    Meine Damen und Herren, ich habe zu dieser Meinung in diesen drei Jahren gestanden, und ich habe recht behalten. — Das sage ich heute aus gutem Grund auch hier im Deutschen Bundestag.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Mann [GRÜNE]: Sie sind ein Rechthaber!)

    Unsere Politik hat wesentlich zur Stabilisierung des Bündnisses beigetragen. Die Solidarität und die Festigkeit der Bundesregierung und der anderen Bündnispartner auch im Zusammenhang mit der SDI-Forschung haben der öffentlichen Diskreditierung des Programms durch die Sowjetunion wenig Chancen gegeben. In diesem Zusammenhang verweise ich außerdem auf unseren konsequenten Einsatz für die gegenseitige Respektierung von SALT II, auf unser erfolgreiches Bemühen um eine enge Auslegung des ABM-Vertrags, in dessen Rahmen die SDI-Forschungen erfolgen. Und wir haben erfolgreich darauf hingewirkt, daß die USA noch vor der Gipfelbegegnung eigene Rüstungskontrollvorschläge eingebracht haben.
    Die Erklärung von Genf enthält klare Bekenntnisse zur Fortsetzung des Dialogs. Es kommt jetzt darauf an, daß beide Seiten mit ihren Direktiven an die Verhandlungspartner auch Taten folgen lassen.

    (Mann [GRÜNE]: Da sind wir aber mal gespannt!)

    Meine Damen und Herren, wir sind zuversichtlich, daß die Auflockerung des amerikanisch-sowjetischen Verhältnisses konstruktive Auswirkungen auf das West-Ost-Verhältnis im allgemeinen haben wird, daß auch die mittleren und kleineren Staaten in West und Ost — und dazu gehören wir — ihren



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Beitrag leisten können und werden und daß das Gespräch unter allen auf dieser Grundlage erleichtert wird.

    (Mann [GRÜNE]: Sie sind ein echter Hoffnungsträger!)

    Wir erhoffen uns in diesem Zusammenhang eine ungestörtere Entwicklung und Intensivierung unserer Beziehungen zur DDR wie auch der Beziehungen zu allen anderen Warschauer-Pakt-Staaten.

    (Mann [GRÜNE]: Wann kommt denn Herr Honecker?)

    Mit den Absprachen zum politischen Dialog ist eine Voraussetzung erfüllt worden, die nach Meinung der Bundesregierung für die Lösung der Sicherheitsfragen unabdingbar ist. Wir sind immer der Auffassung gewesen, daß wir in den Sicherheitsfragen zwischen West und Ost nur dann zu einem Ergebnis gelangen können, wenn sich auch die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen in beide Richtungen entwickeln, und daß sicherheitspolitische Lösungen nur in Gestalt eines Gesamtpakets erreicht werden können, das das notwendige politische Vertrauen auf beiden Seiten voraussetzt. Der Weg steht offen, und wir sind zuversichtlich, daß er jetzt beschritten werden wird.
    In den zentralen Sicherheitsfragen — und jeder wird dies verstehen — konnte jetzt ein Durchbruch nicht erzielt werden. Die Gegensätze sind immer noch vorhanden. Aber, meine Damen und Herren, es sind Ansätze für wichtige Fortschritte erreicht. Die gemeinsame Verpflichtung, keine einseitige militärische Überlegenheit zu suchen, könnte den Grundstein für einen Sicherheitsdialog bilden, der auf Anerkennung der legitimen Sicherheitsinteressen des jeweils anderen Staates beruht.
    Die Bekräftigung der in der sowjetisch-amerikanischen Vereinbarung vom 8. Januar 1985 enthaltenen wesentlichen Verhandlungsziele stellt ebenfalls einen wichtigen Schritt dar, den Sicherheitsdialog der Großmächte immer mehr zu verstetigen. Unsere vor diesem Treffen in Genf immer wieder geäußerte Hoffnung, Genf möge einen Impuls für die Abrüstungsverhandlungen in der gleichen Stadt bewirken, ist durch das Ergebnis nicht enttäuscht worden. Die Verhandlungsführer bekunden ihre Absicht, „die Arbeiten in diesen Verhandlungen zu beschleunigen, um die Ziele zu erreichen, die in der gemeinsamen amerikanisch-sowjetischen Erklärung vom 8. Januar 1985 festgelegt worden waren, nämlich ein Wettrüsten im Weltraum zu verhindern und es auf der Erde zu beenden sowie die Zahl der Atomwaffen zu begrenzen und zu verringern und die strategische Stabilität zu verbessern". Sie führen weiter aus, daß — ich zitiere — „sie sich für schnellstmöglichen Fortschritt, vor allem in den Gebieten, in denen bereits eine gemeinsame Basis vorhanden ist", einsetzen.
    Meine Damen und Herren, dies ist eine zentrale Absichtserklärung des Generalsekretärs der KPdSU und des amerikanischen Präsidenten.

    (Mann [GRÜNE]: Das ist richtig! Reine Absichtserklärungen sind das!)

    Diese Erklärung kommt deutschen Interessen weitgehend entgegen. Wir haben diese Forderung gegenüber den Weltmächten immer wieder vorgetragen. Wir sind dabei in der Bundesrepublik Deutschland vornehmlich an einer möglichst raschen Lösung des Problems der Mittelstreckenwaffen in Europa interessiert.

    (Mann [GRÜNE]: Dann müssen Sie eine ganz andere Politik machen!)

    Daher begrüße ich es ganz besonders, daß die USA und die UdSSR auf diesem Gebiet eine Zwischenvereinbarung ins Auge gefaßt haben. Die Gemeinsame Erklärung von Genf, meine Damen und Herren, hält darüber hinaus gemeinsame Positionen fest, wie das angemessen anzuwendende Prinzip einer 50%igen Verringerung der Nuklearwaffen der USA und der Sowjetunion.
    Meine Damen und Herren, es ist doch gänzlich unbestreitbar, daß den Interessen der Bundesrepublik Deutschland in wesentlichen Fragen der Sicherheits- und der Rüstungskontrollpolitik in diesem Dokument Rechnung getragen wurde. Ich denke dabei auch an die Bemühungen um Fortschritte bei der Stockholmer Konferenz. Ich denke an die Bemühungen im Zusammenhang mit der deutsch-britischen Initiative im Rahmen von MBFR, die zur Zeit im Bündnis abgestimmt werden. Für uns von besonderer Bedeutung ist die Verabredung der Großmächte, daß sie ein allgemeines und vollständiges Verbot chemischer Waffen sowie die Vernichtung existierender Bestände solcher Waffen anstreben, daß sie die Antrengungen zum Abschluß eines wirksamen und kontrollierbaren internationalen Abkommens in diesem Bereich beschleunigen wollen und daß sie ferner einen Dialog über die Verhütung der Ausbreitung chemischer Waffen einleiten wollen.

    (Mann [GRÜNE]: Die Achtung des Völkerrechts wird heutzutage schon als Erfolg gefeiert!)

    Meine Damen und Herren, wir fühlen uns durch diese Entscheidung weitgehend in der Politik bestätigt, die zu diesem Ziel geführt hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir haben ein wesentlich größeres Vertrauen in eine solche Politik als etwa in eine Vereinbarung, die zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und der SED abgeschlossen wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Mann [GRÜNE]: Legen Sie eine andere Platte auf!)

    Die Erfahrung, die wir jetzt in Genf gemacht haben, hat jenen Zweckpessimismus klar widerlegt, der von bestimmter Seite — hier im Hause nicht zuletzt von den Fraktionen der SPD und der GRÜ-



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    NEN — in den letzten zwei Jahren immer wieder in die Bevölkerung getragen wurde.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, es ist deutlich geworden, daß die Regierung der Bundesrepublik Deutschland ihren international beträchtlichen Einfluß im Sinne einer Lösung der Vernunft einsetzen konnte.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von den GRÜNEN: Lächerlich! — Tatge [GRÜNE]: Eine Leerformel!)

    Die Prognosen und die Irrtümer, meine Damen und Herren von der Opposition, die Sie immer wieder zur Deutschland-, Ost- und Sicherheitspolitik geäußert haben, sind — ich sagte das schon — widerlegt worden. Herr Vogel, ich muß zitieren, weil Sie offensichtlich vergessen haben, was Sie vor zwei Jahren hier gesagt haben:
    Nach all dem, was wir wissen, ist es leider viel wahrscheinlicher, daß es bittterste Rückschläge geben wird. Wir in diesem Hause wissen doch auch, wer dafür vor allem zu zahlen haben wird. Nämlich die Deutschen im anderen deutschen Staat.
    Glauben Sie im Ernst, daß am heutigen Tage irgend jemand in Leipzig oder Dresden Ihrer Prognose noch Glauben schenken kann?

    (Zuruf des Abg. Dr. Vogel [SPD])

    Ferner haben Sie damals gesagt, die Entspannungspolitik werde weiter in den Hintergrund treten. Heute haben Sie hier die Hoffnung ausgedrückt, daß Genf die Entspannungspolitik wiederbelebt. Welche Ihrer Prognosen gilt nun eigentlich?

    (Zustimmung bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Der Abgeordnete Brandt hat hier gesagt — ich zitiere:
    Aus meiner Sicht der Dinge ist leider abzusehen, daß der Einschnitt, der jetzt im Ost-WestVerhältnis bevorsteht, tiefer gehen wird, als es sich die meisten heute vorstellen.
    Herr Brandt konnte sich keine konstruktive Lösung vorstellen. Sie ist trotzdem eingetreten, und wir sind dankbar dafür.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Mann [GRÜNE]: Wir werden sehen!)

    Ein Weiteres ist in Genf jetzt wieder einmal deutlich geworden: Sie, meine Damen und Herren, verkennen, daß unser Handlungsspielraum auch gegenüber dem Osten entscheidend dadurch bestimmt wird, welchen Einfluß die Bundesrepublik Deutschland im Atlantischen Bündnis, in der Europäischen Gemeinschaft und im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten von Amerika besitzt und geltend machen kann. Mit Ihrer Strategie unreflektierter Kritik und mißtrauischer Distanz gegenüber den Vereinigten Staaten sind Sie trotz der hier heute bekundeten positiven Einstellung zum Ergebnis des Gipfels von Genf auf dem besten Wege, sich von dem wiederaufgenommenen West-Ost-Dialog abzukoppeln und zwischen alle Stühle zu setzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP — Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    Meine Damen und Herren, wenn Sie sich bei Ihren Zusammenkünften in der Sozialistischen Internationale gelegentlich einmal von Ministerpräsident Craxi, von Ministerpräsident Conzales oder von Präsident Mitterrand beraten ließen, wäre das ein Segen für die deutsche Politik!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Zur SDI-Diskussion will ich heute nur folgendes feststellen: Ich bleibe bei meiner Erklärung, daß SDI-Forschung im Rahmen des ABM-Vertrages — auch angesichts der Forschung in der Sowjetunion — gerechtfertigt ist. Ich habe schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt darauf hingewiesen, daß Notwendigkeit und etwaiger Umfang weltraumgestützter Verteidigungssysteme immer auch im Zusammenhang mit der Möglichkeit einschneidender Verminderungen bei nuklearen Offensivwaffen in Ost und West gesehen werden müssen. Unserer Auffassung nach kommt es jetzt in Genf darauf an, die Chancen zur. Rüstungskontrolle, die ganz offenbar in SDI liegen, zu nutzen. Es geht insbesondere darum, die von uns allen gewünschte drastische Verringerung der Zahl der nuklearen Angriffswaffen zu vereinbaren, ein Einvernehmen über das Verhältnis von offensiven und defensiven Waffen mit dem Ziel höchster strategischer Stabilität zu erreichen, sich über die Grenzen ABM-konformer Forschung an Verteidigungssystemen zu verständigen und schließlich Einvernehmen über Art und Umfang zulässiger Verteidigungssysteme zu erreichen.
    Meine Damen und Herren, der Genfer Gipfel hat die zwischen den Weltmächten bestehenden Hauptprobleme natürlich noch nicht lösen können, aber es sind erste Ansätze für einen Weg der Vernunft gemacht worden. Es bleibt die große Herausforderung an Ost und West, die Genfer Beratungen für die Entwicklung des Dialogs zu nutzen und die strategische Stabilität zwischen West und Ost im Wege kooperativer Lösungen zu stärken.
    Wir Deutschen sind mehr als alle anderen Völker dieser Erde an einer positiven Entwicklung dieses Dialogs interessiert,

    (Rusche [GRÜNE]: Und deswegen rüsten wir auf!)

    denn für uns ist entscheidend, daß sich auf dem Wege der Vertrauensbildung auch die Chancen, daß in Deutschland die Menschen zueinander kommen, verbessern können.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Aufgabe so verstandener Deutschlandpolitik für die nächste Zukunft ist es, durch ganz konkrete Taten den Dialog im Sinne einer Verbesserung der Lage fortzusetzen.
    Das Ergebnis von Genf bestätigt und festigt mich in meiner Überzeugung, die ich am 12. März bei meinem Zusammentreffen mit Generalsekretär



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Honecker mit ihm gemeinsam so ausgedrückt habe, daß die Wiederaufnahme des Dialogs der Großmächte Möglichkeiten zu einer neuen Phase in den West-Ost-Beziehungen eröffnet, wobei ich natürlich auch immer an die Beziehungen bei uns in Deutschland gedacht habe.
    Durch mein Gespräch mit Generalsekretär Honecker in Moskau und durch die gemeinsame Erklärung ist auch positive Bewegung in die innerdeutschen Beziehungen gekommen, und wir werden diesen Weg weitergehen. Die erwähnte positive Entwicklung hat greifbare Ergebnisse gebracht. So wird der innerdeutsche Handel in diesem Jahr ein Volumen von über 16 Milliarden Verrechnungseinheiten erreichen. Beide Seiten signalisieren damit ihre unveränderte Absicht, die Wirtschaftsbeziehungen weiter auszubauen. Die Zahl der Reisen in dringenden Familienangelegenheiten aus der DDR hat im Zeitraum Januar bis Oktober dieses Jahres im Vergleich zu dem gleichen Zeitraum 1984 trotz mancher Schwankungen am Ende zugenommen. Die Zahl der Reisen in die DDR hat von Januar bis Oktober dieses Jahres gegenüber dem gleichen Zeitraum 1984 ebenfalls zugenommen. Trotzdem bleibt es unsere Aufgabe, die Härten, die durch die Erhöhung des Mindestumtausches entstanden sind, abzubauen.
    Lassen Sie mich hier einfügen: Die in der gemeinsamen Erklärung von Genf bekundete Absicht, eine „Verstärkung von Reisen sowie menschliche Kontakte" zu „ermutigen", möchte ich ausdrücklich auch auf die beiden Staaten in Deutschland beziehen als Ansporn, dafür zu sorgen, daß mehr Deutsche zueinanderkommen können.
    Die Zahl der genehmigten Ausreisen aus der DDR wird 1985 merklich über dem langjährigen Durchschnitt liegen, wenngleich die extrem günstige Zahl des vergangenen Jahres nicht erreicht werden konnte.
    Im Bereich des Umweltschutzes — Sie wissen das — gehen die Gespräche gut voran.
    Die Chancen sind gut, das Kulturabkommen abschließen zu können. Auf beiden Seiten werden jetzt die internen Prüfungen eingeleitet.
    Das derzeit günstige Klima muß vor allem auch genutzt werden, um für Berlin weitere Fortschritte zu erreichen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir in der Bundesregierung bleiben dabei: Wir wollen eine Intensivierung des Dialogs und der Zusammenarbeit mit der DDR auf allen Ebenen. — Meine Damen und Herren, soviel zur Außen-, Sicherheits- und Deutschlandpolitik.
    Eine Generalaussprache über den Etat des Bundeskanzlers ist eine Generalaussprache über die gesamte Politik. Man kann natürlich am heutigen Tage nicht über die Gesamtpolitik sprechen, wenn man nicht über die Lage der Wirtschaft, die soziale Verfassung und die zukünftige Entwicklung unseres Landes spricht.

    (Zuruf von der SPD)

    — Wissen Sie, Ihr Plädoyer zugunsten von Arbeitslosen wird immer weniger überzeugend, denn alles, was Sie getan haben mit diesen ideologischen Vorstellungen, die Sie entwickelt haben —, waren Beiträge zu mehr Arbeitslosigkeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich lese Ihnen ganz einfach vor, was die Sachverständigen gesagt haben, und Sie sollten sich das jeden Tag mehrmals selbst vorhalten:
    Die Verfassung, in der sich die deutsche Wirtschaft befindet, läßt erwarten, daß 1986 wieder ein gutes, vielleicht sogar ein noch besseres Jahr als 1985 wird.

    (Dr. Ehrenberg [SPD]: Mit 2,3 Millionen Arbeitslosen!)

    Der Aufschwung wird fortdauern, und mit ihm wird eine zunehmende Beschäftigung einhergehen.

    (Zurufe von der SPD) Dann heißt es weiter:

    Die Voraussetzungen für mehr Beschäftigung und mehr Wachstum sind besser als anderswo in Europa.
    Herr Kollege, hier sollten Sie Beifall spenden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Diese Analyse des Sachverständigenrates spricht für sich.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Dauerarbeitslosigkeit über zwei Millionen!)

    Meine Damen und Herren, was hätten Sie dafür gegeben, wenn mein Amtsvorgänger im Jahre 1982 ein solchtes Gutachten hätte vorlegen können!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    Die Sachverständigen gehen für dieses Jahr von einem realen Wirtschaftswachstum von 21/2 % aus. Für 1986 lautet ihre Prognose 3 %. Die EG-Kommission schätzt für die Bundesrepublik sogar, abgesehen von Japan, das stärkste Wirtschaftswachstum mit über 3 % — nämlich bis 3,5 %. Aber viel wichtiger als diese Daten ist doch der Trend zum Optimismus, die Bereitschaft, wieder an die Zukunft zu glauben, die unsere Landsleute unter Ihrer Führung zunehmend verloren haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Unter den Experten besteht heute eine breite Übereinstimmung, daß sich die wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung weiter fortsetzen wird, daß der Aufschwung zunehmend an Breite und Intensität gewinnt, daß die Bereitschaft, Entscheidungen für die Zukunft zu treffen, zugenommen hat.

    (Mann [GRÜNE]: Das ist billige Stimmungsmache, was Sie hier betreiben!)

    Neben Exporten und Investitionen kommen jetzt
    auch von der übrigen Inlandsnachfrage zunehmend
    Impulse für Wachstum und Beschäftigung. Der pri-



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    wate Verbrauch hat an Schwung und Dynamik gewonnen.
    Meine Damen und Herren, eine Gruppe, die Ihnen doch nahesteht, nämlich die Gruppe der DGB- Wirtschaftsexperten, kam in der vergangenen Woche zu einer Schlußfolgerung, die Sie eigentlich mit Beifall aufnehmen müßten: „Das Wachstum ruht jetzt auf einem breiteren Fundament." Die DGB-Wirtschaftsexperten haben noch eine andere Erkenntnis gewonnen. Sie sehen Anlaß „zu einem vorsichtigen Optimismus, was die Dauerhaftigkeit des Aufschwungs angeht".

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Richtig!)

    Das ist die Prognose des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts des DGB. Was wollen Sie eigentlich noch mehr, wenn Sie es den anderen schon nicht glauben?

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Wir wollen Arbeitsplätze, weil wir 2 Millionen Arbeitslose haben! Wir wollen Arbeitsplätze, um die Arbeitslosigkeit abzubauen!)

    — Ja, verehrte gnädige Frau, auf die Arbeitsplätze und die Arbeitslosigkeit, die Sie hinterlassen haben, komme ich gleich zu sprechen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    „Optimismus mit Augenmaß", das ist die richtige Beschreibung der Situation der Bundesrepublik Deutschland an der Jahreswende 1985/86. Diese Perspektive, meine Damen und Herren, ist für mich kein Grund zur Euphorie. Aber sie signalisiert unmißverständlich, daß sich die Wirtschafts- und die Finanzpolitik der Bundesregierung als richtig und als erfolgreich erwiesen hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Da stand eben nach jener Mißwirtschaft in den öffentlichen Finanzen, die Sie hinterlassen haben, die Gesundung der Staatsfinanzen an erster Stelle. Wir haben diese Prioritätsentscheidung getroffen, obwohl wir wußten, daß es Ihnen auf der Durststrecke, bis der Ertrag für jedermann sichtbar war, möglich sein würde, politische Geschäfte zu machen. Sie haben diese Gelegenheit mit großer Polemik und durch die Diffamierung unserer Politik bei den Landtagswahlen auch weidlich genutzt.

    (Mann [GRÜNE]: Jetzt wollen Sie Ihre Niederlage auch noch verklären!)

    Wir haben uns für diese Politik entschieden, weil berechenbare Staatsfinanzen und die Rückgewinnung des finanzpolitischen Spielraumes die Grundvoraussetzung für jede andere Form aktiver Wirtschafts-, Finanz- und Arbeitsmarktpolitik ist.
    Diese Politik hat auch positive Folgen. In den letzten drei Jahren — Sie müssen sich schon damit auseinandersetzen — war eine reale Zunahme der wirtschaftlichen Leistungen um rund 100 Milliarden DM zu verzeichnen, nachdem das Bruttosozialprodukt 1982 noch um 14 Milliarden DM geschrumpft war. Mit einer Preissteigerungsrate von zuletzt 1,8 % wurde eine Rückkehr zur Preisstabilität der 60er Jahre erreicht. Das ist wahre soziale Politik, Politik für die kleinen Leute.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Denn es gibt keine schlimmere Form der Expropriation, als den Bürgern über Inflationsraten das Geld wegzunehmen. Das ist die Erfahrung, die in der Welt gemacht wurde.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir haben damit eine Entlastung des Kapitalmarktes erreicht, Spielraum für Zinssenkungen gewonnen und eine lebhafte Investitionstätigkeit ausgelöst. Allein 1985 ist eine Zunahme der realen Investitionen in Maschinen und Anlagen um 10 % auf ein Volumen von rund 130 Milliarden DM zu verzeichnen. Für 1986 wird eine ähnliche Entwicklung erwartet. Dies ist entscheidend. Ohne zusätzliche Investitionen gibt es keine neuen, wettbewerbsfähigen und damit dauerhaften Arbeitsplätze. Investitionen von heute sind Arbeitsplätze von morgen. Man kann es nicht oft genug sagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Tatge [GRÜNE]: Es kommt doch auf die Art der Investitionen an! Das ist doch eine Leerformel! Schulbuchweisheit!)

    Im übrigen, dieser Sachverständigenbericht hat noch eine an sich pädagogische Wirkung, wenn Sie überhaupt bereit sind, eine solche Wirkung zu akzeptieren. Denn dort ist angesprochen, was Sie unter dem Scheinetikett „Beschäftigungsprogramm" unverdrossen anbieten. Der Sachverständigenrat sagt dazu ganz unmißverständlich:
    Er
    — der Sachverständigenrat —
    hält die vorgeschlagenen Maßnahmen für die erneute Hinwendung zu einer Politik, die zu einer Verschlechterung der gesamtwirtschaftlichen Voraussetzungen für mehr Wachstum und mehr Beschäftigung führt, für falsch.
    Wir haben, meine Damen und Herren — ich weiß dies mindestens so gut wie Sie —, unseren Mitbürgern Opfer zugemutet. Sie hatten das ebenfalls getan, aber der entscheidende Unterschied zwischen Ihrer Regierung und der unseren ist: Wir haben mit dieser Politik die entscheidende Wende in der deutschen Wirtschafts-, Sozial- und Gesellschaftspolitik erreicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Rusche [GRÜNE]: Das glauben Sie doch selber nicht!)

    Die Beispiele — ich will wegen der Kürze der Zeit nur wenige anführen — sprechen für sich. Die reale Kaufkraft der privaten Haushalte geht nicht mehr zurück, sie nimmt wieder zu, und zwar 1984 und 1985 in der Größenordnung von insgesamt mehr als 20 Milliarden DM. Gerade das durchschnittlich verfügbare Haushaltseinkommen der Rentner hat — anders als bei bessergestellten Gruppen der Bevölkerung — bereits 1984 wieder zugenommen,

    (Dr. Ehrenberg [SPD]: Das ist doch falsch!)




    Bundeskanzler Dr. Kohl
    und zwar trotz der zusätzlichen Belastungen durch den erhöhten Krankenversicherungsbeitrag.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Das ist falsch!)

    Nach den Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung ist das Haushaltseinkommen der Rentner 1984 spürbar stärker gestiegen als die Kosten der Lebenshaltung. Für 1986, wenn die erste Stufe der Steuersenkung in Kraft tritt, ist mit einem generellen Anstieg der Nettorealeinkommen der Arbeitnehmer zu rechnen. Dies belegt ein weiteres Mal, daß die Kombination von Preisstabilität und Steuersenkung die beste und die wirkungsvollste Sozialpolitik überhaupt ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, meine Freunde und Kollegen aus den Koalitionsfraktionen und aus dem Kabinett werden Ihnen in diesen Tagen noch viele Beispiele vortragen. Aber ein Beispiel möchte ich doch selbst vortragen, da es auch wieder an den Beginn der Regierungszeit nach meiner Wahl zum Bundeskanzler zurückführt. Ich kann im Augenblick nicht erkennen, ob der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Herr Jahn, hier anwesend ist,

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU — Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Der ist nie hier!)

    aber ich möchte ihn doch sehr persönlich ansprechen, weil es ein Akt intellektueller und politischer Redlichkeit wäre, wenn er heute hier ans Pult geht und alles das zurücknimmt, was er damals in Inseraten und bei anderen Gelegenheiten über die Mietpreissteigerung vorausgesagt hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Der Anstieg der Mieten im freifinanzierten Wohnungsbau ist seit 1982 von 4,4 % auf zuletzt 1,8% zurückgegangen.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Das ist der niedrigste Stand seit Bestehen der Mietenstatistik, und die gibt es, meine Damen und Herren, seit 23 Jahren. Eigentlich müßten Sie ja eine „standing ovation" bringen, verehrte gnädige Frau, denn Sie wissen j a, das ist soziale Politik, die hier deutlich geworden ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Während in Ihren Kreisen darum gerungen und gestritten wird, wie man die Verantwortung gegenüber einem großen, angeblich gemeinnützigen Wohnungsbauunternehmen los wird, haben wir soziale Politik für die Mieter betrieben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Waigel [CDU/CSU] zur SPD: Warum machen Sie denn jetzt keine Zwischenrufe?)

    Man muß nur in alten Bundestagsprotokollen — so alt sind sie gar nicht, zwei, drei Jahre — nachlesen. Wenn Sie sich jetzt noch einmal die Debatte vergegenwärtigen, die es damals im Zusammenhang mit der Hamburger Bürgerschaftswahl gegen Ende des Jahres 1982 gab, als mein Freund und Kollege Heiner Geißler mit Recht von der „Mietenlüge" gesprochen hat,

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    so ist es doch jetzt die Frage, daß hier öffentlich einmal festgestellt wird, wer damals gelogen hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Sie, Herr Bundeskanzler!)

    Meine Damen und Herren von der SPD, so wie auf diesem Feld werden Sie auch von der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt überrollt werden, denn auch dort ist die Trendwende bereits erreicht. Dies ist keine Selbstverständlichkeit. Ich zitiere einen der kompetentesten Kenner in der Bundesrepublik,

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Wie war es mit der Arbeitszeitverkürzung, Herr Bundeskanzler?)

    meinen Amtsvorgänger Bundeskanzler Helmut Schmidt. Er hat im Sommer 1982 vor Ihrer Fraktion doch ganz klare Äußerungen getan. Er hat für die Zeit 1969 bis 1982 einen Gesamtverlust von 1,3 Millionen Arbeitsplätzen bilanziert, verbunden mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit von praktisch Null — Sie können es in Ihrem Fraktionsprotokoll nachlesen — auf 1,8 Millionen.
    Meine Damen und Herren, das war und ist eine schwere Belastung unseres politischen Systems, unserer Volkswirtschaft. Ich habe nie gesagt, daß diese Arbeitslosigkeit, die nicht über Nacht gekommen ist, über Nacht abgebaut werden kann. Aber heute werden Arbeitsplätze nicht mehr abgebaut, sondern es werden neue geschaffen. Für das dritte Quartal dieses Jahres beziffert das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung die Zunahme der Arbeitsplätze gegenüber dem Tiefpunkt im Jahre 1984 auf plus 240 000.
    Das bedeutet, meine Damen und Herren: Erstmals kann in diesem Jahr per Saldo all denen ein Arbeitsplatz angeboten werden, die zusätzlich aus der jungen Generation auf den Arbeitsmarkt drängen, die noch aus den geburtenstarken Jahrgängen ins Berufsleben eintreten. Der Zugewinn von 200 000 Arbeitsplätzen ist aber offensichtlich

    (Zurufe von der SPD)

    — das zeigt auch Ihre Unruhe — erst der Beginn einer neuen dynamischen Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. 1986 erwartet der Sachverständigenrat eine Zunahme von rund 300 000 Arbeitsplätzen. Dies bedeutet innerhalb von zwei Jahren die Schaffung von einer halben Million neuer Arbeitsplätze. Das ist soziale Politik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Das Sachverständigengutachten macht auch hierzu eine interessante Aussage — ich zitiere—: „Wir halten daher die oft geäußerte Sorge, der Aufschwung könne am Arbeitsmarkt vorbeigehen, für unbegründet".

    (Rusche [GRÜNE]: Wir nicht!)




    Bundeskanzler Dr. Kohl
    — Das glaube ich; dies entspricht auch gar nicht Ihren Intentionen. Wer so von Weltschmerz und Zukunftsangst gepackt ist, der kann den Menschen keine neue Perspektive vermitteln.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Aber, meine Damen und Herren, trotz dieser günstigen Perspektiven gibt es keinen Anlaß zur Entwarnung auf diesem wichtigen Feld der Politik. Wir müssen jetzt alle Kräfte darauf konzentrieren, die Zahl der Arbeitslosen weiter zu verringern. Dies kann man nicht allein der Konjunkturentwicklung überlassen. Weitere Anstrengungen aller Beteiligten, der Arbeitgeber, der Gewerkschaften, der Regierung sind dazu zwingend notwendig, und niemand darf sich dieser gemeinschaftlichen Verantwortung entziehen.


Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Bundeskanzler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Stahl?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Nein, danke.
    Wir haben wichtige Voraussetzungen für mehr Beschäftigung geschaffen. Ich nenne nur die Stichworte: Vorruhestand, Beschäftigungsförderungsgesetz, mehr berufliche Qualifizierung. Aber neben dem, was Politik, Gesetzgeber und Regierung tun können, muß auch die Forderung stehen, daß ebenso die Tarifpartner ihren Beitrag leisten.

    (Zurufe von der SPD)

    Es ist richtig, daß die moderaten Lohnrunden der letzten Jahre — wir wollen das dankbar vermerken — wesentlich zur Stärkung von Wachstum und Beschäftigung beigetragen haben. Gerade deshalb mutet es jetzt für mich und andere merkwürdig an, wenn angesichts der vielen, die heute noch keine Arbeit haben, mit Blick auf das Jahr 1986 von einer sogenannten reinen Lohnrunde gesprochen wird; denn Löhne beziehen ja bekanntlich nur jene, die in Arbeit stehen. Die so oft beschworene Solidarität mit den Arbeitslosen muß doch auch bei den Tarifvereinbarungen, die jetzt vor uns stehen, ein Thema sein.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Sind Sie für die 35-Stunden-Woche, Herr Bundeskanzler? Das ist ja sagenhaft! — Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    Die EG-Kommission hat in ihrem Jahreswirtschaftsbericht — den hätten Sie aufnehmen können, Herr Kollege Vogel — einen Vorschlag gemacht, der zumindest diskutabel ist. Sie hat die Frage gestellt, ob in den jetzt anstehenden Tarifverhandlungen nicht als Gegenleistung für moderate Lohnabschlüsse die Einstellung zusätzlicher Arbeitskräfte von Tarifpartnern verabredet werden könnte. Ich gebe zu, dies ist ein sehr unkonventioneller Vorschlag. Aber warum soll man einen solchen Vorschlag nicht einmal sehr, sehr ernsthaft diskutieren, wenn es um Solidarität geht?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir haben mit unkonventionellen Vorschlägen, etwa im Bereich der Lehrstellenproblematik, hervorragende Erfahrungen gemacht.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Herr Stoltenberg ist für Lohnerhöhungen!)

    Wir haben dabei vor allem gelernt, was möglich ist, wenn alle Beteiligten ein zentrales gesellschaftliches Problem nicht an den Staat und nicht an andere Gruppen weiterreichen, sondern wenn jeder für seinen Teil Verantwortung übernimmt, und genau dies müssen wir erreichen.

    (Zurufe von der SPD)

    — In welch einem Zustand müssen Sie sich befinden, wenn ein Appell an die Tarifpartner für Sie schon zu einer Beschimpfung der Gewerkschaften gerät!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Meine Damen und Herren, das ist wirklich die intellektuelle Auseinandersetzung der Steinzeit, die Sie hier führen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    Gerade das wollen wir — bei all dem, was uns in der Auseinandersetzung trennt: die Fähigkeit, etwa jetzt im Zusammenhang mit den bevorstehenden Tarifrunden auch über solche Vorschläge zu sprechen.

    (Zurufe von der SPD)

    Im übrigen sind Ansätze in dieser Richtung ja sichtbar. Die Arbeitgeber im Chemiebereich haben kürzlich ihre Mitgliedsfirmen ausdrücklich zu Neueinstellungen ermutigt, unterstützt von ihren Betriebsräten. Ernst Breit und Otto Esser haben gemeinsam zum Abbau von Überstunden aufgerufen. Über eine Qualifizierungsoffensive wurde im Gespräch zwischen Arbeitgebern, Gewerkschaften und Regierung Einvernehmen erzielt. Ich kann die Liste beliebig erweitern.
    Meine Damen und Herren, wenn es um die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit geht, eines zentralen Problems der deutschen Innenpolitik, muß man jeden nur denkbaren Weg beschreiten, der eine Chance zur Verbesserung der Lage bietet. Wir in der Bundesregierung sind dazu bereit.

    (Mann [GRÜNE]: Sie haben auf der ganzen Linie versagt!)

    Erlauben Sie mir abschließend noch eine Bemerkung. Ich hatte gehofft, daß in dieser Debatte von seiten der Opposition — das gilt also vor allem für die SPD — der eine oder andere konstruktive Vorschlag kommen würde, der geeignet wäre, ein Stück Gemeinsamkeit zu gestalten.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Dann müssen Sie zuhören, Herr Bundeskanzler!)

    — Ich habe wirklich genau zugehört,

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Dann haben Sie es nicht verstanden!)




    Bundeskanzler Dr. Kohl
    vielleicht sogar für den Kollegen Vogel, wie seine geschichtlichen Expertisen bewiesen haben, zu genau. In der Sache selbst habe ich leider keine Anregungen bekommen.

    (Tatge [GRÜNE]: Sie sind doch gar nicht der Oberlehrer der Nation!)

    Herr Kollege Vogel, es hat sich in dieser Debatte einmal mehr gezeigt, daß die Alternative der deutschen Politik durch die sozialdemokratische Opposition eben nicht stattfindet. Das ist ja auch gar kein Wunder angesichts des Diskussionsstandes etwa bei der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik in Ihrer eigenen Partei.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir — die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien, die Koalition; ich will den Kollegen der Koalition hier auch ausdrücklich für ihre Hilfe und Unterstützung danken — werden unseren Weg weitergehen.
    Wir werden im Jahre 1986 Gelegenheit haben, unseren Bürgern deutlich zu machen, wie dieser Weg aussah: vom 1. Oktober 1982 bis zum Wahltag im Januar 1987. Dann, meine Damen und Herren, sehe ich der Entscheidung des obersten Souveräns der Bundesrepublik Deutschland, der Wähler, mit großer Gelassenheit entgegen.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Wir auch! — Zuruf von den GRÜNEN: Wir auch!)