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ID1017600400

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    Plenarprotokoll 10/176 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 176. Sitzung Bonn, Dienstag, den 26. November 1985 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg Ronneburger 13229 A Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1986 (Haushaltsgesetz 1986) — Drucksachen 10/3700, 10/4101 — Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes — Drucksachen 10/4154, 10/4180 — Dr. Vogel SPD 13229 B Dr. Dregger CDU/CSU 13241A Schmidt (Hamburg-Neustadt) GRÜNE 13248 D Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi 13252 D Dr. Kohl, Bundeskanzler 13259 D Schröder (Hannover) SPD 13269 B Mischnick FDP 13275A Rühe CDU/CSU 13278 C Vizepräsident Stücklen . . . . 13279A, 13282A Namentliche Abstimmung 13282 A Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts — Drucksachen 10/4155, 10/4180 Voigt (Frankfurt) SPD 13284 A Dr. Stercken CDU/CSU 13287 C Frau Borgmann GRÜNE . . . . 13290A, 13307A Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 13292 B Genscher, Bundesminister AA 13294 D Gansel SPD 13299 D Dr. Rose CDU/CSU 13302 B Würtz SPD 13305 A Klein (München) CDU/CSU 13307 C Frau Huber SPD 13308 C Vizepräsident Stücklen 13286 A Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — Drucksachen 10/4164, 10/4180 — in Verbindung mit Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte — Drucksache 10/4175 — Kleinert (Marburg) GRÜNE (zur GO) . 13311C Löher CDU/CSU 13312 B Frau Traupe SPD 13313 B Frau Seiler-Albring FDP 13316 C Lange GRÜNE 13318 D Dr. Friedmann CDU/CSU 13321 B Kleinert (Marburg) GRÜNE 13324A Walther SPD 13325 A II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. November 1985 Dr. Dregger CDU/CSU 13327 B Dr. Wörner, Bundesminister BMVg . . 13328 B Jungmann SPD 13332 C Wimmer (Neuss) CDU/CSU 13334 C Namentliche Abstimmung 13335 D Ergebnis 13341 C Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit — Drucksachen 10/4170, 10/4180 — Esters SPD 13336 B Borchert CDU/CSU 13337 D Volmer GRÜNE 13339 C Frau Seiler-Albring FDP 13343 A Dr. Warnke, Bundesminister BMZ . . 13344 C Ströbele GRÜNE (Erklärung nach § 30 GO) 13347 C Dr. Warnke, Bundesminister BMZ (Erklärung nach § 30 GO) 13348 B Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen — Drucksachen 10/4170, 10/4180 — Dr. Diederich (Berlin) SPD 13348 D Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 13350 D Dr. Schierholz GRÜNE 13353 C Ronneburger FDP 13355 A Hiller (Lübeck) SPD 13357 B Windelen, Bundesminister BMB . . . 13358 D Dr. Vogel SPD 13361 C Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt — Drucksachen 10/4151, 10/4180 — . . . 13362 C Einzelplan 02 Deutscher Bundestag — Drucksachen 10/4152, 10/4180, 10/4327 — 13362 D Einzelplan 03 Bundesrat — Drucksachen 10/4153, 10/4180 — . . 13363A Nächste Sitzung 13363 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 13364* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 176. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. November 1985 13229 176. Sitzung Bonn, den 26. November 1985 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 28. 11. Böhm (Melsungen) 26. 11. Bueb 29. 11. Büchner (Speyer) * 29. 11. Collet 29. 11. Egert 26. 11. Frau Eid 29. 11. Ertl 29. 11. Gallus 26. 11. Dr. Haack 27. 11. Höffkes 27. 11. Dr. Hupka 26. 11. Jäger (Wangen) * 29. 11. Jung (Düsseldorf) 26. 11. Junghans 29. 11. Kalisch 26. 11. Kastning 26. 11. Kittelmann * 29. 11. Klose 29. 11. Dr. Kreile 29. 11. Leonhart 29. 11. Lutz 26. 11. Michels 26. 11. Dr. Müller * 29. 11. Nagel 29. 11. Dr. Olderog 29. 11. Oostergetelo 26. 11. Petersen 26. 11. Rappe (Hildesheim) 26. 11. Frau Rönsch 26. 11. Rühe 28. 11. Schlaga 29. 11. Frau Schmidt (Nürnberg) 29. 11. Schmidt (Wattenscheid) 29. 11. Dr. Schwenk (Stade) 27. 11. Dr. Todenhöfer 29. 11. Voigt (Sonthofen) 26. 11. Frau Wagner 28. 11. Werner (Dierstorf) 29. 11. Frau Dr. Wex 29. 11. Zierer 29. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Alfred Dregger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Vogel, es tut mir leid, Ihre Rede war nicht nur lang, sie war auch schwach.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie haben Heiterkeitserfolge erzielt. Wenn ein so humorloser Mann wie Sie Heiterkeitserfolge erzielt, dann ist es schlimm. In dem ersten Teil Ihrer Rede sind Sie in allgemeine Erwägungen ausgewichen, die als philosophisch zu bezeichnen eine maßlose Übertreibung wäre.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Danach haben Sie den krampfhaften und hilflosen Versuch gemacht, über die Wirklichkeit hinwegzureden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, Herr Kollege Vogel, Sie können doch nicht bestreiten, daß diese Regierung in den drei Jahren ihrer Amtsführung ungewöhnliche Erfolge erzielt hat.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Mann [GRÜNE]: Herr Dregger, Hochmut kommt vor dem Fall!)

    Das wird um so deutlicher, wenn man sie an den Mißerfolgen mißt, die Sie als Regierungspartei zuvor produziert haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich nenne fünf Errungenschaften dieser Politik von nur drei Jahren.
    Die erste: Wir haben wieder stabiles Geld.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, wir sind wieder Weltmeister in Geldwertstabilität.

    (Zuruf von der SPD: In Arbeitslosigkeit!)

    1981 betrug die Entwertungsrate noch 6,3%,

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    jetzt sind es 1,8%. Und der Sachverständigenrat hält für das nächste Jahr 1,5 % für erreichbar.
    Meine Damen und Herren, es gibt keine größere soziale Errungenschaft als stabiles Geld.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Was nutzen nominale Lohn- und Rentenerhöhungen, wenn sie, wie zu SPD-Zeiten, durch die Geldentwertung wieder aufgefressen werden?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Daß die D-Mark wieder stabil ist, verdanken wir der Bundesregierung, der Koalition aus CDU/CSU und FDP, der Deutschen Bundesbank und Tarifabschlüssen der Gewerkschaften und der Arbeitgeber, die sich der allgemeinen Lage angepaßt hatten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich bin sicher, daß Bundesregierung, Koalition und Bundesbank ihren erfolgreichen Kurs fortsetzen werden. Ich hoffe, daß das auch für die Gewerkschaften und ihre Tarifpartner gilt. Der Sachverständigenrat empfiehlt, bei Lohn- und Gehaltserhöhungen vom Produktivitätszuwachs auszugehen und es zu vermeiden, daß sich die Lohnstückkosten erhöhen. In der Tat, wenn noch mehr Arbeitsplätze geschaffen werden sollen, als wir es zur Zeit erreichen, dürfen die Lohnstückkosten nicht steigen.
    Zweite Errungenschaft: Wir haben wieder steigende Realeinkommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Als wir 1982 die Regierung übernahmen, waren sie rückläufig.

    (Hornung [CDU/CSU]: Rote Zahlen!) Jetzt steigen sie wieder.


    (Dr. Emmerlich [SPD]: Bei den Unternehmern!)

    Im nächsten Jahr werden sie einen Sprung nach oben machen. Der Sachverständigenrat rechnet mit einem Anstieg der Realeinkommen um 5%. Da kommt vieles zusammen: Geldwertstabilität, Entlastung bei der Lohn- und Einkommensteuer, Hilfen für Familien und für Alleinstehende mit Kindern, Wohngelderhöhungen und Sozialhilfeerhöhungen.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Und höhere Krankenversicherungsbeiträge!)

    Meine Damen und Herren, diese Traumkombination, die erreicht worden ist, ist das Ergebnis unserer Politik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Mit der Ihren, mit Schuldenmacherei, ständigem Drehen an der Steuer- und Abgabenschraube, mit immer neuen Tests der Belastungsfähigkeit der Wirtschaft, wären diese Ergebnisse nicht erreichbar gewesen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




    Dr. Dregger
    Die dritte Errungenschaft: Wir haben wieder solide Staatsfinanzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir haben dafür gesorgt, daß die Staatsausgaben langsamer steigen als das Bruttosozialprodukt. Wenn Sie, meine Damen und Herren, in Ihrer Verantwortung so solide gewirtschaftet hätten wie wir, brauchten wir entweder gar keine neuen Schulden aufzunehmen — denn die Schulden, die wir aufnehmen, dienen doch nur noch dazu, einen Teil der Zinsen für die Schulden zu bezahlen, die Sie gemacht haben —

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: So ein Unsinn!)

    oder uns stünden in dieser Legislaturperiode über 100 Milliarden DM zur Verfügung, die wir für bessere Zwecke als für Zinszahlungen an unsere Gläubiger verwenden könnten. Aber, meine Damen und Herren der SPD, an so etwas haben Sie nie gedacht.

    (Feilcke [CDU/CSU]: Die können nicht rechnen!)

    In Ihren Überlegungen kommen die Begriffe Kosten und Schulden überhaupt nicht vor. Sie waren und Sie sind in Ihrer Politik unsolide.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das Wichtigste: Wir haben die Arbeitslosenrakete, die Sie, meine Damen und Herren, gezündet hatten, gestoppt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    1982, beim Regierungswechsel, ging die Arbeitslosenzahl raketenartig nach oben. Allein 1981/1982 stieg sie um 106 %, bei uns schneller als in jedem anderen Land der Europäischen Gemeinschaft.

    (Suhr [GRÜNE]: Das ist schlimm!)

    Damals waren wir auf dem Arbeitsmarkt die Schlechtesten. Heute sind wir zusammen mit Dänemark die Besten, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Das ist nicht wahr! Eindeutig falsch! Sie sollten sich einmal die Zahlen angucken!)

    Die Beschäftigtenzahl steigt, in diesem Jahr laut Bundesbank um 200 000. Der Sachverständigenrat rechnet für das kommende Jahr mit einem weiteren Anstieg um 300 000 Arbeitsplätze. Warum nehmen Sie das nicht zur Kenntnis, meine Damen und Herren? Paßt Ihnen das vielleicht nicht?

    (Feilcke [CDU/CSU]: Genau!)

    Warum wollen Sie den Menschen den Mut nehmen, den sie zu einer verstärkten Wirtschaftstätigkeit brauchen, zum Verbrauch und damit zur Wiedergewinnung der Vollbeschäftigung, die es in Deutschland gab, bevor Sie die Regierung übernahmen?

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Ich fasse zusammen. Was Sie verspielt hatten, haben wir wiedergewonnen:

    (Mann [GRÜNE]: Das war nun wirklich schwach!)

    solide Staatsfinanzen, stabiles Geld, wachsende Realeinkommen und wachsende Beschäftigung.

    (Mann [GRÜNE]: Das ist Gesundbeten!)

    Ein Blick auf EUROSTAT, die amtliche Statistik der Europäischen Gemeinschaft, zeigt: Die Regierung Kohl ist die erfolgreichste Regierung in der Europäischen Gemeinschaft.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Suhr [GRÜNE]: Bei der Vernichtung der Umwelt!)

    Im Umweltschutz sind wir Vorreiter in Europa. Die Europäische Gemeinschaft hat uns gebremst. Autonom hätten wir noch schärfere Schadstoffgrenzen eingeführt, als wir sie europäisch durchsetzen konnten. Aber die Europäische Gemeinschaft hat uns auch geholfen. Ohne Europäische Gemeinschaft würden die Schadstoffgrenzen bei unseren Nachbarn nicht eingeführt worden sein. Da die Hälfte des Drecks von außen hereingeweht wird, ist auch das eine Hilfe für uns, für die Entlastung unserer Wälder.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Nun bleibt Ihnen, meine Damen und Herren, nur noch die Beschäftigung mit dem Tempolimit. Wenn Sie sich zusammen mit den GRÜNEN daran delektieren wollen, dann wünschen wir Ihnen viel Vergnügen.

    (Mann [GRÜNE]: Das ist keine Delektion!)

    Wir setzen nicht auf Verbote, die, wenn sie nicht einsichtig sind, ohnehin nicht eingehalten werden. Wir setzen auf technischen Fortschritt. Wir setzen auf Schadstoffbegrenzungen durch Technik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Lange [GRÜNE]: Haben wir hier eine ADAC-Hauptversammlung? — Suhr [GRÜNE]: Tausend Verkehrstote sind Ihnen egal!)

    Mit dem Katalysatorauto, dem bleifreien Benzin, der TA Luft und der Großfeuerungsanlagen-Verordnung haben wir schon jetzt in drei Jahren für den Schutz des Waldes mehr getan, als Sie es in dreizehn Jahren getan haben. Sie haben nämlich gar nichts getan.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Mann [GRÜNE]: Sagen Sie etwas zu Herrn Boenisch, Herr Dregger!)

    Wir werden mit unserem Kurs fortfahren. Herr Kollege Vogel, falls Sie das bezweifeln sollten, möchte ich Ihnen empfehlen, den „Vorwärts" sorgfältiger zu lesen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Danke schön!)

    Dort schreibt Rolf Dietrich Schwartz am 8. Dezember 1984 folgendes:
    Auf kaum einem anderen Gebiet wiegen die
    historischen Versäumnisse sozialdemokrati-



    Dr. Dregger
    scher Regierungsverantwortung so schwer wie gerade auf dem Bereich des Umweltschutzes.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    ... Die Aktion Sondervermögen „Arbeit und Umwelt" ist — so gesehen — nicht nur ein Dokument für verlorene Regierungsfähigkeit, sondern auch für verlorene Oppositionsfähigkeit.
    — Der SPD.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    — Die GRÜNEN stimmen zu.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Ziemlich dümmlich, was Sie da von sich geben!)

    So ist es, meine Damen und Herren, und damit bin ich bei Ihnen, bei der SPD. Auch die Opposition hat eine wichtige Aufgabe.

    (Feilcke [CDU/CSU]: Aber die nimmt sie nicht wahr!)

    Deshalb ist die kritische Sonde nicht nur an die Regierung, sondern auch an die Opposition zu legen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Ich behaupte: Die SPD ist in ihrer gegenwärtigen Verfassung ohne klares Profil.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Sie ist auf allen Feldern der Politik in hohem Maße unglaubwürdig. Sie hat, wie Rolf Dietrich Schwartz im „Vorwärts" schreibt, beides verloren: die Regierungs- und die Oppositionsfähigkeit.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Stimmen Sie immer zu, wenn Herr Schwartz etwas schreibt? Ich schicke Ihnen einmal Artikel!)

    In der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik ist die Glaubwürdigkeitslücke der SPD an niemandem besser zu verdeutlichen als an ihrem designierten Kanzlerkandidaten Johannes Rau.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Wo ist er?)

    Meine Damen und Herren, er glänzt durch Abwesenheit!

    (Zuruf von der CDU/CSU: Zwei halbe Vorsitzende! — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Es wäre auch eine Zumutung, Ihnen zuzuhören!)

    Er kann jederzeit hier auf der Bundesratsbank Platz nehmen. Er kann jederzeit von diesem Pult aus sprechen. Gerhard Stoltenberg hat ihn in der letzten Debatte dazu eingeladen. Aber er kneift, er kommt nicht. Meine Damen und Herren, das sagt alles!

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP — Feilcke [CDU/CSU]: Er möchte Herrn Vogel nicht zuhören!)

    Wenn man das berühmte „Express"-Interview von Rau zur Kenntnis nimmt, von dem er unter dem Druck der öffentlichen Meinung selbst abrücken mußte, fragt man sich, ob Herr Rau nur lesen läßt oder selbst liest.

    (Bohl [CDU/CSU]: Er läßt sprechen!)

    Meine Damen und Herren, entweder ist seine Unkenntnis erschreckend groß,

    (Dr. Möller [CDU/CSU]: Das ist richtig!)

    oder, was schlimmer wäre, er macht den Leuten bewußt etwas vor.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU — Zurufe von der CDU/CSU: Beides!)

    In seinem „Express"-Interview verkündete er, wenn er Kanzler werde, wolle er alle Ausgabenbegrenzungen im Sozialbereich rückgängig machen.

    (Schmidt [Hamburg-Neustadt] [GRÜNE]: Das haben wir schon einmal gehört!)

    In seinem eigenen Land Nordrhein-Westfalen hat er soziale Leistungen — als Stichworte nenne ich nur: Familienerholung, Altenhilfe, Ausbildungsförderung, Behinderteneinrichtungen — rigoros gekürzt.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Wer sich so verhält, kann sich vor der deutschen Öffentlichkeit nicht als sozialpolitischer Wundertäter aufspielen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wer das Manna unbezahlbarer Wohltaten vom Himmel regnen läßt, meine Damen und Herren, ist nicht überzeugend!

    (Feilcke [CDU/CSU]: Rau ist unbarmherzig!)

    Herr Rau ist aber nicht nur sozialpolitisch unglaubwürdig. Für seine Finanzpolitik gilt dasselbe. Sein eigener Finanzminister hat ihm den Bankrott vorausgesagt, falls er, Rau, so weitermacht. In dem berühmten Posser-Brief heißt es, Nordrhein-Westfalen habe sich in den letzten Jahren Jahr für Jahr um 3 bis 4 Milliarden DM übernommen. Dazu Posser wörtlich:
    Es liegt auf der Hand, daß sich eine solche Verschuldungspolitik nur wenige Jahre durchhalten läßt, weil die dramatisch steigenden Zinslasten den Haushalt sonst in Kürze geradezu erdrosseln würden, wie am abschreckenden Beispiel anderer hochverschuldeter Länder ...

    (Zuruf von der CDU/CSU: Bremen!)

    — dann kommt ein Klammerzusatz: Brasilien, Mexiko, Polen, aber auch Bremen und das Saarland —
    zu studieren ist.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Herr Kollege Vogel, wollen Sie die Erdrosselungspolitik des Herrn Rau auf die Bundesrepublik Deutschland wirklich übertragen sehen? Das kann doch wohl nicht wahr sein!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




    Dr. Dregger
    Es ist eine beklemmende Vorstellung,

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Für Sie vielleicht! Für Sie allein!)

    daß dieser Mann die mühsam erreichte Stabilisierung unseres Wirtschafts-, Finanz- und Sozialsystems wieder in Frage stellen könnte.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Am schlimmsten ist die Glaubwürdigkeitslücke der SPD in der Sicherheitspolitik. Im Hinblick auf die exponierte und damit immer gefährdete Lage unseres Landes ist sie gerade auf diesem Felde besonders schlimm.

    (Lange [GRÜNE]: Sie machen es doch gefährdet!)

    Erster Punkt: Wie steht die SPD zur Bundeswehr und zur Landesverteidigung?

    (Zuruf von der SPD: Gut!)

    An Glückwunschadressen der SPD-Spitze zum Bundeswehrjubiläum hat es nicht gefehlt. Wie aber, Herr Kollege Vogel, läßt sich das mit der Erklärung Ihres Präsidiumsmitglieds — immerhin Ministerpräsident — Lafontaine, Wehrdienstverweigerung sei geradezu eine moralische Pflicht, vereinbaren?

    (Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN) So Ministerpräsident Lafontaine.


    (Suhr [GRÜNE]: Wo er recht hat, hat er recht! — Zuruf der Abg. Frau Traupe [SPD])

    Das ist von Ihrer Partei noch nie zurückgewiesen worden. Wie können Sie es zulassen, daß unsere jungen Wehrpflichtigen, die das tun, was wir durch unsere Gesetze von ihnen verlangen,

    (Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    in dieser unglaublichen Weise moralisch abqualifiziert werden?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Beschaffen Sie denen lieber einen Arbeitsplatz, das ist wichtiger!)

    Zweites Beispiel: Manöverbehinderungen. Junge Soldaten wurden bei den Manövern durch Aktionen der sogenannten Friedensbewegung tätlich

    (Ströbele [GRÜNE]: Was heißt hier „sogenannte"?)

    — weil sie unfriedlich ist, weil sie nicht den Frieden bewirkt, sondern das Gegenteil — angegriffen und als Faschisten und Hitler-Söhne beschimpft.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Unerhört!)

    Sie, Herr Brandt und Herr Vogel, haben nicht diese Exzesse, aber Sie haben die Aktionen derer unterstützt, von denen diese Exzesse ausgegangen sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Sie haben sie politisch und finanziell unterstützt. Auch wenn es nicht zu diesen Exzessen gekommen wäre, wäre es völlig unvertretbar gewesen, daß eine demokratische Partei Manöverbehinderungen der
    Bundeswehr, der Armee des ganzen Volkes, unterstützt.

    (Suhr [GRÜNE]: Da waren doch auch CDUMitglieder! — Lange [GRÜNE]: Ein Manöver ist ein Exzeß!)

    Nachdem diese Exzesse passiert waren, wäre eine scharfe Reaktion von seiten der SPD-Führung fällig gewesen. Sie unterblieb. Erst als wir Sie in einer Aktuellen Stunde hier in diesem Hause gestellt haben, kam es von Ihrer Seite zu verlegenen Ausreden.

    (Suhr [GRÜNE]: Friedensbewegung ist Christenpflicht!)

    Zu Zeiten der beiden Männer Helmut Schmidt und Georg Leber, die Gott sei Dank noch zu den Lebenden gehören — ich erinnere mich an das, was Sie zu Beginn Ihrer Rede gesagt haben, Herr Kollege Vogel —, Sozialdemokraten, wäre so etwas nicht denkbar gewesen. Aber heute bestimmen nicht mehr Helmut Schmidt und Georg Leber den Kurs der SPD, sondern Lafontaine und Eppler,

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Mann [GRÜNE]: Das wäre schön!)

    und das ist das Unglück der SPD.
    Zweite Frage: Wie steht die SPD zur Allianz? Ihr designierter Kanzlerkandidat hat erklärt, er würde alles daransetzen, den NATO-Doppelbeschluß rückgängig zu machen.

    (Vereinzelter Beifall bei der SPD)

    Initiiert wurde dieser Beschluß innerhalb der NATO durch den damals von Ihnen gestellten Bundeskanzler, durch Helmut Schmidt. Professor Karl Kaiser, auch ein lebender Sozialdemokrat und außerdem Direktor der außenpolitischen Gesellschaft, hat am 13. Oktober 1983 — übrigens auch im „Vorwärts" — erläutert, was dieser NATO-Doppelbeschluß bedeutet. Ich zitiere Karl Kaiser:
    Beim Doppelbeschluß geht es im Kern um die Frage, ob sich die Bundesrepublik Deutschland im Einvernehmen mit ihren Verbündeten einem sich abzeichnenden Vormachtanspruch der Sowjetunion über Westeuropa entgegenstemmt oder nicht. Dies ist eine entscheidende Frage nationalen Interesses, nämlich der Selbstbestimmung der Bundesrepublik Deutschland, bei der man nicht kampflos sowjetische Positionen übernehmen
    — Herr Kollege Vogel —
    oder dagegen gerichtete Bemühungen innenpolitisch untergraben darf.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Recht hat er!)

    So der Sozialdemokrat und außenpolitische Experte Karl Kaiser. Sie haben diese Warnungen in den Wind geschlagen.
    Die Frage, aus welchen Motiven, beantwortet Frau Professorin Gesine Schwan — auch eine Lebende, Gott sei Dank —, Mitglied Ihrer Partei, zeitweise Mitglied der Grundwertekommission der SPD. Gesine Schwan schrieb, die Systemfrage, d. h. die Bedrohung der westlichen Freiheit, werde von



    Dr. Dregger
    der SPD nicht mehr gestellt. Nur wer darauf verzichte und die Augen vor der sowjetischen Bedrohung verschließe, könne den Doppelbeschluß bekämpfen.
    Meine Damen und Herren, Frau Schwan fügte hinzu — ich zitiere —:
    Wer sich so verhält, dem bedeutet die Erhaltung der westlichen Freiheit nicht viel.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Herr Rau — man muß schon fast sagen: dieser Unglücksrabe —

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    hat mit seiner unverantwortlichen Ankündigung, er wolle als Kanzler den Doppelbeschluß rückgängig machen, das Urteil Gesine Schwans nur bestätigt. Und da behaupten Sie, Herr Kollege Vogel, die SPD bekenne sich zum Bündnis und zu dessen ideellen und moralischen Fundamenten. Das ist doch absolut unglaubwürdig.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Eine Glaubwürdigkeitslücke der SPD gibt es auch in der Deutschlandpolitik. Im Godesberger Programm, das Sie nach langer Zeit einmal wieder lesen sollten, heißt es noch — ich zitiere —:
    Sie
    — die SPD —
    steht zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland.

    (Lambinus [SPD]: Ein gefährlicher Schwätzer sind Sie!)

    In seinem Sinne erstrebt sie die Einheit Deutschlands in gesicherter Freiheit.
    Die Spaltung Deutschlands bedroht den Frieden. Ihre Überwindung ist lebensnotwendig für das deutsche Volk.
    Erst in einem wiedervereinigten Deutschland wird das ganze Volk in freier Selbstbestimmung Inhalt und Form von Staat und Gesellschaft gestalten können.
    So das Godesberger Programm.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, ich kann diese alten Positionen der SPD Wort für Wort unterschreiben.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Ich schicke Ihnen einen Aufnahmeschein! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Nur, Sie können es nicht mehr.

    (Erneute Zurufe von der SPD)

    In der SPD sind diese Aussagen nicht mehr mehrheitsfähig; sonst hätte Herr Rau die bedauerliche Äußerung des italienischen Außenministers Andreotti zur deutschen Frage nicht mit unverhohlener Genugtuung kommentiert, und sonst hätte Herr Apel — damals ausgerechnet auch noch als Bürgermeisterkandidat für Berlin — nicht gesagt, die deutsche Frage sei nicht mehr offen, und sonst hätte Herr Lafontaine nicht die gemeinsame Staatsbürgerschaft der Deutschen — wie jetzt in Ost-Berlin — in Frage gestellt.

    (Dr. Vogel [SPD]: Herr Windelen die Zugehörigkeit Berlins! — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Was macht Herr Windelen?)

    Herr Brandt hat sich von Herrn Lafontaine distanziert! Ich frage: Für wie lange und aus welchen Motiven? Herr Vogel hat diese Äußerungen zunächst interpretiert. Meine Damen und Herren, dieses unwürdige Hin und Her der SPD ausgerechnet dann, wenn es um Deutschland geht

    (Zustimmung bei der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Beifall! — Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    — Deutschland bedeutet Ihnen von den GRÜNEN gar nichts, das weiß ich; das unterscheidet uns —, zeigt, welche Kluft sich zwischen der SPD des Godesberger Programms und der heutigen SPD aufgetan hat.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Wenn Sie einen Stahlhelm aufhätten, wären Sie noch überzeugender!)



Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Abgeordneter Ehmke, ich weise diesen Ausdruck zurück.

(Zurufe von der SPD)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Alfred Dregger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Ehmke, meine Damen und Herren, wenn Sie in der Deutschlandpolitik wieder glaubwürdig werden wollen, was Ihnen schwerfallen wird, dann müssen Sie uns und dem deutschen Volk verbindlich erklären, was Sie eigentlich wollen. Stehen Sie zur Verfassung oder nicht? Ist die DDR für Sie Ausland oder nicht? Ist die deutsche Frage für Sie offen, oder ist sie begraben? Was gilt?

    (Zurufe von der SPD)

    Wir jedenfalls bleiben dabei, daß die Teilung Berlins, Deutschlands und Europas nicht die letzte Antwort der Geschichte sein kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Conradi [SPD]: Das sind diese Sprüche von Geschichte, die Antworten gibt!)

    Wir halten daran fest, daß die jetzige, aus Krieg und den Konflikten der Siegermächte entstandene Ordnung Europas durch eine Friedensordnung abgelöst werden muß, die auf dem Selbstbestimmungsrecht der europäischen Völker und auf ausgehandelten Friedensverträgen der europäischen Staaten mit den beiden Weltmächten beruht. Die Überwindung der Konfrontation der Weltmächte ist dazu ebenso notwendig wie die Wahrung unserer Grundsatzpositionen in der Berlin- und in der Deutschlandpolitik.

    (Beifall bei der CDU/CDU)

    Darauf hat dankenswerterweise der oberste Beamte der amerikanischen Schutzmacht in Berlin, Herr Kornblum, kurz vor der Begegnung Gorbatschow/Reagan in Genf in klarer und überzeugender



    Dr. Dregger
    Weise hingewiesen; siehe „FAZ" und „Welt" vom 21. November dieses Jahres. Selbst Gorbatschow hat das nicht ausgeschlossen. Auf die Frage eines Journalisten in Genf nach der deutschen Wiedervereinigung hat Gorbatschow auf den KSZE-Prozeß hingewiesen. Dieser KSZE-Prozeß schließt die friedlichen Veränderungen von Grenzen nicht aus. Herr Gorbatschow ist in der deutschen Frage aufgeschlossener als die SPD.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Widerspruch bei der SPD)

    — Das ärgert Sie, aber die Wahrheit ist manchmal ärgerlich für die Betroffenen. Das ist nun einmal so, das kann ich nicht ändern. Ich muß sie doch sagen dürfen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich kann Ihnen nur voraussagen: Sie werden mit Ihrer jetzigen Linie in der Deutschlandpolitik immer mehr ins Abseits geraten.

    (Feilcke [CDU/CSU]: Sind sie schon!)

    Sie haben Ihre Moral in der Deutschlandpolitik verloren.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie denken geschichtsfremd. Wer geschichtsfremd denkt und sich beflissen Tagesopportunitäten unterwirft, wird von der Geschichte widerlegt werden.

    (Lambinus [SPD]: Das seid Ihr oft genug!)

    Wir jedenfalls sind überzeugt und wir werden dafür eintreten,

    (Dr. Vogel [SPD]: Ostverträge! Habt Ihr abgelehnt!)

    daß die friedliche Verständigung zwischen den Weltmächten, zu der, wie wir hoffen, in Genf der Grundstein gelegt wurde, die Beantwortung der deutschen und europäischen Frage nicht ausspart.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Aber nicht nur die Inhalte Ihrer deutschland-, außen- und sicherheitspolitischen Aktivitäten sind kritikwürdig, sondern auch Ihre Methoden. Wenn die oppositionelle SPD mit regierenden kommunistischen Parteien Abkommen schließt, dann betreibt sie eine Nebenaußenpolitik, die illegitim ist und den deutschen Interessen schadet.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die SPD bietet dadurch den kommunistischen Führungen die Möglichkeit, die gewählte deutsche Regierung gegen eine Opposition auszuspielen, die sich selbst Regierungsfunktionen anmaßt. Ich verurteile dieses skandalöse Verhalten der SPD, für die es in der Geschichte der demokratischen Länder kein Beispiel gibt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die „Frankfurter Rundschau" hat am 29. Mai 1985 zum letzten Besuch des Herrn Brandt in Moskau folgendes geschrieben — ich zitiere —:
    Die Sowjets können mit der Brandt-Visite zufrieden sein. So viele Gleichklänge bei der Erörterung so sensibler Themen wie der Rüstungskontrollpolitik, der bilateralen Beziehungen und der Weltlage hatte es schon lange nicht mehr zwischen dem Kreml und einem nichtkommunistischen Gast gegeben.
    Wenn das zutreffen sollte, was in der „Frankfurter Rundschau" steht, dann hätte Herr Brandt weder uns noch der Sowjetunion einen Dienst erwiesen.
    Professor Karl Kaiser, der eben schon zitierte, immer noch lebendige Parteifreund und außenpolitische Experte der SPD, hat Ihnen aus dringendem Anlaß ins Stammbuch geschrieben — ich zitiere — :
    Äquidistanz
    — also gleicher Abstand von beiden Weltmächten —
    ist der Anfang vom Ende deutscher und europäischer Sicherheit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich jedenfalls werde in der nächsten Woche in Moskau als Mitglied einer Bundestagsdelegation nichts anderes sagen als das, was ich im Juni in Washington gesagt habe.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Toll! Das ist schon Programm! — Weiterer Zuruf von der SPD: Die freuen sich schon darauf!)

    Meine Damen und Herren, ich will niemanden täuschen: Nichts ist wichtiger als die Kalkulierbarkeit der deutschen Politik. Das ist für beide Seiten gleich wichtig.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Natürlich wollen wir Deutsche zu beiden Weltmächten möglichst gute Beziehungen unterhalten;

    (Zuruf von der SPD: Dann übt man schön!)

    aber wir können nicht zu beiden Seiten gleich gute Beziehungen unterhalten.
    Solange die Sowjetunion an der Teilung Berlins, Deutschlands und Europas festhält, solange sie nicht darauf verzichtet, Nachbarvölker gegen ihren Willen in ein kommunistisches Weltsystem einzufügen, wie zur Zeit Afghanistan, solange wir durch ihre überlegene Militärmacht, ihre expansive Ideologie — Weltrevolution unter sowjetischer Führung — und durch ihre offensive Militärdoktrin bedroht werden, so lange darf es keinen Zweifel geben, wer unser Verbündeter und neben den europäischen Alliierten unser Sicherheitspartner ist. Das sind die Vereinigten Staaten von Amerika.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Unser Verhältnis zu den USA ist daher notwendigerweise ein anderes als unser Verhältnis zur Sowjetunion. Wer wie Sie, meine Damen und Herren der SPD, verschiedene Tatbestände mit demselben Begriff kennzeichnet, Sicherheitspartnerschaft, der verwirrt die Menschen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




    Dr. Dregger
    Das ist nirgendwo gefährlicher als in der Außen-und Sicherheitspolitik. Ich fordere Sie auf, das in Ihren künftigen Äußerungen zu bedenken.
    Meine Damen und Herren, Sicherheitspartnerschaft mit den USA darf möglichst gute Beziehungen zur Sowjetunion nicht ausschließen. Das Bemühen darum ist im Interesse des Friedens notwendig, es ist auch im Interesse einer Friedensordnung für Europa notwendig, die nur mit beiden Weltmächten gemeinsam geschaffen werden kann.

    (Lange [GRÜNE]: Doch Äquivalenz!)

    Unser Ziel ist ein vereinigtes Deutschland als Gliedstaat eines vereinigten Europas. Das wäre nicht ein Zurück zur Vorkriegsordnung, aus der zwei Weltkriege hervorgegangen sind. Die von uns angestrebte Friedensordnung wäre für eine defensive Sowjetunion ein Gewinn. Ein in Nationalstaaten gegliedertes, aber vereinigtes Europa könnte nicht offensiv sein, weil das Ziele voraussetzt, auf sie sich die europäischen Staaten niemals einigen könnten. Es wäre ebensowenig offensivfähig — um einen historischen Vergleich zu nennen — wie das alte Reich, das 1806 untergegangen ist. Ein in Nationalstaaten gegliedertes, aber vereinigtes Europa würde es beiden Weltmächten ersparen, sich in Europa hautnah und hochgerüstet gegenüberzustehen. Einer Sowjetunion mit defensiver Ideologie und defensiver Politik könnte ein vereinigtes Europa ein wertvoller Partner sein, nicht zuletzt bei der Erschließung ihrer unermeßlichen Reichtümer an Rohstoffen und Energiequellen.

    (Ströbele [GRÜNE]: Da wollt ihr wohl ran, was? — Zurufe von der SPD)

    Meine Damen und Herren, das ist eine Perspektive — Sie sprechen wie ein Parteigänger der anderen Seite, nicht wie ein deutscher Patriot —,

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    für die die Zeit nicht reif sein mag.

    (Dr. Vogel [SPD]: Vaterlandslose Gesellen!)

    — Hören Sie zu, Herr Vogel, das ist auch für Sie wichtig! — Aber es ist eine Perspektive, deren Verwirklichung die Würde Europas und seiner Nationen wiederherstellen und auch den Interessen der beiden Weltmächte dienen würde, wenn diese auf Vorherrschaft verzichten.
    Die USA sind dazu bereit; sie ziehen ab, wenn wir es fordern.

    (Mann [GRÜNE]: Das ist aber ganz neu!)

    Der amerikanische Botschafter in Bonn hat es erst kürzlich erneut festgestellt. Ist auch die Sowjetunion zum Abzug bereit, wenn die Europäer es fordern, oder will sie auf ewige Zeiten die Vorherrschaft über Ostmitteleuropa behaupten? Das ist doch die Frage.

    (Lange [GRÜNE]: Haben die Amerikaner das gesagt?)

    Meine Damen und Herren, aus dem Genfer Kommuniqué der Reagan/Gorbatschow-Begegnung möchte ich zwei Punkte hervorheben, die bisher nicht die Beachtung gefunden haben, die sie verdienen.
    Ich nenne als erstes die Absicht, die chemischen Waffen nicht nur in Mitteleuropa, sondern weltweit zu beseitigen.

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: Machen Sie es doch!)

    Das ist möglich, da keine der beiden Seiten zur Abschreckung auf chemische Waffen angewiesen ist. Es geht um die Verwirklichung einer wirksamen Kontrolle, zu deren Vorbereitung die Bundesregierung wertvolle Arbeit geleistet hat. Die Abschaffung chemischer Waffen wäre ein erster großer Fortschritt, der weitere Fortschritte erhoffen ließe.
    Wie im Juni in Washington werde ich dieses Thema auch in Moskau in der nächsten Woche zum Gegenstand unserer Gespräche machen.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Wie denn?)

    Ein zweites. Für uns in der Mitte Europas ist es vielleicht noch wichtiger, daß beide Seiten in Genf erklärt haben, nicht nur einen atomaren und chemischen, sondern auch einen sogenannten konventionellen Krieg unter sich selbst auf jeden Fall vermeiden zu wollen. Diese Erklärung schützt bei ihrer Realisierung auch uns, solange amerikanische Truppen auf deutschem Boden stationiert sind. Solange das der Fall ist, würde ja ein Angriff der Sowjetunion auf unser Land ein Angriff auf die Vereinigten Staaten von Amerika bedeuten.
    Ob diese Tatsache auch diejenigen nachdenklich machen wird, die den USA und der NATO grundsätzlich ablehnend gegenüberstehen, wozu heute leider auch große Teile der SPD gehören? Ich jedenfalls beglückwünsche den amerikanischen Präsidenten und den sowjetischen Generalsekretär zu diesen für uns so wichtigen Abreden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, welche Felder man auch untersucht, ob die Deutschland-, Außen- und Sicherheitspolitik oder die Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik, das Ergebnis ist überall das gleiche: Der Kurs der Regierung ist klar und erfolgreich. Der Kurs der SPD ist unklar geworden; er steckt voller Widersprüche und läßt Schlimmes erwarten, wenn er verwirklicht würde.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Voraussage Ihres Parteifreundes Richard Löwenthal — auch Gott sei Dank unter den Lebenden, Herr Kollege Vogel — aus dem Jahre 1981 ist längst eingetroffen: Die SPD hat sich „selbst desintegriert", wie Löwenthal es damals befürchtet hat. Auf der Suche nach der von Brandt proklamierten neuen Mehrheit links von der Union hat die SPD Kompaß und Orientierung verloren. Zur „Zerfaserung des außenpolitischen Profils" — so Karl Kaiser — kommt die Zerfaserung des gesellschaftspolitischen Profils.



    Dr. Dregger
    Dabei ist doch klar: Zusammengehen mit den GRÜNEN ist Politik gegen die Arbeitnehmer,

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von den GRÜNEN)

    ist Politik gegen wissenschaftlichen und technischen Fortschritt,

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    gegen wirtschafts- und finanzpolitischen Sachverstand und gegen die Sicherheit unseres Landes. Herr Rappe weiß das, Herr Brandt und Herr Vogel nicht?

    (Zuruf von den GRÜNEN: Herr Dregger weiß doch alles!)

    Professor Hartmut Jaeckel, Mitglied Ihrer Partei, Herr Brandt und Herr Vogel, sieht die Gefahr heraufziehen, die SPD könne im grünen Neutralismus versinken. Wohin grüner Neutralismus unser Land und darüber hinaus die freie Welt führen würde, ist klar: in die Unfreiheit!

    (Zurufe von den GRÜNEN)

    Wenn Sie wieder regierungsfähig werden wollen, Herr Kollege Vogel, müssen Sie daher zunächst und verbindlich Ihr Verhältnis zu den GRÜNEN klären. Solange Sie dieser Bewegung programmatisch hinterherlaufen, solange Sie keine finanzierbaren Alternativen zur Regierungspolitik vorlegen und solange Sie konstruktive Oppositionspolitik mit Herabsetzungen der Regierung verwechseln, bleiben Sie regierungsunfähig.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Während Bundeskanzler Helmut Kohl eine erfolgreiche Bilanz vorlegen konnte und uneingeschränkt das Vertrauen der Koalition genießt, ist die SPD dabei, an der Seite der GRÜNEN zum Risiko für die Arbeitsplätze und für die Sicherheit unseres Landes zu werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Solange Sie, meine Damen und Herren, mit Spontis und Alternativen gemeinsame Sache machen, wie der wortbrüchig gewordene Herr Börner es zur Zeit in Hessen tut,

    (Vogel [München] [GRÜNE]: Sie wissen nicht, was Spontis sind, was?)

    bleiben Sie unglaubwürdig.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Welchen Grund sollte es geben, Herrn Rau mehr zu glauben als Herrn Börner?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Alles in allem: Die SPD ist in keiner guten Verfassung.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Da haben Sie recht, Herr Dregger!)

    Sie ist nicht in der Lage, ihre Aufgabe als Opposition konstruktiv wahrzunehmen.

    (Pfeffermann [CDU/CSU]: Wir wollen eine neue Opposition! — Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Die Feststellung von Rolf-Dieter Schwartz im „Vorwärts" ist zutreffend: Die SPD ist zur Zeit weder regierungs- noch oppositionsfähig.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: So ist es! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Bevor Sie wieder regierungsfähig werden, meine Damen und Herren, müssen Sie zunächst einmal oppositionsfähig werden.

    (Vo r s i t z: Vizepräsident Cronenberg)

    Das ist nicht leicht; wir haben das 1969 bei uns selbst feststellen müssen. Beides, Oppositionsfähigkeit und Regierungsfähigkeit, ist in einem Jahr, bis 1987, nicht zu erreichen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Deshalb sollten Sie, Herr Kollege Vogel, nicht kurzatmig werden. Sie sollten sich auf eine langfristige
    Oppositionsstrategie einstellen. Das wäre gut für Sie, das wäre gut für die SPD, und das wäre auch gut für unser Land.
    Ich danke Ihnen.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)