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    Plenarprotokoll 10/171 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 171. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 7. November 1985 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Zink und Dr. Czaja 12765 D Wahl der Abg. Dr. Waigel, Frau Dr. Martiny-Glotz und Wolfgramm (Göttingen) zu ordentlichen Mitgliedern und der Abg. Daweke, Duve und Baum zu stellvertretenden Mitgliedern im Verwaltungsrat der Filmförderungsanstalt 12765 D Erweiterung der Tagesordnung 12766 A Abwicklung der Tagesordnung . 12766A, 12808A Wahl der Abg. Frau Rönsch, Schemken, Frau Steinhauer, Eickmeyer, Kohn und Frau Zeitler zu Schriftführern 12808 A Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zum Waldschadensbericht Schulte (Menden) GRÜNE 12753 B Sauter (Epfendorf) CDU/CSU 12754 B Frau Dr. Hartenstein SPD 12755 B Dr. Rumpf FDP 12756 B Gallus, Parl. Staatssekretär BML . . . 12757 C Freiherr von Schorlemer CDU/CSU . . 12758 B Müller (Düsseldorf) SPD 12759A Baum FDP 12760A Spranger, Parl. Staatssekretär BMI . . 12760 C Schäfer (Offenburg) SPD 12761 D Schmidbauer CDU/CSU . . . . . . . 12762 D Dr. Penner SPD 12763 D Fellner CDU/CSU 12764 C Boroffka CDU/CSU 12765 B Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Windenergie — Drucksache 10/2255 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 10/3826 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN Nukleare Entsorgung — Drucksachen 10/906, 10/3893 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat über ein Forschungs-Aktionsprogramm zum Ausbau der Energiegewinnung aus Kernspaltung (1984-1987) — Drucksachen 10/376 Nr. 82, 10/3103 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die, Bundesregierung II Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. November 1985 Vorschlag für einen Beschluß des Rates zur Änderung des Beschlusses 77/271 EURATOM hinsichtlich des Höchstbetrags der EURATOM-Anleihen, welche die Kommission im Hinblick auf einen Beitrag für die Finanzierung von Kernkraftanlagen aufnehmen kann (EURATOM) — Drucksachen 10/3116 Nr. 12, 10/3372 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie zu dem Bericht der Enquete-Kommission „Zukünftige Kernenergie-Politik" über den Stand der Arbeit gemäß Beschluß des Deutschen Bundestages vom 26. Mai 1981 — Drucksachen 9/2438, 9/2439, 10/154 —— Drucksache 10/3409 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Neue energiepolitische Ziele für die Gemeinschaft — Drucksachen 10/3592 Nr. 4, 10/4131 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Fraktion der SPD Sicherung umweltfreundlicher Energieversorgung — Drucksachen 10/1476, 10/3031 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Schnellbrüter-Reaktortechnologie — Drucksache 10/4122 — Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi . 12767 A Wolfram (Recklinghausen) SPD . . . 12771 D Gerstein CDU/CSU 12774A Dr. Müller (Bremen) GRÜNE 12778 B Dr.-Ing. Laermann FDP 12779 C Lennartz SPD 12782 D Dr. Riesenhuber, Bundesminister BMFT 12785B Tatge GRÜNE 12789 D Engelsberger CDU/CSU 12791 B Vosen SPD 12794 B Dr. Warrikoff CDU/CSU 12796 C Catenhusen SPD 12797 D Reuter SPD 12799 C Dr. Hirsch FDP (Erklärung nach § 31 GO) 12803 D Wolfram (Recklinghausen) SPD (Erklärung nach § 31 GO) 12804 B Namentliche Abstimmungen . . 12802 B, 12804 C, 12806 C Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Fischer (Frankfurt), Schily, Frau Reetz und der Fraktion DIE GRÜNEN Lage und Forderungen der Sinti, Roma und verwandter Gruppen — Drucksachen 10/2032 (neu), 10/3292 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Verbesserung der Situation der Sinti und Roma — Drucksache 10/4127 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Lage der Sinti, Roma und verwandter Gruppen — Drucksache 10/4128 — Dr. Kohl, Bundeskanzler 12808 C Dr. Vogel SPD 12809 D Kroll-Schlüter CDU/CSU 12810 D Ströbele GRÜNE 12811 D Baum FDP 12813 B Jaunich SPD 12814 B Götzer CDU/CSU 12816 B Schily GRÜNE 12817 C Frau Dr. Segall FDP 12819C Aussprache zum 40. Gründungstag der Vereinten Nationen Frau Geiger CDU/CSU 12820 D Frau Dr. Timm SPD 12822 C Schäfer (Mainz) FDP 12824 C Tatge GRÜNE 12826 B Genscher, Bundesminister AA 12827 A Frau Huber SPD 12828 D Frau Fischer CDU/CSU 12831 A Ströbele GRÜNE 12832 C Dr. Wulff CDU/CSU 12833 B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. November 1985 III Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die schnellere und weitergehende Verminderung der Emissionen aus Altanlagen — Drucksache 10/2965 — in Verbindung mit Beratung des Siebten Berichts und der Empfehlung der Europa-Kommission zur Frage der Festlegung der europäischen Abgasnormen — Drucksache 10/3609 — Spranger, Parl. Staatssekretär BMI . . 12834 D Stahl (Kempen) SPD 12836 B Schmidbauer CDU/CSU • 12838A Schulte (Menden) GRÜNE 12841A Baum FDP 12842 A Duve SPD 12844 B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Entwicklungspolitik in Afrika — Drucksache 10/3702 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Verheugen, Bindig, Brück, Dr. Hauchler, Herterich, Dr. Holtz, Dr. Kübler, Frau Luuk, Neumann (Bramsche), Schanz, Schluckebier, Frau Schmedt (Lengerich), Toetemeyer, Voigt (Frankfurt), Dr. Vogel und der Fraktion der SPD Maßnahmen zur Abschaffung der Apartheid — Drucksache 10/3994 — Verheugen SPD 12847 A Dr. Hornhues CDU/CSU 12849A Frau Borgmann GRÜNE 12850 D Dr. Rumpf FDP 12851 D Dr. Warnke, Bundesminister BMZ . . 12853 B Toetemeyer SPD 12854 D Feilcke CDU/CSU 12856 A Möllemann, Staatsminister AA 12857 B Beratung des Antrags der Abgeordneten Schulte (Menden), Dr. Müller (Bremen), Frau Hönes, Schmidt (Hamburg-Neustadt) und der Fraktion DIE GRÜNEN Gutachtliche Stellungnahme „Umweltprobleme der Ostfriesischen Inseln", Zuleitung an den Deutschen Bundestag — Drucksache 10/3768 — Dr. Müller (Bremen) GRÜNE 12858 D Dr. Olderog CDU/CSU 12861 A Ewen SPD 12863 A Bredehorn FDP 12864 C Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes — Drucksache 10/3933 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 10/4121 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 10/4130 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN Förderung umweltverträglicher Verkehrsmittel III; hier: Nutzung und Förderung der öffentlichen Verkehrsmittel und der Deutschen Bundesbahn — Drucksache 10/4133 — Dr. Lippold CDU/CSU 12866 B Lennartz SPD 12868 B Hoffie FDP 12870 D Senfft GRÜNE 12873 B Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär BMF . 12875A Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht — Drucksache 10/2951 — Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses — Drucksache 10/4105 — Marschewski CDU/CSU 12876 B Fischer (Osthofen) SPD 12877 C Kleinert (Hannover) FDP 12878 C Mann GRÜNE 12879 D Engelhard, Bundesminister BMJ . . . 12881 A Lowack CDU/CSU (Erklärung nach § 31 GO) 12882 B Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Reschke, Conradi, Waltemathe, Müntefering, Lohmann (Witten), Meininghaus, Menzel, Polkehn, Schmitt (Wiesbaden), Dr. Sperling, Huonker, Wolfram (Recklinghausen) und der Fraktion der SPD IV Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. November 1985 Baulandsituation, Entwicklung der Baulandpreise, des Bodenrechts und der Bodensteuern — Drucksachen 10/2358, 10/3690 — . . 12882 B Nächste Sitzung 12882 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 12883* A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abg. Wolfram (Recklinghausen), Rappe (Hildesheim), Reuschenbach, Sander, Stahl (Kempen), Haehser, Grunenberg, Nagel, Eickmeyer (alle SPD) zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD: Schnellbrüter-Reaktortechnologie — Drucksache 10/4122 — 12883* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. November 1985 12753 171. Sitzung Bonn, den 7. November 1985 Beginn: 8.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 8. 11. Antretter 7. 11. Dr. Blank 7. 11. Böhm (Melsungen) ** 7. 11. Büchner (Speyer) * 8. 11. Ertl 7. 11. Dr. Feldmann 8. 11. Fischer (Hamburg) 8. 11. Funk 7. 11. Frau Dr. Hamm-Brücher 7. 11. Dr. Hauff 8. 11. Herterich 8. 11. Kiechle 8. 11. Dr. Kreile 8. 11. Lenzer ** 7. 11. Peter (Kassel) 7. 11. Frau Schmedt (Lengerich) 8. 11. Schmidt (Hamburg) 8. 11. Schmidt (München) ** 7. 11. Schmidt (Wattenscheid) 8. 11. Dr. Schmude 8. 11. Schulze (Berlin) 8. 11. Dr. Schwarz-Schilling 8. 11. Dr. Stoltenberg 8. 11. Frau Terborg 7. 11. Voigt (Sonthofen) 7. 11. Dr. Wieczorek 8. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Wolfram (Recklinghausen), Rappe (Hildesheim), Reuschenbach, Sander, Stahl (Kempen), Haehser, Grunenberg, Nagel, Eickmeyer, (alle SPD) zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD: Schnellbrüter-Reaktortechnologie (Drucksache 10/4122) Der Beitrag der Kernenergie zur Stromerzeugung ist notwendig. Voraussetzung auch für den zukünftigen Betrieb der am Netz und im Bau befindlichen Leichtwasserreaktoren ist ein Höchstmaß an Sicherheit und die Regelung der Zwischenlagerung und Entsorgung. Die Arbeitsteilung, Braunkohle und Kernenergie im Grundlastbereich und Steinkohle in der Mittellast einzusetzen, ist richtig. Verhindert muß werden, daß Kernenergie die Kohle in Mittellast verdrängt. Der bis 1995 laufende Kohleverstromungsvertrag muß rechtzeitig vor Ablauf verlängert werden. Anlagen zum Stenographischen Bericht Die Förderung von Energieforschung und -entwicklung ist notwendig und industriepolitisch geboten. Es war und ist richtig, daß im Intereresse einer langfristigen sicheren Energieversorgung im Bereich der Kernenergie verschiedene Reaktorlinien mit öffentlichen Mitteln gefördert wurden. So gesehen war es richtig, daß trotz einer Präferenzierung des THTR 300 unsererseits auch der SNR 300 öffentlich gefördert wurde. Das war wohl auch der Grund, daß alle bisherigen Bundesregierungen und ihre jeweiligen Forschungsminister - gestützt auf breite parlamentarische Mehrheiten - den SNR 300 bis heute mit Bundesmitteln entscheidend gefördert haben. Im Gegensatz zu der von uns akzeptierten und respektierten Meinung der eindeutigen Mehrheiten in unserer Partei und Bundestagsfraktion gibt es für uns zur Zeit keinen aktuellen politischen Entscheidungsbedarf, ob der SNR 300 fertiggestellt und in Betrieb gehen soll. Der SNR 300 ist ein internationales Projekt. Deshalb ist es sinnvoll, die Option für diese Reaktorlinie offenzuhalten. Niemand kann nämlich heute mit Sicherheit sagen, wie sich die Energieversorgungslage in den nächsten zwei Jahrzehnten entwickelt. Soweit es die atomrechtlichen Genehmigungsverfahren betrifft, sind diese nach Recht und Gesetz von der NRW-Landesregierung in Koordination mit der Bundesregierung korrekt und zügig abzuwickeln. Das ist auch die Auffassung der SPD-Bundestagsfraktion und des SPD-Parteirates. Spätestens zum Zeitpunkt der Fertigstellung ist die öffentliche finanzielle Förderung einzustellen. Eine zusätzliche Subventionierung eines an das Netz gehenden SNR 300 ist nicht vertretbar. Vor Erteilung der Betriebsgenehmigung sind in einem öffentlichen Verfahren noch einmal folgende Fragenkomplexe zu klären: Wo und in welchem Umfang wird diese Reaktorlinie in anderen Industrieländern erforscht und entwickelt? Gibt es einen langfristigen energie- und/oder energiepolitischen Bedarf für den SNR 300? Sind die Betreiber aus der Energiewirtschaft bereit, den SNR 300 ohne weitere öffentliche Subventionierung zu übernehmen und zu betreiben? Welche Regreßansprüche kämen bei Abbruch des Projekts aus internationalen Verträgen und aus der Wirtschaft auf den Bund zu? Welche personellen Konsequenzen für Forschung und Wirtschaft hätte eine Aufgabe dieser Reaktorlinie, und wie sollen diese bewältigt werden? Gibt es gegenüber den Erkenntnissen und Empfehlungen der Enquete-Kommission „Friedliche Nutzung der Kernenergie" neue und gravierende Fakten, die unter Abwägung 12884* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. November 1985 aller Gesichtspunkte eine Inbetriebnahme des SNR 300 unter energiepolitischen Gesichtspunkten und Fragen der Sicherheit faktisch verbieten? Das sind Gründe und offene Fragen, die die Unterzeichner zu einem von der Mehrheitsentscheidung der SPD-Bundestagsfraktion abweichenden Stimmverhalten veranlassen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helga Timm


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schade, ich hatte mehr Widerhall bei den Kolleginnen und Kollegen erhofft.

    (Beifall)

    Aber vielleicht gelingt es noch.
    Die SPD-Fraktion begrüßt diese Aussprache im Deutschen Bundestag aus Anlaß des Inkrafttretens der Charta der Vereinten Nationen vor 40 Jahren.
    Mit der Ansprache von Bundestagspräsident Jenninger am 24. Oktober, dem eigentlichen Tag des Inkrafttretens, und dieser Debatte heute hat der Deutsche Bundestag die Anregung der IPU, unserer Interparlamentarischen Union, aufgenommen. Damit haben wir einen Anlaß dafür, daß der Bundestag endlich einmal wieder zu Problemen der Vereinten Nationen Stellung nimmt, denen es j a wirklich an Aktualität nicht mangelt. Es ist höchste Zeit, daß wir uns strittigen Fragen der Vereinten Nationen stellen und auch die UN-Politik der Bundesregierung prüfend begleiten.
    Wann haben wir das eigentlich gemacht? Erstmals 1973, als es damals um die Beitrittsfrage ging, die überhaupt erst spruchreif werden konnte, nachdem die sozialliberale Bundesregierung mit ihrer neuen Ostpolitik die Ostverträge und den Grundlagenvertrag mit der DDR abgeschlossen hatte. Es ging damals um die Aufnahme der beiden deutschen Staaten und damit um die endgültige Absage an die Hallstein-Doktrin. Dementsprechend strittig war damals die Debatte. Sie stand auch wesentlich unter dem Aspekt der Deutschlandpolitik und weniger unter dem des Sinns und Nutzens der Vereinten Nationen als Organisation internationaler Politik.
    In Aktuellen Stunden hatten wir dann kürzlich Auseinandersetzungen, als es um die Tätigkeit des Hohen Flüchtlingskommissars in der Bundesrepublik oder um die Zeichnung der UN-Seerechtskonvention ging.
    Diese wenigen Beispiele zeigen, daß, wenn es um nationale Belange geht, recht unterschiedliche Auffassungen auch unter uns zutage treten können. Um so wichtiger ist es, daß sich in Zukunft der Bundestag solcher Fragen annimmt, zumal die großen Probleme und Aufgaben, die uns alle bedrängen, weder national noch bilateral wirklich zu bewältigen sind. Die Interdependenz, die gegenseitige Abhängigkeit, wird immer spürbarer.
    Von Anfang an war die Grundstruktur der Vereinten Nationen den machtpolitischen Verhältnissen angepaßt. In der Vollversammlung hat zwar je-



    Frau Dr. Timm
    des Mitgliedsland eine Stimme, aber im Sicherheitsrat, dem eigentlichen Instrument der Friedenssicherung, haben sich die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs, USA, UdSSR, Vereinigtes Königreich, Frankreich und China, das Vetorecht vorbehalten. Aus den Verbündeten im Kampf gegen Nazi-Deutschland und Japan sind dann sehr schnell die neuen großen Gegenpole der Supermächte mit ihren Blocksystemen geworden.
    Trotzdem meine ich, hat das System der Vereinten Nationen geholfen, in den vergangenen vier Jahrzehnten einen dritten Weltkrieg, ein Aufeinanderprallen der Supermächte, zu verhindern.

    (Beifall bei der SPD)

    Gegen die vielen schlimmen regionalen und lokalen kriegerischen Auseinandersetzungen dieser Welt außerhalb Europas zeigte es sich dagegen oft machtlos. Der Ost-West-Konflikt hat sowohl machtpolitisch als auch ideologisch das UN-Geschehen beeinflußt, ja teilweise auch blockiert.
    Dagegen wurde der Prozeß der Entkolonialisierung beschleunigt und gefördert. Mit der Aufnahme der vielen jungen, neuen Staaten als Mitglieder hat sich die Integrationskraft und -funktion der Vereinten Nationen im Rahmen der Völkergemeinschaft bewährt. Die Vereinten Nationen sind für sie das einzige Forum, in dem sie gleichberechtigt ihre Stimme erheben und ihre Forderungen geltend machen können.
    Durch diesen Prozeß ist in den letzten zwei Jahrzehnten zunehmend der Nord-Süd-Konflikt, sind die sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen Auseinandersetzungen zwischen Arm und Reich als zusätzliches Spannungsfeld intensiviert worden. Die Vereinten Nationen und alle ihre Sonderorganisationen sind Hauptaustragungsorte dieses dramatischen Konflikts.
    Die Vereinten Nationen sind damit das offene Forum weltpolitischer Auseinandersetzungen. Diese Transparenz macht Weltpolitik berechenbarer. Dieser Tatsache können sich offenbar selbst die Großmächte nicht mehr ganz verschließen. Die USA und die UdSSR haben gleichsam, wie mir scheint, als Rechtfertigung vor der Weltöffentlichkeit jetzt im Oktober die Vereinten Nationen benutzt, ihre Vorstellungen für Verhandlungen in Genf — außerhalb der Vereinten Nationen — zu bekräftigen, nämlich einen Rüstungswettlauf im All zu verhindern und auf Erden zu beenden, die Nuklearwaffen zu begrenzen und zu verringern sowie die strategische Stabilität zu festigen.
    In der Tat: Das ist es, was die Weltöffentlichkeit, was die Völkergemeinschaft von ihnen erwartet. Die Großmächte müssen endlich ihrer Verantwortung gerecht werden. Sie haben die Macht. Sie haben die Waffenarsenale. Sie sind im Besitz der wirtschaftlichen Ressourcen und der Nuklearwaffen, die bisher im Gleichgewicht des Schreckens als Instrument der Friedenssicherung benutzt wurden, aber inzwischen zunehmend tiefen Zweifel in Sinn und Beherrschbarkeit hervorrufen, ja, immer mehr als Bedrohung erkannt und in ihrer neuen Qualität gesehen werden, daß sie nämlich die Möglichkeit in sich bergen, das Leben auf der Erde auszulöschen. Die Verantwortung der Großmächte für die Friedenssicherung ist vorrangig, übergroß und unmittelbar, gerade auch deshalb, weil das Konzept der Vereinten Nationen, zur Friedenssicherung von vornherein darin bestanden hat, daß eben auch die Ursachen kriegerischer Konflikte, die in sozialen, wirtschaftlichen, in kulturellen und geistigen Beziehungen liegen, erkannt und gelöst werden müssen.
    Dafür zeugen die zahlreichen Sonderorganisationen wie Weltgesundheitsorganisation, ILO, Welternährungsorganisation sowie Hochkommissar für Flüchtlinge, UNICEF. Dazu gehört auch die UNESCO, aus der sich jetzt eine der Großmächte schmollend zurückgezogen hat. Die UNESCO-Präambel besagt: Kriege entstehen in den Köpfen der Menschen, „in the minds of men". Ich sehe in diesem Rückzug ein Alarmzeichen, besonders deshalb, weil dieses Beispiel Schule zu machen beginnt, auch in konservativen Kreisen hier bei uns. Wenn in diesem Zusammenhang mit Verschwendung von Geld argumentiert wird, Frau Kollegin Geiger, und mit ideologischer Verfremdung der Organisation, gleichzeitig aber die wirtschaftlichen und finanziellen Mittel für immer mehr und immer kostspieligere und immer sinnlosere Rüstung aufgebracht werden, weil das Mißtrauen, weil die ideologische Feindschaft, weil das Hochschrauben des jeweiligen Sicherheitsbedürfnisses nicht abgebaut werden, dann schließt sich hier der Teufelskreis.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Ich fürchte, wir durchbrechen ihn nicht, wenn die Verantwortung vornehmlich den kleineren Ländern aufgebürdet wird, weil sie über Mehrheitsbeschlüsse in der Vollversammlung der UN die angeblich nationalen Interessen der Großmächte konterkarieren können. Ich kann dem Herrn Außenminister daher nicht ganz folgen, wenn er in seiner Rede jetzt vor den Vereinten Nationen meint, aus dem gleichen Stimmrecht für alle, das er — wie auch ich — für richtig hält, erwachse eine große Verantwortung der kleineren Länder. Er sagte:
    Wer sich dieser Verantwortung nicht stellt, der stärkt die Tendenz zum Rückzug in bilaterale Verhandlungsprozesse, er schwächt die Vereinten Nationen und schwächt damit das Forum, in dem die eigenen Vorstellungen wirksam zum Ausdruck gebracht werden sollen. Die Arbeit der Vereinten Nationen und ihrer Sonderorganisationen darf nicht ideologisiert werden.
    Ich sehe in dieser Argumentationskette eine Umkehrung von Ursache und Wirkung und in dieser Mentalität auch den eigentlichen Kern, wenn von Krise die Rede ist. Von den kleineren Ländern wird die große Verantwortung erwartet. Sie, die gegen Hungertod, Unterernährung, für bloße Überlebenschancen kämpfen, sie sollen lernen, dieses einzige Weltforum, das sie haben, verantwortungsvoll zu benutzen, damit sich die reichen nicht allzu bedrängt fühlen. Spricht aus solcher Mentalität Ironie, Sarkasmus oder einfach Anerkennung politischer Realitäten?



    Frau Dr. Timm
    Es ist sicherlich notwendig, das UN-System nach nunmehr vier Jahrzehnten stürmischer weltpolitischer Veränderungen zu überprüfen, zu modernisieren, auch zu reformieren. Auch Herr Außenminister Genscher sprach am 21. Oktober in New York vor der Generalversammlung von selbstgemachten Problemen, unter denen die Organisation leide. Wir alle kennten ihre Schwächen. Sie sei reformbedürftig. Aber wie sollen solche Reformen aussehen?
    Gerade unter diesem Aspekt bin ich der Meinung, daß die Vereinten Nationen und ihre Zukunft nicht länger nahezu allein der Regierung und ihren Beamten überlassen bleiben dürfen. Ich glaube, diese wären damit auf Dauer auch überfordert. Es gibt unter Fachleuten manche inhaltlichen Reformvorschläge. Ich meine, der Bundestag sollte sich mit ihnen beschäftigen, sie politisch aufgreifen.
    Wir sind hier politisch gefordert, weil wir uns auch intensiver mit den Vorstellungen und Forderungen der Bundesregierung befassen sollten. Weiß sich eigentlich die Bundesregierung ganz in Übereinstimmung mit dem Parlament, wenn sie z. B. wie jetzt bei der Generalversammlung die Ächtung der Todesstrafe vorschlägt oder wenn sie die Einsetzung eines Hohen Kommissars für Menschenrechte und einen Internationalen Menschenrechtsgerichtshof bei den Vereinten Nationen fordert? Darüber müssen wir hier doch reden.
    Ich glaube, wir haben uns auch deshalb so wenig damit beschäftigt, weil wir bisher noch keine Form gefunden haben, wie der Bundestag es tun könnte. Ich schlage vor, daß wir den Auswärtigen Ausschuß und unsere IPU-Delegation beauftragen, uns recht bald konkrete Vorschläge zu machen, wie wir uns in Zukunft kontinuierlicher mit UN-Problemen beschäftigen können. In diese Richtung zielt wohl auch der Gedanke von Frau Kollegin Hamm-Brücher, den sie bei der Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen kürzlich vortrug, eventuell einen Unterausschuß des Auswärtigen Ausschusses einzusetzen. Ich bin mir selber noch nicht ganz klar, welche Form wir hier wählen sollten. Aber wir sollten wirklich darangehen, in Zukunft den Bundestag für UN-Politik mehr einzusetzen.
    Herr Präsident, ich meine, der Deutsche Bundestag hat darüber hinaus eine ganz besondere Verpflichtung. Als am 26. April 1945 die Konferenz von San Franzisko eröffnet wurde, war in Europa immer noch Krieg, waren es noch knapp zwei Wochen bis zur deutschen Kapitulation am 8. Mai. Und als am 26. Juni 1945 51 Staaten die Charta der Vereinten Nationen unterzeichneten, waren die Atombomben über Hiroshima und Nagasaki noch nicht abgeworfen. Das Ende nationalsozialistischer Terrorherrschaft, die Gründung einer die Hoffnung der Menschen verkörpernden Weltorganisation und der Beginn des Atomzeitalters mit seiner Schreckensvision einer globalen Katastrophe drängten sich in einen kurzen, nur wenige Wochen umfassenden Zeitraum zusammen.
    Die historischen Tatsachen gebieten, daß gerade uns Deutschen stets bewußt bleibt, wie eng die Vereinten Nationen mit der dunkelsten Zeit unserer
    Geschichte verbunden sind. Ihre Wurzeln liegen in den Schlachtfeldern des von Deutschen verursachten Zweiten Weltkrieges, in den Ruinen zahlloser europäischer Städte, im Tod und Leiden von Millionen und aber Millionen Menschen.
    Die Vereinten Nationen sind mit unserer jüngsten Geschichte verflochten, als Organisation der Siegermächte über die Achsenstaaten, aber gleichzeitig als diejenige Organisation, durch die wir wieder gleichberechtigte Aufnahme in die Völkergemeinschaft gefunden haben. Bereits 1950/51 war es die UNESCO, die als erste Sonderorganisation im UN-System der jungen Bundesrepublik ihre Tore öffnete. Ich meine: So wenig wie wir die Nazi-Zeit aus unserer Geschichte streichen können, so wenig können und dürfen wir uns unserer besonderen moralisch-politischen Verantwortung für das Bestehen, das Funktionieren und die Weiterentwicklung der Vereinten Nationen entziehen.
    Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schäfer (Mainz).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Helmut Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben trotz vieler Rückschläge und mancher Kritik Grund, an diesem 40. Geburtstag das Interesse der Weltöffentlichkeit in positivem Sinn auf die Arbeit der Vereinten Nationen zu lenken, die im Jahre 1945 in San Franzisko mit dem sehr ehrgeizigen Ziel gegründet wurde, eine bessere Welt zu schaffen.
    Die leidvollen Erfahrungen zweier Weltkriege waren sicher ein entscheidender Anlaß für die Gründung dieser Organisation.
    Die Vereinten Nationen haben sich in den 40 Jahren seit ihrer Gründung als ein bedeutendes Forum für alle Völker der Welt erwiesen, das zur Bewahrung des Friedens, für Verhinderung gewaltsamer Auseinandersetzungen und zum Ausgleich wirtschaftlicher und sozialer Interessen entscheidend beigetragen hat.
    Vor zwölf Jahren, am 18. September 1973, wurden die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik als Vollmitglieder in die Vereinten Nationen aufgenommen. Für die Bundesrepublik bedeutete dies die letzte Stufe der offiziellen Anerkennung ihrer schon seit den 50er Jahren bestehenden aktiven Mitarbeit in den zahlreichen UN-Sonderorganisationen, auf die sie viel Mühe und beachtliche Mittel verwandt hatte.
    Die beiden neuen Mitgliedstaaten waren sich von vornherein einig gewesen, keine innerdeutschen Streitigkeiten, keine querelles allemandes, vor der Weltöffentlichkeit auszutragen. Diese Haltung hat sich bewährt. Die Mitarbeit beider deutscher Staaten in der Weltorganisation wurde von deutschdeutschen Belastungen freigehalten. Ich meine, die beiderseitige Zusammenarbeit in dieser Organisation hat sogar für die beiden deutschen Staaten ein Stück Annäherung gebracht.



    Schäfer (Mainz)

    Alle Bundesregierungen haben die Ziele und Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen — Gewaltverbot, Friedenswahrung und Stärkung der Zusammenarbeit zwischen den Völkern — zur Richtschnur ihrer Politik gemacht. Hierin kam und kommt die von den Deutschen empfundene besondere Verantwortung für die Erhaltung und die Sicherung des Friedens zum Ausdruck.
    Wir sehen unsere Aufgabe in den Vereinten Nationen darin, diese Grundforderungen für eine konstruktive, weltweite Zusammenarbeit in praktische Politik umzusetzen. Die Bundesrepublik betreibt daher in den Vereinten Nationen insbesondere eine Politik der aktiven Friedenssicherung und wendet sich gegen den Versuch jeglicher Vorherrschaft und Majorisierung, aber auch gegen jegliche Interventionspolitik. Wir befürworten eine gleichberechtigte Partnerschaft der Mitgliedstaaten und einen gerechten Interessenausgleich zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern.
    Nach unserer Auffassung erfüllen die Vereinten Nationen eine ganz wesentliche Funktion im Rahmen der weltweiten Bemühungen zur Friedenssicherung. Sie ergänzen durch ihre Institutionen und Verfahren zur Konfliktregelung die Sicherheitsstrukturen, die auf dem Gleichgewicht der Großmächte beruhen, und leisten einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der internationalen Beziehungen.
    Sicher konnte die Weltorganisation die weitgespannten Erwartungen nicht erfüllen, die ihre Gründer in sie gesetzt hatten und die sich vor allem an das System kollektiver Sicherheit unter Verantwortung des Sicherheitsrates knüpften. Gleichwohl konnten die Vereinten Nationen — wir sollten das heute nicht vergessen — in einem begrenzten Rahmen zur Beilegung, Eindämmung oder zumindest Entschärfung von zahlreichen internationalen Streitigkeiten und regionalen und weltweiten Krisen oder offenen Konflikten beitragen.
    Leider hat dieses friedenserhaltende Instrumentarium der Vereinten Nationen in Krisen, die nicht oder jedenfalls nicht unmittelbar die Gefahren einer direkten Konfrontation zwischen den beiden Großmächten und den von ihnen angeführten militärischen Allianzen in sich bargen, weniger zufriedenstellend und erfolgreich funktioniert. Das zeigen die vielen kriegerischen Auseinandersetzungen, die in den letzten Jahrzehnten in vielen Teilen der Welt stattfanden.
    Der Vorwurf, die Vereinten Nationen trügen mehr zur Verhärtung als zur Entspannung von Krisen bei, entzündet sich deshalb vor allem an der Frustration mancher Staaten über die Majorisierung der Generalversammlung durch die Dritte Welt sowie über die häufig sehr emotionalen und nicht endenwollenden Debatten in der Generalversammlung, mit der Dispute vor der Weltöffentlichkeit ausgetragen werden. Gerade in großen politischen Konflikten der letzten Jahre — ich erinnere hier an Afghanistan und Kambodscha — hat sich jedoch gezeigt, daß es jedenfalls keine automatischen Mehrheiten der Dritten Welt gegen den Westen gibt, wie gelegentlich unterstellt wird.
    Ich verstehe diesen Vorwurf auch nicht ganz. Die Interessen der Staaten der Dritten Welt, meine Damen und Herren, decken sich eben häufig nicht mehr mit den Interessen der Industrienationen.

    (Zustimmung des Abg. Vogel [München] [GRÜNE])

    Welches andere Forum bietet sich ihnen als die UN, wenn sie ihren Selbstbehauptungswillen, ihren verletzten Stolz, ihren oft verzweifelten Mut zur Selbstbehauptung zum Ausdruck bringen wollen? Es wäre töricht, zu glauben, diese wirtschaftlich oft hoffnungslos unterlegenen, politisch um ihre Existenz ringenden Länder zu Wohlverhalten auf der einen oder anderen Seite zwingen zu wollen. Je mehr es dem Westen dagegen gelingt, sich durch partnerschaftliche Zusammenarbeit und Unterstützung der echten Blockfreiheit das Vertrauen der Länder der Dritten Welt zu erwerben, desto weniger werden wir Anlaß haben, eine angeblich automatische Mehrheit gegen unsere Interessen zu beklagen.

    (Beifall bei der FDP)

    Meine Damen und Herren, ein besonders wichtiges Arbeitsgebiet der Vereinten Nationen sind die Förderung und der Schutz der Menschenrechte. Botschafter von Wechmar hat in einer Rede 1979 vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen gesagt: Es ist gut, sich daran zu erinnern, daß sich die Mehrheit der Staaten nach dem Ersten Weltkrieg noch weigerte, auch nur die Idee der Menschenrechte in der Satzung des Völkerbundes zu verankern. Heute sind Selbstbestimmung und Menschenrechte beherrschendes Thema der Weltpolitik. Heute hängt das Ansehen eines Staates auch davon ab, wie er mit den Menschenrechten umgeht.
    Die Bundesrepublik Deutschland ist selbstverständlich schon lange Mitglied der UNO-Menschenrechtskommission und spielt allein und im Rahmen der Gemeinschaft der europäischen Länder eine wesentliche Rolle in diesem Gremium.
    Meine Damen und Herren, ich glaube, daß uns allen bewußt ist, wie furchtbar überall in der Welt immer noch die Menschenrechte verletzt werden. Entsprechend dem hohen Wert, den wir, die FDP, im Rahmen unserer Außenpolitik der weltweiten Verteidigung der Menschenrechte beimessen, sehen wir darin auch einen Schwerpunkt unserer Tätigkeit in den Vereinten Nationen. Wir haben daher die von den Bundesregierungen in den Vereinten Nationen ergriffenen Initiativen wie z. B. das Internationale Übereinkommen gegen Geiselnahme, oder die Initiativen zur Vermeidung neuer Flüchtlingsströme und zur Abschaffung der Todesstrafe nach Kräften unterstützt.
    Minister Genscher hat sich in der Feier aus Anlaß des 40. Jahrestages in New York für wirksame und objektive Einrichtungen in den Vereinten Nationen zur Durchsetzung der Menschenrechte ausgesprochen. Sein Vorschlag der Schaffung eines Menschenrechtsbeauftragten und eines UN-Menschenrechtsgerichtshofs ist sehr bemerkenswert,



    Schäfer (Mainz)

    und wir hoffen, daß es gelingt, diesen Vorschlag auch in die Praxis umzusetzen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die Bundesrepublik hat sich in den letzten Jahren vor allem im Verbund der Europäischen Gemeinschaft im Rahmen der Vereinten Nationen zu einem wichtigen Gesprächspartner für die Dritte Welt entwickelt. Aus diesem Grunde ist nach liberaler Auffassung wesentlich, daß wir den Nord-Süd-Dialog auch im Rahmen der Vereinten Nationen fortsetzen, gerade in einer Zeit, in der weltwirtschaftliche Spannungen anhalten. Die Industriestaaten leiden weiterhin unter Wachstumsschwächen, Arbeitslosigkeit, Inflation und hohen Haushaltsdefiziten. In den Entwicklungsländern wächst das Pro-Kopf-Einkommen nicht mehr und geht teilweise zurück. Der Schuldendienst verschlingt die kärglichen Exporterlöse. Dabei müssen wir uns vor Augen halten: Während es im Norden um Wohlstandseinbußen geht, handelt es sich im Süden um das Überleben von Hunderten von Millionen Menschen. Wir Liberale wissen, daß es ohne Entwicklung keine stabile Weltwirtschaft und keinen dauerhaften Frieden gibt. Deshalb ist die mit der NordSüd-Politik angestrebte Lösung der internationalen sozialen Frage ein Beitrag zu unserer eigenen Sicherheit und zur Sicherheit unserer Zukunft.
    Sosehr wir alle bedauern, daß die Vereinten Nationen nur einen relativ schwachen Einfluß haben, wenn es darum geht, die ganz großen Probleme unserer Zeit zu überwinden oder schwierige internationale oder regionale Krisen zu lösen, weil sie in Wahrheit abhängig sind vom Willen der Groß- und Supermächte, weil sie über keine ausreichenden finanziellen Mittel verfügen oder gar über militärische Macht, weil sich in ihnen immer noch ideologische, politische und wirtschaftliche Gegensätze unserer Zeit spiegeln, die nicht durch Mehrheitsbeschlüsse lösbar sind, so ist andererseits die ganz wichtige Rolle der Vereinten Nationen als ein Forum für die Begegnung aller Staaten, als eine Stätte des Dialogs, als eine Quelle vieler Anstöße und Anregungen wenigstens zur Lösung der großen Menschheitsfragen nicht hoch genug einzuschätzen. Wir alle wollen, daß diese Weltorganisation trotz mancher Probleme erhalten bleibt und vielleicht eines Tages wirklich den Einfluß nehmen kann, den sich ihre Gründer von ihr erhofft haben.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)