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ID1017117900

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/171 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 171. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 7. November 1985 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Zink und Dr. Czaja 12765 D Wahl der Abg. Dr. Waigel, Frau Dr. Martiny-Glotz und Wolfgramm (Göttingen) zu ordentlichen Mitgliedern und der Abg. Daweke, Duve und Baum zu stellvertretenden Mitgliedern im Verwaltungsrat der Filmförderungsanstalt 12765 D Erweiterung der Tagesordnung 12766 A Abwicklung der Tagesordnung . 12766A, 12808A Wahl der Abg. Frau Rönsch, Schemken, Frau Steinhauer, Eickmeyer, Kohn und Frau Zeitler zu Schriftführern 12808 A Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zum Waldschadensbericht Schulte (Menden) GRÜNE 12753 B Sauter (Epfendorf) CDU/CSU 12754 B Frau Dr. Hartenstein SPD 12755 B Dr. Rumpf FDP 12756 B Gallus, Parl. Staatssekretär BML . . . 12757 C Freiherr von Schorlemer CDU/CSU . . 12758 B Müller (Düsseldorf) SPD 12759A Baum FDP 12760A Spranger, Parl. Staatssekretär BMI . . 12760 C Schäfer (Offenburg) SPD 12761 D Schmidbauer CDU/CSU . . . . . . . 12762 D Dr. Penner SPD 12763 D Fellner CDU/CSU 12764 C Boroffka CDU/CSU 12765 B Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Windenergie — Drucksache 10/2255 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 10/3826 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN Nukleare Entsorgung — Drucksachen 10/906, 10/3893 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat über ein Forschungs-Aktionsprogramm zum Ausbau der Energiegewinnung aus Kernspaltung (1984-1987) — Drucksachen 10/376 Nr. 82, 10/3103 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die, Bundesregierung II Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. November 1985 Vorschlag für einen Beschluß des Rates zur Änderung des Beschlusses 77/271 EURATOM hinsichtlich des Höchstbetrags der EURATOM-Anleihen, welche die Kommission im Hinblick auf einen Beitrag für die Finanzierung von Kernkraftanlagen aufnehmen kann (EURATOM) — Drucksachen 10/3116 Nr. 12, 10/3372 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie zu dem Bericht der Enquete-Kommission „Zukünftige Kernenergie-Politik" über den Stand der Arbeit gemäß Beschluß des Deutschen Bundestages vom 26. Mai 1981 — Drucksachen 9/2438, 9/2439, 10/154 —— Drucksache 10/3409 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Neue energiepolitische Ziele für die Gemeinschaft — Drucksachen 10/3592 Nr. 4, 10/4131 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Fraktion der SPD Sicherung umweltfreundlicher Energieversorgung — Drucksachen 10/1476, 10/3031 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Schnellbrüter-Reaktortechnologie — Drucksache 10/4122 — Dr. Bangemann, Bundesminister BMWi . 12767 A Wolfram (Recklinghausen) SPD . . . 12771 D Gerstein CDU/CSU 12774A Dr. Müller (Bremen) GRÜNE 12778 B Dr.-Ing. Laermann FDP 12779 C Lennartz SPD 12782 D Dr. Riesenhuber, Bundesminister BMFT 12785B Tatge GRÜNE 12789 D Engelsberger CDU/CSU 12791 B Vosen SPD 12794 B Dr. Warrikoff CDU/CSU 12796 C Catenhusen SPD 12797 D Reuter SPD 12799 C Dr. Hirsch FDP (Erklärung nach § 31 GO) 12803 D Wolfram (Recklinghausen) SPD (Erklärung nach § 31 GO) 12804 B Namentliche Abstimmungen . . 12802 B, 12804 C, 12806 C Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Fischer (Frankfurt), Schily, Frau Reetz und der Fraktion DIE GRÜNEN Lage und Forderungen der Sinti, Roma und verwandter Gruppen — Drucksachen 10/2032 (neu), 10/3292 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Verbesserung der Situation der Sinti und Roma — Drucksache 10/4127 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Lage der Sinti, Roma und verwandter Gruppen — Drucksache 10/4128 — Dr. Kohl, Bundeskanzler 12808 C Dr. Vogel SPD 12809 D Kroll-Schlüter CDU/CSU 12810 D Ströbele GRÜNE 12811 D Baum FDP 12813 B Jaunich SPD 12814 B Götzer CDU/CSU 12816 B Schily GRÜNE 12817 C Frau Dr. Segall FDP 12819C Aussprache zum 40. Gründungstag der Vereinten Nationen Frau Geiger CDU/CSU 12820 D Frau Dr. Timm SPD 12822 C Schäfer (Mainz) FDP 12824 C Tatge GRÜNE 12826 B Genscher, Bundesminister AA 12827 A Frau Huber SPD 12828 D Frau Fischer CDU/CSU 12831 A Ströbele GRÜNE 12832 C Dr. Wulff CDU/CSU 12833 B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. November 1985 III Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die schnellere und weitergehende Verminderung der Emissionen aus Altanlagen — Drucksache 10/2965 — in Verbindung mit Beratung des Siebten Berichts und der Empfehlung der Europa-Kommission zur Frage der Festlegung der europäischen Abgasnormen — Drucksache 10/3609 — Spranger, Parl. Staatssekretär BMI . . 12834 D Stahl (Kempen) SPD 12836 B Schmidbauer CDU/CSU • 12838A Schulte (Menden) GRÜNE 12841A Baum FDP 12842 A Duve SPD 12844 B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Entwicklungspolitik in Afrika — Drucksache 10/3702 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Verheugen, Bindig, Brück, Dr. Hauchler, Herterich, Dr. Holtz, Dr. Kübler, Frau Luuk, Neumann (Bramsche), Schanz, Schluckebier, Frau Schmedt (Lengerich), Toetemeyer, Voigt (Frankfurt), Dr. Vogel und der Fraktion der SPD Maßnahmen zur Abschaffung der Apartheid — Drucksache 10/3994 — Verheugen SPD 12847 A Dr. Hornhues CDU/CSU 12849A Frau Borgmann GRÜNE 12850 D Dr. Rumpf FDP 12851 D Dr. Warnke, Bundesminister BMZ . . 12853 B Toetemeyer SPD 12854 D Feilcke CDU/CSU 12856 A Möllemann, Staatsminister AA 12857 B Beratung des Antrags der Abgeordneten Schulte (Menden), Dr. Müller (Bremen), Frau Hönes, Schmidt (Hamburg-Neustadt) und der Fraktion DIE GRÜNEN Gutachtliche Stellungnahme „Umweltprobleme der Ostfriesischen Inseln", Zuleitung an den Deutschen Bundestag — Drucksache 10/3768 — Dr. Müller (Bremen) GRÜNE 12858 D Dr. Olderog CDU/CSU 12861 A Ewen SPD 12863 A Bredehorn FDP 12864 C Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes — Drucksache 10/3933 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 10/4121 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 10/4130 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN Förderung umweltverträglicher Verkehrsmittel III; hier: Nutzung und Förderung der öffentlichen Verkehrsmittel und der Deutschen Bundesbahn — Drucksache 10/4133 — Dr. Lippold CDU/CSU 12866 B Lennartz SPD 12868 B Hoffie FDP 12870 D Senfft GRÜNE 12873 B Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär BMF . 12875A Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht — Drucksache 10/2951 — Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses — Drucksache 10/4105 — Marschewski CDU/CSU 12876 B Fischer (Osthofen) SPD 12877 C Kleinert (Hannover) FDP 12878 C Mann GRÜNE 12879 D Engelhard, Bundesminister BMJ . . . 12881 A Lowack CDU/CSU (Erklärung nach § 31 GO) 12882 B Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Reschke, Conradi, Waltemathe, Müntefering, Lohmann (Witten), Meininghaus, Menzel, Polkehn, Schmitt (Wiesbaden), Dr. Sperling, Huonker, Wolfram (Recklinghausen) und der Fraktion der SPD IV Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. November 1985 Baulandsituation, Entwicklung der Baulandpreise, des Bodenrechts und der Bodensteuern — Drucksachen 10/2358, 10/3690 — . . 12882 B Nächste Sitzung 12882 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 12883* A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abg. Wolfram (Recklinghausen), Rappe (Hildesheim), Reuschenbach, Sander, Stahl (Kempen), Haehser, Grunenberg, Nagel, Eickmeyer (alle SPD) zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD: Schnellbrüter-Reaktortechnologie — Drucksache 10/4122 — 12883* B Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. November 1985 12753 171. Sitzung Bonn, den 7. November 1985 Beginn: 8.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 8. 11. Antretter 7. 11. Dr. Blank 7. 11. Böhm (Melsungen) ** 7. 11. Büchner (Speyer) * 8. 11. Ertl 7. 11. Dr. Feldmann 8. 11. Fischer (Hamburg) 8. 11. Funk 7. 11. Frau Dr. Hamm-Brücher 7. 11. Dr. Hauff 8. 11. Herterich 8. 11. Kiechle 8. 11. Dr. Kreile 8. 11. Lenzer ** 7. 11. Peter (Kassel) 7. 11. Frau Schmedt (Lengerich) 8. 11. Schmidt (Hamburg) 8. 11. Schmidt (München) ** 7. 11. Schmidt (Wattenscheid) 8. 11. Dr. Schmude 8. 11. Schulze (Berlin) 8. 11. Dr. Schwarz-Schilling 8. 11. Dr. Stoltenberg 8. 11. Frau Terborg 7. 11. Voigt (Sonthofen) 7. 11. Dr. Wieczorek 8. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Wolfram (Recklinghausen), Rappe (Hildesheim), Reuschenbach, Sander, Stahl (Kempen), Haehser, Grunenberg, Nagel, Eickmeyer, (alle SPD) zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD: Schnellbrüter-Reaktortechnologie (Drucksache 10/4122) Der Beitrag der Kernenergie zur Stromerzeugung ist notwendig. Voraussetzung auch für den zukünftigen Betrieb der am Netz und im Bau befindlichen Leichtwasserreaktoren ist ein Höchstmaß an Sicherheit und die Regelung der Zwischenlagerung und Entsorgung. Die Arbeitsteilung, Braunkohle und Kernenergie im Grundlastbereich und Steinkohle in der Mittellast einzusetzen, ist richtig. Verhindert muß werden, daß Kernenergie die Kohle in Mittellast verdrängt. Der bis 1995 laufende Kohleverstromungsvertrag muß rechtzeitig vor Ablauf verlängert werden. Anlagen zum Stenographischen Bericht Die Förderung von Energieforschung und -entwicklung ist notwendig und industriepolitisch geboten. Es war und ist richtig, daß im Intereresse einer langfristigen sicheren Energieversorgung im Bereich der Kernenergie verschiedene Reaktorlinien mit öffentlichen Mitteln gefördert wurden. So gesehen war es richtig, daß trotz einer Präferenzierung des THTR 300 unsererseits auch der SNR 300 öffentlich gefördert wurde. Das war wohl auch der Grund, daß alle bisherigen Bundesregierungen und ihre jeweiligen Forschungsminister - gestützt auf breite parlamentarische Mehrheiten - den SNR 300 bis heute mit Bundesmitteln entscheidend gefördert haben. Im Gegensatz zu der von uns akzeptierten und respektierten Meinung der eindeutigen Mehrheiten in unserer Partei und Bundestagsfraktion gibt es für uns zur Zeit keinen aktuellen politischen Entscheidungsbedarf, ob der SNR 300 fertiggestellt und in Betrieb gehen soll. Der SNR 300 ist ein internationales Projekt. Deshalb ist es sinnvoll, die Option für diese Reaktorlinie offenzuhalten. Niemand kann nämlich heute mit Sicherheit sagen, wie sich die Energieversorgungslage in den nächsten zwei Jahrzehnten entwickelt. Soweit es die atomrechtlichen Genehmigungsverfahren betrifft, sind diese nach Recht und Gesetz von der NRW-Landesregierung in Koordination mit der Bundesregierung korrekt und zügig abzuwickeln. Das ist auch die Auffassung der SPD-Bundestagsfraktion und des SPD-Parteirates. Spätestens zum Zeitpunkt der Fertigstellung ist die öffentliche finanzielle Förderung einzustellen. Eine zusätzliche Subventionierung eines an das Netz gehenden SNR 300 ist nicht vertretbar. Vor Erteilung der Betriebsgenehmigung sind in einem öffentlichen Verfahren noch einmal folgende Fragenkomplexe zu klären: Wo und in welchem Umfang wird diese Reaktorlinie in anderen Industrieländern erforscht und entwickelt? Gibt es einen langfristigen energie- und/oder energiepolitischen Bedarf für den SNR 300? Sind die Betreiber aus der Energiewirtschaft bereit, den SNR 300 ohne weitere öffentliche Subventionierung zu übernehmen und zu betreiben? Welche Regreßansprüche kämen bei Abbruch des Projekts aus internationalen Verträgen und aus der Wirtschaft auf den Bund zu? Welche personellen Konsequenzen für Forschung und Wirtschaft hätte eine Aufgabe dieser Reaktorlinie, und wie sollen diese bewältigt werden? Gibt es gegenüber den Erkenntnissen und Empfehlungen der Enquete-Kommission „Friedliche Nutzung der Kernenergie" neue und gravierende Fakten, die unter Abwägung 12884* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. November 1985 aller Gesichtspunkte eine Inbetriebnahme des SNR 300 unter energiepolitischen Gesichtspunkten und Fragen der Sicherheit faktisch verbieten? Das sind Gründe und offene Fragen, die die Unterzeichner zu einem von der Mehrheitsentscheidung der SPD-Bundestagsfraktion abweichenden Stimmverhalten veranlassen.
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    Rede von Michaela Geiger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Vereinten Nationen sind 40 Jahre alt geworden, und auch der Deutsche Bundestag reiht sich heute in die Schar derer ein, die dazu gratulieren wollen. Das Aufgebot an Gratulanten und Festgästen war beachtlich.



    Frau Geiger
    95 Präsidenten, Könige, Premierminister, Außenminister, Botschafter und Generäle haben der UNO zu Ehren mehr als 1,3 Millionen Worte gesprochen.
    Inzwischen sind die Feiern überstanden, in New York ist wieder der Alltag eingekehrt. Jetzt ist es an der Zeit, Bilanz zu ziehen und die Konsequenzen aus den vielen guten Ratschlägen und Mahnungen der Festredner zu überdenken.
    Aber schauen wir erst zurück in die Zeit vor 40 Jahren. Wie ist es zur Gründung der Vereinten Nationen gekommen? Im Mai 1945 wurde in Europa der Zweite Weltkrieg beendet. Dieser grausame Krieg brachte Millionen von Menschen den Tod. Eine brutale und schrankenlose Machtanwendung bedeutete für die Völker Europas unendliches Leid. Millionen wurden Opfer des Krieges, des Völkermordes und der Vertreibung.
    Diese Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges veranlaßten die betroffenen Staaten, einen internationalen Sicherheitsmechanismus einzurichten, der eine Wiederholung einer solchen Katastrophe ein für allemal verhindern sollte. Der Völkerbund hatte vor dem Zweiten Weltkrieg die hohen Erwartungen, die in ihn gesetzt wurden, nicht erfüllen können. Er kam mit einem schweren Geburtsfehler zur Welt: Die stärkste Macht, die Vereinigten Staaten, traten ihm nicht bei. Auch Deutschland und die Sowjetunion gehörten ihm nur zeitweise an.
    Bei der Gründung der Vereinten Nationen 1945 war man entschlossen, die Fehler des Völkerbundes unter allen Umständen zu vermeiden. Die Aufrechterhaltung des Weltfriedens wurde daher nicht der Generalversammlung übertragen, sondern einem kleineren Gremium, dem Sicherheitsrat. Oberstes Ziel der UN-Charta war und ist nach Art. 1 die Erhaltung und gegebenenfalls die Wiederherstellung des Weltfriedens.
    Hat die UNO in den letzten 40 Jahren dieser Herausforderung gerecht werden können? Die Vereinten Nationen können in den vier Jahrzehnten ihrer Geschichte tatsächlich beachtliche Leistungen vorweisen. Das internationale Recht wurde wesentlich fortentwickelt; Flüchtlinge in aller Welt leben von den Hilfsgütern der Organisation, Krankheiten konnten ausgemerzt werden, Kindern wurde ein besseres Leben ermöglicht, und wichtige Kulturgüter der Menschheit wurden vor dem Untergang bewahrt.
    Die Vereinten Nationen haben also unbestreitbar ihre Meriten, schon allein deshalb, weil das Gespräch auch zwischen Gegnern unter dem gemeinsamen Dach der UNO auch dann noch möglich war, wenn die offiziellen Beziehungen längst aufgekündigt waren.
    Leider ist es nicht möglich, am Geburtstag der Vereinten Nationen ein reines Loblied anzustimmen; denn wenn einem an dieser Organisation liegt, wenn man gerne sähe, daß sie einflußreicher, daß sie wirkungsvoller wäre, dann muß man auch von den Schwachstellen sprechen. Niemand kann die Augen vor der Tatsache verschließen, daß es zahlreiche Enttäuschungen gegeben hat. Zwar wurde der Menschheit das schlimmste Übel, ein weiterer
    Weltkrieg, erspart, aber das kann diejenigen nicht trösten, die unter den mehr als 140 begrenzten Konflikten litten und noch leiden, deren Angehörige getötet oder verstümmelt wurden oder die ihre Heimat verlassen mußten.
    Es ist eine traurige Tatsache, daß die Vereinten Nationen auf dem Gebiet, das sie als ihre erste und wichtigste Aufgabe ansahen, auf dem Gebiet der Friedenssicherung, am wirkungslosesten blieben. Selbst wiederholte, von großen Mehrheiten getragene Appelle der UN-Vollversammlung gegen Gewaltanwendung und Unterdrückung verhallten immer wieder wirkungslos, wie das Beispiel Afghanistan zeigt.
    Es ist auch eine traurige Tatsache, daß sehr viele der heutigen Mitglieder mit echter Demokratie wenig im Sinn haben. Die erdrückende Mehrzahl der Mitgliedstaaten wird nicht nach demokratischen Grundsätzen regiert und hätte eigentlich allen Anlaß, vor der eigenen Tür zu kehren. Das hindert diese Staaten aber nicht, über Israel, Südafrika, Chile und andere weniger beliebte Kinder der Völkerfamilie selbstgefällig zu Gericht zu sitzen. Diese doppelte Moral in der Menschenrechtsfrage trägt ganz gewiß nicht zur Glaubwürdigkeit der Vereinten Nationen bei.
    Die Amerikaner haben bei der Gründung wahrscheinlich die höchsten Erwartungen in die Vereinten Nationen gesetzt, als sie anfangs freiwillig 40% der finanziellen Bürde übernahmen. Verständlich, daß sie nun von den relativ mageren Ergebnissen am meisten enttäuscht sind. Die Finanzleistungen der Bundesrepublik haben sich in den ersten zehn Jahren ihrer Zugehörigkeit als Vollmitglied verdoppelt. Mit 8,54 % des Gesamtbudgets stehen wir nach der Sowjetunion mit 10,54% und nach Japan mit 10,32 % bereits an vierter Stelle der größten Beitragszahler.
    Ich verhehle in diesem Zusammenhang nicht, daß sich mancher im westlichen Lager angesichts des Abstimmungsverhaltens in der UNO schon gefragt hat, ob es sinnvoll ist, daß der Westen den Knüppel, mit dem er oft genug geprügelt wird, auch noch selber finanziert.
    Die Unsummen, die die UN-Verwaltung schluckt, sind ein weiteres Ärgernis. Viele Tausende oft nicht einmal koordinierte Programme und Projekte werden in Gang gesetzt, die dann wieder von einem Heer von 50 000 Mitarbeitern verwaltet werden. Allein 16 000 von ihnen sind im Sekretariat der UN in New York beschäftigt. Drei Viertel des Haushalts werden für hohe Besoldungen und geradezu fürstliche Pensionen ausgelegt. Eine genaue Kontrolle über die Verwendung von Geldern hat der Steuerzahler nicht.
    Ein guter Kenner der Vereinten Nationen, UNO-Kontrollinspekteur Maurice Bertrand, hat anläßlich des 40jährigen Bestehens der Vereinten Nationen einen Bericht vorgelegt, der uns mit seiner umfassenden Kritik an den bestehenden Verhältnissen alarmieren muß. Er weist u. a. darauf hin, daß wirtschaftliche Hilfsleistungen in ein und demselben Land manchmal durch 15 verschiedene UNO-Stel-
    12822 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. November 1985
    Frau Geiger
    len angeboten würden und daß ein einziger Experte der Organisation bis zu 100 000 Dollar im Jahr koste. Das umfangreiche Papiermaterial, das tagtäglich produziert werde, sei seiner Meinung nach von bedenklich schlechter Qualität. Die berufliche Qualifikation der Beamten und Experten entspreche den Erfordernissen nicht, was schon die „lächerlich niedrigen" Verkaufsauflagen der im Handel angebotenen UNO-Berichte zeigten.

    (Frau Dr. Timm [SPD]: Das kann man auch von manchen nationalen Ministerien sagen!)

    - Das mag sein, Frau Dr. Timm.
    Maurice Bertrand verwirft das UNO-System nicht in Bausch und Bogen. Er möchte Mängel und Illusionen aufzeigen und damit einen Denkprozeß auslösen, der in eine Strukturreform der UNO überleiten könnte. Seiner Meinung nach genügten administrative Retuschen und neue Koordinierungsausschüsse diesmal allerdings nicht; ein Neuüberdenken der Ziele und Aktionsmöglichkeiten sei vielmehr dringend notwendig.
    Diese Mahnungen sollte die Organisation ernst nehmen, wenn sie nicht Gefahr laufen will, mehr und mehr von ihrem Ansehen und von ihrer Wirksamkeit zu verlieren.
    Am 40. Geburtstag der Vereinten Nationen müssen wir uns sagen, daß die UNO die großen Herausforderungen nur zum Teil bewältigt hat. Trotzdem möchte kein Mitgliedstaat die Vereinten Nationen missen, denn sie dienen als Forum in der Welt, auf dem jeder seine Ansichten verkünden und für sie werben kann und auf dem wirkliche oder auch angebliche Mißstände nach Herzenslust angeprangert werden können. Viele UN-Mitglieder haben keine diplomatischen Beziehungen miteinander. Die UNO bietet die Möglichkeit, auch in ganz schwierigen Zeiten noch Kontakt zu halten. Darüber hinaus haben viele der Sonderorganisationen der UNO in den vergangenen 40 Jahren Großes geleistet.
    Neben der wichtigsten Aufgabe, der Friedenssicherung, gibt es für die Vereinten Nationen noch viel zu tun. Ich nenne z. B. die Bekämpfung des Rauschgifthandels und des internationalen Terrorismus, den Kampf gegen alte Seuchen und neue Krankheiten, die Bekämpfung des Hungers in der Welt und die Durchsetzung der Menschenrechte in allen Mitgliedstaaten. Auch der grenzübergreifende Umweltschutz muß eine größere Bedeutung erlangen.
    Dies alles kann nur gelingen, wenn sich die Vereinten Nationen auf die Worte eines ihrer Gründerväter, Winston Churchills, besinnen, der in seiner Rede in Fulton 1946 sagte:
    Wir müssen die Gewähr dafür bieten, daß die
    Arbeit der Vereinten Nationen Früchte trägt,
    — daß sie Wirklichkeit werden und nicht leerer Schein bleiben,
    — daß sie zu einer handelnden Kraft werden und nicht lediglich Schaumschlägerei mit Worten betreiben,
    — daß sie zu einem echten Tempel des Friedens werden, in dem eines Tages die Waffenschilde vieler Nationen hängen, und nicht lediglich zu einer Hahnenkampfarena im Turmbau zu Babel.
    Danke schön.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Timm.

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    Rede von Dr. Helga Timm


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schade, ich hatte mehr Widerhall bei den Kolleginnen und Kollegen erhofft.

    (Beifall)

    Aber vielleicht gelingt es noch.
    Die SPD-Fraktion begrüßt diese Aussprache im Deutschen Bundestag aus Anlaß des Inkrafttretens der Charta der Vereinten Nationen vor 40 Jahren.
    Mit der Ansprache von Bundestagspräsident Jenninger am 24. Oktober, dem eigentlichen Tag des Inkrafttretens, und dieser Debatte heute hat der Deutsche Bundestag die Anregung der IPU, unserer Interparlamentarischen Union, aufgenommen. Damit haben wir einen Anlaß dafür, daß der Bundestag endlich einmal wieder zu Problemen der Vereinten Nationen Stellung nimmt, denen es j a wirklich an Aktualität nicht mangelt. Es ist höchste Zeit, daß wir uns strittigen Fragen der Vereinten Nationen stellen und auch die UN-Politik der Bundesregierung prüfend begleiten.
    Wann haben wir das eigentlich gemacht? Erstmals 1973, als es damals um die Beitrittsfrage ging, die überhaupt erst spruchreif werden konnte, nachdem die sozialliberale Bundesregierung mit ihrer neuen Ostpolitik die Ostverträge und den Grundlagenvertrag mit der DDR abgeschlossen hatte. Es ging damals um die Aufnahme der beiden deutschen Staaten und damit um die endgültige Absage an die Hallstein-Doktrin. Dementsprechend strittig war damals die Debatte. Sie stand auch wesentlich unter dem Aspekt der Deutschlandpolitik und weniger unter dem des Sinns und Nutzens der Vereinten Nationen als Organisation internationaler Politik.
    In Aktuellen Stunden hatten wir dann kürzlich Auseinandersetzungen, als es um die Tätigkeit des Hohen Flüchtlingskommissars in der Bundesrepublik oder um die Zeichnung der UN-Seerechtskonvention ging.
    Diese wenigen Beispiele zeigen, daß, wenn es um nationale Belange geht, recht unterschiedliche Auffassungen auch unter uns zutage treten können. Um so wichtiger ist es, daß sich in Zukunft der Bundestag solcher Fragen annimmt, zumal die großen Probleme und Aufgaben, die uns alle bedrängen, weder national noch bilateral wirklich zu bewältigen sind. Die Interdependenz, die gegenseitige Abhängigkeit, wird immer spürbarer.
    Von Anfang an war die Grundstruktur der Vereinten Nationen den machtpolitischen Verhältnissen angepaßt. In der Vollversammlung hat zwar je-



    Frau Dr. Timm
    des Mitgliedsland eine Stimme, aber im Sicherheitsrat, dem eigentlichen Instrument der Friedenssicherung, haben sich die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs, USA, UdSSR, Vereinigtes Königreich, Frankreich und China, das Vetorecht vorbehalten. Aus den Verbündeten im Kampf gegen Nazi-Deutschland und Japan sind dann sehr schnell die neuen großen Gegenpole der Supermächte mit ihren Blocksystemen geworden.
    Trotzdem meine ich, hat das System der Vereinten Nationen geholfen, in den vergangenen vier Jahrzehnten einen dritten Weltkrieg, ein Aufeinanderprallen der Supermächte, zu verhindern.

    (Beifall bei der SPD)

    Gegen die vielen schlimmen regionalen und lokalen kriegerischen Auseinandersetzungen dieser Welt außerhalb Europas zeigte es sich dagegen oft machtlos. Der Ost-West-Konflikt hat sowohl machtpolitisch als auch ideologisch das UN-Geschehen beeinflußt, ja teilweise auch blockiert.
    Dagegen wurde der Prozeß der Entkolonialisierung beschleunigt und gefördert. Mit der Aufnahme der vielen jungen, neuen Staaten als Mitglieder hat sich die Integrationskraft und -funktion der Vereinten Nationen im Rahmen der Völkergemeinschaft bewährt. Die Vereinten Nationen sind für sie das einzige Forum, in dem sie gleichberechtigt ihre Stimme erheben und ihre Forderungen geltend machen können.
    Durch diesen Prozeß ist in den letzten zwei Jahrzehnten zunehmend der Nord-Süd-Konflikt, sind die sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen Auseinandersetzungen zwischen Arm und Reich als zusätzliches Spannungsfeld intensiviert worden. Die Vereinten Nationen und alle ihre Sonderorganisationen sind Hauptaustragungsorte dieses dramatischen Konflikts.
    Die Vereinten Nationen sind damit das offene Forum weltpolitischer Auseinandersetzungen. Diese Transparenz macht Weltpolitik berechenbarer. Dieser Tatsache können sich offenbar selbst die Großmächte nicht mehr ganz verschließen. Die USA und die UdSSR haben gleichsam, wie mir scheint, als Rechtfertigung vor der Weltöffentlichkeit jetzt im Oktober die Vereinten Nationen benutzt, ihre Vorstellungen für Verhandlungen in Genf — außerhalb der Vereinten Nationen — zu bekräftigen, nämlich einen Rüstungswettlauf im All zu verhindern und auf Erden zu beenden, die Nuklearwaffen zu begrenzen und zu verringern sowie die strategische Stabilität zu festigen.
    In der Tat: Das ist es, was die Weltöffentlichkeit, was die Völkergemeinschaft von ihnen erwartet. Die Großmächte müssen endlich ihrer Verantwortung gerecht werden. Sie haben die Macht. Sie haben die Waffenarsenale. Sie sind im Besitz der wirtschaftlichen Ressourcen und der Nuklearwaffen, die bisher im Gleichgewicht des Schreckens als Instrument der Friedenssicherung benutzt wurden, aber inzwischen zunehmend tiefen Zweifel in Sinn und Beherrschbarkeit hervorrufen, ja, immer mehr als Bedrohung erkannt und in ihrer neuen Qualität gesehen werden, daß sie nämlich die Möglichkeit in sich bergen, das Leben auf der Erde auszulöschen. Die Verantwortung der Großmächte für die Friedenssicherung ist vorrangig, übergroß und unmittelbar, gerade auch deshalb, weil das Konzept der Vereinten Nationen, zur Friedenssicherung von vornherein darin bestanden hat, daß eben auch die Ursachen kriegerischer Konflikte, die in sozialen, wirtschaftlichen, in kulturellen und geistigen Beziehungen liegen, erkannt und gelöst werden müssen.
    Dafür zeugen die zahlreichen Sonderorganisationen wie Weltgesundheitsorganisation, ILO, Welternährungsorganisation sowie Hochkommissar für Flüchtlinge, UNICEF. Dazu gehört auch die UNESCO, aus der sich jetzt eine der Großmächte schmollend zurückgezogen hat. Die UNESCO-Präambel besagt: Kriege entstehen in den Köpfen der Menschen, „in the minds of men". Ich sehe in diesem Rückzug ein Alarmzeichen, besonders deshalb, weil dieses Beispiel Schule zu machen beginnt, auch in konservativen Kreisen hier bei uns. Wenn in diesem Zusammenhang mit Verschwendung von Geld argumentiert wird, Frau Kollegin Geiger, und mit ideologischer Verfremdung der Organisation, gleichzeitig aber die wirtschaftlichen und finanziellen Mittel für immer mehr und immer kostspieligere und immer sinnlosere Rüstung aufgebracht werden, weil das Mißtrauen, weil die ideologische Feindschaft, weil das Hochschrauben des jeweiligen Sicherheitsbedürfnisses nicht abgebaut werden, dann schließt sich hier der Teufelskreis.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Ich fürchte, wir durchbrechen ihn nicht, wenn die Verantwortung vornehmlich den kleineren Ländern aufgebürdet wird, weil sie über Mehrheitsbeschlüsse in der Vollversammlung der UN die angeblich nationalen Interessen der Großmächte konterkarieren können. Ich kann dem Herrn Außenminister daher nicht ganz folgen, wenn er in seiner Rede jetzt vor den Vereinten Nationen meint, aus dem gleichen Stimmrecht für alle, das er — wie auch ich — für richtig hält, erwachse eine große Verantwortung der kleineren Länder. Er sagte:
    Wer sich dieser Verantwortung nicht stellt, der stärkt die Tendenz zum Rückzug in bilaterale Verhandlungsprozesse, er schwächt die Vereinten Nationen und schwächt damit das Forum, in dem die eigenen Vorstellungen wirksam zum Ausdruck gebracht werden sollen. Die Arbeit der Vereinten Nationen und ihrer Sonderorganisationen darf nicht ideologisiert werden.
    Ich sehe in dieser Argumentationskette eine Umkehrung von Ursache und Wirkung und in dieser Mentalität auch den eigentlichen Kern, wenn von Krise die Rede ist. Von den kleineren Ländern wird die große Verantwortung erwartet. Sie, die gegen Hungertod, Unterernährung, für bloße Überlebenschancen kämpfen, sie sollen lernen, dieses einzige Weltforum, das sie haben, verantwortungsvoll zu benutzen, damit sich die reichen nicht allzu bedrängt fühlen. Spricht aus solcher Mentalität Ironie, Sarkasmus oder einfach Anerkennung politischer Realitäten?



    Frau Dr. Timm
    Es ist sicherlich notwendig, das UN-System nach nunmehr vier Jahrzehnten stürmischer weltpolitischer Veränderungen zu überprüfen, zu modernisieren, auch zu reformieren. Auch Herr Außenminister Genscher sprach am 21. Oktober in New York vor der Generalversammlung von selbstgemachten Problemen, unter denen die Organisation leide. Wir alle kennten ihre Schwächen. Sie sei reformbedürftig. Aber wie sollen solche Reformen aussehen?
    Gerade unter diesem Aspekt bin ich der Meinung, daß die Vereinten Nationen und ihre Zukunft nicht länger nahezu allein der Regierung und ihren Beamten überlassen bleiben dürfen. Ich glaube, diese wären damit auf Dauer auch überfordert. Es gibt unter Fachleuten manche inhaltlichen Reformvorschläge. Ich meine, der Bundestag sollte sich mit ihnen beschäftigen, sie politisch aufgreifen.
    Wir sind hier politisch gefordert, weil wir uns auch intensiver mit den Vorstellungen und Forderungen der Bundesregierung befassen sollten. Weiß sich eigentlich die Bundesregierung ganz in Übereinstimmung mit dem Parlament, wenn sie z. B. wie jetzt bei der Generalversammlung die Ächtung der Todesstrafe vorschlägt oder wenn sie die Einsetzung eines Hohen Kommissars für Menschenrechte und einen Internationalen Menschenrechtsgerichtshof bei den Vereinten Nationen fordert? Darüber müssen wir hier doch reden.
    Ich glaube, wir haben uns auch deshalb so wenig damit beschäftigt, weil wir bisher noch keine Form gefunden haben, wie der Bundestag es tun könnte. Ich schlage vor, daß wir den Auswärtigen Ausschuß und unsere IPU-Delegation beauftragen, uns recht bald konkrete Vorschläge zu machen, wie wir uns in Zukunft kontinuierlicher mit UN-Problemen beschäftigen können. In diese Richtung zielt wohl auch der Gedanke von Frau Kollegin Hamm-Brücher, den sie bei der Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen kürzlich vortrug, eventuell einen Unterausschuß des Auswärtigen Ausschusses einzusetzen. Ich bin mir selber noch nicht ganz klar, welche Form wir hier wählen sollten. Aber wir sollten wirklich darangehen, in Zukunft den Bundestag für UN-Politik mehr einzusetzen.
    Herr Präsident, ich meine, der Deutsche Bundestag hat darüber hinaus eine ganz besondere Verpflichtung. Als am 26. April 1945 die Konferenz von San Franzisko eröffnet wurde, war in Europa immer noch Krieg, waren es noch knapp zwei Wochen bis zur deutschen Kapitulation am 8. Mai. Und als am 26. Juni 1945 51 Staaten die Charta der Vereinten Nationen unterzeichneten, waren die Atombomben über Hiroshima und Nagasaki noch nicht abgeworfen. Das Ende nationalsozialistischer Terrorherrschaft, die Gründung einer die Hoffnung der Menschen verkörpernden Weltorganisation und der Beginn des Atomzeitalters mit seiner Schreckensvision einer globalen Katastrophe drängten sich in einen kurzen, nur wenige Wochen umfassenden Zeitraum zusammen.
    Die historischen Tatsachen gebieten, daß gerade uns Deutschen stets bewußt bleibt, wie eng die Vereinten Nationen mit der dunkelsten Zeit unserer
    Geschichte verbunden sind. Ihre Wurzeln liegen in den Schlachtfeldern des von Deutschen verursachten Zweiten Weltkrieges, in den Ruinen zahlloser europäischer Städte, im Tod und Leiden von Millionen und aber Millionen Menschen.
    Die Vereinten Nationen sind mit unserer jüngsten Geschichte verflochten, als Organisation der Siegermächte über die Achsenstaaten, aber gleichzeitig als diejenige Organisation, durch die wir wieder gleichberechtigte Aufnahme in die Völkergemeinschaft gefunden haben. Bereits 1950/51 war es die UNESCO, die als erste Sonderorganisation im UN-System der jungen Bundesrepublik ihre Tore öffnete. Ich meine: So wenig wie wir die Nazi-Zeit aus unserer Geschichte streichen können, so wenig können und dürfen wir uns unserer besonderen moralisch-politischen Verantwortung für das Bestehen, das Funktionieren und die Weiterentwicklung der Vereinten Nationen entziehen.
    Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)