Rede von
Dr.
Alexander
Warrikoff
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sozialdemokraten und die GRÜNEN treten an mit dem Anspruch auf eine veränderte Energiepolitik. In Hessen haben sie Gelegenheit, zu zeigen, was sie meinen. Sie haben gemeinsam — übrigens vor der Koalition zwischen SPD und GRÜNEN — das hessische Energiegesetz verabschiedet, und sie haben sich entschlossen, einen hessischen grünen Energieminister zu etablieren.
— Daß Ihnen das gefällt, weiß ich.
Dieser Veränderungsdrang wäre verständlich, wenn die Energieversorgung in Hessen im argen läge. Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Wir erkennen gern an, daß hessische SPD-Landesregierungen im Laufe der Jahrzehnte eine vielseitige verbraucherorientierte Energieversorgung geschaffen haben. Georg-August Zinn, Albert Osswald und der jüngere Holger Börner waren stolz auf die Rolle, die die Kernenergie in Hessen spielt. Immerhin werden 60 % des Stroms in Hessen durch Kernenergie erzeugt.
Sie haben sich extrem darum bemüht und waren stolz darauf, die kernbrennstoffverarbeitende Industrie nach Hanau zu bringen.
Bei soviel Erfolg, meine Damen und Herren, mußte der rot-grüne Besen her. Der rot-grüne Besen hat auch einen Namen. Er heißt: dezentral, verbrauchernah und vor allem klein.
Nun haben wir nichts dagegen, daß die Energieversorgung dezentral durchgeführt wird, wenn dies sinnvoll ist. Wenn es aber sinnvoll ist, dann geschieht es ohnehin. Was hier geschehen soll, ist eine dezentrale, vor allem kleine Energieversorgung, soweit sie nicht sinnvoll ist. Die Vorstellung, daß etwas nur deswegen gut ist, weil es klein ist, ist ebenso abenteuerlich wie falsch. Da das natürlich erkannt wird und die Kleinheit nicht von selbst kommt, muß es mit Subventionen herbeigefördert werden.
Die hessische Landespolitik gibt auf einem Gebiet Subventionen, auf dem diese weder von den Verbrauchern noch von den Erzeugern gefordert werden. Es ist herausgeschmissenes Steuergeld. Es hat die zusätzliche Konsequenz, daß der Verbraucher auch noch belastet wird.
In der ganzen Energiepolitik der Rot-GRÜNEN in Hessen spielt der Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit und der Versorgungssicherheit keine Rolle. Daher ist es auch kein Wunder, daß sich diese Politik gegen die deutsche Steinkohle richtet, bei der aus vielen Gründen kleine, dezentrale und verbrauchernahe Kraftwerke nicht sinnvoll sind. Das bedeutet eine Abkehr von der Kohle und eine Hinwendung zu Gas und 01. Man ist erstaunt und verblüfft, daß im hessischen Energiegesetz sogar der Bau von Öl-
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 171. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 7. November 1985 12797
Dr. Warrikoff
und Erdgaskraftwerken finanziell gefördert werden soll. Das ist eine Politik hin zum Öl mit staatlicher Förderung — eine ganz ungeheure Sache.
Aber ich erkenne an, daß die hessische Landesregierung nicht nur redet, sondern auch handelt. Vorgestern stand in allen hessischen Zeitungen, daß die TH Darmstadt, die ein Kohlekraftwerk hatte, dieses mit Hilfe des hessischen Staates auf Erdgas umrüsten wird. Es ist ein klassisches dezentrales kleines Kraftwerk, genau nach dem Programm. Es wird also Kohle durch Erdgas ersetzen.
Dieser Kleinheitsfetischismus, den die SPD von den GRÜNEN übernommen hat, geht u. a. darauf zurück, daß sie sich mit tiefer Leidenschaft von den Kernkraftwerken abwenden, die nun einmal nicht klein vorstellbar sind. Da Kernkraftwerke groß sind, muß man gegen die Größe sein, ganz egal, was das auch kosten mag.
Ähnliche Kapriolen werden auf dem Gebiet der Entsorgung geschlagen, wo die SPD ihre Position zur Entsorgung durch Wiederaufarbeitung, die im Jahre 1977 in § 9 a des Atomgesetzes verankert wurde, vollkommen aufgegeben hat. Ich darf mit großem Nachdruck daran erinnern, daß Hessen das erste Bundesland war, das die DWK herzlichst eingeladen hat, ihre Wiederaufarbeitungsanlage doch bitte in Hessen zu bauen. Was waren das noch für Zeiten!
Neuerdings hat die SPD gemeinsam mit den GRÜNEN das Wegwerfkonzept für die Entsorgung der bestrahlten Brennelemente erfunden. Wenn wir uns entschließen würden — das werden wir ganz sicher nicht tun —, dieses Wegwerfkonzept zu akzeptieren, würde sich ein ungeheures Feldgeschrei erheben, daß die Kernenergie nicht verantwortbar sei, weil die Entsorgung nicht gesichert sei. Dieses Feldgeschrei wäre zum Teil sogar begründet; denn das Wegwerfkonzept ist weder entwickelt noch technisch erprobt. Das einzige technisch Erprobte und Zuverlässige ist die Wiederaufarbeitung, wie sie jetzt in Wackersdorf in Bayern geschieht.