Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben in der Deutschlandpolitik eine Aktuelle Stunde; ich kann nur hoffen und wünschen, daß es keine dunkle Stunde wird.
Nicht von ungefähr
möchte ich uns alle noch einmal an jene Feststellung erinnern, die Franz Josef Strauß im vergangenen Jahr in München getroffen hat. Darin heißt es:
Niemand sollte bei uns unterschätzen, mit welcher Irritation man auch im verbündeten Ausland inzwischen wieder auf Deutschland blickt. Täuschen wir uns nicht: Niemand unter unseren europäischen Nachbarn oder draußen in der Welt hat noch ein Interesse, wiederum an deutscher Irrationalität zu genesen oder sich von deutscher Hysterie und Ängsten anstecken zu lassen oder auch am deutschen Selbstmitleid mitleiden zu müssen, dieser schrecklichsten aller deutschen Krankheiten.
Meine Damen und Herren, diese Erkenntnis ist gut, sie ist richtig. Nur, sie zu haben allein genügt ja noch nicht. Es müssen daraus die politischen Konsequenzen abgeleitet werden. Politische Turnübungen auf doppeltem Boden nützen da gar nichts.
Auch hier gilt: Die Wahrheit macht frei von falschen Hoffnungen und Anpassungen, sie macht frei für die Gestaltung unserer Zukunft.
Wir haben uns am Ende der 60er Jahre gegen Unverständnis und Unterstellungen zu einem vertraglichen Miteinander der beiden deutschen Staaten durchgekämpft.
Keinen Schritt, den wir getan haben, müssen wir heute bereuen. Im Gegenteil; ohne den Grundlagenvertrag und
die vielen Folgeabkommen sähe es heute um die Einheit der Nation trübe aus.
So aber haben wir für menschliche Erleichterungen und für konkret erfahrbaren menschlichen Zusammenhalt Substanzsicherung betrieben.
Meine Damen und Herren, um diese Politik in der Auseinandersetzung mit der kommunistischen Welt erfolgreich betreiben zu können, jetzt und in der Zukunft, ist größtmögliche Geschlossenheit hier im Deutschen Bundestag wahrlich von Nutzen. Es war deshalb ein erfreuliches und, wie ich meine, für die Menschen im geteilten Deutschland hoffnungsvolles Ereignis, als wir uns, CDU/CSU und FDP zusammen mit der SPD, auf eine gemeinsame deutschlandpolitische Aussage im Januar 1984 einigen konnten. Wenn der Anlauf für die Fortschreibung einer solchen Erklärung jetzt gescheitert ist, sollten wir nicht nur nach dem Schuldigen
forschen. Nein, meine Damen und Herren, zertrümmern wir damit nicht auch noch den gemeinsamen Ansatzpunkt, den wir gewonnen haben!
Denn nur wenn wir ihn bewahren, werden wir weiter für menschliche Erleichterungen im geteilten Deutschland streiten können. Handeln wir in unserer Verantwortung für die Menschen im geteilten Land!
Abschließend möchte ich bemerken - und wiederhole damit eine gestrige Äußerung —: Es wäre fatal, wenn sich Kapitel 19 Vers 32 der Apostelgeschichte auf unsere deutschlandpolitische Debatte übertragen ließe. Dort heißt es nämlich:
Etliche schrien so, etliche ein anderes, und die Gemeinde ward irre, und die meisten wußten nicht, warum sie zusammengekommen waren.