Rede von
Lothar
Löffler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Bundesminister, stimmen Sie mir zu, daß Rechtsvorbehalte nur so viel Wert haben, wie sie in einem überschaubaren Rahmen auch tatsächlich in Politik umgewandelt werden können? Stimmen Sie mir weiter zu, daß z. B. der Rechtsvorbehalt der österreichischen Regierung und des österreichischen Kaisers im Hinblick auf Schlesien gegenüber Preußen im Grunde genommen durch den Ablauf der Geschichte gegenstandslos geworden ist? Stimmen Sie mir auch zu, daß trotz des Wiederholens eines solchen Rechtsvorbehaltes das gleiche mit dem Rechtsvorbehalt geschehen könnte, den wir ständig einlegen?
Windelen, Bundesminister: Herr Kollege Löffler — ich sage das gerade Ihnen mit Bedauern —, ich stimme Ihrer ersten Feststellung ausdrücklich nicht zu. Ich bin der Meinung, daß eine Politik, die nicht auf Recht gegründet ist, keine demokratische Politik ist.
Ich füge hinzu, daß gerade ein Volk, dem man nicht zu Unrecht den Vorwurf macht, es hätte sich in der Vergangenheit über Rechtspositionen hinweggesetzt, besonders sorgsam auf die Einhaltung von Rechtspositionen achten sollte.
Ich gehe gern auf Ihr Beispiel Österreich ein. Das österreichische Volk hat anders als das deutsche Volk Gelegenheit gehabt, in freier Selbstbestimmung über seine Zukunft zu entscheiden. Es hat dabei — in freier Selbstbestimmung! — auf einen Anschluß an den übrigen Teil der deutschen Nation verzichtet. Es versteht sich jetzt also als eigene Nation. Das österreichische Volk hat sich in freier Selbstbestimmung auch zur Neutralität verpflichtet. Damit hat es im Gegensatz zum deutschen Volk auch Gelegenheit gehabt, in freier Selbstbestimmung über sein Schicksal zu entscheiden.