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ID1016405900

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    Plenarprotokoll 10/164 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 164. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 16. Oktober 1985 Inhalt: Nachruf auf den Abg. Dr. George . . . . 12261 A Begrüßung von 520 jugendlichen Mitbürgern 12269 C Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zu Preisstabilität, Wirtschaftswachstum und Beschäftigung Dr. Kohl, Bundeskanzler 12261 D Dr. Vogel SPD 12269 D Dr. Dregger CDU/CSU 12279 D Schmidt (Hamburg-Neustadt) GRÜNE 12283 D Dr. Graf Lambsdorff FDP 12285 D Dr. Waigel CDU/CSU 12289C, 12291 C Roth SPD 12289 C Dr. Blüm, Bundesminister BMA . . . 12295 D Kleinert (Marburg) GRÜNE 12301 B Bueb GRÜNE (zur GO) 12305 A Seiters CDU/CSU (zur GO) 12305 B Frau Fuchs (Köln) SPD 12305 C Cronenberg (Arnsberg) FDP 12307 D Dr. Hauff SPD 12312 B Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 12314 B Dr. Ehrenberg SPD 12321 C Urbaniak SPD 12324 B Oostergetelo SPD 12325 C Vizepräsident Frau Renger 12321 C Namentliche Abstimmung 12327 D Nächste Sitzung 12329 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 12330* A Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 164. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 16. Oktober 1985 12261 164. Sitzung Bonn, den 16. Oktober 1985 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 164. Sitzung, Seite W A; Vier mal ist statt „Dr. Florian BML" „Dr. Florian BMP" zu lesen. Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein *** 18. 10. Dr. Ahrens * 18. 10. Antretter 18. 10. Bahr 16. 10. Dr. Bangemann 16. 10. Biehle *** 17. 10. Brandt 16. 10. Büchner (Speyer) * 17. 10. Dr. Corterier *** 17. 10. Egert 16. 10. Dr. Ehmke (Bonn) 17. 10. Ertl 16. 10. Francke (Hamburg) *** 16. 10. Funk 18. 10. Gansel *** 16. 10. Dr. von Geldern 16. 10. Gerstein 18. 10. Glos 16. 10. Haase (Fürth) * 18. 10. von Hammerstein 16. 10. Horn *** 16. 10. Dr. Hüsch 16. 10. Dr. Hupka *** 16. 10. Ibrügger *** 16. 10. Jungmann *** 16. 10. Dr.-Ing. Kansy *** 17. 10. Kolbow *** 16. 10. Dr. Kreile 18. 10. Frau Krone-Appuhn *** 16. 10. Kühbacher 18. 10. Dr. Kunz (Weiden) *** 17. 10. Dr.-Ing. Laermann 18. 10. Lange *** 17. 10. Lattmann *** 16. 10. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lemmrich * 17. 10. Frau Dr. Lepsius 18. 10. Frau Dr. Martiny-Glotz 18. 10. Dr. Mertens (Bottrop) 16. 10. Dr. Müller * 18. 10. Müller (Remscheid) 16. 10. Neumann (Bramsche) 18. 10. Dr.-Ing. Oldenstädt 18. 10. Pfeffermann 16. 10. Reddemann ** 18. 10. Frau Roitzsch (Quickborn) 18. 10. Ronneburger *** 16. 10. Roth 18. 10. Sander 17. 10. Sauer (Salzgitter) *** 17. 10. Dr. Schneider (Nürnberg) 18. 10. Schröer (Mülheim) 17. 10. Schulte (Unna) ** 18. 10. Frau Simonis *** 16. 10. Dr. Todenhöfer 18. 10. Frau Traupe *** 17. 10. Verheugen 18. 10. Voigt (Frankfurt) 18. 10. Dr. Warnke 17. 10. Dr. von Wartenberg *** 18. 10. Weiß *** 17. 10. Frau Dr. Wex 16. 10. Dr. Wörner 18. 10. Würtz *** 16. 10. Zierer *** 16. 10. Dr. Zimmermann 18. 10. *für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
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    Rede von Dieter-Julius Cronenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Kollege Urbaniak, es fällt mir überhaupt nicht schwer, Ihnen zuzustimmen. All unser Einsatz ist es doch, dafür zu sorgen, daß möglichst viele Ausbildungsplätze da sind. Wir haben noch nie so viele Ausbildungsplätze wie zur Zeit gehabt. Sie wissen wie ich, daß das Ganze, bedingt durch den Pillenknick, ein zeitlich befristetes Problem ist. Ehe Sie Ihre Ausbildungsabgabe organisiert und — wahrscheinlich an der falschen Stelle — abkassiert und mit viel Bürokratie eingesetzt haben, werden die Betriebe per Anzeige Auszubildende — oder wie es bei uns heißt: Lehrlinge — suchen. Das heißt: Das Instrument ist falsch, der Zeitpunkt ist falsch, und der Erfolg ist nicht gesichert. Deswegen empfehle ich Ihnen dringend, davon abzusehen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Unser großer Einsatz und unser bescheidener Erfolg in Sachen Lohnnebenkosten — nämlich die Senkung um 0,1 Prozentpunkte bei der Arbeitslo-



    Cronenberg (Arnsberg)

    senversicherung — wird so dargestellt, als ob wir den armen Arbeitslosen das Geld wegnähmen.

    (Immer [Altenkirchen] [SPD]: Habt ihr doch gemacht!)

    Bei richtiger Betrachtung wird umgekehrt ein Schuh daraus. Jeder zehntel Prozentpunkt weniger Steuern, jeder zehntel Prozentpunkt weniger Abgabe, Sozialversicherungsbeiträge ist aktive Beschäftigungspolitik. Das ist eine Chance für mehr Arbeit. Wir sollten sie nutzen und mit dieser Politik weitermachen.
    Unser Bemühen um Beitragssenkung in der Sozialversicherung hat doch nur einen einzigen Sinn: die übermäßige Verteuerung des Faktors Arbeit zu mildern und zu mehr offizieller, zu mehr beitragspflichtiger, zu mehr steuerpflichtiger Arbeit zu kommen.
    Meine Damen und Herren, es ist doch nicht so, daß wir Freie Demokraten weniger Steuern kassieren wollen. Auch wir möchten mehr Steuern für den Staat haben.

    (Zuruf von der SPD: Aber nur von den Arbeitnehmern!)

    Wir möchten das Mehr an Steuern jedoch dadurch haben, daß mehr Umsatz, mehr Gewinn gemacht wird, daß mehr verdient wird, und nicht dadurch, daß die Steuersätze hochgetrieben werden und damit sozusagen Leistungsverweigerung provoziert wird. Das ist der Unterschied zwischen Ihrer und unserer Politik.
    Meine Damen und Herren, wenn Sie unser Bemühen um mehr Arbeit durch die Methoden, wie wir sie Ihnen vorschlagen und auch erfolgreich praktizieren, schon nicht unterstützen wollen oder unterstützen können, dann möchte ich noch einmal bitten: Sprechen Sie uns nicht den guten Willen, das redliche Bemühen ab.

    (Reimann [SPD]: Ihre Mechanismen sind untauglich! Es geht nicht um den guten Willen!)

    — Herr Kollege Reimann, Sie gehören ganz sicher nicht zu den Kollegen, die uns den guten Willen absprechen. Aber hören Sie sich die Polemik an, die in den Versammlungen der Aktionswoche zu hören ist. Das ist erschreckend.

    (Zuruf der Abg. Frau Fuchs [Köln] [SPD])

    Auch in diesem Hause sind solche Worte gefallen. Es kann doch nicht in Ihrem und nicht in unserem Interesse, es kann nicht im Interesse dieser Gesellschaft und dieser parlamentarischen Demokratie sein, daß wir uns gegenseitig den guten Willen absprechen.

    (Jäger [Wangen] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Ich möchte mich mit aller Entschiedenheit dagegen wehren, daß wir hier permanent der sozialen Demontage bezichtigt werden. Meine Damen und Herren, wenn man sich um mehr Arbeit bemüht — wie ich immer wieder feststellen muß: auch erfolgreich —, dann ist das nicht soziale Demontage. So-
    ziale Demontage ist, wenn ich noch nicht Erwirtschaftetes verteile, weil es letztendlich zu weniger Arbeitsplätzen führt.
    Ich möchte in dem Zusammenhang einfach noch einmal den Altbundeskanzler Helmut Schmidt vom 22. Juni 1982 zitieren.

    (Zuruf von der SPD: So alt ist der gar nicht!)

    Er hat damals gesagt:
    Einige haben bemängelt, daß in diesem Pakt nicht genug getan werde zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Ich sage denen: Dies ist leider wahr. Wer mehr tun will, muß in die Geld- und Sozialleistungen tiefer hineinschneiden, als es in dem Kompromißpaket von mir vorgeschlagen ist. Von den beiden Möglichkeiten scheiterte die eine, es nämlich durch höhere Kreditaufnahme zu finanzieren, an mir.
    — An Helmut Schmidt. —
    Ich kann es nicht verantworten. Die zweite Möglichkeit scheiterte an euch. Wer mehr für die beschäftigungswirksamen Ausgaben des Staates tun will, muß tiefer, noch viel tiefer als hier in die Sozialleistungen hineinschneiden.

    (Hört! Hört! Bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, dieser Satz wird von mir heute wie damals unterstrichen. Es kann doch nicht wahr sein, daß uns, wenn wir das, was dort verlangt wird, in die Tat umsetzen, zum Schluß soziale Demontage vorgeworfen oder mangelnder guter Wille nachgesagt wird.
    Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie verbauen sich wirksame Wege zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, weil Sie, ideologisch bedingt, immer wieder in den gleichen Kardinalfehler verfallen. Sie gehen nämlich davon aus, Arbeit sei eine feste Größe, die man nur gerecht zu verteilen brauche, um die Probleme zu lösen. Dieser Gedanke ist falsch. Arbeit muß in sehr hartem Wettbewerb, insbesondere auf den internationalen Märkten geholt werden. Arbeit hängt von der Leistungsfähigkeit und der Leistungsmöglichkeit insbesondere der kleineren und mittleren Betriebe ab. Ob die Betriebe in der Lage sind, die erwartete und gewünschte Leistung zu erbringen, können wir gemeinsam beeinflussen. Wir müssen als Höchstlohnland, als ein Land mit nach wie vor auch höchster sozialer Sicherheit und höchster Produktivität höchste Leistungen erbringen.
    Der verehrte Kollege Kleinert (Marburg) — er ist jetzt nicht mehr da — hat hier gesagt und damit an sich eine richtige Feststellung vorgenommen, daß die Betriebe wieder gesund wären. Wenn den Betrieben aber gleichzeitig der Vorwurf gemacht wird, die Gesundung werde durch Rationalisierung herbeigeführt — sie sind gesund, weil sie keine Verluste mehr machen —, dann muß man sich doch fragen: Ist das nicht ein Beitrag zur Sicherung der Arbeitsplätze? Beklagen Sie die Rationalisierung, indem Sie sie zum Jobkiller machen? Dieser Zusammenhang stimmt übrigens nicht. Wenn Sie die Rationalisierung beklagen, sind Sie sich dann



    Cronenberg (Arnsberg)

    gleichzeitig bewußt, daß sie die Voraussetzung für Arbeit ist?
    Ich möchte den Kollegen Kleinert einmal fragen, ob er überhaupt jemals versucht hat, Produkte aus einer deutschen Fabrikation zu verkaufen, und zwar im Inland oder, was noch viel wichtiger ist, im Ausland, und ob er das Verkaufsgespräch damit beginnen würde, daß er feststellt: Es tut mir leid, Herr Einkäufer, meine Produkte sind teurer, möglicherweise auch ein bißchen schlechter; aber wir haben viel mehr Leute im Betrieb beschäftigt; deswegen sollen Sie das teurere und schlechtere Produkt kaufen.

    (Zuruf von der SPD: Das machen Sie sich aber sehr einfach! — Weitere Zurufe von der SPD — Zuruf von der FDP: Von dem kauft sowieso keiner!)

    — Das ist nicht zu einfach. Diese Auffassung kommt daher, daß Herr Kollege Kleinert im Gegensatz zu Ihnen nie in einem Betrieb gearbeitet, weder produziert noch verkauft hat. Wenn er diese Zusammenhänge kennen würde, würde er hier — intelligent genug ist er dafür ja — genauso gut eine solche Position vertreten, wie ich sie hier wahrnehme.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ähnliches trifft für die Arbeitszeitverkürzung zu.
    Frau Präsidentin, meine Fraktion hatte genügend Redezeit bekommen. Daher könnte für mich eigentlich nachgemeldet werden. Wenn ich noch fünf Minuten bekäme — ich glaube, wir haben noch mehr unausgenutzte Redezeit —, wäre ich sehr dankbar. — Danke schön.

    (Urbaniak [SPD]: Genügend Zeit zur Besinnung! — Mischnick [FDP]: Wir besinnen uns immer vorher und rede dann, das ist der Unterschied! — Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Sagen Sie aber etwas Vernünftiges!)

    — Ich zweifle nicht, Frau Kollegin Fuchs, daß Sie meine Ausführungen für weitaus vernünftiger halten, als es gelegentlich Ihre Zwischenrufe vermuten lassen.

    (Urbaniak [SPD]: Wir können differenzieren!)

    Bei dieser Gelegenheit darf ich Sie noch einmal daran erinnern, daß wir 150 000 bis 200 000 Arbeitsplätze mehr haben. Wenn Sie sich als aufmerksamer Leser der Wochenendausgaben der überregionalen Zeitungen betätigen, werden Sie feststellen,

    (Amling daß dort pro Monat über 20 000 Stellenangebote veröffentlicht werden, mit deren Hilfe die Betriebe qualifizierte Leute suchen. Deswegen ist es auch richtig, daß wir eine Qualifizierungsoffensive starten, um das Angebot an Arbeitskräften und die Nachfrage nach Arbeitskräften wieder deckungsgleich zu machen. (Zuruf des Abg. Immer [Altenkirchen] [SPD])

    Wenn wir darüber reden, daß Rationalisierungsinvestitionen notwendig sind, um bestehende Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen, ist es für mich selbstverständlich, daß die Unternehmensleitungen und die Betriebsräte über den Einsatz neuer Technologien miteinander sprechen. Unterrichtung ist sinnvoll. Die Betriebsräte sollen selbstverständlich gehört werden. Sie müssen selbstverständlich mitreden. Das bestreitet keiner.
    Aber ein Entscheidungsrecht, ein Vetorecht der Betriebsräte würde die technische Neuerung geradezu aufhalten und verhindern und Arbeitsplätze kosten. Das ist der tiefere Grund, warum wir sagen: beraten — dreimal ja, Information — dreimal ja, aber kein Vetorecht. Gehen Sie davon aus — das ist realistisch —, daß das nicht die Zustimmung meiner Fraktion finden wird.

    (Frau Fuchs [Köln] [SPD]: Mitbestimmung heißt doch nicht Veto! — Immer [Altenkirchen] [SPD]: Der war noch nie Betriebsrat!)

    Wir könnten heute mehr Arbeit haben, wenn Neueinstellungen für die Unternehmen nicht immer mit einem unkalkulierbaren Risiko verbunden wären. Selbst betrieblich unvermeidliche Kündigungen enden, wie jedermann weiß, am Arbeitsgericht. Welcher Unternehmer geht wohl gern ans Arbeitsgericht? Wer möchte das nicht vermeiden?
    Deswegen war es richtig, zu Zeitverträgen zu kommen, um den Arbeitslosen die Möglichkeit zu geben, überhaupt wieder zu arbeiten, im Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen. Das ist nicht soziale Demontage,

    (Immer [Altenkirchen] [SPD]: Zweiklassenrecht!)

    sondern eine Verbesserung der Möglichkeiten des Wiedereinstiegs.
    Wir, meine Damen und Herren, sind für einen sozial verpflichteten Liberalismus und nicht für eine frühkapitalistische Spielform, wie Sie uns immer — manchmal böswillig — unterstellen. Niemand will, daß geheuert und gefeuert wird. Schutz und Hilfe der Gemeinschaft müssen und sollen erhalten bleiben. Wir werden uns auch dafür einsetzen.
    Meine Damen und Herren, ich weiß, wie schwer es für eine Opposition ist, der Regierung Erfolg zu wünschen.

    (Zuruf der Abg. Frau Fuchs [Köln] [SPD])

    Deshalb möchte ich Sie herzlich bitten, unser Bemühen um mehr Arbeit, um den Dialog zwischen den gesellschaftlichen Gruppen zu unterstützen. Versuchen Sie nicht, mit Hilfe der Arbeitslosen und auf Kosten der Arbeitslosen scheinbar politische Vorteile zu gewinnen. Niemandem ist gedient, wenn



    Cronenberg (Arnsberg)

    Erwartungen geweckt werden, die nicht erfüllt werden können.

    (Zuruf des Abg. Reimann [SPD])

    Meine Damen und Herren, ich möchte Sie zum Schluß dazu auffordern, nicht durch staatliche Eingriffe, höhere Verschuldung und höhere Abgaben das Problem zu lösen, sondern unseren Weg mindestens ernsthaft zu prüfen. Ich fordere Sie deswegen dazu auf, damit es nicht dazu kommt, daß die Leute zum Schluß sagen: Es gibt zwei Gruppen. Die eine Gruppe sind die Sozialpolitiker, die 1 Million haben und ständig 2 Millionen ausgeben wollen; die andere Gruppe sind diejenigen, die sagen „Das geht nicht!". Dies darf nicht der Tenor der Auseinandersetzung sein. Deswegen mein Appell an Sie.
    Ich möchte Sie bitten, unsere Vorschläge, unsere Bemühungen zu unterstützen, auch kritisch zu begleiten, uns nicht den guten Willen abzusprechen. Um des wirtschaftspolitischen und sozialpolitischen Klimas willen sollten Sie die Erfolge, die unbestreitbar vorhanden sind, nicht negieren, sondern als Tatsache akzeptieren. Sollten Sie sich so verhalten, ist dies sicher ein Betrag zu einem besseren Klima, zu mehr Arbeitsplätzen, die Sie wie ich und wir wünschen. Hierfür möchte ich mich im voraus sehr herzlich bedanken.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hauff.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Volker Hauff


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu Beginn der heutigen Debatte hat der Bundeskanzler dazu aufgerufen — das hat dann auch bei mehreren Debattenrednern, zuletzt bei Ihnen, Herr Cronenberg, eine wichtige Rolle gespielt —, sich gegenseitig den guten Willen doch bitte schön nicht abzusprechen. Ich möchte dazu sagen: Die Botschaft hör' ich wohl. Aber ich frage mich, wie es eigentlich auf die Menschen wirkt, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind, die keinen Ausbildungsplatz finden, wenn sie wahrnehmen, mit welcher Selbstgerechtigkeit die Bundesregierung in der Debatte hier behauptet, sie hätte alles getan, was getan werden kann, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Diese Selbstgerechtigkeit war nicht mehr zu überbieten.

    (Beifall bei der SPD)

    Trotzdem möchte ich den Versuch wagen, für ein Stück Vernunft zu werben. Guter Wille heißt j a zunächst einmal, einander sorgfältig zuzuhören und auch bereit zu sein, einen Kompromiß zu schließen. Ich möchte den Versuch machen, für Vorschläge zu werben, wie wir mit der doppelten Herausforderung, vor der wir stehen, nämlich der Massenarbeitslosigkeit und der Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen, besser umgehen können, d. h., wie wir Arbeit und Umwelt besser miteinander verknüpfen können.
    Die bisherige Art der Bundesregierung, mit solchen Vorschlägen — es gibt eine ganze Reihe davon — umzugehen, ist kein gutes Beispiel für die politische Kultur in unserem Lande. Ich greife den Fall heraus, der mich persönlich am meisten interessiert. Das ist der Vorschlag, den wir Sozialdemokraten entwickelt haben: Arbeit und Umwelt miteinander zu verknüpfen und dafür ein Sondervermögen einzurichten.

    (Boroffka [CDU/CSU]: Wer zahlt's?)

    Die Bundesregierung hat nichts Eiligeres zu tun gehabt, als diesen Vorschlag in Bausch und Bogen

    (Boroffka [CDU/CSU]: Wer zahlt das Sondervermögen?)

    — jetzt warten Sie doch einen kleinen Augenblick!
    — und mit ziemlich dürftigen Argumenten abzulehnen: Das bringe nichts, das sei ein Beschäftigungsprogramm — das Gegenteil ist richtig —, das sei zu bürokratisch — die Kreditanstalt für Wiederaufbau ist nun wirklich nicht bürokratisch —, das führe zu unerträglichen Zinssteigerungen. Ein Mitglied dieser Regierung hat sich sogar dazu verstiegen: Das führe „zur Verschlechterung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft",

    (Immer [Altenkirchen] [SPD]: Im Gegenteil!)

    und von daher könne es sogar zu einem „Verlust von Arbeitsplätzen" führen.
    Meine Damen und Herren, diese Bewertungen sind nicht nur lächerlich; es ist für eine Regierung, die Verantwortung für den Abbau der Arbeitslosigkeit und für mehr Umweltschutz trägt, auch verantwortungslos, wie hier mit Vorschlägen umgegangen wurde.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Bürger haben ein Recht darauf, daß die Bundesregierung alle Vorschläge, die es gibt, sogfältig prüft und sich den Argumenten stellt und in dem Zusammenhang nicht Propaganda betreibt, sondern sich mit den Argumenten auseinandersetzt.
    Wir haben uns bei unserem Vorschlag neben vielen anderem hauptsächlich mit zwei Problemen auseinandergesetzt. Frage Nummer eins: Wie können wir das riesige Problem der Sanierung der angehäuften Umweltschäden, der Altlasten, lösen, die da sind, die niemand wegdiskutieren kann — vor allem bei Deponien — und bei denen das Verursacherprinzip nicht angewandt werden kann? Da kommt ein riesiger Finanzbedarf auf uns zu, der von den Kommunen nicht allein bewältigt werden kann.
    Zweites Problem: Wir betreiben eine Umweltpolitik mit Grenzwerten. Das ist richtig, das wird auch so bleiben. Nur, müssen wir dann dafür sorgen, daß an diesen jeweiligen Grenzwerten nicht Halt gemacht wird, sondern daß ein Anreiz für diejenigen geschaffen wird, die über die Grenzwerte hinausgehen wollen. Wir wollen die technologischen Innovationen beschleunigen. Gerade auf diesem Gebiet brauchen wir einen Aufbruch nach vorne, einen Aufbruch zu neuen Ufern, einen Aufbruch zur ökologischen Modernisierung unserer Volkswirtschaft.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Daher weg von der Brütertechnologie!)




    Dr. Hauff
    Wir wollen die ökologischen Schnelläufer.

    (Dr. Schwörer [CDU/CSU]: Sie hätten zum Hearing kommen sollen!)

    — Wir wollen sie wirklich fördern, Herr Schwörer. Ich sehe doch, daß es Ihnen wehtut. Das sind die beiden Fragen. Den Fragen können Sie nicht ausweichen. Da können Sie noch so laut dazwischenrufen.

    (Dr. Schwörer [CDU/CSU]: Sie hätten zum Hearing kommen sollen!)

    Die Fragen haben wir uns gestellt. Ich finde, diese Fragen sollte sich auch die Bundesregierung endlich stellen.

    (Dr. Schwörer [CDU/CSU]: Da waren die ganzen Sachverständigen da, aber Sie waren nicht da!)

    — Entschuldigung, ich war auf einer internationalen Konferenz. Aber Sie können davon ausgehen, daß ich mich sorgfältig infomiert habe. Ich konnte die Abwesenheit nicht vermeiden, weil ich dort mehrere Monate vorher zugesagt habe.

    (Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Aber wir haben die Sachverständigen angehört und haben uns auch informiert!)

    — Ich habe mich sehr sorgfältig informiert. Sie können ja nachher gern das Wort ergreifen.
    Unsere Antwort auf die beiden Fragen ist das Sondervermögen Arbeit und Umwelt. Es ist ein Beitrag zu wirksamem Umweltschutz. Gleichzeitig werden mehr Arbeitsplätze geschaffen.
    Eine ganze Reihe von Sachverständigen aus der Wirtschaft und aus der Wissenschaft hält diesen Vorschlag für vernünftig. Ich zitiere sie nachher im einzelnen. Es sind nicht nur jene, von denen Sie meinen, sie ständen uns besonders nahe.
    Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung — DIW — äußert sich so:
    Ohne Zweifel wäre ein auf die „Mobilisierung zusätzlicher Umweltschutzinvestitionen gerichtetes Programm ein wichtiger Baustein ... in einer solchen gebündelten Strategie", Arbeit und Umwelt miteinander zu verknüpfen.
    So wörtlich! Das DIW kommt zu dem Ergebnis, daß damit 400 000 bis 450 000 Arbeitsplätze geschaffen werden können.

    (Dr. Schwörer [CDU/CSU]: Was hat es zur Finanzierung gesagt?)

    Das Ifo-Institut — Institut für Wirtschaftsforschung — kommt zu dem Ergebnis: 200 000 Arbeitsplätze. Wenn die Wahrheit irgendwo dazwischen ist, ist es ja gut. Nur, wenn angesichts dieser Größenordnung von auf jeden Fall über 200 000 Arbeitsplätzen behauptet wird, wie es ein Mitglied dieser Regierung getan hat, das seien vernachlässigbare Größenordnungen, sage ich: Wer das für eine vernachlässigbare Größenordnung hält, den bezichtige ich des blanken Zynismus.

    (Beifall bei der SPD)

    Zum Instrument der Zinsverbilligung. Es wurde von der Bundesbank kritisiert. Das hat mich gar nicht überrascht. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen hat es aber begrüßt. Er hat wörtlich gesagt, das sei ein „besonders geeignetes Instrument für integrierten Umweltschutz" — den wir doch alle wollen —, weil es über eine Senkung der Kapitalkosten ein früheres Erreichen der Rentabilitätsschwelle ermögliche. Auch das spricht für das vorgesehene Sondervermögen.
    Was die Finanzierung angeht, haben wir einen Vorschlag gemacht. Wir halten ihn für seriös. Trotzdem sage ich: Wer einen besseren Vorschlag hat, soll ihn präsentieren. Dann treten wir in einen fairen Wettstreit ein. Herr Cronenberg, wer bei der Finanzierung sagt „entweder Neuverschuldung oder Steuererhöhungen", der möge bitte zur Kenntnis nehmen, daß die Sachverständigen zu dieser Frage einhellig die Auffassung vertreten haben, daß die Selbstfinanzierung von mindestens 50 % bei diesem Programm gegeben ist.

    (Beifall bei der SPD — Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Und die anderen 50 %?)

    Das mögen Sie bitte zur Kenntnis nehmen.
    Die Altlasten in unserer Umwelt sind zu einer tikkenden Zeitbombe geworden. Alle Experten waren der Meinung, daß es dafür bis heute noch keine Lösungsinstrumente gibt. Das Problem ist ungelöst. Vor allem die Verantwortlichen aus den Kommunen, aus der Praxis haben diesem Sondervermögen bescheinigt, daß es für das Problem der Altlasten besonders geeignet erscheint. Das Umweltbundesamt rechnet hier, wie Sie wissen, mit einem Finanzbedarf in der Größenordnung von 14 Milliarden DM auf zehn Jahre. Andere reden von 50 Milliarden DM. Vor kurzem hat der Kollege Biedenkopf in einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung mit mir diese Größenordnung aus seiner Sicht bestätigt. Um diese Größenordnung handelt es sich.
    Wenn es so ist, dann rollt hier ein Bedarf in einer Milliardengrößenordnung auf die Gemeinden zu, der die Gemeinden überfordert, nicht zuletzt deswegen, weil sie völlig ausgeblutet sind, vor allem dort, wo es hohe Arbeitslosigkeit gibt,

    (Beifall bei der SPD)

    weil man zwar die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gesenkt, aber dies auf Kosten der Kommunen gemacht hat, die jetzt die Sozialhilfe bezahlen müssen.

    (Broll [CDU/CSU]: Die rechnen alle mit Entlastung auf Grund des neuen Gesetzes; das wissen Sie ganz genau!)

    Das Institut für Urbanistik hat deswegen gezeigt, daß das eine Möglichkeit zur Lösung des Problems ist.
    Die Bundesregierung lehnt, jedenfalls bis jetzt, unseren Vorschlag ab. Ich sage deutlich und klar: Das ist ihr gutes Recht. Das ist gar keine Frage.
    Aber ich warne Sie: Mit der Ablehnung werden die Fragen, die wir gestellt haben, nicht gegenstandslos: Wie wird man mit den Altlasten fertig? Wie fördert man die wirklichen Schnelläufer auf



    Dr. Hauff
    umweltpolitischem Gebiet? Auf diese beiden Fragen müssen Antworten gegeben werden. Ein Nein reicht dazu nicht aus. Sie mögen unsere Antwort ablehnen. Aber dann sagen Sie doch endlich, was Ihre Antwort darauf ist! Dann haben wir einen fairen Wettstreit. Dann können wir darüber streiten. Aber nur nein zu sagen und gar nichts zu machen, das ist doch keine Politik.

    (Beifall bei der SPD)

    Deswegen sage ich: Mit Denkverboten, um nicht zu sagen: mit Denkfaulheit lassen sich diese Probleme nicht lösen. Ich spreche niemandem den guten Willen ab. Aber ich spreche denen, die sich bis jetzt auf Ihrer Seite öffentlich mit diesem Thema beschäftigt haben, die Ernsthaftigkeit des Nachdenkens auf diesem Gebiet ab. Und das halte ich für bedauerlich.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Meyer zu Bentrup [CDU/CSU]: Sagen Sie mal die Antwort, die Sie geben!)