Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kelly, es hätte Ihnen eigentlich auffallen müssen, daß das, was Sie als Vorwurf an die Adresse des Bundesministers Geißler gerichtet haben, so nicht haltbar ist; denn das, was Sie in bezug auf die EG-Aussagen erklärten, wurde meines Erachtens gerade auch heute früh entsprechend korrigiert.
Nach den Herz- und Kreislaufkrankheiten, meine Damen und Herren, ist der Krebs bei Männern und Frauen in der Bundesrepublik die zweithäufigste Todesursache. Diese Krankheit ist der Bereich, der neben den seelischen Krankheiten seit 1972 eine stete Zunahme zu verzeichnen hat. In den letzten 30 Jahren stieg der Anteil der Krebskrankheiten an den Todesursachen bei den Männern von 15 auf über 23 % und bei den Frauen von 17 auf über 25 %.
Dies ist eine überaus bedauerliche Entwicklung. Angesichts der sich hinter diesen Zahlen verbergenden menschlichen Schicksale und Tragödien ist es zwar grundsätzlich zu begrüßen, daß sich der Bundestag — nachdem wir im April über die pädiatrische Onkologie gesprochen hatten — heute erneut mit dem Problem der Krebserkrankung beschäftigt. Zu bedauern ist allerdings, daß mit der Anfrage der GRÜNEN versucht wird, dieses ernste Problem auf parteitaktische Überlegungen und emotionale Fragestellungen zu reduzieren.
— Lesen Sie einmal genau durch, was Sie selber fragen. Sie wollen den Eindruck erwecken, die Bundesregierung würde nichts oder nicht energisch genug zur Lösung des Problems Krebs beitragen.
Die in Verbindung mit dieser Krankheit bestehenden Fragen sind, so meine ich, zu ernst, als daß sachfremde Erwägungen und unterschwellige Verdächtigungen einen Platz hätten.
Das Erwecken von Unruhe und latenter Angst in der Öffentlichkeit hilft unseren Bürgern und den Betroffenen schon gar nicht.
Die Schwierigkeiten beginnen ja — darüber sind wir einig — mit der Beschreibung der Ursachen, die zu Krebs führen. Wenngleich heute ganz bestimmt niemand mehr die besondere Bedeutung von Umwelteinflüssen für die Krebsentstehung bestreitet, so ist es doch einfach zu kurz gegriffen, die Diskussion primär auf dieses Feld zu beziehen und den Eindruck zu erwecken, als ob Industrie und Wirtschaft leichtfertig karzinogene Verfahren und Produkte in Kauf nehmen und in Umlauf bringen,
und als ob die Bundesregierung beinahe untätig zusähe. Das ist doch nicht so; das wissen Sie genau!
Die Bundesregierung hat doch bisher stets gehandelt, wo auf der Grundlage gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse gesundheitliche Risiken bei der Verwendung moderner Materialien verringert oder ganz beseitigt werden mußten. Die Bundesregierung ist doch in laufender Abstimmung mit den Ämtern für Gesundheit und Umwelt darüber, welche Maßnahmen gegen erwiesenermaßen krebsfördernde Stoffe möglich und nötig sind.
Die Ergebnisse wissenschaftlicher Prüfungen von Materialien und Stoffen werden doch fortwährend — das wurde heute schon angesprochen — z. B. im Bereich des Abfallbeseitigungsgesetzes, des Arbeitsplatzschutzgesetzes, des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes praktisch umgesetzt.
Die Fraktion der CDU/CSU wird auch in Zukunft die Bundesregierung bei diesen Bemühungen unterstützen, auch unterstützen, um Klarheit über die Art und Gewichtung der Vielzahl von Faktoren zu erhalten, die zur Entstehung von Krebs beitragen, und um die daraus für den Schutz der Gesundheit unserer Mitbürger erforderlichen Maßnahmen gemeinsam durchzusetzen.
Das Gesamtprogramm zur Krebsbekämpfung und die sogenannten Krebskonferenzen sind doch ein weiterer Beweis dafür, wie ernst die Bundesregierung die Krankheit Krebs nimmt. Die bisher
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Oktober 1985 12175
Werner
dort gemachten Vorschläge sind nach Prüfung, zügig in die Praxis umzusetzen. Die Koordinierung der Forschungsvorhaben der verschiedensten Einrichtungen und die Zusammenarbeit der mit der Krebsverhütung und -behandlung befaßten Organisationen ist noch verbesserungsfähig; denn auch nur dadurch werden wir z. B. einen Einblick erhalten in die Gesamtheit der im Bereich des Krebses, für dessen Prävention, Therapie und Nachsorge aufgewandten Mittel.
Ausdrücklich begrüße ich, daß sich die Bundesregierung nachhaltig gerade in dem Gesamtprogramm zu der Förderung sogenannter unkonventioneller Therapien bekannt hat. Der Mensch ist eine Leib-Seele-Einheit. Krebstherapien müssen daher die Ganzheitlichkeit des Menschen zum Gegenstand haben und dürfen sich nicht auf medizinische Teilbereiche beschränken. Mein Dank gilt an dieser Stelle all jenen, die sich in Forschung und Therapie, in und außerhalb unserer Kliniken, für die Krebskranken von heute, aber auch — so muß man sagen — von morgen einsetzen.
Nur der unermüdlichen Arbeit dieser Menschen ist es zu verdanken, daß in den vergangenen Jahren beachtliche Erfolge auf dem Felde der Prävention, der Früherkennung, der Therapie wie auch der Nachsorge erreicht werden konnten. Wer diese Kleinarbeit vor Ort kennt, wird mit sensationsträchtigen Forderungen und falsche Erwartungen weckenden Vorschlägen zurückhaltend sein, meine Damen und Herren.
Der Bund wird die laufenden Forschungsprogramme fortsetzen. Dies ist dringend notwendig angesichts der Komplexität der komplizierten intrazellulären Vorgänge, um die es sich dabei handelt. Im Rahmen des Gesamtprogramms erhalten die Tumorzentren auch in Zukunft die notwendigen Gelder. Der Bund wird auch weiterhin mit beträchtlichen Mitteln die Modellvorhaben unterstützen.
Zu Recht sagen wir immer wieder, daß die Selbsthilfegruppen im psychosozialen Bereich eine unverzichtbare und dankenswerte Leistung erbringen, besonders im Bereich der Nachsorge. Wir danken ausdrücklich dafür und erkennen ihre Forderung an, daß die psychiatrische und auch seelsorgerische Betreuung der Kranken und ihrer Familien noch ausgebaut werden muß. Aber es ist zunächst Aufgabe der Länder, das hierfür erforderliche Personal zur Verfügung zu stellen. Die neue Pflegesatzverordnung bietet die Möglichkeit, in Zukunft Sonderpflegesätze für diese Leistungen zu vereinbaren.
Nun ein Wort zu regionalen Krebsregistern. Diese sind notwendig; aber es ist noch zu prüfen, ob nicht eine zentrale Datenbank die regionalen Auswertungen anonym zusammenfassen muß. Hier hat Frau Kelly selber schon auf den Zwiespalt in den eigenen Reihen hingewiesen. In Hessen lehnen die GRÜNEN jegliches Krebsregister ab. Hier in Bonn scheinen bestimmte Gruppierungen dafür zu sein.
Die Gesundheitsaufklärung — das liegt mir besonders am Herzen — muß verstärkt werden. Denn nur so können Vorbeugung und Früherkennung die
Zahl der tödlich verlaufenden Krankheiten vermindern. Die von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung erarbeiteten Materialien über schädliche Eß- und Lebensgewohnheiten, über Nikotin- und Alkoholgenuß gehören in die Schulen und in die Medien hinein. Hier kann und muß noch Zusätzliches geschehen. Nur dann wird es uns gemeinsam gelingen, den einzelnen zu eigenverantwortlichem, gesundheitsbewahrendem Verhalten zu bringen. Durch eigenverantwortliches Handeln kann jeder zur Verringerung der Wahrscheinlichkeit einer Krebserkrankung beitragen und damit auch an der Verwirklichung der Vorschläge der Krebskonferenzen mitarbeiten. Staat, Wirtschaft, Gesellschaft, aber auch der einzelne müssen zusammenarbeiten. Dann erst — und erst dann — werden unser aller Anstrengungen um Verhütung und Behandlung von Krebserkrankungen in allen Lebensaltern von einer größeren Aussicht auf Erfolg belohnt werden.
Wir haben Ihnen, meine Damen und Herren, einen Entschließungsantrag vorgelegt und bitten darum, daß Sie ihn unterstützen. Den Antrag der GRÜNEN halten wir für unnötig, da er sich wirklich nur mit einem sehr begrenzten Teilbereich, einem Teilbereich eines sehr weiten, komplexen Problems befaßt.