Rede von
Dr.
Axel
Wernitz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Schon deswegen könnte nach § 9 a des Atomgesetzes auf sie verzichtet werden. Zur Vermeidung unterschiedlicher Interpretationen dieses Paragraphen verlangen wir eine klarstellende Änderung des § 9 a, in der festgeschrieben wird, daß die direkte Endlagerung abgebrannter Brennelemente als alleiniger Entsorgungsweg gilt.
Meine Damen und Herren, niemand bestreitet, daß die sichere Entsorgung radioaktiver Abfälle eine wichtige Voraussetzung für die weitere Nutzung der Kernenergie auch in Leichtwasserreaktoren ist. Selbst wenn man auf die weitere Nutzung der Kernenergie verzichten wollte,
muß ein sicherer Entsorgungsweg gefunden werden. Hier kann die Bundesregierung auf uns rechnen, wenn es darum geht, die Entsorgung zunächst in Zwischenlagern und dann im Endlager sicherzustellen. Dies unterscheidet uns von den GRÜNEN,
12142 Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 162. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Oktober 1985
Dr. Wernitz
die jede seriöse Lösung für das Entsorgungsproblem bisher ablehnen.
Die Antwort auf meine Zwischenfrage vorhin hat das erneut bestätigt.
Meine Damen und Herren, wir haben erst wieder am 11. September dieses Jahres im Innenausschuß des Bundestages gefordert, daß der Bau und der Betrieb von Zwischenlagern für abgebrannte Brennelemente formalrechtlich abgesichert werden muß und daß wegen der Unsicherheiten hinsichtlich der Eignung des Salzstockes in Gorleben für ein Endlager ein weiterer Salzstock zu untersuchen ist. Dieser Parallelansatz, den früher auch — ich erinnere daran — die Kollegen von der FDP immer mitgetragen haben, ist von den Kollegen der Koalition bei diesem Antrag leider nicht mit vollzogen, sondern der Antrag ist abgelehnt worden.
Aus unserer Ablehnung der Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf ergibt sich die Forderung, daß der am 5. Juni 1985 gefaßte Beschluß des BundLänder-Ausschusses „Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur", für den Bau der Wiederaufarbeitungsanlage eine Regionalförderung von 600 Millionen DM vorzusehen, rückgängig gemacht wird. Diese Mittel würden danach für andere, nach unserer Auffassung geeignetere Projekte frei.
Lassen Sie mich noch einige Worte zu den kommenden Demonstrationen gegen die Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf sagen.
Wir Sozialdemokraten sind und bleiben entschiedene Verfechter des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit,
also das Recht, friedlich und ohne Waffen und ohne Gewaltanwendung zu demonstrieren.
Im konkreten Fall der Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf werden diese Demonstrationen von uns teilweise getragen, teilweise unterstützt.
Erst dieser Tage hat die bayerische SPD erneut deutlich gemacht, daß sie alle legalen — ich betone noch einmal: legalen — Möglichkeiten ausschöpfen wird, um dieses Projekt zu verhindern.
Eines, meine Damen und Herren, muß jedoch klar sein: Man tut weder der Sache noch sich selbst einen Gefallen, wenn die Aktionen den Boden von Recht und Gesetz verlassen und in die Gewalt eskalieren.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse appelliere ich deshalb an alle, innerhalb und außerhalb dieses Hauses, in dem von mir angesprochenen Sinne persönlich beispielhaft zu wirken und damit persönlich engagiert für unsere rechtsstaatliche Demokratie einzutreten.
Meine Damen und Herren! Zwischen der Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf und dem Schnellen Brüter in Kalkar besteht zwar kein unmittelbarer Zusammenhang, weil in Wackersdorf ja keine Brennelemente für den SNR 300 wiederaufgearbeitet werden sollen. Gleichwohl besteht natürlich ein mittelbarer Zusammenhang dadurch, daß eine langfristige Brutreaktorstrategie ohne Wiederaufarbeitung keinen Sinn macht.
Dieser Zusammenhang wird derzeit in den zuständigen Gremien meiner Partei diskutiert. Hier wird es in den nächsten Tagen und Wochen eine Meinungsbildung und dann eine Entscheidung geben. Wir lehnen es allerdings ab, uns in dieser Sache durch kurzfristig von anderen entwickelte Aktivitäten unter Zeit- und Entscheidungsdruck setzen zu lassen.
Für unseren Entschließungsantrag zu Wackersdorf beantragen wir seitens der SPD-Bundestagsfraktion namentliche Abstimmung und hoffen auf eine breite Zustimmung in diesem Hause. Die Anträge der GRÜNEN lehnen wir ab, da wir unsere Position im eigenen Antrag umfassend präsentiert und präzisiert haben. Den Antrag der Koalition lehnen wir ebenfalls ab.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.